Kreditverknappung - Hedgefonds spekulieren auf Hyperinflation 01.08.2009 20:14
Die neuesten, am 22. 7. 09 veröffentlichten Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) und mehrerer nationaler Zentralbanken zeigen,
daß das Finanzsystem nach der »Komaphase« seit September 2007 in eine Phase der Auflösung eingetreten ist. Das Kredit-Volumen in der Eurozone ist von Februar bis Mai 2009 um durchschnittlich 3,3 % geschrumpft, nachdem es 2008 und Januar 2009 noch nominell gestiegen war. In großen EU-Ländern nahm die Kreditvergabe an Unternehmen noch stärker ab: Deutschland -5 %, Italien -4,6 %, Frankreich -4,4 %. In Irland waren es sogar -11,9 %. In absoluten Zahlen schrumpfte die Kreditvergabe an Firmen um 16,3 Mrd. €. Aufs Jahr gerechnet beträgt der Rückgang für die gesamte Eurozone 5 %. Tatsächlich ist die Lage noch viel schlechter, weil viele Wertpapiere, die bisher außerhalb der Bilanzen geführt wurden, in die Bilanzen aufgenommen wurden und sie besser aussehen lassen. Während die Banken immer weniger Kredit an die Wirtschaft vergeben, melden viele Hedgefonds ihr bestes Quartalsergebnis seit zehn Jahren, wie die Financial Times berichtete. Sogenannte Investoren legen wieder Geld bei Hedgefonds an, die von den Fonds verwalteten Werte nahmen im 2. Quartal 2009 insgesamt um 142 Mrd.$ zu. Praktisch heißt das, daß die Banken, die im Austausch für finanziellen ›Giftmüll‹ Zentralbankgelder erhalten, die Kreditvergabe an die Wirtschaft drosseln, aber gleichzeitig neuen Giftmüll produzieren, indem sie Gelder bei Spekulationsfonds anlegen. Einige Fonds spekulieren sogar auf Hyperinflation. In einem privaten Gespräch sagte ein spekulativer Händler der französischen Bank Société Générale: »Wir reden hier täglich über Hyperinflation.« Er stimmte unserer Vorhersage zu, daß auf eine Zeit der Deflation eine weltweite Hyperinflation wie 1923 in Deutschland folgen werde. »Für uns ist nicht mehr die Frage ob, sondern wann. Nach meiner Einschätzung kann der jetzige Schlamassel noch ein oder zwei Jahre weitergehen, und dann, peng, wird die Hyperinflation explodieren.« Die Finanzbranche setzt offenbar schon darauf. Der Händler fuhr fort: »Seit vier Monaten arbeiten wir mit vielen Hedgefonds an einer Strategie, wie man aus der kommenden Hyperinflation riesige Gewinne machen kann. Darauf spekuliere ich. Ich bin gegen Spekulation mit Öl und Nahrungsmitteln, weil das den Menschen wirklich schadet, aber auf Hyperinflation spekulieren? Super!« 1 Woher kommen die Profite, wenn die reale Wirtschaft kaputtgeht? In der USA haben vier der größten Banken des Landes riesige Gewinne für das zweite Quartal gemeldet, und das löste wie zu erwarten einen Chor der ›üblichen Verdächtigen‹ aus, das Finanzsystem habe jetzt den Sturm überstanden und sei wieder zur Normalität zurückgekehrt. »Die Party geht weiter, Leute, die Geldmaschine läuft wieder!« Das Ausmaß der Illusionen, Doppelzüngigkeit und Dummheit in Regierung, Finanzwelt und Medien ist unglaublich. Praktisch entspricht nichts von dem, was sie sagen, der Wahrheit, denn praktisch nichts von dem, woran sie selbst glauben, ist wahr. Die Banken machen keine Gewinne. Das System ist am Ende, und diese Leute sind es auch. Daran können keine geschönten Bilanzen und keine Marktschreierei der Welt etwas ändern. Alles andere ist Illusion. Wir reden hier von einem Weltfinanzsystem, das von Schmarotzern geschaffen und gesteuert wurde. Seine Macht liegt darin, daß es das Finanzwesen über ein Netz von Zentralbanken und mächtigen Finanzhäusern weltweit in der Hand hat, und mit dem Geld kauft es in allen Nationen der Welt korrupte private und staatliche Interessen. Dieses Empire ist es, was uns den Derivatmarkt bescherte, der die Welt Mitte 2007 in die Luft gejagt hat, und seitdem hat es Billionen von Dollars an Steuergeldern gestohlen, um seine Verluste zu vertuschen, während der Bevölkerung rücksichtslose Einschnitte beim Lebensstandard bevorstehen. Dieses Monstrum wiederzubeleben, ist wohl die schlechteste Idee, auf die man kommen kann - und vielleicht ist gerade das der Grund, warum Präsident Obama sie unterstützt. Die zweite Illusion ist, daß das System gerade dabei sei, wieder zum Leben zu erwachen. Das tut es nicht - es ist toter als Adam Smith. Der Derivatmarkt ist tot, und das Bankenwesen wird hastig ›konsolidiert‹ - die größten und bankrottesten Banken werden am Tropf der Federal Reserve erhalten, während die kleinen mit einem Tempo geschlossen werden, wie man es seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr gesehen hat. Das einzige, was bisher einen unübersehbaren Kollaps des Bankensystems verhindert hat, ist Bilanzbetrug in einem nie gekannten Ausmaß. Papierwerte, die in Wirklichkeit wertlos sind, werden mit Billionen an Dollars in den Büchern aufgeführt, damit es so aussieht, als wäre man solvent. Das ist kriminell, aber auch eine gewaltige Dummheit. Die dritte Illusion ist, daß dies eine reine Finanzkrise sei, deren Lösung von den sogenannten Finanzexperten kommen muß. In Wirklichkeit soll die ›finanzielle Lösung‹, die man den verzweifelten Bankiers und Bürgern anbietet, nur ablenken, während die eigentliche, bösartige politische ›Lösung‹ betrieben wird. Während die Menschen wie gebannt auf das Zuckerbrot neben der Peitsche schauen, wird die Weltordnung umgekrempelt und eine globale Finanzdiktatur errichtet. Dabei wird auch die USA politisch zerstört. Der falsche Schein einer Wiederbelebung des Finanzsystems ist also keineswegs ein gutes Zeichen, sondern äußerst gefährlich, weil es uns von der eigentlichen Lösung entfernt. Die Bürger in Amerika und in anderen Ländern sollten sich den wirtschaftlichen Zustand um sich herum einmal genau anschauen. Die Wirtschaft sackt immer mehr in den Keller, und jeden Monat verlieren Hunderttausende Menschen ihre Arbeit. Der Wert von Immobilien und finanziellen Rücklagen verfällt, die Einnahmen versiegen. Gleichzeitig steigen die Preise für Nahrungsmittel, Energie und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Wenn das Einkommen sinkt und die Kosten steigen, sollte selbst ein Kaiser Nero erkennen können, daß uns mehr Ärger bevorsteht. Sechs US-Bundesstaaten erreichten im Juni Rekordraten bei der Arbeitslosigkeit; Michigan durchbrach nach Angaben des Büros für Arbeitsstatistik als erster Bundesstaat seit einem Vierteljahrhundert die 15 %-Marke. In 15 Bundesstaaten lag die Arbeitslosenrate über 10 %. Aber das sind nur die offiziellen Zahlen, die reale Arbeitslosigkeit liegt wahrscheinlich etwa doppelt so hoch. Was bedeutet das für die betroffenen Familien, für die Kommunen und Bundesstaaten, die auf die Steuereinnahmen angewiesen sind, und für die Geldinstitute, bei denen diese Menschen ihre Hypotheken, Konten und Kreditkarten haben? Betrachten wir die angeblichen Bankprofite vor diesem Hintergrund. Selbst wenn diese Banken solvent wären, wären sie es nicht mehr lange, weil ihnen die Wirtschaft unter den Füßen wegbricht. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist die Bevölkerung, und deren Lebensgrundlage, die Realwirtschaft, wird von Banken wie Goldman Sachs systematisch geplündert: dies mit dem wohlwollenden Einverständnis der Regierung Obama und der Federal Reserve. Je mehr Geld diese Narren als Rettungspakete weggeben, desto schneller bricht die Wirtschaft zusammen. So nannte Summers beispielsweise als Beweis für seine Behauptung, die ›Rezession‹ sei vorbei, daß auf Google jetzt nicht mehr so oft nach dem Begriff ›Wirtschaftsdepression‹ gesucht werde! »Anfang des Jahres standen wir am Rande einer Katastrophe, aber inzwischen haben wir uns wieder ein gutes Stück vom Abgrund zurückbewegt«, behauptete er in einer Rede vor dem Peterson-Institut für internationale Wirtschaft. 1 Der Leiter der EZB verteidigt die Spekulation Die Finanzspekulation mit lebenswichtigen Rohstoffen ist in vielen Ländern der Welt, die um ihr Überleben kämpfen, immer mehr in die Kritik geraten, und sogar im US-Kongreß ist über sie debattiert worden. Dennoch sind verschiedene Sprecher der Finanzwelt sogar an die Öffentlichkeit getreten, um ihre Vorzüge zu verteidigen und zu leugnen, daß die Öl- und Rohstoffpreise durch spekulative Termingeschäfte in die Höhe getrieben werden. Bei einer Anhörung des Finanzausschusses des Europaparlaments am 25.6. letzten Jahres wurde EZB-Chef Jean-Claude Trichet von dem sozialistischen Europaabgeordneten Robert Goebbels aus Luxemburg über die Rolle der Finanzspekulation bei den hohen Preisen für Öl- und Nahrungsmittel befragt. Trichet sagte, die Gründe für die hohen Preise lägen in einer »sehr, sehr aktiven Nachfrage« der aufstrebenden Märkte, in Versorgungsengpässen und »ich würde nicht sagen Spekulation, sondern mehr in der Neuausrichtung der globalen Portfolios in Richtung Rohstoffe ….. Ich bin mir nicht sicher, ob die Spekulation der Hauptschuldige für das ist, was wir beobachten«, betonte Trichet. »Die Hauptpunkte sind Angebot und Nachfrage.« Gemäß der Financial Times attackierte Trichet auch Vorschläge zur Dämpfung des finanziellen Rohstoffhandels, wie z.B. durch eine Besteuerung oder Regulierung der Terminmärkte, die von Italiens Wirtschaftsminister Giulio Tremonti und dem österreichischen Finanzminister Wilhelm Molterer in die Debatte gebracht worden war. Natürlich vergaß Monsieur Trichet zu erwähnen, daß solch eine ›Neuausrichtung‹ auf der großzügigen Versorgung des Systems mit Geld beruht, wie sie von ihm und seinen Zentralbankkollegen in anderen Ländern durchgeführt wird. Ein weiteres Beispiel ist die Intervention des italienischen Ökonomen Antonio Martino. Er ist Mitglied der ultraliberalen Mont-Pelerin-Gesellschaft und enger Freund des neokonservativen Agenten Michael Ledeen. Am 24. 6. 08 veröffentlichte er einen Artikel in der Tageszeitung Libero mit dem Titel ›Lieber Tremonti, ich sage: Mögen die Spekulanten lange leben!‹ Martino reagierte damit auf Tremontis Vorschlag - den dieser auf dem letzten G-8 Treffen der Finanzminister vorgebracht hatte - Warentermingeschäfte durch eine Erhöhung der zu hinterlegenden Sicherheiten zu dämpfen, da sie für das Hochtreiben von Preisen verantwortlich seien. 2 Goldman Sachs feiert den Aufschwung, während die Realwirtschaft kollabiert Klaus Mangold, Vorstand bei Daimler-Benz und Chef des Ostausschusses des BDI [Bundesverband der Deutschen Industrie], machte letzte Woche seiner Verärgerung über diejenigen, die die gigantischen Gewinne von Goldman Sachs als Beweis für den Aufschwung bezeichnen, Luft. Bei der abschließendes Sitzung des Petersburger Dialogs in München erklärte er, in Wirklichkeit kollabiere die Realwirtschaft immer dramatischer. Eine schlechte Nachricht nach der anderen käme aus den Bereichen des Maschinenbaus, des Automobil- und Stahlsektors und anderen Bereichen. Das Schlimmste würde erst für 2010 erwartet, auch weil die Banken der Industrie keine Kredite gewährten, wie sie es sollten. Die Berichte über die Milliardengewinne von Goldman Sachs, die mit staatlichen Mitteln unterstützt wurden und ihre eigene Aktien auf den Markt warfen, die Berichte über eine generelle Rückkehr zum Alltag bei den Finanzspekulanten - und auf der anderen Seite der rasch fortschreitende Zusammenbruch der Realwirtschaft und die daraus folgende Verschlechterung des Lebensstandards, zeigen die Größe der Krise. Die Kluft zwischen Finanzoligarchie und Vernunft wird immer deutlicher. 3 1 Strategic Alert Jahrg. 23, Nr. 31 vom 29. Juli 2009 2 Strategic Alert Jahrg. 22, Nr. 27 vom 3. Juli 2008 3 http://www.bueso.de/news/goldman-sachs-feiert-aufschwung-wahrend-realwirtschaft-kollabiert 20. 7. 09 - auszugsweise
|