Verschuldung und Abtretung der Souveränität 21.02.2010 23:15
politonline d.a. Griechenlands Situation kann man noch immer als sich »in der Schwebe« befindend betrachten. Wie der neue EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy
Mitte Januar gewissermassen zur Beruhigung erklärt hatte, würden die Mitglieder der Euro-Zone »falls notwendig, entschlossene und abgestimmte Massnahmen ergreifen, um die Stabilität im gesamten Währungsraum sicherzustellen«. Wie er das im einzelnen zu bewerkstelligen gedenkt, das hätte man angesichts des Umstands, dass das »EU-Schuldenchaos« insgesamt mehr als düster aussieht, gerne etwas näher präzisiert gehabt. Griechenland steht laut einer Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für das dritte Quartal 2009 bei ausländischen Banken mit schlecht vorstellbaren 302 Milliarden US-$ in der Kreide. Es bleibt die Frage, wohin all diese Gelder geflossen sein müssen, um einen derartigen Schuldenberg aufzubauen. Die grössten Gläubiger sind Frankreich mit 75 Milliarden die Schweiz mit 64 Milliarden Deutschland mit 43 Milliarden die USA mit 16,4 Milliarden Grossbritannien mit 12,3 Milliarden die Niederlande mit 12,0 Milliarden Portugal mit 10,3 Milliarden Wie Michael Grandt hierzu ausführt, »trifft es die Eidgenossen am schlimmsten: Ganze 12 % ihres Bruttoinlandsprodukts machen die Kredite der Schweizer Banken an Griechenland aus 1. Zu den möglichen Staatsbankrott-Kandidaten zählt u.a. bekanntlich auch Spanien, das gemäss BIZ im Ausland mit 1,15 Billionen $ verschuldet ist, wovon der grösste Anteil, 240 Mrd. $ auf die BRD entfällt. Was Portugal betrifft, so ist es in Deutschland mit 47 Milliarden $ verschuldet. Es sieht nicht danach aus, als bestünde bei der Kreditvergabe nach rechts und nach links ein halbwegs koordinierter Überblick. Laut BRD Finanzminister Schäuble 2 muss die EU-Solidarität vor allem darin bestehen, die griechische Bevölkerung von der Notwendigkeit einer soliden Finanzpolitik zu überzeugen. Dies werde schwere Belastungen mit sich bringen, doch das sei »der Preis für Jahrzehnte mit einer unseriösen Politik und einem unverantwortlichen Leben über die Verhältnisse.« Das hinderte Ministerpräsident Giorgios Papandreou allerdings nicht daran, mit Vorwürfen aufzuwarten. Die EU-Länder hätten viel zu lange gebraucht, bevor sie sich vereint hinter Griechenland gestellt hätten. Dies, meint er, hätte seinem Land bei der Bewältigung seiner schweren Schuldenkrise geschadet. Zu den zwecks Sanierung der Staatsfinanzen zu ergreifenden Massnahmen gehört u.a., dass ab jetzt auch normale Arbeitnehmer zur Kasse gebeten werden sollen und eventuelle Privilegien verlieren. So müssen Taxifahrer in Griechenland künftig Quittungsdrucker in ihren Autos installieren und zwingend benutzen. Gleichzeitig werden sie künftig nicht mehr wie bisher mit einer niedrigen Pauschale, sondern nach ihren tatsächlichen Umsätzen besteuert. Ausserdem will die Regierung minutiöse Konsumprofile der Steuerbürger erstellen, um über dokumentierte Ausgaben und Einnahmen möglichen Steuersündern auf die Schliche zu kommen. Wer beispielsweise ein Einkommen von 10.000 Euro im Jahr ausweist, den eigenen Nachwuchs aber auf teuren Privatschulen unterrichten lässt, wird künftig den Steuerprüfer im Haus haben. Irwin Konrad zufolge 3, legte die New York Times in ihrer Ausgabe vom 14. 2. offen, dass grosse US-Banken Griechenland geholfen hätten, seine wachsende Staatsverschuldung über Jahre hinweg mit krimineller Energie zu tarnen. Durch Finanzspritzen in Höhe von vielen Milliarden $ sei Athen über ein Jahrzehnt lang in der Lage gewesen, die europäischen Stabilitätskriterien systematisch zu unterlaufen, hiess es. Diese Zuwendungen seien nicht als Kredite, also als Schulden, verbucht worden, sondern wurden als Währungsgeschäfte getarnt. Offensichtlich sieht Griechenlands Staatschef das ganz anders: Er warf der EU vor, die konservative Vorgängerregierung in Athen nicht angemessen kontrolliert zu haben. Damit habe sich die EU vor ihrer Verantwortung gedrückt. Sie hätte merken müssen, dass die vorgelegten Zahlen nicht korrekt sein könnten, sagte er. Ein statement dieser Art sollte indessen nicht weiter überraschen, weiss man doch, wie bequem es sich Politiker hinsichtlich ihrer eigenen Verantwortung zu machen verstehen. Anfang Februar waren in Sydney Top-Banker aus aller Welt eingetroffen. Dazu gehörten Repräsentanten aus den höchsten Etagen der 24 führenden Zentralbanken ebenso wie Spitzenleute der Fed und der EZB. Das für den 9. 2. anberaumte Gipfeltreffen fand an einem geheimen Ort statt. Wie es heisst, soll die Zusammenkunft von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich organisiert worden sein. Berichten der australischen Herald Sun zufolge waren auch führende Direktoren der People's Bank of China, der Bank of Japan und der Reserve Bank of India anwesend. Schlüsselthema scheinen u.a. die für ein weltweites Wachstum möglichen Aussichten gewesen zu sein. Die Zusammenkunft hätte auch aus anderen Gründen zu einem wichtigen Zeitpunkt stattgefunden: Die BIZ will eine Generalüberholung des globalen Bankensystems auf den Weg bringen. Dabei sollen auch neue Regeln in Bezug auf den Kapitalverkehr für die Banken aufgestellt werden und bindende Vorgaben sollen die Gehälter und Boni der Bankmanager regeln. Besondere Wichtigkeit wird einem gesonderten Treffen der Zentralbanker Asiens unter dem Vorsitz des Direktors der Zentralbank Malaysias, Dr. Zeit Akhtar Aziz, beigemessen. Auch Jaime Caruana, der einflussreiche General Manager der BIZ, soll eine ausgesprochen wichtige Rolle bei diesem geheimen Gipfel gespielt haben. Caruana war bis 2006 Chef der spanischen Notenbank gewesen, arbeitete bis 2008 für den Internationalen Währungsfond (IWF) und war dann im April zur BIZ gewechselt. 4 Es ist erstaunlich, was auch in Zeiten versprochener vermehrter Bürgernähe unverändert unter dem Siegel der Geheimhaltung läuft, was man leider als Voraussetzung dafür sehen kann, dass die ohne unsere Mitsprache und offenbar hinter dem Rücken der nationalen Parlamente konzipierten Strategien dann bei ihrer schlussendlichen Vorstellung meist schon soweit entwickelt sind, dass sich die EU-Staaten ausserstande sehen, sie noch einmal rückgängig zu machen. Wie die junge Welt zu schreibt, bewegt das, was vor kurzem noch undenkbar schien, nämlich die Angst, dass ein griechischer Staatsbankrott eine Lawine auslösen könnte, die die anderen stark verschuldeten Länder der Euro-Zone mitreissen und das Auseinanderbrechen des Euros zur Folge haben könnte, inzwischen die Chefetagen von Politik und Wirtschaft. Ein aus einem diesbezüglich erstellten Arbeitspapier der Europäischen Zentralbank klar hervorgehender Fakt sollte in seiner ganzen Tragweite erfasst werden: »In einem halben Jahrhundert des immer engeren Zusammenwachsens der Europäischen Union sei eine »neue juristische Ordnung« entstanden, die ein »weitgehend überholtes Konzept der Souveränität« überwunden hat und die Rechte der einzelnen Staaten dauerhaft beschneidet. Die »Entsouveränisierung« der Staaten wird inzwischen immer offener als das unvermindert angestrebte Ziel genannt. 5 Auf dem, wie es Michael Mross ausdrückt, ›Gipfel der Wirtschafts-Inkompetenz‹ in Davos erntete Frankreichs Präsident Sarkozy anlässlich seiner Eröffnungsrede rechte Ovationen: Er möchte nicht nur die Banken beschneiden und Finanzexzesse verhindern, sondern prangerte gleichzeitig die Auswüchse des Finanzkapitalismus an und rief zu einem Umbau des Finanz- und Währungssystems auf. Was er, wie Mross weiter ausführt, damit allerdings konkret meint, blieb im Dunkeln, was dem Applaus der ›Wirtschaftsexperten‹ jedoch keinen Abbruch tat. »Davos erinnert heute an einen Parteitag der KPDSU in Moskau vor 30 Jahren. Viel Applaus für hohle Phrasen. Die wahren Ursachen der Krise werden ignoriert. Staat und Regierung als Retter und Lenker, als Kontrolleur und Eingreifer - und demnächst als weiser Planer der Bedürfnisse des Volkes?« Letztlich, so Mross, fordert Sarkozy mehr Staat in allen Bereichen, was Mross zu der Schlussfolgerung veranlasst: Am Ende steht der totale Überwachungsstaat, in dem eine Regierung die Handlungen seiner Bürger bestimmt. 6 Lotet man Sarkozys ›Umbau‹ etwas tiefer aus, so leitet dies zu den Ausführungen von Thomas Exner in der Welt über, die ebenfalls mehr als zu denken geben sollten: Unter dem Titel ›Die Währungsunion wird zur Haftungsgemeinschaft‹ wird uns folgendes erklärt: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU bedarf einer grundlegenden Reform. Die Vorgaben und Kontrollen müssen drastischer werden. Am Ende könnte ein einheitliches europäisches Wirtschaftsregime stehen - und das Ende der nationalen wirtschaftlichen Souveränität. Die Europäer werden sich ein neues Bild von ihrer Gemeinschaft zeichnen müssen. Die Vorstellung, zwar eine gemeinsame Währung zu besitzen, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik aber einigermassen eigenständig agieren zu können, trägt spätestens seit dem Sondergipfel vom 11. 2. nicht mehr - auch wenn der grösste Sündenfall, der Bruch des Maastrichter Vertrages und die Übernahme der griechischen Schulden durch einzelne Länder, erst einmal vermieden wurde. Durch die generelle Hilfszusage der Regierungschefs an die Hellenen hat die Währungsunion unweigerlich den Charakter einer Haftungsgemeinschaft angenommen. Trotzdem: So ausgeklügelt das Hilfssystem am Ende auch sein mag, an einer generellen Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts geht kein Weg vorbei. Alle Euroländer werden sich engen wirtschafts- und finanzpolitischen Vorgaben, effizienten Kontrollen und drastischen Sanktionsmechanismen unterwerfen müssen, wenn die Gemeinschaftswährung wirksam vor einem Verfall geschützt werden soll. Quasi durch die Hintertür könnte so etwas wie ein einheitliches europäisches Wirtschaftsregime entstehen, das von den Deutschen bisher immer abgelehnt wurde. Damit wird Griechenlands Rettung teuer: nicht nur finanziell, sondern auch in Form der Aufgabe nationaler Souveränität. 7 In dieses Bild passt die Mitte November 2009 von Seiten der Führungsspitze des IWFs wiederum ergangene Forderung nach einer neuen globalen Währung, die, wie es hiess, den Dollar ersetzen und laut Strauss-Kahn auf den SZR, den Sonderziehungsrechten der Finanzkörperschaft basieren soll. Hierzu wünscht er sich einen stärkeren IWF, der den Weg für die Entstehung einer globalen Währung freimacht. Auch der ehemalige IWF-Chef Michel Camdessus sprach von der Notwendigkeit einer globalen Geldreform. Nicht zu überhören ist jedoch das, was als eigentliches ›Herzstück‹ des Konzepts gelten kann, nämlich Strauss-Kahns Aussage: »In einer globalisierten Welt gibt es keine inländischen Lösungen. « 8 Unter diesem ›inländisch‹ dürfte er zweifelsohne nichts anderes als national verstehen. Fügt man nun die bereits des öfteren zitierte, offen ergangene Forderung der von der Presse zur ›Frau Europa‹ gekürten Angela Merkel hinzu, dass nämlich »die Nationalstaaten mehr Kompetenzen abgeben sollen«, und ebenso ihre Frage: »Sind Nationalstaaten bereit und fähig dazu, Kompetenzen an multilaterale Organisationen abzugeben, koste es was es wolle.... «, dann kann man sich eigentlich nicht länger darüber hinwegtäuschen, dass wir als Bürger kaum mehr etwas zu vermelden haben werden. Ansonsten lässt sich nur noch lapidar anfügen, dass eine Weltwährung mitnichten eine Garantie dafür ist, dass eine Wiederholung des jetzigen finanzpolitischen Pfuschs mittels einer global geltenden Währung für immer gebannt ist. 1 http://info.kopp-verlag.de/news/griechenland-desaster-so-tief-steckt-deutschland-mit-in-der-schuldenfalle.html Michael Grandt 12. 2. 10 2 http://bazonline.ch/wirtschaft/konjunktur/Deutsche-zahlen-nicht-fuer-Griechen/story/22348139 12. 2. 10 3 http://www.freie-allgemeine.de/artikel/news/europa-bargeldgeschaefte-bald-illegal/ 16.2.10 Von Irwin Konrad 4 http://www.news.com.au/business/secret-summit-of-top-bankers/story-e6frfm1i-1225827289543 / http://www.handelsblatt.com/unternehmen/koepfe/jaime-caruana-wird-neuer-biz-generaldirektor;2094973 5http://www.jungewelt.de/2010/01-27/044.php 27. 1. 2010 EU-Arbeitspapier: Das Ende der Souveränität 6http://www.mmnews.de/index.php/201001284781/MM-News/Sozialistischer-Kapitalismus.html 28. 1. 10 Sozialistischer Kapitalismus Von Michael Mross 7http://www.welt.de/debatte/kommentare/article6368852/Die-Waehrungsunion-wird-zur-Haftungsgemeinschaft.html 12. 2. 10 Die Währungsunion wird zur Haftungsgemeinschaft Thomas Exner 8 http://infokrieg.tv/2009_11_24_weltwaehrung.html 17. 11. 09 Steve Watson Aktuelle und ehemalige Vorsitzende des IWF fordern neue globale Währung Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1097 13. 12. 08 Zu den Ausschreitungen in Griechenland
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