Der Euro versinkt im Schuldensumpf - Von Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Dieter Spethmann, Joachim Starbatty

Wie einst vor Ausbruch der Französischen Revolution haben Europas Politiker derzeit jedes Gefühl für die Rechte, Sorgen und Erwartungen

ihrer Bürger verloren. Die Menschen brauchen eine wirtschaftlich gesicherte Grundlage für ihre Arbeit, ihre Ersparnisse, ihre Lebensplanung und ihre Zukunft: stabiles Geld. Diese Grundlage einer  Gesellschaft freier Bürger ist unverzichtbar. Wo sie fehlt, zerfallen  Demokratie,  Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Sozialsysteme, bricht die Zivilgesellschaft zusammen. Die Entwertung des Geldes war zu allen Zeiten Ursache wie Folge einer solchen Katastrophe. Wir Bürger wissen das aus bitterer Erfahrung. Europas politische Klasse aber offenbar nicht. Ihr muß diese Erfahrung abhanden gekommen sein, wie vor 200 Jahren im Frankreich des Sonnenkönigs Hofstaat und Adel. Wie sonst ist es zu erklären, daß diese Politiker dem Verbleib einiger notorischer Währungssünder in der Eurozone (Griechenland ist nicht der einzige) den Vorrang vor der Geldwertstabilität geben?
 
Was geht in den Köpfen von Politikern vor, die über Nacht ein Rettungspaket von 750 Milliarden beschließen, das alte Schulden in neue verwandelt? Doch nicht Staaten werden gerettet, sondern deren Geldgeber - die Banken. Und woher kommen diese Mittel? Steuerzahler und Währungshüter bringen sie auf: Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) geben ihre Unabhängigkeit auf. Sie werden zu Staatsbankiers. Sie brechen ihre Statuten und stellen frisches (inflatorisches) Geld für den Ankauf der Staatsschulden bereit. Die größte und offensichtlichste Lüge aber ist: Daß es den Schuldenländern danach gelingen wird, jeden Cent dieser Kredite zurückzuzahlen. Die mit der Hilfe verbundenen Auflagen machen dies unmöglich. Griechenland und die anderen Euroländer stecken so tief im Morast der Krise, daß sie nicht tilgen können.
 
Als ob es keine anderen und besseren Alternativen für die Sanierung verschuldeter Staaten und Banken gäbe. Wir haben sie oft und deutlich genug aufgezeigt: Griechenland und die anderen Problemländer müssen die Eurozone verlassen; denn nur außerhalb ihrer Zwänge und Auflagen können sie sich - wie viele andere EU-Länder - außerhalb der Eurozone sanieren. Warum ihnen diesen Weg versperren? Sie kehren zu ihrer alten Währung zurück und werten sie ab. So gewinnen sie ihre verlorengegangene internationale Konkurrenzfähigkeit zurück. Wenn mehr Touristen Griechenland besuchen, kann es Devisen verdienen und seine Schulden tilgen. Auf einer internationalen Schuldenkonferenz wird über die griechischen Altschulden verhandelt. Die Banken müssen Abstriche von ihren Forderungen machen; sie haben gewußt, daß höhere Zinsen mit höheren Risiken verbunden sind.
 
Was erklärt diesen Ausbruch europapolitischer Hektik und  Hysterie vom letzten Wochenende? Hat die Politik den Verstand verloren? Glaubt sie wirklich, mit  Inflationsexzessen das Vertrauen der Menschen und Märkte zurückzugewinnen? Je größer und phantastischer die Dimensionen dieser Hilfsprogramme werden, desto kühler werden die Märkte ihre Inflationsgewinne berechnen: die Spekulation mit dem Werteverfall und dem billigem Nachkauf der sich entwertenden Vermögenstitel! Als vor über 200 Jahren die Französische Inflation ausbrach, hatten die Herrschenden auch jeden Kontakt zu Volk und Realität verloren. In Frankreich entschuldete sich der Hof mit Hilfe eines zweifelhaften Bankiers - er hieß John Law. Sein Name wurde zum  Symbol jener fatalen Verbindung von Hochfinanz und Politik, an der jedes Gemeinwohl zerbricht. Wiederholt sich das nun mit anderen Namen im Zeichen Europas?
 
Die Unterzeichner haben dem Bundesverfassungsgericht ihre Klage vorgelegt, um den Rechtsgehalt des im Namen Europas vorgelegten Rettungspaketes prüfen zu lassen. Dessen wie eine Zeitbombe tickender ökonomischer Sprengstoff-Gehalt liegt ohnehin klar zutage. Es reicht nicht, ihn nur vor Gericht entschärfen zu wollen. Die Öffentlichkeit muß mitmachen. Daher dieser Appell. Denn eines ist klar: Weil die Politiker Europas die Rechtsgrundlagen seiner Gemeinschaftswährung zerstören, wird aus der Währungsunion eine Haftungsgemeinschaft. Sie setzt und hält ihrerseits ein Inflationskarussell in Bewegung. Das aber wäre das Ende vom Traum Europa. Das müssen wir verhindern.
 
Diese Anzeige von Hankel, Nölling, Schachtschneider, Spethmann, und Starbatty erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Mai 2010 - Hervorhebungen durch politonline
 
Anmerkung d.a.: Mit ihrer Klage gegen die finanzielle Rettungsaktion Griechenlands beim Bundesverfassungsgericht wollten die vier Anti-Euro-Professoren Hankel, Starbatty, Schachtschneider und Nölling, der Bundesregierung die Beteiligung an dem Griechenland-Paket im Eilverfahren per einstweiliger Verfügung untersagen lassen, bis das Gericht ein endgültiges Urteil über diese Frage gefällt hätte. Schachtschneider, emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Universität Nürnberg, hatte die Klage formuliert. Er argumentiert, wie er gegenüber dem Daily Telegraph vom 15. 4. 10 erläuterte, dass das Abkommen eine illegale Subvention Griechenlands bedeute, es bedrohe die Währungsstabilität und verstosse gegen die sogenannte No-Bail-Out-Klausel des Maastricht-Vertrags. Schachtschneider sagte: »Es ist eine Frage des Rechts. Die Pflicht des Gerichtes ist es, die deutsche Verfassung zu schützen. Es hat keine andere Möglichkeit, als zu einer gesetzeskonformen Entscheidung zu kommen. Das mag eine große Krise in Europa auslösen, aber wir haben ja schon eine Krise.« Prof. Hankel, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Frankfurt, verurteilte in demselben Artikel die laufenden Verhandlungen mit den Griechen: »Das ganze Manöver verzögert nur den Tag der Abrechnung. Es ist nicht im Interesse Griechenlands, das Geld anzunehmen, denn die Lohnsenkungen und Steuererhöhungen würden zu einer endlosen Wirtschaftdepression führen. Die Griechen sollten freiwillig aus der Eurozone austreten, abwerten und ihre Schulden mit Hilfe des IWF umstrukturieren. Das ist der Weg der wirtschaftlichen Vernunft. Letztendlich ist der einzige Weg, den Euro zu retten, daß man die Eurozone verkleinert. Es gibt weitere Kandidaten.«  [1]
 
Auch wenn der Begriff Schuldensumpf für alle lesbar als eindringliche Warnung erscheint, hat dies ganz offensichtlich keinerlei Wirkung, geschweige denn, dass sie die Vernunft einschalten würde. Während also die Schulden die Europäer zu erdrücken drohen, haben die Europaabgeordneten keinerlei Einsehen. Wie die FAZ vermeldet, haben sie beschlossen, ihre monatliche Sekretariatszulage um 1500 € auf künftig 19.040 € zu erhöhen. Die Erhöhung wurde bereits vom Ministerrat gebilligt und gilt ab Juni. Für den Haushalt 2011 fordern die Abgeordneten in einer Entschliessung eine abermalige Aufstockung dieser Zulage, wiederum um 1500 €. Über letztere müssen nun zunächst die Regierungen der EU-Länder im Rat beraten. Den EU-Haushalt beschliessen Rat und Parlament gemeinsam. Die Forderung wird damit begründet, dass der Reformvertrag von Lissabon die Mitbestimmungsrechte des Parlaments vergrössert habe. wodurch eine Mehrarbeit entstanden sei. Auch die zweite Erhöhung dürfte bereits als akzeptiert betrachtet werden, letztlich ist man die in Brüsssel herrschende Verschwendung von Steuergeldern sowie die vielfach fehlende Kontrolle der Ausgaben schon gewöhnt. Ganz einfach: Bis der Topf leer ist. Vielleicht ist dann der Punkt erreicht, an dem wir die zahlreichen Nutzniesser, die für meine Begriffe hinsichtlich einer stabilen Finanzlage wenig bis nichts an Erfolgen vorzuweisen haben, nach Hause schicken können, damit sie wie wir selbst einem gewöhnlichen Broterwerb nachgehen müssen. [2]
 
Gleichzeitig sehen sich die Deutschen, obwohl auf ihren Schultern die höchsten Garantien für das EU-Rettungspaket lasten, auch bezüglich Afghanistans mit steigenden Ausgaben konfrontiert. Gemäss einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erhöhen sich die Kosten für die am Hindukusch stationierten Soldaten um etwa 2,5 bis 3 Mrd. €. Die Zahlen stehen im Widerspruch zum offiziellen Budget des Verteidigungsministeriums, das sich in diesem Jahr auf rund 785 Millionen € beläuft. In den Berechnungen hat das DIW neben den Verteidigungsausgaben auch die mit dem Einsatz zusammenhängenden Kosten anderer Ministerien berücksichtigt. Dazu kommen ferner die langfristigen Kosten, die durch verwundete und gefallene Soldaten verursacht wurden, sowie Zinskosten. [3]
 
Auch auf anderer Ebene scheint man noch nicht begriffen zu haben, was es bedeutet, dass sich die Schulden der Regierungen aller EU-Länder auf etwa 5,17 Billionen € belaufen. Wen sollte das in Brüssel aber auch kümmern: So muss der EU-Bürger nunmehr nicht nur zwei zusätzliche Gehälter aufbringen - nämlich die für den Ratspräsidenten Van Rompuy und Catherine Ashton als hohe Vertreterin für die Aussen- und Sicherheitspolitik - sondern auch die rund 8000 Diplomaten finanzieren, die Lady Ashton für die Führung des Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD) benötigt. Es gilt zu bedenken, dass die EU bislang auch ohne diese neuen Pöstchen funktionierte, und dass von der meiner Meinung nach aberwitzig hohen Anzahl neuer Kräfte kaum zu erwarten ist, dass selbst mit einer Aufstockung dieser Art eine wesentliche Verbesserung der Gesamtlage zu erzielen ist. Die dafür zu veranschlagenden Kosten lassen sich durchaus auf eine zusätzliche Milliarde € pro Jahr berechnen.
 
 
1 Strategic Alert, Jahrg. 24, Nr. 16 vom 21. April 2010 Stunde der Wahrheit für den Euro
2 F.A.Z. Nr. 116 vom  21.05.2010, Nr. 116 / Seite 6 - Ausland in Kürze 3 http://www.jungewelt.de/2010/05-21/049.php  Afghanistan-Krieg teurer als gedacht
Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1361  1. 11. 09 Titel: Geheim
Helga Zepp-LaRouche hatte recht: Der Euro war die Bedingung für die Wiedervereinigung!