Der ehrenwerte Ministerpräsident aus dem Kosovo - Von Jürgen Roth 20.12.2010 01:29
Hashim Thaci, Premierminister und ehemaliger UCK-Kämpfer fühlt sich verleumdet. Behauptet doch Dick Marty als Sonderberichterstatter
des Europarats, daß Thaci ein Pate der kriminellen Strukturen im Kosovo sei. Doch das sind eigentlich alte Kamellen. Norbert Mappes-Niediek, ein intimer Kenner der Situation im Kosovo, schreibt daher in einem Kommentar: »Sich so mächtige wie erpressbare Figuren heranzuzüchten, ist allemal leichter, als funktionierende Institutionen aufzubauen.« Er bezog sich auf den Politiker Ramush Haradinaj, auch so ein Gewächs der europäischen und US-Machtpolitik im Kosovo, mit nicht weniger kriminellen Energie in der Vergangenheit als Thaci. Ich erinnere mich an einem Bericht des BND der eigentlich für Aufsehen sorgen sollte [1] und an einen Artikel, den ich bereits vor einigen Jahren über den Mafiastaat Kosovo geschrieben habe [2]. Die kosovo-albanische Mafia ist auf dem Balkan, insbesondere im Kosovo - das könnte eine zynische Erfolgsmeldung sein - der mehr oder weniger einzig wachsende und profitable Wirtschaftsfaktor. Er ermöglichte in den letzten Jahren im Kosovo bereits die Wahlkampf- und Parteienfinanzierung, die Bestechung von politischen Funktionsträgern sowie die Finanzierung paramilitärischer Gruppen. Doch wer ist dafür verantwortlich? »Auffällig ist«, notierte ein hoher deutscher Polizeibeamter, der im Kosovo die Organisierte Kriminalität bekämpfen soll, »daß es sich bei all den Namen, die auf den OK-Dienststellen kursieren, fast ausschließlich um ehemalige UCK-Kommandanten, handelt. Sie genießen in der Bevölkerung einen zum Teil heldenhaften Ruf, sie werden verklärt und sind unantastbar. Aussagen gegen sie sind Selbstmord.« Alles Geschichte? Jetzt gibt es bekanntlich einen Neuanfang. Der Kosovo hat seine Unabhängigkeit erklärt und an der Spitze des Staates steht ein Mann mit einer ungewöhnlich bewegten Vergangenheit, Hashim Thaci. Doch die zentrale Frage ist, ob es nun wirklich Vergangenheit ist oder ob Europa und insbesondere die USA einem Mafiastaat die internationalen Weihen verliehen haben. Dabei fallen viele Widersprüche auf. Da gibt es eine brisante Studie, die die Bundeswehr in Auftrag gegeben hat. Erstellt wurde sie vom ›Institut für Europäische Politik‹ zu dem Thema ›Operationalisierung von ›Security Sector Reform‹ auf dem westlichen Balkan‹ - datiert vom 9. Januar 2007. Demnach sei der Politiker Hashim Thaci der gefährlichste Mann im Kosovo. Andere Dienststellen wiederum, insbesondere der UNMIK-Polizei, halten diese Behauptung für wenig überzeugend. Sie weisen vielmehr auf den Clan des Ex-Premierministers Ramush Haradinaj und seinen Bruder Daut hin. Haradinaj muß sich derzeit vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten, obwohl sich insbesondere die USA mit allen Mitteln bemüht hatte, ihn davor zu schützen. Eine zentrale Rolle spielte dabei der stellvertretenden Leiter der UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo/UN-Übergangsverwaltung des Kosovos), der Ex-US-Armee-General Steven Schook. Bevor er im April 2006 zum stellvertretenden Leiter der UNMIK ernannt wurde, war er Vizepräsident eines Unternehmens in Virginia. Neue Unterlagen der UNMIK erheben schwere Vorwürfe gegen ihn: Er habe engste Beziehungen zu Ramush Haradinaj unterhalten, auch um anscheinend eigene geschäftliche Interessen zu verfolgen. Pikant dabei ist, daß in allen Dokumenten der KFOR-Truppen Ramush Haradinja und sein Bruder Daut bis zum heutigen Tag als die führenden Köpfe der Organisierten Kriminalität in Kosovo beschrieben werden. Umso erstaunlicher ist, in welchem Umfang sich Ex-General Steven Schook für ihn einsetzte. Zum einen gehörte Schook zu den Organisatoren, die eine Strategie entwickelten, um Haradinja vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu schützen. Rama Bayu, einer der letzten noch lebenden Zeugen gegen Ramush Haradinaj, der in Norwegen im Zeugenschutzprogramm lebt, sollte überzeugt werden, nicht gegen Haradinaj auszusagen. Aus mitgeschnittenen Telefonprotokollen geht hervor, daß Steven Schook dazu einen Mann aus dem Kosovo beauftragt haben soll und ihm die genaue Adresse des Kronzeugen übermittelte. Gegen diesen skandalösen Vorgang fand keine Ermittlung statt. Auch was die finanzielle Unterstützung für Ramush Haradinja im Prozeß in Den Haag angeht, soll Schook zu den wichtigen Mitorganisatoren des sogenannten Verteidigungsfonds mit 7 Millionen Euro gehören, behaupten UNMIK-Ermittler aufgrund mitgehörter Telefonate. Dafür spricht, daß eine Razzia bei der Hausbank von Ramush Haradinja, die Kassa-Bank, verraten wurde. Wieder fällt dabei der Name Steven Schook. Ein an der Durchsuchung beteiligter Ermittler erinnert sich: »Als wir Steven Schook den richterlichen Durchsuchungsbeschluß zeigten, ist er ausgerastet.« Schook hingegen dementierte noch Ende September 2007, daß er irgendwelche Fehler gemacht habe. Damals liefen interne Untersuchungen gegen ihn wegen seiner aggressiven Führungsart und seiner unprofessionellen Beziehungen zu einheimischen Politikern. »Meine Schuld war es, das ich die Leute respektierte mit denen ich zusammengearbeitet habe, einschließlich Haradinaj während seiner Zeit als Premierminister.« Einen Rücktritt lehnte er kategorisch ab. Doch im Dezember 2007 wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert. Größter Gegner von Ramush Haradinja ist der derzeitige Premierminister Hashim Thaci. Er ist unter dem Spitznamen ›Schlange‹ bekannt. Auch er galt als Vorsitzender der PDK - der Demokratischen Partei Kosovos - als eine der Schlüsselfiguren im Mafianetzwerk Kosovos. Schon im Jahr 2003 soll er 10 % der gesamten kriminellen Aktivitäten im Kosovo und in Mazedonien kontrolliert haben. In einer Analyse des Bundesnachrichtendienst (BND) vom Februar 2005 2 wird bereits folgendes behauptet: »Über die Key-Player wie Thaci, Haradinaj und Lluka bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördert dort die politische Instabilität.« Seine vermuteten, aber juristisch nicht bewiesenen Verbindungen zu kriminellen Organisationen - das sagen westliche Nachrichtendienste und Polizeiermittler in seltener Übereinstimmung - resultieren aus seiner Drenica-Gruppe. Hashim Thaci soll, so glaubt der BND in einem internen Analysepapier vom August 2007 zu wissen, »im Zusammenhang mit umfangreichen Drogen- und Waffenhandelsgeschäften stehen.« Dieser Vorwurf wurde bereits in älteren BND-Berichten erhoben. Dabei geht es weniger um die direkte Partizipation von Thaci, sondern um seine Beziehungsnetzwerke. Immerhin behauptete der BND bereits im Jahr 2005, daß Hashim Thaci ein Auftraggeber des berüchtigten Profikillers Afrimi, Bekimi genannt, gewesen sein soll. Afrimi war Führungsmitglied der AKSH (Albanische Nationalarmee), auf sein Konto sollen mindestens 11 Auftragsmorde gehen. Beziehungen von Thaci bestehen, das behauptet die KFOR in vertraulichen Dokumenten, darüber hinaus auch zu Muhamed Krasniqi, der als ›Kommandeur Malisheva‹ bezeichnet wird. Dieser hatte im Dezember 2003 seinen Paß verloren und war mit einem Paß der UNMIK in die Schweiz gereist. Die Behauptung des BND lautet wie folgt: »Er führt eine 18 Mann starke Gruppe an, betätigt sich im Heroinhandel und soll gute Drogenverbindungen in Winterthur unterhalten.« Wie heißt es doch im BND-Bericht vom Februar 2005: »Der Kosovo und der gesamte West-Balkan-Raum werden bis auf weiteres eine Schlüsselrolle als Transitregion für den Drogenhandel in Richtung Westeuropa behalten. Gerade der Kosovo gilt dabei als ein Zentrum der Organisierten Kriminalität, von dem aus kriminelle Aktivitäten in ganz Europa gesteuert werden.« Soweit die damaligen Erkenntnisse. An der Situation hat sich - wen wundert es eigentlich - bis zum heutigen Tag wenig geändert. Quelle: http://www.mafialand.de/Members/juergen/blogeintraege/der-ehrenwerte-ministerpraesident-aus-dem-kosovo 16. 12. 10 Unter dem Stichwort ›Kosovo‹ finden sich zahlreiche Artikel auf politonline, auch von Jürgen Roth, einem der grössten Experten auf dem Gebiet der Mafia 1 http://www.mafialand.de/Members/juergen/bilder/Kosovo%20Fazit%20BND0001.pdf BND Analyse vom 22. 2. 2005 Seite 26 von 27 VS vertraulich – amtlich geheimgehalten – 3 Fazit und Ausblick Die kosovo-albanische OK stellt nach wie vor ein hohes Bedrohungspotenzial für Europa dar und baut ihre Position weiter aus. Die Länder Westeuropas sind und bleiben für die albanische OK sowohl logistischer Standort (Vorbereitungs- und Rückzugsraum) als auch Zielland für den Drogenhandel und weitere OK-spezifische Deliktfelder. Eine grosse albanische Diaspora in zahlreichen europäischen Ländern (namentlich in Deutschland und in der Schweiz) bietet der OK eine ideale Operationsbasis. Andere OK-Gruppen wurden - vor allem im Bereich des Drogenhandels und der sog. ›Rotlichtkriminialität‹ - aus dem Geschäft gedrängt. Über die ›key player‹ (›Multifunktionspersonen‹ wie z. B. HALITI, THACI, HARADINAJ und LLUKA) bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördern dort die politische Instabilität. Diese OK-Strukturen haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden könnten. Die OK schafft sich vielmehr ein geeignetes politisches Umfeld, was sich auch in der Verankerung einzelner OK-Akteure in der Politik darstellt. Vor diesem Hintergrund dürfte es für die internationale Gemeinschaft schwierig werden, rechtsstaatliche und demokratische Strukturen im Kosovo zu verankern. Der Kosovo und der gesamte West-Balkan-Raum werden bis auf weiteres eine Schlüsselrolle als Transitregion für den Drogenhandel in Richtung (West)-Europa behalten. Gerade der Kosovo gilt dabei als Zentrum der OK, aus dem kriminelle Aktivitäten in ganz Europa gesteuert werden. 2 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=956 Kosovo - Kosten ohne Ende - darin: Das Kosovo auf dem Weg in die Unabhängigkeit - Rechtsstaat? Lieber nicht! Von Jürgen Roth Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1558 Interview mit Jürgen Roth über kriminelle Strukturen des Finanzkapitals - Von Reinhard Jellen
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