Einsatz von Streumunition in der Leventina

Für Bauern, Bewohner und Touristen nachher nicht mehr zugänglich

Die Sicherheitspolitische Kommission (SIK) des Nationalrats lehnt das Abkommen über das Verbot von Streumunition ab und empfiehlt ihrem Rat, den Vertrag nicht zu ratifizieren. Der Ständerat hatte der Ratifikation des Übereinkommens in der Herbstsession mit 27 zu 0 Stimmen zugestimmt. Bislang haben über 60 Länder das Abkommen ratifiziert. Länder wie die USA, Russland, China, Indien und Israel, die solche Munition immer wieder in Kriegen einsetzen, wollten das Abkommen bislang nicht unterzeichnen. Nationalrat Ulrich Schlüer, der gegen ein Verbot von Streumunition ist, erklärte im Radio DRS, diese Munition sei wichtig, vom Gotthard aus sei damit die Artillerie der Schweizer Armee in der Lage, die Leventina für den Feind unzugänglich zu machen. Was Herr Schlüer aber nicht sagte, war, dass damit auch für die Bewohner, Bauern und Touristen der Leventina diese dann nicht mehr zugänglich wäre, wie heute Gebiete auf dem Balkan, wo die Nato 1999 Streubomben einsetzte, oder in Vietnam, Laos und Kambodscha, wo Streubomben schon vor Jahrzehnten zum Einsatz kamen. Viele dieser kleinen Bomblets explodierten nicht und liegen dort noch heute - wie auch Personenminen - als gefährliche Blindgänger herum.

 

In den Arsenalen der Artillerie der Schweiz lagern laut Schätzungen 200 000 Streubomben-Kanistergeschosse. Mit diesen Sprengkörpern könnte man einen grossen Teil der landwirtschaftlich genutzten Flächen der Schweiz verminen, und damit unbrauchbar machen. Dies sollten gerade Politiker, die den Bauern nahestehen, bedenken, wenn sie immer noch dafür plädieren, solche Granaten in einem Verteidigungsfalle in der Schweiz einzusetzen. Viele Bäuerinnen und Bauern sind Mitglieder der SVP und in katholischen Kantonen Mitglied der CVP. Die Landwirte der SVP und CVP müssen wissen, dass sie bei einem Einsatz von Streumunition in unserem Land ihre Felder nach dem Krieg nicht mehr bestellen können.

 

Streumunitionen haben bislang vermutlich über 100 000 Opfer gefordert. Noch immer stellen Landminen, Blindgänger von Streumunition und andere explosive Kriegshinterlassenschaften eine Bedrohung für die Menschen in mehr als 80 Ländern dar. Fast täglich passieren Unfälle mit diesen Waffen und fordern Tote und Verletzte. Obwohl die Zahl der Unfälle erfreulicherweise zurückgeht, müssen fast 500 000 Menschen als Überlebende von Unfällen mit Landminen und Blindgängern versorgt werden, denn ihr Leben geht weiter. Streubomben oder Cluster Munition kommen als Artilleriegranate oder als Fliegerbombe zum Einsatz. Riesige Flächen werden dabei vermint. Allein mit einer einzigen Artilleriegranate kann damit auf einem Grundstück, das so gross ist wie mehrere Fussballfelder, alles Leben vernichtet werden. Diese Flächen sind dann, wie gesagt, nach Ende des Krieges nicht mehr zugänglich und landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Beim Einsatz von Streumunition kommen laut Handicap International oft bis zu 98 % Zivilpersonen ums Leben, sehr oft Kinder. Noch heute sterben in Vietnam, in Laos und Südostasien Menschen an Sprengkörpern aus Clusterbomben, die in den 70er Jahren von der US-Air Force abgeworfen wurden. Blindgänger von Streubomben haben die gleichen schrecklichen Auswirkungen wie Minen. Die Schweiz gehörte im Dezember 2008 in Oslo zu den Erstunterzeichnern des Vertrags zum Verbot von Streubomben, hat den Vertrag aber noch nicht ratifiziert. Dieses Abkommen sieht ein Verbot des Einsatzes, der Produktion, der Lagerung und der Weitergabe von Streubomben vor. Dies bedeutet aber auch, dass jede Art der Finanzierung von Clustermunition resp. Streubomben  - auch durch Schweizer Banken - verboten werden müsste. Allein die UBS und Crédit Suisse investieren laut einer Untersuchung internationaler Nichtregierungsorganisationen rund 1 Milliarde Franken in Firmen, die sich an der Herstellung von Streumunition beteiligen. Die UBS hat inzwischen angekündigt, aus solchen Fonds schrittweise auszusteigen.

 

Heinrich Frei  heinrich-frei@bluewin.ch

 

Anmerkung politonline: Am 1. August 2010 trat die internationale Streubomben-Konvention in Kraft; Israel unterzeichnete diese nicht und setzte noch im Libanon-Krieg 2006 Streubomben ein, an denen die Menschen bis heute leiden. Streubomben in der dichtbesiedelten Schweiz zur Verteidigung einsetzen zu wollen [Votum Schlüer], muss jeden Menschen, der noch einigermassen fähig ist, seinen gesunden Menschenverstand zu gebrauchen, in höchstem Masse erschrecken.