Einsatz von Streumunition in der Leventina 24.10.2011 00:53
Für Bauern, Bewohner und Touristen nachher nicht mehr zugänglich
Die
Sicherheitspolitische Kommission (SIK) des Nationalrats lehnt das Abkommen über
das Verbot von Streumunition ab und empfiehlt ihrem Rat, den Vertrag nicht zu ratifizieren.
Der Ständerat hatte der Ratifikation des Übereinkommens in der Herbstsession
mit 27 zu 0 Stimmen zugestimmt. Bislang haben über 60 Länder das Abkommen
ratifiziert. Länder wie die USA, Russland, China, Indien und Israel, die solche
Munition immer wieder in Kriegen einsetzen, wollten das Abkommen bislang nicht
unterzeichnen. Nationalrat Ulrich Schlüer, der gegen ein Verbot von
Streumunition ist, erklärte im Radio DRS, diese Munition sei wichtig, vom
Gotthard aus sei damit die Artillerie der Schweizer Armee in der Lage, die
Leventina für den Feind unzugänglich zu machen. Was Herr Schlüer aber nicht sagte,
war, dass
damit auch für die Bewohner, Bauern und Touristen der Leventina diese dann
nicht mehr zugänglich wäre, wie heute Gebiete auf dem Balkan, wo die
Nato 1999 Streubomben einsetzte, oder in Vietnam, Laos und Kambodscha, wo Streubomben
schon vor Jahrzehnten zum Einsatz kamen. Viele dieser kleinen Bomblets
explodierten nicht und liegen dort noch heute - wie auch Personenminen
- als
gefährliche Blindgänger herum.
In den
Arsenalen der Artillerie der Schweiz lagern laut Schätzungen 200 000
Streubomben-Kanistergeschosse. Mit diesen Sprengkörpern könnte man einen
grossen Teil der landwirtschaftlich genutzten Flächen der Schweiz verminen, und
damit unbrauchbar machen. Dies sollten gerade Politiker, die den Bauern
nahestehen, bedenken, wenn sie immer noch dafür plädieren, solche Granaten in
einem Verteidigungsfalle in der Schweiz einzusetzen. Viele Bäuerinnen und
Bauern sind Mitglieder der SVP und in katholischen Kantonen Mitglied der CVP.
Die Landwirte der SVP und CVP müssen wissen, dass sie bei einem Einsatz von
Streumunition in unserem Land ihre Felder nach dem Krieg nicht mehr bestellen können.
Streumunitionen
haben bislang vermutlich über 100 000 Opfer gefordert. Noch immer stellen
Landminen, Blindgänger von Streumunition und andere explosive Kriegshinterlassenschaften
eine Bedrohung für die Menschen in mehr als 80 Ländern dar. Fast täglich
passieren Unfälle mit diesen Waffen und fordern Tote und Verletzte. Obwohl die
Zahl der Unfälle erfreulicherweise zurückgeht, müssen fast 500 000 Menschen als
Überlebende von Unfällen mit Landminen und Blindgängern versorgt werden, denn
ihr Leben geht weiter. Streubomben oder Cluster Munition kommen als
Artilleriegranate oder als Fliegerbombe zum Einsatz. Riesige Flächen werden dabei
vermint. Allein mit einer einzigen Artilleriegranate kann damit auf
einem Grundstück, das so gross ist wie mehrere Fussballfelder, alles Leben
vernichtet werden. Diese Flächen sind dann, wie gesagt, nach Ende des Krieges
nicht mehr zugänglich und landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Beim Einsatz
von Streumunition kommen laut ›Handicap
International‹ oft bis zu 98 %
Zivilpersonen ums Leben, sehr oft Kinder. Noch heute sterben in Vietnam, in
Laos und Südostasien Menschen an Sprengkörpern aus Clusterbomben, die in den
70er Jahren von der US-Air Force abgeworfen wurden. ›Blindgänger‹ von
Streubomben haben die gleichen schrecklichen Auswirkungen wie Minen. Die
Schweiz gehörte im Dezember 2008 in Oslo zu den Erstunterzeichnern des Vertrags
zum Verbot von Streubomben, hat den Vertrag aber noch nicht ratifiziert. Dieses
Abkommen sieht ein Verbot des Einsatzes, der Produktion, der Lagerung und der
Weitergabe von Streubomben vor. Dies bedeutet aber auch, dass jede Art der Finanzierung
von Clustermunition resp. Streubomben -
auch durch Schweizer Banken - verboten werden müsste. Allein die UBS und Crédit
Suisse investieren laut einer Untersuchung internationaler Nichtregierungsorganisationen
rund 1 Milliarde Franken in Firmen, die sich an der Herstellung von
Streumunition beteiligen. Die UBS hat inzwischen angekündigt, aus solchen Fonds
schrittweise auszusteigen.
Heinrich
Frei heinrich-frei@bluewin.ch
Anmerkung politonline: Am 1. August 2010 trat die internationale
Streubomben-Konvention in Kraft; Israel unterzeichnete diese nicht und setzte
noch im Libanon-Krieg 2006 Streubomben ein, an denen die Menschen bis heute
leiden. Streubomben in der dichtbesiedelten Schweiz zur Verteidigung einsetzen
zu wollen [Votum Schlüer], muss jeden Menschen, der noch einigermassen fähig
ist, seinen gesunden Menschenverstand zu gebrauchen, in höchstem Masse
erschrecken.
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