Herr Schäuble - Der Euro, ein Test? - Von Doris Auerbach 04.12.2011 21:32
Was den Deutschen im Zusammenhang mit der Eurorettung angelastet wird, könnte zu dem Glauben führen, dass es ausschliesslich die BRD sei,
die den gesamten, nach Schätzungen
zahlreicher Wirtschaftsexperten nicht mehr zu behebenden Finanzschlamassel zu
verantworten hätte. Geradezu unglaublich ist der Fakt, dass sich die Griechen
erdreisten, Merkel in Nazi-Uniform darzustellen [1], aber gleichzeitig
erwarten, dass die Deutschen für sie arbeiten, um dazu beizutragen, ihre
Schulden, die sie sich ausschliesslich selbst zuzuschreiben haben, zu tilgen.
Vorgesehen ist die Beteiligung von Banken und Fonds durch einen Forderungsverzicht
von bislang 50 %; sie übernehmen durch den Schuldenschnitt eine Last von 100
Milliarden €, 100 weitere Milliarden wollen die Europartner zuschiessen. Damit
zeichnet sich ab, dass sich hier der Steuerzahler, dessen Einlagen in den
Banken durch Zinsverlust und Inflation adäquat an Wert verlieren, über die
staatliche Hilfe noch zusätzlich verschulden muss. Mit ihrer noch vor kurzem
vorgebrachten Forderung, den Schuldenschnitt von 50 % auf die sagenhafte
Höhe von 75 % zu schrauben, konnten die Griechen allerdings nicht
durchdringen – bislang, sei hinzugefügt!
Was die dieser Tage gegen die BRD
erhobenen Anschuldigungen angeht, so erklärte der französische Ökonom und
frühere Regierungsberater Jacques Attali, dass Deutschland »einmal
mehr für den Selbstmord des fortschrittlichsten Kontinents der Welt
verantwortlich sei, falls es dem Anleihenkauf der EZB nicht zustimme.
Deutschland halte dazu ›die Waffe in
der Hand‹.« Der
Chefökonom der London Times, Anatole
Kaletsky, schreibt unter dem Titel ›Der
Aufstieg des Vierten Reichs‹: »Wenn
Clausewitz recht hat und Krieg die Weiterführung von Politik mit anderen
Mitteln ist, so ist Deutschland wieder im Krieg mit Europa. Wenigstens in dem
Sinne, als deutsche Politik in Europa charakteristische Kriegsziele zu
erreichen versucht, die Verschiebung internationaler Grenzen und die
Unterwerfung fremder Völker.« [1]
Vielleicht
sollten Gehässigkeiten dieser Art nicht unbedingt verwundern, führt man sich
vor Augen, dass Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble nicht davor zurückgeschreckt ist, auf dem internationalen Bankierstag
in Frankfurt, dem ›European Banking
Congress‹, gewissermassen eine
Vorleistung für weitere Angriffe auf sein Land zu erbringen. Er war dort als
Hauptredner vor etwa 300 Vertretern der internationalen Hochfinanz aufgetreten.
Und vor diesen Spitzenbankern diverser Nationen, also auch der asiatischen, hat
er sich nicht zurückgehalten, explizit zu erklären, dass Deutschland kein
souveräner Staat sei, obwohl es offiziell seit 1955 bzw. seit 1990
als solcher gilt. Damit es auch jeder unmissverständlich versteht, sagte er
wörtlich: »Wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt
mehr voll souverän gewesen.« Als Beleg führte er unter anderem das Grundgesetz
an, in dem das Staatsziel folgendermassen definiert sei: ›Gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Europa sein‹. »Demnach«,
schreibt die ›junge Freiheit‹ [2], »wäre
Deutschland erst souverän, wenn es in einem vereinten Europa aufgegangen ist.
Nach dieser völligen Neuinterpretation des Grundgesetzes bezeichnete Schäuble
die Souveränität als ›absurd‹. Er sagte wörtlich: »Das [Regelungsmonopol des Nationalstaats] war die
alte Ordnung, die dem Völkerrecht noch zugrunde liegt, mit dem Begriff der Souveränität,
die
in Europa längst ad absurdum geführt worden ist.«
Damit, so
die ›Zeitmacher Nachrichten‹
[3], äusserte er sich klar verfassungsfeindlich, indem er darlegte, »dass
völkerrechtlich anerkannte, souveräne, nationale und demokratisch gewählte
Staaten als absurdes Konstrukt entlarvt worden seien. Die demokratisch gewählte
Staatsform gehöre zur ›alten Ordnung des letzten Jahrhunderts‹. Ein ›Rückfall‹
in eine sogenannte ›Regelungs-Monopolstellung eines klassischen Nationalstaats
vergangener Jahrhunderte‹ sei heute nicht mehr zukunftsweisend. Damit stellt
Schäuble nicht nur die Grundfesten der Demokratie an sich in Frage, sondern
ruft offen zum Sturz der rechtmäßigen Verfassung auf. Der Minister sagt zu
seinen Kritikern und Euro-Realisten: ›Wir sind seit 8. Mai 45 zu keiner Zeit
mehr voll souverän gewesen.‹ Schäuble befürwortet damit die Aufgabe der
nationalen Souveränität zugunsten einer totalitären, undemokratischen
Staatsordnung unter europäischer Gouvernanz.«
Genau
analysiert, gibt er aus meiner Sicht sein Land preis, denn er öffnet eine
Angriffsflanke. Seine Ausführungen müssen ja den Anwesenden signalisieren, dass
jede Nation dazu eingeladen ist, der BRD zusätzlich das aufzubürden, was man zu
seinen eigenen Gunsten erzielen möchte. Hans Heckel [4] schrieb hierzu:
Schäuble frei von der Leber weg: »Die Deutschen haben Angst, ihre Souveränität
zu verlieren? Papperlapapp! Was man gar nicht hat, kann auch nicht verloren
gehen, schleudert uns der Minister entgegen. ….. Und die paar läppischen
Fragmente von ›Souveränität‹, die gehen nun eben in Europa auf, denn der
Nationalstaat, weiß Schäuble, der war ›die alte Ordnung‹. Auf den Müll damit.«
Was die Demokratie betrifft, so fügt Heckel an: »Von der will ›Europa‹ bis
heute nicht viel wissen. Das EP-›Parlament‹ ist ein Witz, das Wahlrecht ein
Skandal [11 deutsche Stimmen zählen soviel wie eine einzige luxemburgische] und
kaum ein Mensch durchschaut, wer auf welche Weise und weswegen EU-Kommissar,
also sozusagen ein europäischer Minister wird.«
Nicht,
dass es Schäuble einfiele, anstelle des Aufzeigens der Nichtsouveränität seines
Landes alle Anstrengungen darauf zu richten, einen Friedensvertrag mit den
Alliierten auszuhandeln, um diesen Zustand zu beenden, was von der Mehrheit der
Deutschen längst gewünscht ist. Im Gegenteil: Da er sich klar gegen die
Errichtung einer Kern-Eurozone ausgesprochen hat, prophezeit er nun innerhalb
der kommenden 24 Monate die Entstehung einer ›europäischen Fiskalunion‹, was
nichts anderes als die Abgabe der Haushaltshoheit - die mithin wichtigste Macht eines Staates - an das bislang noch immer nicht legitimierte
Brüssel bedeuten würde. Die eigene Souveränität am Gelingen eines
Bürokratenprojekts wie einer Fiskalunion festzumachen, ist für meine Begriffe
gleichbedeutend mit dem Ausverkauf aller nationalen Interessen. Ein Schritt
dieser Art würde für die Steuerzahler noch finanzkräftiger EU-Mitgliedsländer
bedeuten, dass sie die europäischen Schuldner für alle Zukunft zu
subventionieren hätten. Jedenfalls wirbt Schäuble dafür, die Eurozone zu einer
Stabilitätsunion weiterzuentwickeln, wozu natürlich wieder einmal einige
Änderungen der EU-Verfassung, genauer,
des Lissabon-Vertrags, notwendig würden. Praktiken dieser Art sind Brüssel und
unseren Regierungschefs längst geläufig. Was nicht mehr eingehalten werden
kann, wird ganz einfach nach ihren Vorgaben geändert, selbstverständlich ohne
Konsultation der davon betroffenen Bevölkerungen. Hierzu Schäuble: »Wir
brauchen bloß das Protokoll Nr. 14 -
wer’s nachlesen möchte, im Lissabon-Vertrag -
so aufzubauen, daß wir daraus die Grundzüge einer Fiskalunion
für die Eurozone schaffen.« Geradezu entwaffnend einfach, zumal des Volkes
Stimme in der Art der Demokratie, wie sie sich inzwischen in der EU etabliert
hat, längst erstickt ist. Schon am 15. Oktober hatte Schäuble beim G-20-Treffen
der Finanzminister und Notenbankgouverneure in Paris angekündigt, dass sein
Land zur Bekämpfung der Eurokrise Änderungen der EU-Verträge, die in Richtung
einer Fiskalunion gehen, durchsetzen will: ›Die politischen Führungsstrukturen
in der Europäischen Union und im Euroraum müßten verbessert werden.‹ In diesem
Zusammenhang hat der Präsident der Deutschen Bundesbank die Warnung
ausgesprochen, den Gedanken einer vertieften Europäischen Union als Vorwand zu
nutzen, um die Machtbalance zugunsten von EU- Institutionen zu verschieben.
Letzteres wäre mit dem Bau einer Fiskalunion ja schon einmal der Fall.
Hat man
sich erst einmal mit dem Gedanken befasst, wie die ›Weisungen‹ in die
Parlamente und anderswo einsickern, ist man versucht zu folgern, dass Schäuble
in aller Offenheit erkennen lässt, dass er gewillt ist, den Pfad zu
beschreiten, den der Währungskommissar Olli Rehn bereits Mitte April letzten
Jahres aufzeigte: »Die EU plant neue Souveränitäts-Einschränkungen ihrer Mitglieder.
Ganz offen kündigte Rehn an: Künftig sitzt Brüssel bei der Haushaltspolitik
immer mit am Tisch. Bereits heute müssen die 27 EU-Staaten ihre fertigen
Haushalte in den Brüsseler Glaspalästen vorlegen.« »Aber das reicht Rehn nicht:
›Die EU-Kommission sollte künftig in die Planung der nationalen Haushalte
eingebunden werden, um rechtzeitig Fehlentwicklungen im Finanzrahmen eines
Landes zu erkennen, die nicht mit den Stabilitätsanforderungen der Euro-Zone
übereinstimmen‹. Offiziell sollen damit die Euro-Stabilitätskriterien überwacht
werden. Vor allem aber greift Brüssel jetzt eine Kernfrage der Souveränität an:
Das Budgetrecht, das die Parlamente schon besaßen, als noch die Könige das Land
regierten.« [5] Fakt ist, dass das Budgetrecht des Bundestags laut einem Urteil
des deutschen Bundesverfassungsgericht zum Lissabon-Vertrag als Kernelement der
staatlichen Souveränität Deutschlands festgeschrieben ist, was Schäuble
offenbar zu ignorieren gedenkt.
Nun muss
man sich bewusst machen, dass offenbar tatsächlich erwogen wird, die
Haushaltspolitik an eine Instanz wie Brüssel abzugeben - dies über eine Fiskalunion
oder die Errichtung der längst propagierten EU-Wirtschaftsregierung. Beides
würde die Abtretung der Kontrolle über den Haushalt eines Landes an eine Brüssler
Regie bedeuten, die wiederholt nicht in der Lage gewesen ist, die eigene Haushaltslegung so abzuschliessen,
dass sie vom Bundesrechnungshof anerkannt werden konnte. Also an eine
Instanz, der nachweislich anzulasten ist, dass Milliarden unserer Steuergelder
über die Jahre hinweg als Subventionen in mafiosen Kanälen und in zahlreichen
unbrauchbaren Projekten versickert sind. Und die sollte nun plötzlich für Stabilität
sorgen, nachdem Korruption, Wirtschaftskriminalität und Mafia innerhalb
der EU seit langem derart präsent sind, dass sie kaum mehr zu kontern sind.
Eine Instanz, die uns dazu auch noch erklärt, dass sie Fehlentwicklungen im
Finanzrahmen eines Landes, wenn sie mit den Stabilitätsanforderungen der
Eurozone nicht übereinstimmen, rechtzeitig erkennen möchte. Wer
wollte ihr das abnehmen? Hierzu einige wenige Details: Am 10. November
2010 legte die EU den Jahresbericht zum Haushaltsjahr 2009 vor. Wie schon in
den Vorjahren hat die EU 2009 Milliardensummen aus dem EU-Budget fehlerhaft
vergeben. Es ist der 17. Jahresbericht des Rechnungshofes. Seit 1994 hat dieser
noch nie festgestellt, dass die EU die Haushaltsmittel ordnungsgemäss verteilt
hat. Vitor Caldeira, der Präsident des Rechnungshofes erklärte, es bestünden
weiterhin erhebliche Zweifel an der Ordnungsmässigkeit vieler Zahlungen. Im
Jahr 2010 hatte der EU-Haushalt z.B. Ausgaben in Höhe von rund 122 Milliarden
€. Mehr als 4,3 Milliarden € an EU-Mitteln hätten nicht ausgegeben werden
dürfen. Gegenüber 2009 ist die Fehlerquote im Jahr 2010 noch gestiegen; die
meisten Fehler wurden im Bereich des europäischen Strukturfonds festgestellt; dort
betrug die Fehlerquote 7,7 %. Von den 243 geprüften Zahlungen waren 49 %
fehlerbehaftet. Ein Grossteil der Zahlungen aus den europäischen Strukturfonds
floss an Projekte, die nach den EU-Regeln gar nicht förderfähig waren.
Der
belgische Politiker Yves Leterme hatte im März 2010 ein europäisches
Finanzministerium oder eine EU-Schuldenagentur vorgeschlagen, was ebenfalls zur
Folge hätte, dass nationale Macht auf eine Gemeinschaftseinrichtung übertragen
würde. Hierzu meint Michael Mross: »Die Absicht der ›Forderungen‹ ist
gleichwohl klar: Direkter Zugriff auf die letzten Reserven der Netto-Einzahler.
Entmachtung
der Finanzhoheit der Staaten. So kann Brüssel endlich schalten und
walten, wie es will. ….. Das billige
Argument der belgischen EU-Puppe: Die kleineren Staaten haben immer größere
Schwierigkeiten, sich zu finanzieren. Und was die ›EU-Schuldenagentur‹ angeht:
Schon mal was von solider Haushaltsführung gehört? Schon mal ausprobiert, nur
Geld auszugeben, das man auch hat? Wie wäre es denn, wenn man Schulden in der
EU ganz verbietet? Wir haben doch gesehen, wohin das führt. Die
EU-Schuldenagentur ist nichts anderes als ein finales Vehikel, die Gemeinschaft
in den Untergang zu treiben. Sie dient dazu, das Ersparte aus den
Netto-Einzahlerländern aufzuzehren – bis nichts mehr da ist. Und dann können
auch keine Schulden mehr gemacht werden. Das ist dann das Ende der EU. Ist das
der Plan, der hinter der orchestrierten Griechenland-Krise steckt? Dazu hätte
ich gerne eine Antwort von Ihnen, Monsieur Leterme! Diese dürfen Sie gerne auch
in der FTD abdrucken lassen! Vielleicht nennen Sie bei dieser Gelegenheit auch
die Hintermänner,
für die Sie sprechen!« [6]
Der
›Linken‹ geht Rehns Forderung indessen noch nicht weit genug: Parteichef Lothar
Bisky wollte Brüssel seinen Aussagen vom Februar dieses Jahres zufolge auch
die Wirtschaftssouveränität übergeben. »Nur das bietet die Möglichkeit,
eine harmonische Entwicklung der Volkswirtschaften einschließlich hoher
Standards in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu erreichen.« Im Klartext:
Eine von der Brüssler Zentrale oktroyierte Gleichschaltung aller EU-Staaten.
Und schon trachtet man danach, auch dem Sektor Export Zügel anzulegen:
Ebenfalls im Februar hatte Frankreichs Staatschef zusammen mit der USA zum
Auftakt des G-20-Finanzministertreffens in Paris einen neuen Anlauf genommen,
um den Druck auf Deutschland und China zu erhöhen, damit diese ihre
Handelsbilanzüberschüsse abbauen [7]. Britischen Vorstellungen zufolge sollte
in Zukunft der IWF Ländern mit überhöhten Leistungsbilanzdefiziten oder
-überschüssen vorschreiben können, wie sie die Ungleichgewichte zu beseitigen
haben. Inzwischen haben sich die G-20-Staaten erstmals auf Indikatoren für die
Messung von Wirtschaftsungleichgewichten geeinigt. Die Finanzminister der 20
wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten legten jetzt ein Bündel von 5
Indikatoren fest, mit dem die gefährlichen Ungleichgewichte »frühzeitig
und präzise«
erkannt werden sollen. Die Indikatoren »machen gezieltere
Korrekturmassnahmen möglich, die jeder ergreifen muß,
um das Wachstum auszugleichen«. Im Ringen um einen Abbau der
Handelsungleichgewichte gehörte Deutschland lange zu den Bremsern, weil es
Vorgaben zum Abbau seines Exportüberschusses fürchtet. In einem zweiten Schritt
müssen nun Zielkorridore beschlossen werden, die von den G-20-Staaten nicht
überschritten werden dürfen. In diesem Zusammenhang sei hier folgendes
angefügt: Was die von den EU-Mächtigen beschlossene, jetzt auf den Weg zu
bringende Wirtschaftsregierung der EU betrifft, die u.a. über den
›Euro-Plus-Pakt‹ die Wettbewerbsfähigkeit der wirtschaftlich schwächeren
EU-Länder stärken soll, so beurteilen die Eurorettungsskeptiker Starbatty,
Nölling, Hankel und Schachtschneider dies als gravierend. Wie sie in Berlin
darlegten, »kann die angestrebte Wettbewerbsfähigkeit nur erreicht werden, wenn
Deutschland seine wirtschaftlichen Leistungen herunterschraubt, um die
Wirtschaft in anderen Ländern dadurch hochkommen zu lassen. Es werde eine
EU-Planwirtschaft geben müssen, so die vier Professoren, mit der deutsche
Unternehmen mit Produktionsquoten zu belegen wären: soviel darf produziert
werden, mehr nicht. Prof. Starbatty formulierte das so: ›Man bringt schneller
einen Starken auf ein schwaches Niveau als einen Schwachen auf ein starkes‹.
Für Prof. Nölling wird Europa dadurch letztlich viel ärmer und sozial destabilisiert.
[8] Schon im September 2009 hatte Klaus Fischer in der ›jungen Welt‹ hierzu vermerkt: »Washington
und London indes wollen Staaten mit zu hohen Handelsüberschüssen künftig
zwingen, diese abzubauen. Unter Aufsicht des IWF auch noch. Das ist Staatskunst
vom Feinsten, man könnte auch Demogogie dazu sagen. Eine globale Planwirtschaft
wird Obama und Brown eher nicht vorschweben.«
Auch der
ehemalige Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher fordert mehr Macht für Brüssel,
dies sei das Gebot der Stunde. Ob er wohl insgeheim von dem Gedanken beseelt
ist, dass durch die Übergabe der Macht an Brüssel diejenigen, die für die
jetzige verfahrene Situation verantwortlich zeichnen, ihrer Verantwortung damit
entbunden wären? Ein bestrickend einfacher Weg. »Um es offen und klar
auszusprechen: Europa muß sich neu verfassen«,
schreibt Genscher in einem Essay für das Handelsblatt.
Schon
wieder innerhalb einer so kurzen und derart erfolglosen Zeit! »Die
Mitgliedstaaten müßten bereit sein, weitere Zuständigkeiten auf die
europäischen Organe zu übertragen. Der Anfang müsse im Bereich der Wirtschafts-
und Finanzverfassung gemacht werden, wo es am dringlichsten sei. Wir sind
also aufgefordert, unsere Selbstbestimmung an eine EU-Kommission zu delegieren,
die nicht nur vielfach als regelrechte Diktatur gekennzeichnet worden ist,
sondern die ich im Hinblick auf das gegenwärtige Finanzfiasko einer manifesten
Unfähigkeit zeihe. Wer möchte Genscher folgen, wenn er erklärt: ›Rückabwicklung hieße von dem Ziel der
fortschreitenden Integration Europas zu einer handlungsfähigen Friedens- und
Stabilitätsregion Abschied nehmen.‹ [9]
Nun ist weder das eine noch das andere ersichtlich: Der Frieden ist in
Jugoslawien, durch die Beihilfe bei der Heraufbeschwörung der Infernos im Irak
und in Afghanistan und jetzt erneut in Libyen mit Füssen getreten worden, und
anstelle der Stabilität hat sich weit und breit das finanzielle Chaos angesiedelt.
Von
wo soll im übrigen die Stabilität herrühren, wenn, wie die ›Welt‹ Ende November offen druckte, die EZB
Schulden über die Notenpresse finanziert? [10]
Hier kann man wirklich nur noch sagen, wir leben vom Geschwätz.
Natürlich
möchte auch George Soros, der milliardenschwere Spekulant, ein Wörtchen
mitreden! Seine Forderung, ein EU-Finanzministerium zu errichten, schliesst auch
gleich die beleibe nicht neue Befugnis für Brüssel ein, eigene Steuern zu
erheben und Geld zu leihen. Nicht überraschend sieht natürlich auch er die
Bundesrepublik in der Pflicht. ›Die
deutsche Bevölkerung müsse akzeptieren, daß sie
keine andere Wahl habe, als den Euro zu unterstützen. Ein Niedergang des Euros
würde eine Kernschmelze auslösen, die die Verantwortlichen nicht mehr eindämmen
könnten.‹ Das sieht nun Jakob von
Uexküll wesentlich realistischer: »Die natürlichen Grenzen des
Wachstums sind da, und die immensen Staatsschulden lassen sich mit Wachstum
nicht mehr zurückzahlen. Wenn Rezession und Arbeitslosigkeit erst die
Mittelschicht erreichen, kann das soziale Widerstände bis hin zum Bürgerkrieg
bedeuten.«
Man fragt sich, in welch abgeschotterten Gedankengängen diejenigen leben, die diese
Pläne schmieden, denn bei einer näheren Betrachtung der propagierten Schritte muss
man sich zwangsweise in einem totalitären resp. wiedererwachten kommunistischen
System wähnen.
Der Euro-Test
Auch die
folgenden, von Schäuble in Frankfurt ausgesprochenen Darlegungen lassen
einen fassungslos zurück; zu den
Problemen im Euroraum erklärte er, »die EU teste gerade, ob eine gemeinsame
Währung überhaupt funktioniere: ›Wenn man eine gemeinsam Währung hat,
ohne eine gemeinsame Finanz- und Budgetpolitik, dann hat man bestimmte
Probleme. Und das ist, warum von Anfang an bezweifelt wurde, ob die europäische
Währung funktionieren könne. Und das ist, was derzeit getestet wird‹.« [2] Ein
mit einer derart furchtbaren Inflation einhergehender ›Euro-Test‹ stellt in
meinen Augen nicht nur ein Vergehen an allen dar, die gezwungen
worden sind, ihre nationale Währung für diese ›Testwährung‹ zu opfern,
sondern auch ein regelrechtes Vergehen an der Arbeitskraft der
davon betroffenen Bürger. Aus dem herrschenden Finanzchaos leitet Schäuble
offenbar das Recht ab, die bereits erwähnte Fiskalunion in Frankfurt wie folgt
vertreten zu können. Schäuble, der betont hatte, als einziger deutsch zu
sprechen statt englisch, damit er nicht mißverstanden
werde, legte dar, daß »die Probleme der
Euro-Zone die Politiker jetzt in die Lage versetzten, eine
neue ›Form von Governance‹ zu schaffen. Die Errichtung einer
neuen Form einer EU-Regierung stehe unmittelbar bevor: ›Ich bin überzeugt, daß wir in weniger als 24 Monaten in der Lage
sind und in der Lage sein werden, das europäische Regelwerk so zu verändern,
daß wir die Grundzüge einer Fiskalunion schaffen‹.« Auffallend ist, dass nirgendwo ein Aufschrei zu vernehmen war
und Schäubles Rede erstaunlich, man könnte auch sagen verdächtig wenig
Resonanz fand.
Während
nun die Griechen eine weitere Finanzhilfe in Höhe von 8 Milliarden € erhalten
haben, um sie vor dem Bankrott zu bewahren, der andernfalls noch vor
Weihnachten eingetreten wäre, schreitet die Flucht der griechischen Vermögen
ungehindert fort. Betrugen die Spar- und Termineinlagen der privaten Haushalte
und Unternehmen Anfang 2010 noch 237,7 Milliarden €, so waren sie Ende August
2011 um 49 Milliarden zurückgegangen. Man investiert z.B. derzeit vorzugsweise
in teure Immobilien in London, daneben auch in Kanada; gleichzeitig verstecken
die Griechen ihre Einnahmen zunehmend vor den Steuerbehörden. Die Zahl
derjenigen, die hohe Einkommen deklarieren, ist äusserst gering, was nur von
einer massenhaften Steuerhinterziehung zeugen kann. Ungeachtet der
Regierungspläne, die Sparmassnahmen durchsetzt, gehen die Steuereinnahmen zurück.
Das Haushaltsdefizit ist in den ersten 10 Monaten 2011 gegenüber dem
Vergleichszeitraum des Vorjahres um 11 % auf 20,1 Milliarden € gestiegen. 70 %
beziehungsweise 273.000 Unternehmer gaben in der Steuererklärung 2010 ein
Jahreseinkommen unter dem steuerfreien Minimum von 12.000 € an. Prof. Harald
Hau vom ›Swiss Finance Institute‹ in Zürich zählt zu denjenigen, die
die bisherigen Euro-Rettungsversuche für falsch halten: »Das Geld für
Griechenland kam bislang nicht in erster Linie den Griechen zugute, sondern den
Kapitalgebern, denjenigen, die die Schulden Griechenlands besitzen. Wir wissen,
dass das Finanzkapital unter den Reichen extrem konzentriert ist, und im Grunde
genommen hat man daher durch diesen Rettungsschirm erst einmal eine Umverteilung
vom Steuerzahler auf die Reichsten erwirkt. Solange sich an diesen Grundprinzipien
europäischer Euro- und Bankenrettung nichts ändert, wird auch künftig immer das
Geld der Gläubiger, der Finanzelite dieses Planeten, mit dem Geld der
Steuerzahler gerettet.« Woraus sich ergibt, dass die Menschen in Europa schon
lange nicht mehr nur für sich selbst, sondern auch für die Erhaltung dieses
Finanzsystems arbeiten. Wie gelingt es unseren Volksvertretern, vor dieser Tatsache
die Augen zu verschliessen? Nun sind die Missstände, die zu der heutigen Lage
Griechenlands führten, breit publiziert worden, vor allem auch die von rund 30
% der Griechen betriebene Steuerflucht. Indessen zeichnen sich kaum Änderungen
ab. Europaweit werden bekanntlich 10 % der Mehrwertsteuer hinterzogen, in
Griechenland jedoch ca. 30 %. Dort läuft ein Drittel der gesamten Wirtschaft am
Finanzamt vorbei. Die Verwaltung ist korrupt und arbeitet langsam und ineffektiv.
Deshalb kann es jeweils viele Jahre dauern, bis ein Strafverfahren in Sachen
Steuerhinterziehung abgeschlossen ist, wobei aber das Geld dann oftmals längst
ausser Landes ist. Finanzminister Evangelos Venizelos hat dem Parlament eine
Liste mit 2495 Namen von Bürgern vorgelegt; 40 von ihnen schulden dem Staat
jeweils mehr als 100 Millionen €; 18 Personen hätten Arbeitslosengeld bezogen,
obwohl sie im Ausland jeweils zwischen einer und anderthalb Millionen €
versteckten. Es stellte sich ferner heraus, dass die meisten Betriebe, die der
öffentlichen Hand Geld schulden, staatliche oder bereits insolvente Firmen sind.
[11]
Simon Evenett, Ökonom an der St.
Galler Hochschule, wurde Anfang November in einem Interview mit der Basler Zeitung die Frage gestellt, ob es
fair sei, dass sich die Schweiz an der Rettung Griechenlands beteilige,
woraufhin er folgende Antwort gab: »Wir alle müssen für Griechenland
zahlen, ob uns das gefällt oder nicht. Es ist nur eine Frage der Höflichkeit, ob
man gefragt oder dazu gedrängt wird.« Angesichts aller
das griechische Schuldendebakel betreffenden seit langem bekannten Fakten
betrachte ich diese als selten zynisch und im eigentlichen als einen
Affront gegen jeden seine Steuern ehrlich entrichtenden Bürger. [12]
»Na also, geht doch!«, vermerkt Michael Winkler in seiner trockenen Art.
»Jetzt, wo an der Spitze Griechenlands der
Mann von Goldman Sachs steht, gibt es auch wieder Geld. Die griechischen
Politiker haben schließlich alle brav ihre Strafarbeit unterschrieben und damit
Besserung gelobt, da kann eine weitere Rate von dem Mitte 2010 beschlossenen
Rettungspaket in dieses schwarze Loch geworfen werden.«
[1]
http://bazonline.ch/wirtschaft/konjunktur/Deutschland-einmal-mehr/story/11939087 28. 11. 11
Deutschland,
«einmal mehr» - Von Olivia Kühni
[2]
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M55d3c4039c6.0.html?PHPSESSID=60ac4a5161e025d61180e962e7a86ecf
21.
11. 11 Schäuble: Wir waren nie souverän
[3]
http://zeltmacher-nachrichten.eu/content/sch%C3%A4uble-klar-verfassungsfeindlich
Schäuble
klar verfassungsfeindlich
[4]
http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/sehr-merkwuerdig.html 24. 11. 11
Hans
Heckel – Sehr merkwürdig
[5] http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=15042010ArtikelPolitikMueller1 15. 4. 10
EU greift nationales Haushalts-Recht an - Währungskommissar Rehn
fordert: Kommission schon in Planungen einbinden - Von Paul Müller
[6] http://www.mmnews.de/index.php/201003055079/MM-News/Bilderberger-2010.html
5. 3. 10
[7] http://bazonline.ch/wirtschaft/konjunktur/Wie-Sarkozy-den-IWF-staerken-will/story/23806648
19.
2. 11
[8]
Topic Nr. 4 vom April 2011
[9] http://www.mmnews.de/index.php/politik/8912-genscher-will-mehr-macht-fuer-bruessel
21. 11. 11 Genscher will mehr Macht für Brüssel
[10] http://www.welt.de/finanzen/article13741976/Nun-finanziert-die-EZB-Schulden-ueber-die-Notenpresse.html 29. 11. 1i
[11] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,793275,00.html 24. 10. 11
Kapitalflucht -
Euro-Exodus lässt Griechenland ausbluten
[12]
http://bazonline.ch/ausland/europa/Die-G20-sind-eine-aufgeblasene-Version-der-nutzlosen-G8/story/13057005?dossier_id=1103
3. 11. 11 Interview von Christof Münger
mit Simon Evenett
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