Schweden und der Fiskalpakt - Parteiputsch bereitet den Weg in die Euro-Diktatur 12.02.2012 22:20
Nur ein politischer Putsch gegen den Vorsitzenden der schwedischen Sozialdemokraten hat es der schwedischen Regierung ermöglicht,
dem
neuen diktatorischen Fiskalpakt der EU zuzustimmen. Die Sozialdemokraten sind
zwar in der Opposition, aber Premierminister Fredrik Reinfeldt brauchte ihre
Zustimmung, um einer breiten Unterstützung im Parlament sicher zu sein. Der
sozialdemokratische Parteichef, Hakan Juholt, der versucht hatte, die Partei
gegen die neoliberale Welle auszurichten, mußte am 21. Januar zurücktreten.
Juholt hatte den Vorsitz erst im April 2011 übernommen, im Rahmen einer Revolte
der regionalen Parteiführer gegen die jahrzehntelange monetaristische und
industriefeindliche Politik der Parteiführung von Olaf Palme, Ingvar Carlsson,
Göran Persson und Mona Sahlin. Er wurde sofort Ziel einer endlosen Serie von
Medienskandalen, überstand aber die Angriffe, und die parteiinterne
Verschwörung gegen ihn wurde ausmanövriert. Bei den Skandalen ging es vor allem
um persönliche Dinge. Oft wurde ihm vorgeworfen, er sei unfähig, der Partei
eine klare politische Linie zu geben. Tatsächlich waren aber er und sein
Wirtschaftsprecher Tommy Waidelich sehr klar in ihrer Haltung, Schweden
aus dem Euro herauszuhalten. Berühmt wurde ein Satz Waidelichs zu der
Frage, ob Schweden dem Euro beitreten könnte: »Nicht, solange ich
lebe!«
Als
am 9. Dezember gegen Ende des Brüsseler EU-Gipfels der Vorschlag für den
Fiskalpakt vorgestellt wurde, bezog Juholt klar Stellung dagegen und blockierte
dadurch faktisch eine schwedische Beteiligung. Premierminister Reinfeldt mußte
sich daher den Ländern anschließen, die eine Beteiligung an dem Pakt
verweigerten oder offen ließen, wie Großbritannien, Tschechien und Ungarn. Das
war offenbar zuviel für die EU-Bürokraten und die Bankenelite, die schon so
viele Regierungen Europas und Gegner der Spar- und Bankenrettungspakete
beiseitegefegt haben. Unmittelbar nach
seiner Rückkehr aus dem Winterurlaub wurde Juholt am 16. Januar von den Medien angegriffen, die einen kleinen Fehler,
den er bei einer Pressekonferenz über Verteidigungsfragen gemacht hatte, massiv
hochspielten. Am 9. Januar hatte der frühere Ministerpräsident Göran Persson den Ton gesetzt,
als er offen forderte, Schweden solle sich dem Fiskalpakt anschließen.
Schließlich gab Juholt dem Druck nach und trat am 21. Januar zurück. Danach
wurde der Druck auf die Sozialdemokraten, den Pakt zu akzeptieren, massiv
verstärkt. Finanzminister Anders Borg verhandelte mit den anderen
EU-Finanzministern darüber, den Fiskalpakt so zu formulieren, daß die Einwände
der Sozialdemokraten umgangen würden. Der wesentliche Punkt dabei war, Schweden einen ›Einfluß‹ bei den Gipfeltreffen der Euro-Zone zu
sichern, auch wenn das Land nicht am Euro beteiligt ist oder sich nicht an die
vorgeschriebenen Haushaltsbeschränkungen hält. Trotzdem blieben die
sozialdemokratische Parlamentsfraktion und Waidelich auch am 24. Januar noch
standhaft und lehnten die vierte Revision des vorgeschlagenen Fiskalpaktes ab.
Aber am 26. Januar wurden dann der ›Regimewechsel‹ innerhalb der Partei vollendet: Praktisch gleichzeitig wurde
bekanntgegeben, daß Stefan Löfven der neue Parteivorsitzende wird, und daß
die Sozialdemokraten jetzt den Fiskalpakt unterstützen. Löfven wurde am
27. Januar bestätigt. Er war Vorsitzender der Gewerkschaft IF Metall, die aus
dem Zusammenschluß der Gewerkschaften der Metallarbeiter und der Industriearbeiter
hervorgegangen ist. International steht er Berthold Huber von der deutschen IG
Metall nahe. Obwohl er aus dem produktionsfreundlichen und antiliberalen Flügel
der Partei stammt, machte die alte Garde um die früheren Regierungschefs
Persson und Carlsson ihn zum Vorsitzenden, um den Widerstand gegen eine schwedische
Beteiligung am europäischen Fiskalpakt in der Partei zu brechen, denn die
Industriegewerkschaften folgen im allgemeinen der EU-freundlichen Linie des
Arbeitgeberverbandes, ein Erbe des alten Bündnisses zwischen den
Sozialdemokraten und der Bankiers- und Industriellenfamilie Wallenberg seit
1936.
Als
die Regierung am 30. Januar bekanntgab, daß Schweden sich am Fiskalpakt
beteiligen wird und nur Großbritannien und Tschechien dies nicht tun werden,
war der Zorn in der Bevölkerung groß. Die
Kombination aus dem abstoßenden Putsch gegen Juholt, der Kehrtwende der
Sozialdemokraten und den Machenschaften der Regierung, um den Wünschen der EU-Diktatur
nachzukommen, hat dazu geführt, daß Eurorettungspolitik und Fiskalpakt
sehr stark im Bewußtsein der Öffentlichkeit sind. Beim EU-Gipfel am 30. Januar
wurde dann der Fiskalpakt mit den Änderungen abgesegnet. Schweden und die
übrigen Nicht-Euro-Staaten innerhalb der EU dürfen einmal im Jahr an den
halbjährlichen Treffen der Mitglieder der Eurozone teilnehmen. Da die meisten Entscheidungen
sowieso schon im Vorfeld von ›Merkozy‹ getroffen werden und
die Nicht-Euro-Staaten bei diesen Treffen kein Stimmrecht haben, haben die
Sozialdemokraten mit diesem ›Zugeständnis‹ an Schweden allerdings
faktisch nichts gewonnen. Aber Schweden wird sich mit 11 Mrd. Euro am
200-Mrd.-Euro-Programm des Weltwährungsfonds (IWF) für den Euro beteiligen. Das
IWF-Programm ist Teil der Stützungsgelder für die Krisenstaaten in der
Euro-Zone, wodurch das Verbot direkter Finanzhilfen zwischen den
EU-Mitgliedstaaten umgangen werden soll. Da nur 50 Mrd.
dieser 200 Mrd. Euro von Nicht-Euro-Staaten kommen, ist Schwedens Beitrag von
11 Mrd. € bedeutend - auch weil man hofft, daß er noch weitere Länder mit einem
AAA-Rating dazu bewegen wird, sich am IWF-Programm zu beteiligen.
Quelle:
Strategic Alert, Jahrgang 25, Nr. 6 vom 8. Februar 2012
|