Staatsverträge vors Volk! 03.06.2012 19:30
Auch in der Aussenpolitik muss die direkte Demokratie gestärkt werden.
«Nur wer das Stimmvolk hinter sich weiss, kann im Interesse der Schweiz
handeln!»
Die
Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik - Saatsverträge vors Volk!» - die am 17. Juni zur Abstimmung kommt, wurde
von der überparteilichen Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz
(AUNS) eingereicht. Sie ist eine sinnvolle und wichtige Weiterentwicklung der
schweizerischen direkten Demokratie und ermöglicht, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten
in der Aussenpolitik ausgebaut werden.
Über welche Staatsverträge kann die Schweizer Bevölkerung bereits mittels
obligatorischem Referendums abstimmen? Bisher sind nur «der Beitritt zu
Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen
Gemeinschaften» (BV, Art. 140 Abs. 1 bst. b) einem obligatorischen Referendum
unterstellt. Die weiteren völkerrechtlichen Verträge unterliegen dem fakultativen
Referendum, das heisst, diese benötigen das Sammeln von 50? 000 Unterschriften in 100
Tagen. Kommt das Referendum zustande, genügt bei der Abstimmung das einfache Mehr
(Volksmehr). Aber selbst bei solchen Staatsverträgen, die eigentlich dem
fakultativen Referendum unterliegen, kommt es regelmässig zu juristischen
Winkelzügen, welche zum Ziel haben, das Volk als Souverän zu schwächen oder gar
zu umgehen.
Die Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk!» macht nun einen wichtigen
Anfang, um Ordnung in die Aussenpolitik zu bringen. Sie will das obligatorische
Referendum bei Staatsverträgen ausdehnen und die Bundesverfassung wie folgt
ändern:
«Art. 140
Abs. 1 (bst.), d (neu):
Volk und Ständen werden zur Abstimmung unterbreitet: Die völkerrechtlichen
Verträge, die
1. eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung in
wichtigen Bereichen herbeiführen;
2. die Schweiz dazu verpflichten, zukünftige
rechtsetzende Bestimmungen in wichtigen Bereichen zu übernehmen;
3. Rechtsprechungszuständigkeiten in wichtigen
Bereichen an ausländische oder internationale Institutionen übertragen;
4. neue einmalige Ausgaben von mehr als 1
Milliarde Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 100 Millionen
Franken nach sich ziehen.
Welche
konkreten Sachvorlagen bzw. Staatsverträge wären in Zukunft dem obligatorischen
Referendum unterstellt? Sicher alle weiteren bilateralen Verträge mit der
Europäischen Union (EU), also die künftige Übernahme von EU-Recht,
dann weiter das Ansinnen, die Schweiz der EU-Gerichtsbarkeit zu unterwerfen,
oder der Plan, weitere bilaterale Verträge mittels Rahmenvertrag zu regeln.
Aber auch über Milliardenzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF)
müsste der Souverän inskünftig automatisch abstimmen. Auch bei Abkommen zur
Bildung, wie sie z. B. Bundesrat Burkhalter im Januar 2010 mit der EU abgeschlossen
hat, muss der Bürger das letzte Wort haben. Gerade in diesem Bereich lässt sich
der Bürger nicht hintergehen.
Das Parlament,
wenn es denn sachliche Politik im Sinne unseres Landes betreibt, kann in
weniger wichtigen Bereichen immer noch von einer Abstimmung absehen. Aber der
Druck auf Regierung und Parlament wäre entscheidend erhöht, in tatsächlich
wichtigen Bereichen einen Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum zu
unterstellen. Auf diese Weise werden aussenpolitische Verhandlungen und geplante
Anbindungen der Schweiz klarer als bisher offengelegt und können diskutiert
werden. Damit hat der Souverän auch die Gewähr, dass Verträge in Zukunft nicht
in irgendwelchen Hinterzimmern unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt
und abgeschlossen werden. So wird dem Öffentlichkeitsprinzip, einem der
zentralen Grundprinzipien in einer direkten Demokratie, mehr Nachachtung
verschafft, und die Moral der Politiker wird in dem Sinne gestärkt, dass sie
ihre Pläne ehrlich auf den Tisch legen müssen.
Kantone
wieder stärken Mit der
Annahme der Initiative wird für wichtige Staatsverträge nicht nur das sehr
aufwendige Sammeln für ein fakultatives Referendum wegfallen, sondern auch die
Stellung der Kantone wieder gestärkt. Die Kantone bilden laut Bundesverfassung
zusammen mit dem Volk den Souverän, also die oberste Entscheidungsinstanz. Das
kantonale Gewicht wird aber bei einem fakultativen Referendum gänzlich negiert,
da lediglich das Volksmehr zählt. Bei einem obligatorischen Referendum hingegen
zählt das sogenannte doppelte Mehr. Das Ständemehr wurde 1848 in die
Bundesverfassung integriert, um dem Föderalismus in der Schweiz eine tragfähige
Basis zu verschaffen. Den schweizerischen Föderalismus stärkten die
Gründungsväter zusätzlich, indem sie den Ständerat als gleichberechtigte zweite
Kammer des Parlaments und die kantonale Schul- und Kirchenhoheit durchsetzten.
Diese föderalistische Grundlage müssen wir heute wieder stärken. In letzter
Zeit fällt nämlich auf, dass bestimmte politische Kreise in der Schweiz nur
noch dem Prinzip «Global – Lokal» frönen und damit den Nationalstaat und die
Kantonsebene zunehmend negieren.
Aussenpolitische
Glaubwürdigkeit der Schweiz stärken Der
Bundesrat argumentiert, die Initiative «Staatsverträge vors Volk!» erschwere
die internationale Zusammenarbeit und könne sich nachteilig auf die Schweiz und
ihre Wirtschaft auswirken. Das Gegenteil wird der Fall sein! Mit einem Ja wird
die aussenpolitische Glaubwürdigkeit der Schweiz gestärkt. Das Initiativkomitee
hält den bundesrätlichen Argumenten den sinnigen Satz entgegen: «Nur wer das Stimmvolk hinter sich weiss, kann
im Interesse der Schweiz handeln!» Als weiteres Argument gegen die Initiative
bringt der Bundesrat ein, die Bevölkerung werde bei Annahme der Initiative
zuviel an die Urne gerufen. Damit wird unterstellt, dass die Stimmbevölkerung
überfordert sei und die Komplexität von aussenpolitischen Verhandlungen nicht
verstehe. Dem ist entgegenzuhalten, dass solche Argumente immer angeführt
wurden, wenn es darum ging, in der Schweiz mehr direkte Demokratie einzuführen.
Während des 19. Jahrhunderts mussten ländlich geprägte Volksbewegungen den
damaligen politischen Eliten jegliches Mitspracherecht mühsamst abringen. Schon
damals warnten vor allem liberale Kreise vor einer «Pöbelherrschaft». Diese
Kreise malten, falls die Kantone und der Bund die direkte Demokratie einführen
würden, bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz den Teufel an
die Wand. Trotzdem vermochten mit der Zeit Volksbewegungen im Zuge langer politischer
Kämpfe in allen Kantonen und auch auf Bundesebene die direktdemokratischen
Instrumente der Initiative und des Referendums durchzusetzen. Tatsächlich
konnte die Schweiz im Laufe des 19. Jahrhunderts gerade mit Hilfe der direkten
Demokratie ein sehr erfolgreiches Wirtschaftsmodell aufbauen.
Ein
dritter Schritt im Staatsvertragsreferendum Auch die
erste Vorlage, welche Staatsverträge betraf, musste 1921 mit einer Initiative
durchgesetzt werden. Die Initiative wollte unbefristete und unkündbare
Staatsverträge dem Referendum unterstellen und wurde schliesslich mit 71,3 %
Ja-Stimmen deutlich angenommen. Seither wurde das Staatsvertragsreferendum
zweimal ausgebaut, nämlich in den Jahren 1977 und 2003. Nun ist mit der
Initiative «Staatsverträge vors Volk!» und mit der gezielten Ausweitung des
obligatorischen Referendums bei Staatsverträgen ein weiterer Schritt notwendig.
Mit der Initiative wird die nationale Souveränität der Schweiz gestärkt. Die
Schweizer Stimmbevölkerung ist aussenpolitisch nur dann wirklich handlungsfähig,
wenn sie bei Staatsverträgen mitreden kann. Unsere bewährte politische Kultur beinhaltet
eine offene und ehrliche Diskussion über alle Pläne, wie die Zusammenarbeit mit
dem Ausland gestaltet werden soll. Gewisse politische Kreise, die mit Staatsverträgen
immer mehr fremdes Recht und auch dessen Weiterentwicklung (also Folgerecht,
das
wir beim Vertragsabschluss noch gar nicht kennen) übernehmen wollen,
seien noch an folgendes erinnert: Schon im ersten Bundesbrief 1291 beschlossen
die Urschweizer angesichts der «Arglist der Zeit und damit sie sich eher
verteidigen können» folgendes: «In gemeinsamem Rat haben wir auch angeordnet,
dass wir keinen Richter annehmen, der sein Amt um irgendeinen Preis oder um
Geld erworben hätte oder der nicht unser Landsmann wäre.»
Dieser sogenannte «Richterartikel» zeigt gut auf, um was es auch heute geht.
Die Schweiz darf keine Staatsverträge abschliessen, die uns ohne demokratische
Mitbestimmung an fremdes Recht und an fremde Richter binden. Wir müssen der
weiteren Anbindung an die morsche EU und an andere internationale Grossgebilde
eine deutliche Absage erteilen. Statt dessen muss die Schweiz den Weg der
Knechtschaft endlich verlassen und mit Bezug auf den Bundesbrief den
ursprünglichen Bund wieder stärken und selbstbewusst als souveränes Land
auftreten.
Die Initiative «Staatsverträge vors Volk!» leistet dazu einen wichtigen
Beitrag.
Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=862 Staatsverträge
vors Volk! – Von Dr. phil. René Roca Zeit-Fragen 2012 Nr.22 vom 21.5.2012
Staatsverträge vors Volk!
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