Wissenswertes zur Hochfinanz 24.06.2012 23:34
d.a. Es sollte eigentlich zu denken geben, dass diese in der Tagespresse weitgehend vor Angriffen gefeit ist.
Den
Ausführungen von Wolfgang Berger ist zu entnehmen, dass wir, also der Steuerzahler,
in Brüssel 700 Lobbyisten ›ausgesetzt‹ sind, die mit einem Budget von 400
Millionen € im Jahr die Interessen des
Finanzsektors vertreten. Die Zahlen für den US-Bürger sind noch erschreckender,
sind es in Washington doch 3.000 Lobbyisten, die dieser Sparte zudient, wofür
ihnen ein Jahresbudget von mehr als 5 Milliarden $ zur Verfügung steht. Auch
wenn am 30. Juni letzten Jahres die internationale Organisation ›Finance Watch‹ als Gegengewicht in Brüssel gegründet wurde - die natürlich aus unserem Steuerbudget
entlöhnt werden muss - ist in Anbetracht
des jetzigen Verlaufs der Dinge auf dem Finanzsektor schwerlich davon
auszugehen, dass hier eine Änderung eintritt. [1]
Nun hat Geoffrey Geuens ein ausgezeichnetes Portrait dieser Kaste
gezeichnet, das wir im nachfolgenden
publizieren [2]:
Die Absahner - Who's
who in Hochfinanz und Politik Europas
Sozialisten wettern immer wieder heftig gegen das Finanzkapital und fordern
schärfere gesetzliche Vorschriften, um die weltweite ›Herrschaft der Finanzmärkte‹
einzudämmen. Dabei sollte man allerdings auch wissen, wovon und von wem man
redet. Denn das Bild, das die Vokabel ›Märkte‹ heraufbeschwört, läßt uns leicht übersehen, wer genau da eigentlich von
der aktuellen Krise und den Sparmaßnahmen
profitiert. »Der
Kapitalist ist zu einem schwer fassbaren Phänomen geworden«, schrieb Jean Peyrelevade, der ehemalige Wirtschaftsberater von
Ministerpräsident Pierre
Mauroy, in seinem Buch ›Le
capitalisme total‹. [3] Und er stellte die Frage: »Von wem sagt man sich los, wenn man
sich vom Kapitalismus abwendet? Gegen welche Institutionen geht man an, um die
Diktatur des flüchtigen, global und anonym gewordenen Marktes zu beenden?« Darauf
gebe es keine klare Antwort, meint er, um dann schlichtweg zu behaupten: »Marx ist wirkungslos geworden, weil es kein klares Feindbild mehr
gibt.«
Es ist
eigentlich nicht weiter verwunderlich, daß ein
Vertreter der Hochfinanz, der unter anderem Vorstandschef der Investmentbank
Leonardo & Co. (im Besitz der Familien Albert Frère, Agnelli und Michel
David-Weill) ist und im Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe Bouygues sitzt,
leugnet, daß so
etwas wie eine Oligarchie überhaupt existiert. Erstaunlicher ist, daß führende
Medien dieses wirklichkeitsfremde
und entpolitisierte Bild der monetären Macht übernommen haben. Das perfekte
Beispiel dafür bieten die Berichte über die Ernennung von Mario Monti zum italienischen Ministerpräsidenten. Mit
Begriffen wie ›Technokraten- oder
Experten‹-Regierung wird da im
Prinzip nur verschleiert, daß es sich um eine Regierung der
Banker handelt. Auf den Internetseiten mancher Tageszeitungen
konnte man sogar lesen, in Rom seien jetzt ›Persönlichkeiten
der Zivilgesellschaft‹ an der Macht.
Daß Monti auch einige Universitätsprofessoren
in seine Regierungsmannschaft berief, ließ manche Kommentatoren glauben, sein
politisches Programm stütze sich auf ein wissenschaftliches Fundament. Dabei
übersahen sie, daß die meisten der neuen Minister aus den Chefetagen der großen italienischen
Konzerne stammen.
Einige
Beispiele: Corrado Passera, der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, war Vorstandsvorsitzender
der zweitgrößten italienischen Bankengruppe Intesa Sanpaolo. Auch Montis
Ministerin für Arbeit und Soziales, Elsa Fornero, saß im Aufsichtsrat von
Intesa Sanpaolo; im Hauptberuf lehrte sie Wirtschaftswissenschaften an der
Universität Turin. Francesco Profumo, Minister für Bildung und Forschung, ist
nicht nur Rektor der Technischen Universität Turin, sondern sitzt auch im
Verwaltungsrat von UniCredit Private Banking und Telecom Italia (die von Intesa
Sanpaolo, Generali, Mediobanca und Telefónica kontrolliert wird). Piero Gnudi,
Minister für Tourismus und Sport, gehört dem Verwaltungsrat der UniCredit Group
an; der für die Beziehungen des Kabinetts zum Parlament zuständige Piero Giarda
ist Professor für Finanzwesen an der katholischen Universität Sacre Cuore in
Mailand, war bis 2011 aber auch Vizepräsident des Banco Popolare di Milano und
Mitglied des Verwaltungsrats von Pirelli. Regierungschef Mario Monti war
Berater für Goldman Sachs und Coca-Cola und saß im Verwaltungsrat von Fiat und
Generali. Dieselben sozialistischen und
sozialdemokratischen Spitzenpolitiker, die sich gar nicht scharf genug über die
Allmacht der Finanzmärkte äußern können, reagieren weitaus weniger empört auf
die Tatsache, daß viele frühere Protagonisten der sozialliberalen Wende
inzwischen die Seite gewechselt haben. Wim Kok, ehemals
Ministerpräsident der Niederlande, sitzt heute im Aufsichtsrat von Shell und
KLM wie auch des niederländischen Finanzdienstleisters ING. Exkanzler Gerhard
Schröder hat ein neues Betätigungsfeld als Aufsichtsratsvorsitzender der
Nord-Stream AG gefunden, an dem die Unternehmen Gazprom, E.ON, BASF, GDF
Suez und Gasunie beteiligt sind; außerdem sitzt er im Aufsichtsrat beim
Ölkonzern TNK-BP und ist Berater für das Europageschäft der Rothschild
Investment Bank. Solche slalomförmigen Karrieren sind längst zur Regel
geworden. Auch andere Sozialdemokraten aus Schröders Kabinett haben den Wandel
vom Staatsmann zum Geschäftsmann vollzogen. Exinnenminister Otto Schily sitzt
heute im European Advisory Board von Investcorp,
einer Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Bahrain. In diesem Gremium trifft er
gleich mehrere prominente Kollegen: den konservativen österreichischen
Exkanzler Wolfgang Schüssel, den Sozialisten Giuliano Amato, einst
Ministerpräsident Italiens und Vizepräsident des Europäischen
Verfassungskonvents, und Ana Palacio, ehemals Außenministerin der konservativen
spanischen Regierung Aznar. Selbst Kofi Annan, UN-Generalsekretär von 1997 bis
2006, ist mit von der Partie.
Wolfgang
Clement, unter Schröder Minister für Wirtschaft und Arbeit, hat einen Sitz im
Aufsichtsrat der RWE Power AG und fungiert als Senior Advisor der Citigroup
Global Markets Deutschland und als Strategic and Operational Partner der
Investmentfirma RiverRock European Capital Partners. Caio Koch-Weser, von 1999
bis 2005 Staatssekretär im deutschen Finanzministerium, sitzt seit 2006 im
erweiterten Vorstand der Deutschen Bank. Und der SPD-Spitzenpolitiker Peer
Steinbrück, Finanzminister im ersten Kabinett von Angela Merkel, ist seit 2010
Mitglied des Aufsichtsrats der ThyssenKrupp AG.
Auch die
wahren Erben Margaret Thatchers aus der Führungsriege von ›New Labour‹ haben
sich der Hochfinanz angedient: Exaußenminister David Miliband ist heute
als Berater für die Investmentgesellschaften VantagePoint Capital Partners
(USA) und Indus Basin Holding (Pakistan) tätig; Peter Mandelson,
Handelsminister unter Tony Blair und danach (2004 bis 2008) EU-Kommissar für
Handel, berät seit 2011 die US-Investmentbank Lazard. Natürlich hat auch Tony
Blair selbst eine erkleckliche Zahl von Ämtern angesammelt: Berater bei der
Schweizer Finanzholding Zurich Financial Services (ZFS), Redner für den
Hedgefonds Lansdowne Partners [4] und Vorsitzender des Internationalen Beraterstabs von JPMorgan
Chase - dem auch Kofi Annan und
Henry Kissinger angehören.
Diese
Aufzählung mag etwas dröge sein, aber sie dokumentiert, was in den Medien nicht
vorkommt: die privaten Interessen des politischen Personals. Dabei soll die Liste
dieser ›Doppelagenten‹ nicht nur die Durchlässigkeit
zwischen den Bereichen Politik und Wirtschaft aufzeigen, die sich gern als
völlig von einander getrennt (oder gar als verfeindet) darstellen, sondern auch
dazu beitragen, die Funktionsweise der Finanzmärkte richtig zu verstehen.
Entgegen gängigen Vorstellungen sind ›die
Finanzmärkte‹ nämlich keineswegs
anonym, sondern identifizierbar - durch Personen, die ihnen ein Gesicht oder
beziehungsweise viele Gesichter geben. [5] Damit meine ich nicht die der europäischen
Kleinaktionäre, von denen in den Medien stets gesprochen wird, sondern die
Gesichter der Oligarchen: der Anteilseigner und Verwalter riesiger Privatvermögen. Es ist ja so, daß nur 0,2 % der
Weltbevölkerung die Hälfte des weltweit börsennotierten Kapitals halten. Diese Portefeuilles werden
von Banken (wie Goldman Sachs, Deutsche Bank, Santander, BNP Paribas,
Société Générale), Versicherungsgesellschaften (wie AIG, AXA, Scor) und
Pensions- und Investmentfonds (wie Berkshire Hathaway, Blue Ridge Capital,
Soros Fund Management) verwaltet. Lauter Institutionen, die auf dieselbe Weise
auch eigenes Kapital anlegen. Diese winzige Minderheit
spekuliert mit Aktien, Staatsanleihen oder Rohstoffen und kann sich dabei immer
neuer Finanzprodukte bedienen, die sie dem unerschöpflichen Erfindungsgeist von
Finanzingenieuren verdanken. Die Märkte für diese sogenannten Derivate sind
keineswegs eine ›natürliche‹ Folge der Entwicklung in den
fortgeschrittensten Volkswirtschaften, sondern die Speerspitze eines Projekts,
bei dem es allein darum geht, »den Oberschichten noch mehr Einkommen zu verschaffen«, wie es Gérard Duménil und Dominique Lévy formulieren.
[6] Die Strategie ist offenbar erfolgreich. Heute gibt es weltweit etwa
63 000 Personen, deren Vermögen 100 Millionen US-$ übersteigt. Deren
Privatvermögen addieren sich auf 40 Billionen $, was dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt aller Staaten der Welt
entspricht. [7]
Sozialisten und
Banker Wenn ›die Märkte‹ ein Gesicht bekommen, beginnt für die Politik die Stunde der
Wahrheit, denn sie kämpft nicht mehr gegen die
Windmühlen eines ›anonymen Systems‹ wie François Hollande in seinem
Präsidentschaftswahlkampf. »Ich sage Ihnen, wer mein Gegner in der
bevorstehenden Schlacht sein wird«, erklärte er am 22. Januar in
einer Wahlrede: »Er hat keinen Namen, kein Gesicht, gehört keiner Partei an
und wird niemals kandidieren, also auch niemals gewählt werden. Dieser Gegner ist das Finanzkapital.« Hollande war einfach nicht bereit, sich mit den Führungsriegen
der Bankwelt und der Großindustrie anzulegen, denn dann hätte er die Namen
der Verwalter von Investmentfonds nennen müssen, die ganz gezielt auf die
zunehmende Verschuldung südeuropäischer Länder spekulieren; oder auch
die Namen seiner Berater, die ein zweites Standbein in der Wirtschaft haben.
Und nicht zuletzt die Namen der (Ex-)Kollegen, die von der sozialistischen
Internationale zu anderen globalen Organisationen übergelaufen sind. Daß der Sozialist Hollande zu seinem Wahlkampfmanager
ausgerechnet Pierre Moscovici erkoren hatte, also den Vizepräsidenten der Lobby
Cercle de l'Industrie, in der alle Führer der großen französischen
Unternehmensgruppen vertreten sind, war jedenfalls ein wichtiges Signal: Der ›Wandel‹, von dem er sprach, sollte keinesfalls als Umsturz verstanden
werden. Dementsprechend versicherte Moscovici ›den Finanzmärkten‹,
unter einem Präsidenten Hollande werde die Staatsverschuldung ab 2013 ›koste es, was es wolle‹, auf unter 3 % sinken; dafür werde
man die ›entsprechenden Maßnahmen ergreifen‹. [8] Nach dem Wahlsieg Hollandes ist für dafür der neue Finanzminister zuständig. Er heißt Pierre Moscovici.
Die
routinemäßige Beschimpfung der Finanzmärkte ist eine von PR-Strategen ersonnene
politische Rhetorik, die drastisch klingt, in der Praxis aber folgenlos bleibt.
Wie schon Barack Obama, der den Verursachern der Krise in der USA die
präsidentielle Absolution erteilt hat, werden auch die europäischen Politiker
die ›gierigen‹ Spekulanten, die sie noch unlängst an den Pranger gestellt haben,
ziemlich rasch begnadigen. Sie kommen nicht umhin, das Image der ›ehrenwerten‹ Vertreter der
Oligarchie - das zu Unrecht gelitten
hätte - wieder herzustellen. Das geht so: Man beruft diese Leute
in genau jene Ausschüsse, die mit der Ausarbeitung eines neuen Verhaltenskodexes
beauftragt werden. Paul Volcker (JPMorgan Chase), Mario Draghi (Goldman Sachs), Jacques de Larosière (AIG, BNP Paribas),
Lord Adair Turner (Standard Chartered Bank, Merryll
Lynch Europe) und Baron Alexandre Lamfalussy (CNP Assurances, Gortis) - all
diese Schlüsselfiguren, die jetzt einen Ausweg aus der Finanzkrise finden
sollen, waren direkt mit den großen Unternehmen der Branche verbandelt.
Unterstützt von den Medien und einigen Intellektuellen, die noch vor kurzem die
Selbstgefälligkeit und blinde Gier der Banker wortmächtig gegeißelt haben,
mutieren die ›Verantwortungslosen‹ von gestern plötzlich zu neuen ›Wirtschaftsweisen‹. Kein Mensch wird heute noch bestreiten, daß die Spekulanten die
Krise der letzten Jahre zu profitablen Geschäften nutzen konnten. Aber bei
aller Kritik am zynischen Opportunismus dieser Raubtierkapitalisten sollte man
nicht vergessen, daß sie dabei von Vermittlerdiensten auf höchster staatlicher Ebene
profitieren konnten. Ein schlagendes Beispiel: Der Hedgefondsmanager
John Paulson hat in der US-Immobilienkrise mit Subprime-Krediten mehr
Geld verdient als jeder andere: 2007 allein 3,7 Milliarden $. Im Januar 2008
verpflichtete er den langjährigen Chef der US-Zentralbank (1987 bis 2006), Alan
Greenspan, als Berater; dieser hatte bereits einen Beratervertrag mit einem der
wichtigsten privaten Gläubiger der USA, der Pacific
Investment Management Company (Pimco, mehrheitlich im Besitz der Allianz).
Ähnliches gilt für die international führenden Hedgefonds: Lawrence Summers,
Finanzminister unter Bill Clinton und Präsident des Nationalen Wirtschaftsrats
unter Präsident Obama, war von 2006 bis 2008 für das Finanzmanagement-Unternehmen
D. E. Shaw tätig (dessen Hedgefonds mit 16 Milliarden $ operieren). Und Kenneth
Griffin, Gründer der Citadel Investment Group, hat noch 2008 für den Wahlkampf
Obamas 200.000 $ gespendet; heute ist er mit 2 Millionen $ einer
der größten Sponsoren des republikanischen Kandidaten
Mitt Romney. Was George Soros betrifft, so hatte er sich die Dienste von
Lord Malloch-Brown gesichert, der 2006 kurzzeitig das UNO-Entwicklungsprogramm
(UNDP) leitete und bis 2009 als Staatsminister im britischen Außenministerium diente. [9]
Die
Finanzmächte haben also ein Gesicht. Auf den Korridoren der Macht waren ihre
Repräsentanten schon immer anzutreffen.
Anmerkung politonline: Wie eng
die Maschen dieser Vernetzung geknüpft sind, lässt sich allein schon daran
ablesen, in welchem Ausmass die genannten Unternehmen und ihre Vertreter bei
den jährlichen Bilderberger-Konferenzen vertreten sind. Selbst wenn die
Ergebnisse der dortigen Unterhandlungen in der Regel seltenst
nach draussen sickern, so wird doch immerhin die Teilnehmerliste seit einigen
Jahren von Genf aus ins Internet gestellt. [10] Was den ehrenwerten Herrn Monti
betrifft, so hat der Bundesbankchef Jens Weidmann soeben dessen Forderung, dass
Italien indirekt Milliarden aus den Euro-Rettungsschirmen erhalten sollte, ohne
die vorgesehenen Auflagen erfüllen zu müssen, zurückgewiesen. »Der Vorschlag Montis läuft auf eine durch die EU-Verträge verbotene
Staatsfinanzierung
durch die Notenpresse hinaus«, sagte Weidmann der Süddeutschen Zeitung vom 23. 6. 12. Es ist im übrigen mehr als
seltsam, dass von keiner Seite je einmal die Frage gestellt wird, wohin die
Abermilliarden, die die Banken zur Tilgung ihrer fauler Kredite fordern,
überhaupt geflossen sind. Hierzu schweigt man sich beharrlich aus, wohl wissend,
dass die Politiker kaum dazu bereit sind, hier klare Fakten zu schaffen.
Was
nun die Spekulation betrifft, so ist wahrscheinlich längst vergessen, dass z.B.
die Aktionäre der französischen Bank Société Générale einen Kursgewinn von 24 %
verbuchten, als die Spekulanten 2010 die Eurostaaten zu einer Finanzspritze von
750 Milliarden € zwangen. Am selben Tag, nämlich am 10. Mai 2010, verkündete
der französische Präsident, dass auf Grund der angespannten Haushaltslage ein
Unterstützungsprogramm für bedürftige Familien nicht fortgeführt werden könne. »Mit jeder weiteren Finanzkrise«, schreibt Serge Halimi,
»wird klarer
erkennbar, dass die Politik nur für Aktionäre und Investoren gemacht wird.
Die Bürger dürfen zwar in regelmäßigen Abständen zur Wahl gehen, stimmen dann allerdings
für Parteien, denen ›die Märkte‹ zuvor eine politische
Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt haben. Zugleich aber verlieren die
Politiker, die pausenlos das Gemeinwohl beschwören, jeglichen Kredit.« [11]
Und die
Bundestagsparteien? Nachdem die Financial
Times bereits am 29. April, die Bild-Zeitung am 30. April und ein ganzes
Medienspektrum Anfang Mai 2010 darüber berichtet hatten, »daß ein
Hauptnutznießer des Mega-Rettungspakets der griechische Milliardär Spiro Latsis
sein würde, dessen EFG-Bank rund 60 Milliarden an griechischen Staatsanleihen
und privaten Obligationen verwaltet, sahen Bundestag und Bundesrat darin dennoch
kein Hindernis, den deutschen Steuerzahler mit rund 150 Milliarden € zu
belasten. Die EFG-Eurobank hatte ihren Sitz kurz vor Jahresende
bequemerweise von Genf nach Luxemburg verlagert, wodurch sich die Belastung der
Schweiz durch griechische Bankschulden um 60 Milliarden € verringerte und es
für die Eurobank u. a. leichter wurde, im EU-Mitgliedsstaat Luxemburg -
Junckers Steueroase - in den Genuß des Rettungsschirms zu kommen.« [12]
Die
Probleme der Euro-Zone, steht zu befürchten, eröffnen den Politikern unter
Umständen die Möglichkeit, eine, wie es heisst, neue ›Form von Governance‹ zu
schaffen. So erklärte Wolfgang Schäuble am 21. November letzten Jahres: »Ich bin
überzeugt, dass wir in weniger als 24 Monaten in der Lage sind und in der Lage
sein werden, das europäische Regelwerk so zu verändern, dass wir die Grundzüge einer Fiskalunion für die Eurozone
schaffen.«
Letztere bedeutet bekanntlich die Abgabe der Haushaltssouveränität an
Brüssel, genauer: an diejenigen, die für das gegenwärtige Debakel haftbar
zu machen wären. Die Volksvertreter, die mehr Macht für dieses Brüssel fordern, sind zahllos, was
den Verdacht nährt, dass sie gedanklich über ihre Abgeordnetengehälter und
Diäten gar nicht hinauskommen. So erklärt uns auch der frühere FDP-Vorsitzende
und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher, dass die Mitgliedstaaten bereit sein müssten,
»weitere
Zuständigkeiten auf die europäischen Organe zu übertragen.« Die Tragweite dieser Forderung bleibt ihm offensichtlich
verschlossen, oder, vermutlich der Wahrheit näher liegend: Er will sie gar
nicht aussprechen. Dies nicht nur zum Schaden, sondern geradezu zur
Übertölpelung des Bürgers. Natürlich kommt auch er nicht ohne das
obligatorische Heftpflaster aus: »Das« - worunter die
Abtretung der Macht zu verstehen ist - »verlangt
im Interesse der parlamentarischen Kontrolle auch eine Stärkung des
Europäischen Parlaments«, so Genscher ferner. Gerade letzteres dürfte bei jedem,
der verfolgt hat, in welchen Bereichen dieses EP jeweils vor den Forderungen
der USA eingeknickt ist, nur noch ein Hohngelächter hervorrufen. Niemand, der
sich das Machtstreben der Kommissare vergegenwärtigt, wird der Vorstellung einer Stärkung des EP auch nur
einen Hauch an Glauben schenken. Ganz selbstverständlich ist auch Mme
Lagarde mit von der Partie: »Europa müsse sich auf eine stärkere Integration der
Haushalte zubewegen und eine Währungsunion durch eine Finanzunion ergänzen.«
Ȇber
die Extremverschuldung der Staaten, Gemeinden und Städte«, führt Prof.
Michael Nier aus, »versuchen
die Banken an die Steuergelder und an das öffentliche Eigentum zu kommen. Daß
diese so verschuldet sind, liegt daran, daß das gesamte Steuersystem die
Finanzwirtschaft begünstigt bzw. daß die Finanzbranche, die Konzerne und die
Superreichen faktisch keine Steuern zahlen. Es handelt sich also um eine
zielgerichtete Verarmung der öffentlichen Hand oder um eine zielgerichtete
Verschuldung im Interesse der Finanzbranche. Aber leider erleben wir
jetzt im Rahmen der sogenannten Schuldenkrise der Staaten Europas ein Zurückfahren
aller staatlichen Leistungen, den letzten Verkauf des öffentlichen Eigentums
und eine Erhöhung der Steuern für alle unterhalb der Schicht der Superreichen
und der Finanzbranche. ›Austerität‹ ist angesagt. Dies wird aber die
Wirtschafts- und Finanzkrise nicht beenden, sondern verschärfen. Auch mit der
Verelendung der Völker gibt es keine Bewältigung der Krise. Die heutige Krise
ist wahrscheinlich im Rahmen des derzeitigen Geldsystems überhaupt nicht
lösbar. Es könnte sich um die finale Krise eines Geldsystems handeln. ……. Und
nun sollen die noch scheinbar solventen Staaten, wie vor allem Deutschland, für
die ganzen Schulden in der EU haften. Für die Banken soll Deutschland sich
weitere finanzielle Verpflichtungen aufbürden. Das wird auch über Euro-Anleihen
und einen ›Europäischen
Währungsfonds‹ probiert werden; und dieser
soll genauso wie der Internationale Währungsfonds in die EU-Staaten
hineinregieren.«
[13]
Was die
Möglichkeit angeht, dass die Politik zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Übermacht
der Hochfinanz einschreiten könnte, so ist diese eher solange als
unwahrscheinlich gering einzuschätzen, solange eine Feststellung, wie sie Mike Whitneys
getroffen hat, unverändert fortdauert: »Das Council on Foreign Relations,
das CFR, ist die handverlesene Versammlung westlicher Eliten der Sektoren
Energie, Pressemonopol, Hochfinanz und Waffenindustrie. Es sind dies die etwa
4000 Mitglieder der regierenden amerikanischen Klasse, die die politische
Richtung bestimmen und gewährleisten, dass das Management des globalen
Wirtschaftssystems in den Händen der US-Blaublütler bleibt. Selbstverständlich
haben das CFR und die Trilaterale Kommission das, was man als Unterorganisation
bezeichnet, auch in Europa.« Natürlich kanzelt die Hochfinanz Insiderwissen, das
ausnahmsweise in die Öffentlichkeit gesickert ist, gern als ›Verschwörung‹ ab; ferner ist dem Volk im Rahmen der Umerziehung längst
beigebracht worden, dieses Stichwort tunlichst zu ignorieren bzw. zu belächeln.
Insofern beurteilt der gute Lemming lieber nur ›offiziell-freigegebenes Wissen‹
und schaltet seine Gedankengang ansonsten ab.
»Seit zwanzig Jahren«, schreibt Serge Halimi, »hat sich die Politik der Finanzindustrie untergeordnet. Die
Regierungen werden sich erst dann gegen deren Dominanz zur Wehr setzen, wenn
die Banken sie direkt an einem Punkt angreifen, an dem sie das nicht mehr
hinnehmen können.« Das erklärte Halimi im Juni 2010; eigentlich
wäre der Zeitpunkt einer Revolte der Politiker im jetzigen Moment sozusagen
zwangsgegeben. »Demnächst wird sich zeigen müssen«,so
Halimi ferner, »ob die ständigen Demütigungen, die den Staaten
von den ›Märkten‹ zugefügt werden, und die allgemeine Wut über den Zynismus der
Banken in unseren Politikern den kleinen Rest an Stolz, der ihnen noch
verblieben ist, wachrüttelt. Der Test wird darin bestehen, wie einschneidend
die Maßnahmen ausfallen, die Deutschland, Frankreich, die USA und die
G-20-Staaten zur Eindämmung der Spekulation ergreifen werden.« [11]
[1] http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1782 20. 8. 11 Die
ehrenwerten Mafiabosse - Von Wolfgang Berger [2] Die Absahner
- Who's who in Hochfinanz und
Politik - von Geoffrey Geuens Le Monde diplomatique Nr. 9821 vom 8. 6. 2012; Geoffrey Geuens ist Dozent
an der Universität Lüttich, ferner Autor von: »La Finance imaginaire. Anatomie
du capitalisme: des ›marchés financiers‹ à l'oligarchie«, Editions Aden, Brüssel 2011 ; aus
dem Französischen von Edgar Peinelt [3] Jean Peyrelevade,
»Le Capitalisme total«, Seuil, Paris 2005, S. 37 [4] Für vier Reden vor Managern von Lansdowne
Partners soll Blair 250 000 £ kassiert haben. Der größte Hedgefonds Europas kam
in Verruf, als er mit seiner Wette auf die Insolvenz des Baufinanzunternehmens
Northern Rock an die 100 Millionen £ verdiente. [5] Siehe dazu Heiner Ganßmann »Wir sind
der Markt, Spekulation und Alltag«, Le Monde diplomatique, Oktober
2011 [6] Gérard Duménil und Dominique Lévy, "The
Crisis of Neoliberalism", Cambridge, Massachusetts (Harvard University
Press), 2011 [7] www.thewealthreport.net/The-Wealth-Report-2012.pdf [8] Pierre
Moscovici »Ne pas
avoir peur de la rigueur«, 8. November
2011, www.lexpress.fr [9]
Mallock-Brown diente 2007 vier Monate als Vizechef von Soros' Quantum Funds,
bevor der dezidierte Kritiker der US-Außenpolitik ins britische Foreign Office
berufen wurde. [10] Siehe hierzu
http://www.bilderbergmeetings.org/participants2012.html Teilnmehmerliste für die Zusammenkunft in Chantilly,
Virginia, USA, vom 31. Mai bis 3. Juni 2012; unter dem Stichwort ›Bilderberger‹ sind zahlreiche der zurückliegenden Konferenzen abgehandelt [11] Serge Halimi
›Macht und Geld und Politik‹
Le Monde diplomatique Nr. 9210 vom 11. 6. 10 [12] http://www.bueso.de/news/helga-zepp-larouche-nein-grenze-hat-tyrannenmacht-weltweiter-massenstreikprozess-wachst 30. 5. 10
Helga-Zepp-LaRouche Siehe hierzu auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1525 30. 5. 10 Strategic
Alert, Jahrg. 24, Nr. 21 vom 26. Mai 2010 [13] http://www.nonkonformist.net/5487/prof-michael-nier-deutschland-und-die-macht-der-finanzbranche/#comment-59880 Prof. Michael Nier: Deutschland und die Macht
der Finanzbranche [14] Siehe Global Research - Articles
by Mike Whitney http://globalresearch.ca/index.php?context=listByAuthor&authorFirst=%20Mike&authorName=Whitney
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