ZDF-Meldung: Ein Musterbeispiel für den verbreiteten Gehorsams- und Vernebelungsjournalismus - Von Volker Bräutigam 09.07.2012 00:31
Die meist leise lächelnde Moderatorin des »heute journal« im ZDF las am 5. Juni abends
auch
diese, mutmasslich aus eigener Feder stammenden Sätze, sie ist schließlich ›Redakteurin im Studio‹, vom Teleprompter ab: »Der USA
ist erneut ein Schlag gegen Al Kaida gelungen. In Pakistan ist bei Angriffen
mit Drohnen die Nummer Zwei des Terrornetzwerkes, al-Libi, getötet worden. Zunächst
war nicht klar, ob al-Libi bei dem Angriff wirklich ums Leben kam. Doch am
Abend kam die offizielle Bestätigung aus Washington. Nach dem Tod von Osama bin
Laden ist dies ein weiterer Erfolg für US-Präsident Obama im Kampf gegen al
Kaida.«
Nochmals
die Kernaussagen: Der USA ist ein Schlag gelungen. Angriffe in Pakistan. Nummer
Zwei des Terrornetzwerkes. Getötet. Kam ums Leben. Erfolg für Obama. In jeder
dieser Formulierungen steckt Infamie: die Quintessenz aus Zynismus,
Rechtsnihilismus, Rohheit, Ignoranz, Unaufrichtigkeit und Gedankenlosigkeit.
Ich sehe in der ZDF-Meldung ein Musterbeispiel für den verbreiteten Gehorsams-
und Vernebelungsjournalismus. Kein Wort darüber, dass die US-amerikanischen
Drohnenangriffe in einem nicht kriegführenden, einem verbündeten Land das
Völkerrecht verletzen, dass diese mittlerweile gewohnheitsmässig begangenen
Kriegsverbrechen die wenigen noch verbliebenen Fundamente internationalen
Rechts erschüttern, voran die Allgemeine Menschenrechtskonvention und die
Genfer Konventionen. Die Moderatorin Gundula Gause verlor auch kein Wort
darüber, dass US-Präsident Obama sich inzwischen wöchentlich Listen mit den
Namen von Zielpersonen für seine per Drohnenangriff zu vollstreckenden
Tötungsbefehle vorlegen lässt, die Delinquenten höchstselbst auswählt und per
Unterschrift zum Abschuß freigibt - womit er längst zum vielfachen
Schreibtischmörder geworden ist.
Der
US-amerikanische Autor John Grant nennt Obama den ›Killer im Weißen Haus‹.
Dessen Tötungs-, nein: Mordbefehle überträfen - so berichten britische Medien -
bereits die seines Vorgängers George W. Bush. Über die vielen Opfer unter
Unbeteiligten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, führen die Angreifer
ohnehin nicht Buch. Kollateralschäden. ›The
Miami Herald‹, eine der großen
überregionalen Tageszeitungen der USA, schreibt: »Obamas Alternative zur Verhaftung
und Anklage von Verdächtigen ist: Er läßt sie weltweit einfach umbringen.
Inzwischen starben Hunderte, möglicherweise sogar Tausende, und die meisten
waren unbewaffnete Zivilisten.« Das Blatt nennt weit krassere Zahlen als seine
britischen Pendants: Obama habe mehr als 250 gezielte Tötungen mittels
Drohnenbeschuß befohlen, »mehr als sechsmal so viele, wie der gesetzlose Saukerl
Bush in seiner gesamten Amtszeit befahl.« [..more than six times as many as the
lawless yahoo Bush ordered during his entire presidency.] Die äusserst kritischen Beiträge in vielen
US-Zeitungen unterscheiden sich nicht nur wohltuend von dem Geschreibsel
deutscher Schmocks, sie beziehen sich auch auf ganz offizielle Angaben des
Beraterstabes im Weißen Haus. Obama habe ersichtlich ein Interesse daran, im
Wahljahr als ›starker Mann‹ zu erscheinen.
Präsident
Barack Obama: Verfassungsrechtler, Friedensnobelpreisträger, Ankläger, Richter
und Henker in Personalunion. Mit Worten wie Tod, getötet und ›ums Leben gekommen‹ verschleiern Gundula Gause und ihre Kollegen in den
Nachrichtenagenturen und in allen deutschen Leitmedien, was Obamas Sache ist:
Massenmord, illegale Racheakte, menschenverachtende Gewalttaten. So
demonstrieren sie ihr berufsethisches und moralisches Versagen. Solche ›Nachrichten‹ vergiften das politische Bewußtsein und Rechtsempfinden der
Zuschauer. Einen quantitativen Meßwert kann man immerhin vermelden: Die
niederträchtige Sendung hatte 3,21 Millionen Zuschauer, das entsprach zu jener
spätabendlichen Stunde einem ›Markt‹-Anteil von 11,6 %.
Claus
Kleber, ZDF-Chefmoderator, hatte die Sendung wie folgt eingeleitet: »Guten
Abend! Das war kein sonderlich aufregender Tag heute, politisch gesehen …..« Klar
doch, an diesem Tag verreckten ja bloss ein paar Pakistani im Feuer
US-amerikanischer Drohnen. Nicht sonderlich aufregend: Einen solch
arrogantverlogenen Spruch kann nur ein Journalist vom Schlage Klebers ablassen,
ein Träger bedeutender Journalistenpreise und -auszeichnungen. In unserer
verkommenen Medienwelt schließt das Eine das Andere nicht aus, die Kombination
ist symptomatisch.
Quelle: http://www.hintergrund.de/201206252125/hintergrund/medien/ach-gundula.html
25. 6. 12 - Veröffentlichung mit freundlicher
Genehmigung der Zeitschrift Ossietzky
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