Philipp Mißfelder - Der Herr der Selektionen - Von Evelyn Hecht-Galinski 02.09.2012 21:22
Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der CDU und Obmann im auswärtigen Ausschuß hat wieder einmal zugeschlagen.
Aus großer
Sorge über die Lage der Christen in Syrien, plädierte er dafür, ›ausgewählte‹ Flüchtlinge aufzunehmen. Paßt
das nicht zu Mißfelders politischem ›Rampendenken‹? Schlug er nicht schon als
Vorsitzender der Jungen Union vor 9 Jahren, also 2003, vor, ›künstliche Hüftgelenke für sehr alte
Menschen nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft zu finanzieren‹? Das sagte der Nachwuchspolitiker damals im ›Tagesspiegel‹ und: ›Früher seien die
Leute schließlich auch auf Krücken gelaufen‹.
Mißfelder sprach sich damals auch für deutliche Einschränkungen bei der
gesetzlichen Krankenversicherung aus: Die Sozialsysteme seien nicht dafür
zuständig, daß jeder Senior fit für einen Rentner-Adventure-Urlaub sei.
Warum gehe
ich so weit zurück? Durch diese Sätze und Gedanken versteht man die kleine ›ausgewählte Gedankenwelt‹ dieses ›Mißgeleiteten‹ viel
besser. Mißfelder war für deutsche Kriegsteilnahme im Irak, in Libyen, steht
auch für die Option, den Iran (präventiv) militärisch durch Israel oder die USA
anzugreifen. In einem Gastkommentar von Anfang August für die Bild-Zeitung wollte
er einen Militärschlag ›gegen die
Mörder aus Damaskus nicht ausschließen‹
und will auch keinen Freibrief für den ›syrischen
Diktator‹ und alle anderen Despoten
in der Welt. Mißfelder verteidigte Kanzlerin Merkel für ihre Großtat, Israels
Sicherheit als Staatsräson in Deutschland einzuführen. Jetzt ging er nochmals
einen Schritt weiter und schrieb der ›Jerusalem
Post‹, daß die Hisbollah auf die
Liste der Terrororganisationen gesetzt werden sollte und daß das überfällig
werde. Weiter schrieb er, die Hisbollah bedrohe die Sicherheit ›unseres Alliierten Israel‹, sei in zahllose Terror-Aktivitäten verwickelt
und stehe unter dem Schutz des ›iranischen
Regimes‹. Hier arbeitet ein führender Koalitionsaußenpolitiker mit
Mutmaßungen. Das läßt den ›berüchtigten
Israel- Versteher‹ und Mitstreiter
vom Pornoverfasser, den Korrespondenten der ›Jerusalem Post‹,
Benjamin Weinthal, natürlich zu Hochform auflaufen, indem er Mißfelder dafür
lobt, daß dieser der erste gestandene Politiker sei, der die Hisbollah ›ächtet‹, nachdem der US- und israelische Geheimdienst behauptete (!), daß
die libanesische Gruppe, neben dem Iran, für den Anschlag in Bulgarien mit fünf
getöteten Israelis und dem bulgarischen Busfahrer verantwortlich war. Allein
schon das Wort im englischen Artikel ›asserted‹, also behauptet, sagt doch alles: hier
wird wieder einmal etwas behauptet, also ohne Beweise.
Diese
Kunst des ›Behauptens‹ beherrschen israelische Politiker
besonders gut, gerade Kriegsminister Barak, der behauptete, daß es neue
Erkenntnisse über die iranischen Atomwaffen gäbe. Interessanterweise hatte er diese
Erkenntnis selbst gewonnen. Zurück zu Mißfelder, der auch den
zypriotischen Außenminister Erato Kozakou-Marcoullis aufforderte, Aktionen
gegen die Hisbollah einzuleiten. Zypern hält derzeit den EU-Ratsvorsitz der 27 Mitglieder.
Mißfelder ist für Weinthal der ›kenntnisreichste
und unterstützende Sprecher, wenn es um Israel geht‹. Kommen wir zur SPD. Andrea Nahles, die Generalsekretärin, so las
ich in der ›Jüdischen Allgemeinen‹, war ›glücklich, heute dabei zu sein‹.
Wo?
Bei der Gründung von Hashomer Hatzair, einer ›linken jüdischen Jugendbewegung‹. Ist diese zionistische Jugendbewegung nicht eher link denn
links? Allein schon das Wort Zionismus weist auf den Zweck des
Zusammenschlusses hin, oder? Frau Nahles kennt die Organisation schon seit
langem, durch die Zusammenarbeit im Jerusalemer Willy-Brandt-Center. Sie sei
stolz darauf, dieses blaue Hemd zu tragen, wird sie später den Jugendlichen
zurufen. Worauf ist sie eigentlich stolz? Daß es wieder eine neue laizistische,
linke (?) jüdische Organisation in Deutschland gibt, die israelische Politik
verteidigen und hoffähig machen will? Hat die junge Mutter ihr Kind schon
angemeldet, als ›Schomra Hatzar‹ (Junge Wächter)? Interessanterweise
wollte SPD-Chef Siegmar Gabriel keine Laizisten in der SPD!
In der FAZ
vom 22. August schrieb Joseph Croitoru über einen bemerkenswerten neuen Sender.
In der Tat bemerkenswert, da dessen Gründer, der Tunesier Ben Jeddo, vorher das
Beiruter Büro von Al Dschazira leitete. Er verließ den Sender aus Protest gegen
dessen einseitige Berichterstattung über Syrien. Auch lehnt er es im Gegensatz
zu Al Dschazira ab, Interviews mit israelischen Politikern und Kommentatoren zu
machen und will ein professionelles Programm betreiben. Der Name des Senders ist
›Al Mayadeen‹, was auf Arabisch Plätze bedeutet und auf die arabische
Revolution anspielt. Er bezieht eine klare Position für die Palästinenser,
strahlt mehrmals täglich eine Sendung ›Fenster
zu Palästina‹ aus, die sich mit den
alltäglichen Sorgen der Bevölkerung befaßt und
richtet den Blick vor allem auf den Gazastreifen. Wie schreibt Croitoru? ›Stets mit dem Verweis auf Israels
verbrecherische Politik‹. Es wird
auch darauf hingewiesen, daß dieser Sender als
›Sprachrohr‹ der Bündnisachse Teheran-Damaskus fungiert! Ja, verdammt noch
mal, soll man denn die gesamte Berichterstattung der katarischen und saudischen
Konkurrenz überlassen? Endlich einmal neuer Wind im arabischen Frühling, ›Al Mayadeen‹. ›Auf die Plätze‹! Immerhin befürworten 61 % der
Israelis einen Angriff gegen den Iran, allerdings nur koordiniert mit der USA !!!!
Sie wünschen NUR keinen militärischen Alleingang des jüdischen Staates.
Pünktlich
zum Schabbat durfte Dieter Graumann (Dieter mir graut vor Dir) auch in der FAZ
in der Rubrik ›Fremde Federn‹ schreiben. (Obwohl er in einem
Interview in der ›Jüdischen
Allgemeinen‹ die FAZ wegen deren
Haltung in der Beschneidungsdebatte kritisiert hatte, ohne aber deren Namen zu
nennen; aus Angst, daß man ihm sein ABO
kündigen könnte?) Er begann mit der Erinnerung an Rostock vor zwanzig Jahren
und erinnerte an den damaligen Zentralratsvorsitzenden Ignatz Bubis, der sofort
zur Stelle war, ›obwohl keine Juden
betroffen waren‹! Und jetzt kommt
es: Graumann authentisch, so wie man ihn kennt und liebt: »In
dieser Tradition setzt der Zentralrat der Juden sein Engagement des Herzens für
die Menschlichkeit bis heute entschlossen fort. Immer sind wir bereit, uns mit
ganzer Kraft für Menschen einzusetzen, die ausgegrenzt und verfolgt werden«. Herr
Präsident, wo blieb ihre Verurteilung, als im jüdischen Staat Dutzende von
jüdischen Jugendlichen Lynchangriffe auf Palästinenser in Jerusalem machten? Fünf
Jugendliche im Alter von dreizehn bis neunzehn, darunter auch ein
fünfzehnjähriges Mädchen, wurden festgenommen. Besonders schlimm dabei, daß diese Angriffe vor den Augen von Hunderten israelischer Passanten stattfanden, ohne daß einer eingriff und den Schwerverletzten zu Hilfe
kam. Auch der Bombenangriff auf ein Taxi im Westjordanland, wobei Anfang August
sechs Angehörige einer palästinensischen Familie schwer verletzt wurden, fand
der Zentralrat nicht erwähnenswert. Die israelische Polizei verhaftete in
diesem Zusammenhang zwei jüdische Jungen im Alter zwischen zwölf und dreizehn
Jahren. Sind das die Auswüchse der israelischen Judaisierung von Jerusalem?
Sind diese Rechtlosen in Jerusalem inzwischen zum Freiwild mutiert? Sind diese
autistischen jüdischen Menschen, die empathielos gegenüber dem
palästinensischen Volk agieren, Auswüchse der gnadenlosen rassistischen Politik
des jüdischen Staates gegenüber den rechtlosen Plästinensern? Diese Vorfälle
reihen sich in die vielen Angriffe der letzten Jahre und letzter Zeit gegenüber
Palästinensern, Flüchtlingen, Moscheen und Klöstern ein. Das Klima der Gewalt, besonders durch die Siedlerbewegung, konnte im
Schatten der Nichtbestrafung und der offiziellen Tolerierung besonders gut
gedeihen. Noch im März zogen Hunderte von Anhängern des Fußballclubs Beitar
durch ein Einkaufzentren in Jerusalem, attackierten palästinensische Frauen und
Ladenbesitzer und schrien dabei ›Tod
den Arabern!‹ Warum wurde damals
niemand festgenommen? Weil niemand eine Anzeige erstattet
hatte, wie die Polizei danach lakonisch erklärte. Es ist also legitim geworden,
Gewalt gegen Palästinenser auszuüben, außer der schon täglichen durch die
Besatzung! Nicht umsonst hat das US-Außenministerium die Gewalttaten der
jüdischen Siedler gegen Palästinenser erstmals 2011 in den jährlichen Bericht
über Terrororganisationen aufgenommen und damit als Terror eingestuft. Da sind
Mißfelder und Westerwelle gefragt, auch wenn sie auf dem israelischen Auge
blind sind!
Doch es läßt sich auch etwas Erfreuliches vermelden. Die
amerikanische Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Judith Butler bekommt
den Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt, der alle drei Jahre vergeben
wird und mit fünfzigtausend Euro dotiert ist. Endlich kein Preis von der
Israel-Lobby oder an die Israel-Lobby. [1]
Nicht erfreulich: Über hundert Palästina-Aktivisten durften wieder nicht
in das Westjordanland einreisen. Israel verhinderte das, denn die Aktivisten
wollten auf Einladung der Initiative ›Willkommen
in Palästina‹ in die
Palästinensergebiete einreisen, um auf die internationale Isolation des
Westjordanlandes hinzuweisen. Das israelische Regime verhaftete auch vier
Feministinnen an der Jerusalemer Klagemauer, die an diesem ›Heiligen Ort‹ für die
Gleichstellung der Frau protestieren wollten. Im Gegensatz zu der Frauen-Band ›Pussy Riot‹ fand diese willkürliche Verhaftung keine Aufmerksamkeit in der
Weltöffentlichkeit! Frauenunterdrückung hat eben Tradition in der jüdischen
Religion!
Zurück zum
Zentralrat der Juden und Präsident Graumann? Wo bleibt dieser als Sprachrohr
der israelischen Regierung? Wo bleibt deren Aufschrei gegen diese mörderischen
Exzesse und Gewalttaten gegenüber Palästinensern? Wo bleibt ihr Engagement des
Herzens und für die Menschlichkeit? Setzt diese bei Palästinensern aus? Auch
fordert die jüdische Gemeinschaft unter ihrer Führung Sonderrechte ein und bringt
die Beschneidung in fast schon erpresserischer Weise in einen Zusammenhang mit
jüdischem Leben in Deutschland. Warum muß der
Hinweis auf die Verbrechen der Vergangenheit auch noch benutzt werden, um diese
Diskussion um den Tatbestand der Beschneidung als Sonderrecht zu erzwingen?
Körperverletzung sollte nicht erzwungenerweise erlaubt werden. Das sollten auch
jüdische Funktionsträger hinnehmen, aber bedauerlicherweise ist man sich wegen
dieser ›dezenten‹ Hinweise so sicher, daß die
Politik in ihrem Sinne entschieden wird, gegen alle Grundrechte und die
Trennung von Religion und Staat! Das zeigen auch die Briefe vom israelischen
Präsidenten Peres an Bundespräsident Gauck oder vom israelischen
Religionsminister Eli Jischai an Kanzlerin Merkel. Oder der sofortige Besuch
des israelischen Oberrabbiners Jona Mezger, der die Beschneidung mit jüdischen
Beschneidern zertifizieren will, Ärzte und Betäubung ablehnt! Sogar die
israelische Kinderärzte-Vereinigung sprach sich gegen die blutige rituelle
Beschneidung aus. Die Interventionen aus Israel waren zuvor mit dem Zentralrat
der Juden abgesprochen worden! Noch geschmackloser äußerte sich der Tel Aviver
Oberrabbiner Lau in einem Rundfunkinterview. Er sagte laut Presse solche Sätze:
Er sei ›verwundert‹, wieviel deutsches Mitgefühl ein
Kleinkind erhalte, das weine, weil etwas Blut vergossen werde. In meiner
Kindheit habe ich das nie gesehen. Das Blut eines Juden war nichts wert und
sein Leben konnte von jedem Gestapo-Stiefel zertrampelt werden. Diese Aussagen
machte er laut israelischen Presseberichten im Sender ›Kol Barama‹. Dann kam
noch die Drohung, daß Juden keine deutsche
Genehmigung brauchen, um entsprechend ihrem Glauben zu leben. Sollte das so
sein, dann haben Juden keinen Grund mehr in Deutschland zu sein. Es gipfelte in
der Aussage, daß es vielleicht etwas Gutes
hätte und die (deutschen) Juden feststellen, daß
(Deutschland) nicht der Ort ist, an den sie gehören, und daß die jüngsten Ereignisse für sich selbst sprechen.
Ich sage, diese schrecklichen Worte und Gedanken sprechen für sich! Auch der
Berliner ›Fernstudium Rabbi‹ und Chef von der Topographie des
Verbrechens in Berlin, Andreas Nachama, äußerte sich ähnlich. Die
jüdisch/israelischen Organisationen und Lobbys haben ihre Bataillone in
Bewegung gesetzt, zum Schaden der hilflosen Kinder und unserer Verfassung.
Sieht so ein Miteinander und demokratisches Zusammenleben aus? Hierzu ein
Zitat von Heinrich Heine, das mir ein befreundeter Journalist zusandte und das
ich für enorm passend halte: ».......nicht einmal das Bad der Taufe
kann das Stückchen Vorhaut wieder wachsen lassen, das man uns am achten Tag
unseres Lebens raubte; und wer nicht am neunten Tage an der Operation
verblutet, dem blutet sie das ganze Leben lang, bis nach dem Tode noch«.
Quelle: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18140&css=print Aktueller
Online-Flyer vom 29. August 2012 - Kommentar
vom Hochblauen Evelyn
Hecht-Galinski ist Publizistin und die Tochter des 1992 verstorbenen
Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Unsere
LeserInnen kennen sie als Autorin der Serie, die sie vom ›Hochblauen‹, ihrem 1186
m hohen Hausberg im Badischen, schreibt. Alle Hervorhebungen durch politonline [1] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/adorno-preis-an-judith-butler-zentralrat-der-juden-
rotestiert-a-852328.html http://www.handelsblatt.com/politik/international/molotow-attacke-juedische-kinder-nach-anschlag-auf-taxi-in-haft/7060970.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/israelische-soldaten-schildern-misshandlung-von-kindern-in-palaestina-a-852299.html
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