Der Euro - Ein Kommentar 09.09.2012 23:18
Die nachfolgende Leserzuschrift war von Prof. Ekkehard Wenger ursprünglich an die »Süddeutsche Zeitung«
gerichtet
worden, die diese in der Folge jedoch nicht veröffentlichte, so dass wir sie unseren
Lesern hiermit zur Kenntnis bringen möchten.
Sehr
geehrte Damen und Herren, es wird
Sie nicht überraschen, wenn ich als Euro-Gegner der ersten Stunde feststelle,
daß Ihre Berichterstattung zur Euro-Krise trotz vereinzelter Differenzierungen
in ihrem Gesamtbild als gewaltiges Ärgernis daherkommt. Die Ausgaben vom 30.
und 31. August haben bei mir das Faß zum Überlaufen gebracht, so daß ich mich
dazu veranlaßt sehe, Ihnen diese Zeilen zu schreiben.
Wenn Herr
Fuest unwidersprochen feststellen darf, der Euro sei eine gute Idee gewesen,
sie sei nur schlecht umgesetzt worden, denke ich an die Anhänger des
Sozialismus, denen für ihre Wahnideen auch keine bessere Verteidigung
eingefallen ist. Der Euro ist einer Staatengruppe übergestülpt worden, in der
die kulturellen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen von Anfang an so
verschieden waren, daß es genau zu den massiven Verwerfungen kommen mußte, die
wir heute beobachten. Da helfen kein Schuldenpakt und keine gemeinsame
Finanzpolitik, weil es die dafür erforderlichen Gemeinsamkeiten eben nicht
gibt. Angesichts der bekannten Neigung der Afrika-Anrainer, Funktionsdefiziten
von Staat und Wirtschaft mit Schuldenmachen und der Notenpresse zu begegnen
statt mit Strukturreformen, war der Euro von vornherein nur als das denkbar,
was jetzt jeder sieht: Als Umverteilungsmechanismus zu Lasten des Nordens und
zugunsten der para-afrikanischen Staaten. Wer diesen Umverteilungsmechanismus
am Laufen halten will, muß den Euro natürlich retten.
Die
nächsten Schritte hat Herr Fuest ja sehr treffend beschrieben. Er will die unheilige
›Verquickung‹ zwischen Bankschulden und Staatsschulden auflösen und weiß sich
zumindest insoweit mit dem französischen EU-Kommissar Barnier einig, der in
diesem Zusammenhang davon spricht, man müsse einen »Teufelskreis
durchbrechen«.
Dafür braucht man dann eine einheitliche europäische Bankenaufsicht, und zwar
auch noch für die letzte Genossenschaftsbank, die in einen einheitlichen
europäischen Einlagensicherungsfonds einzahlen soll, damit Banken in Spanien
mit Geldern aus dem Norden gerettet werden können. So kommt dann der arme
spanische Staat aus dem ›Teufelskreis‹ heraus und wird nicht mit der Rettung
seines Bankensystems überfordert.
Die
Forderung nach ›Durchbrechung des
Teufelskreises‹, die ja so schön
überzeugend klingt, ist in Wahrheit also nichts anderes als die Forderung, die
in Südeuropa gedrehten Luftnummern mit Spareinlagen, aus denen die Banken
Staatsanleihen und Bauruinen finanziert haben, mit Geld aus dem Norden zu
unterfüttern, damit im Süden noch einmal verkonsumiert werden kann, was bereits
verfrühstückt worden ist. Kommissar Barnier und Merkel-Berater Fuest
unterscheiden sich in diesem Punkt offenbar nur dadurch, daß der Franzose es
natürlich gerne sehen würde, wenn schon die para-afrikanischen Altlasten nach
Norden entsorgt würden, während man bei Herrn Fuest vermuten muß, daß er den
Teufelskreis ›nur‹ mit Wirkung für die Zukunft außer
Kraft setzen will. Bei Herrn Barnier braucht man über seine Motivation nicht
lange zu rätseln: Frankreich wird angesichts seiner verfehlten
Wirtschaftspolitik wohl bald in die Lage kommen, auch aus dem Teufelskreis
ausbrechen zu wollen.
Bei Herrn
Fuest ist die Lage etwas weniger durchsichtig. Er fordert, die Europäer sollten
sich ein Beispiel an den US-Amerikanern nehmen, die angeblich ein
zentralisiertes Bankensystem haben. Da kommt man nun doch sehr ins Staunen.
Ohne mich hier über Einzelheiten des amerikanischen Bankensystems verbreiten zu
wollen, sei für Anfänger nur das zitiert, was Wikipedia über ›Bank Regulation in the US‹ schreibt: »Bank
regulation in the US is highly fragmented compared with other G-10 countries,
where most have only one bank regulator. In the US, banking is regulated at
both the federal and the state level.«
Hinzugefügt
sei dann nur noch, daß die mit dem hiesigen Volksbankensektor vergleichbaren ›credit unions‹ nicht nur eine eigene Aufsichtsbehörde haben, sondern auch einen
eigenen Einlagensicherungsfonds. Wenn Herr Barnier sich von den deutschen
Volksbanken etwas abschneiden will und Herr Fuest dieses Ansinnen mit seiner
Forderung nach einer Bankenunion letztlich unterstützt, läßt sich das
jedenfalls nicht mit Verweis auf die Verhältnisse in den USA rechtfertigen.
Solche Forderungen haben immerhin ein Gutes: Wenigstens wachen hierzulande
jetzt die Volksbanken auf und erkennen, was die von der Nomenklatura angestrebte
›Vertiefung‹ der Wirtschafts- und Währungsunion für sie bedeuten würde.
Bevor wir
uns darauf einlassen, sollen die Spanier und auch die anderen Südeuropäer ihre
Bankensysteme selbst sanieren – gegebenenfalls, indem Bankkunden, die Einlagen
abziehen wollen, eben keine Euros mehr bekommen, sondern ein Anrecht auf
Staatsanleihen, die sie dann zum aktuellen Marktwert gegen Euro verkaufen
können. Dann muß wenigstens nicht der deutsche Bankkunde in jene Solidarhaftung
genommen werden, von der Herr Barnier so dreist und offenherzig träumt.
Ob die Euro-Zone dann daran zerbricht oder nicht, sei dahingestellt. »Ein
schwerer Schlag für die Finanzmärkte«, wie Herr Fuest vermutet, ist
schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Finanzmärkte die Möglichkeit eines
Euro-Austritts Spaniens ja eingepreist haben. Wer vier oder fünf Prozentpunkte
mehr Zinsen will, als sie Deutschland zahlt, der muß damit rechnen, daß er
nicht zu einhundert Prozent in Hartwährung bedient wird, sondern mit
abgewerteten Neu-Peseten abgespeist wird.
Bleibt
noch die Frage, ob ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone ›eine Katastrophe für die Jugend‹ wäre, wie Ihre Überschrift über einen Bericht zu einer ILO-Studie
lautet. Es wäre für Ihre Leser vielleicht ganz hilfreich gewesen, wenn Sie den
Hintergrund ein wenig aufbereitet hätten, vor dem die ILO agiert. Die ILO ist
ein Sprachrohr von Gewerkschaftsinteressen, und es sind gerade die Gewerkschaften,
die mit ihrem Widerstand gegen Arbeitsmarktreformen – namentlich in Italien und
Spanien – die dortige Jugendarbeitslosigkeit maßgeblich zu verantworten haben.
Da braucht man sich nicht zu wundern, daß von dieser Seite nach einer raschen
Lösung für die Euro-Krise gerufen wird, damit es den Gewerkschaften in Spanien
und Italien erspart bleibt, ihren Mitgliedern lieb gewordene ›Errungenschaften ‹ notwendigen Arbeitsmarktreformen opfern zu müssen.
Prof. Dr.
Ekkehard Wenger hat den Lehrstuhl für Bank- und Kreditwirtschaft der
Universität Würzburg inne.
http://www.bwl.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/bwl4/team/lehrstuhlinhaber/ ekkehard.wenger@uni-wuerzburg.de
Hervorhebungen
durch politonline Quelle: http://www.pi-news.net/2012/09/suddeutsche-veroffentlicht-euro-leserbrief-von-professor-wenger-nicht-hier-ist-er/ 7. 9. 12
Siehe auch
auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1491 25. 4. 10 ›Verfassungsklage gegen
Griechen-Hilfe - Von Markus Zydra‹: »Hinsichtlich der Hilfe für Griechenland handeln die
Euro-Staaten nach Meinung des Wirtschaftsprofessors an der Uni Würzburg,
Ekkehard Wenger, jedoch gegen die ökonomische Vernunft, wie er in einem
Interview mit dem Handelsblatt darlegt [3]. In dem Gespräch legt er Deutschland
einen Ausstieg aus der Währungsgemeinschaft nahe.« [3] http://www.handelsblatt.com/finanzen/devisen/interview-mit-ekkehard-wenger-in-zehn-jahren-existiert-die-euro-zone-nicht-mehr;2560203 12. 4. 10
»In zehn Jahren existiert die Euro-Zone nicht mehr « Interview mit
Ekkehard Wenger, Professor an der Universität Würzburg. Seit über zwei
Jahrzehnten leitet er dort den Lehrstuhl für BWL, Bank- und Kreditwirtschaft. …… Aber auch als Kritiker des Euros und der Europäischen
Zentralbank (EZB) ist er bekannt.
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