Orwellsche EU 23.09.2012 21:54
Die Europäische Union
schreiben Frank
Schäffler und Norbert F. Tofall, macht auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft
Rechtsbrüche vergessen, indem sie das Recht umschreibt.
Wenn sich
Regierungen weigern, die Regeln einzuhalten, zu denen sie durch Recht und
Gesetz verpflichtet sind, stutzt der Bürger. Und wenn jetzt in Frankreich von ›Wirtschaftsregierung‹ und in Deutschland vom ›Pakt für Wettbewerbsfähigkeit‹ gesprochen wird, beginnt er ernsthaft
nachzudenken. Und er begreift, daß die
beteiligten europäischen Regierungen vielleicht gar nicht aneinander
vorbeireden. Beide verwenden eine andere Orwellsche ›Neusprache‹, doch
meinen sie letztlich dasselbe: es geht darum, die wirtschaftspolitische
Zentralisierung und den grenzenlosen Primat der Politik über die Wirtschaft in
der Europäischen Union weiter auszubauen. Diese Zentralisierungspolitik,
die gegen den Geist der ursprünglichen Einigungsidee der Römischen Verträge
verstößt, ist nur aufrechtzuerhalten und
weiter auszubauen, wenn die politischen Machteliten Europas die Geldwirtschaft in
eine monetäre Planwirtschaft transformieren.
Intervention von ganz
oben Die
kollektiven Rechtsbrüche des Art. 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) durch den Bailout von Griechenland, Irland und
Portugal sowie die Einrichtung eines Euro-Rettungsfonds sollen durch eine ›einfache Vertragsänderung‹ und eine neue Stufe des europäischen
Zentralismus nachträglich legitimiert werden. Das Vorgehen entbehrt nicht einer
gewissen Folgerichtigkeit: die gemeinsam vereinbarten Regeln des
Stabilitätspakte in Europa, die bislang von den meisten Mitgliedsländern
ohnehin nicht eingehalten und von der EU-Kommission nicht durchgesetzt wurden [Obergrenze
der Schuldenquote und der Neuverschuldung], sollen durch neue Regeln zur
Konsolidierung der Staatsfinanzen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
ersetzt werden. Anschließend wird sich vermutlich auch
wieder kein Staat verpflichtet fühlen, diese neuen Regeln zu beachten. Wenn
mit der Überschuldung eines Landes angeblich der Zusammenbruch des gesamten
Finanzsystems droht, wie die Befürworter der Rettungsmassnahmen argumentieren,
dann bedarf es einer Intervention von ganz oben. So wird den Zahlern selbst im
Falle mangelnder Reformbereitschaft des Empfängerlandes die Möglichkeit
genommen, mit einem Zahlungsstopp zu drohen. Dies bedeutet konkret, dass die
Steuerzahler produktiver Volkswirtschaften wie Deutschland die Steuerzahler
unproduktiver Volkswirtschaften wie Portugal oder Spanien quersubventionieren
und damit die Anreize der Regierungen von Portugal und Spanien zementieren, mit
ihrer Schulden- und Hochsteuerpolitik fortzufahren. Die Vertragsänderung mag
aus deutscher Sicht zwar verfassungsrechtlich notwendig sein, um den
rechtswidrigen Bailout im nachhinein zu rechtfertigen und der Bundesregierung
eine Blamage vor dem Bundesverfassungsgericht zu ersparen. Nichtsdestotrotz
hebeln die neuen Regeln die No-Bailout-Klausel in Artikel 125 AEUV aus; denn
der neue Rettungsmechanismus mit geplanten 500 Milliarden Euro Volumen dient
nur dem einen Zweck: die Zahlungsfähigkeit überschuldeter Euro-Staaten zu
sichern. Die Regierenden wollen durch mehr wirtschaftliche Zentralisierung
verhindern, dass die Bürger die Konsequenzen aus der fatalen Finanz-,
Haushalts- und Geldpolitik der Regierungen ziehen und Reissaus nehmen. Nicht
der innereuropäische Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, als
Entmachtungsinstrument und als faktische Schuldengrenze, sondern die Allmacht
und das Wissen von Bürokraten sollen nunmehr den ›Grad der Wettbewerbsfähigkeit‹
einzelner Länder bestimmen.
Monetäre
Planwirtschaft Die
angestrebte monetäre Planwirtschaft wird von den Staats- und Regierungschefs
natürlich nicht beim Namen genannt. Stattdessen ist verschleiernd von
Koordinierung der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik und einem
europäischen Ordnungsrahmen die Rede. Ein Ordnungsrahmen ist im Sinne der Väter der
sozialen Marktwirtschaft, die als Ordnungsmodell auch den Römischen Verträgen
zugrunde liegt, aber nur dann ein Ordnungsrahmen, wenn er mehr Freiheit für die
einzelnen Bürger ermöglicht. »Alles spitzt sich damit auf die Frage zu [so Walter
Eucken]: Welche Ordnungsformen gewähren Freiheit?« Eucken schreibt weiter: »Die
Politik der Wettbewerbsordnung löst das Problem in folgender Weise: Sie
verringert wirtschaftliche Macht durch Aufspaltung. Und zwar werden die Sphären
des alltäglichen Wirtschaftens und des politisch-staatlichen Handelns möglichst
getrennt. Dies ist eine Methode. Die andere, die zugleich angewendet wird:
Innerhalb der wirtschaftlichen Sphäre erfolgt mit Ingangsetzung der Konkurrenz
eine Dekonzentration, die es verhindert, daß Machtpositionen
bleiben oder sich neu bilden. ….. In einer Wirtschaftsordnung des
zentralverwaltungswirtschaftlichen Typs kehrt sich das Verhältnis um: die
Wirtschaftsordnung ist ein Werkzeug zur Durchsetzung von Macht.«
Die
derzeitige Politik unserer EU-Staats- und -Regierungschefs und der
EU-Kommission ist nun freilich kein Ordnungsrahmen zur Aufspaltung von Macht,
sondern ein Werkzeug zur Durchsetzung von Macht. Man folgt der zentralverwaltungswirtschaftlichen
Logik und nicht der Logik der Wettbewerbsordnung. Die Einführung von
planwirtschaftlichen Elementen als Ordnungsrahmen zu bezeichnen,
erinnert deshalb wiederum an die Sprachregelungen im Roman ›1984‹ von George
Orwell. Auf der weissen Front des Wahrheitsministeriums steht der Satz: ›Freiheit ist Sklaverei‹. Die Neusprache der europäischen
Staats- und Regierungschefs folgt dem gleichen Muster. Der von den Märkten -
also letztlich mitunter von den freien Bürgern - ausgeübte Zwang auf die
Euro-Mitgliedsstaaten, ihre Staatshaushalte zu sanieren, wird von den
europäischen Staats- und Regierungschefs als Sklaverei empfunden, die zu
bekämpfen ist. Sie stellen die Entwicklungen an den Finanzmärkten als
Ergebnisse wilder Spekulation von verantwortungslosen geldgierigen Menschen
dar: Währungsspekulation, die unbedingt unterbunden werden muss. Es geht
folgerichtig nicht um die Freiheit der Bürger Europas, sondern um die
erweiterten Handlungsmöglichkeiten von Regierungen. Denn Freiheit der Bürger
ist Sklaverei für die Regierungen. Deshalb muss man dem Bürger einreden, dass
seine Freiheit, vor allem die auf den Finanzmärkten, Sklaverei sei, eine
Sklaverei, von der die europäischen Staats- und Regierungschefs Europa befreien
müssen.
Gutes Geld statt
Schneeballsystem Daß unsere Staats- und Regierungschefs dabei nicht die
Lösung der Probleme, die die weltweite Finanzkrise offengelegt hat, im Auge
haben, kommt erschwerend hinzu. Sie ignorieren die Probleme unseres staatlichen
Geldsystems, in dem Geld und Kredit aus dem Nichts geschaffen werden. Dieses
Geldsystem stellt ein Schneeballsystem aus ungedeckten, zukünftigen
Zahlungsverpflichtungen dar, das wie jedes Schnellballsystem früher oder später
in sich zusammenbrechen wird. Die Alternative zur derzeitigen
staatsmonopolistischen Geldordnung besteht in einer marktwirtschaftlichen
Geldordnung und der Zulassung eines allumfassenden Währungswettbewerbs. In
einer marktwirtschaftlichen Geldordnung hätte jeder Bürger die Freiheit,
zwischen staatlichem und anderem Geld zu wählen. Dazu müßte das staatliche Geldmonopol fallen und zugelassen werden, dass
sich in dezentralen Entdeckungsverfahren parallel zum staatlichen
Zahlungsmittel alternative Währungen entwickeln können. Da niemand freiwillig
schlechtes Geld hält, also Geld, das den Präferenzen des einzelnen
widerspricht, wird der sich entwickelnde Währungswettbewerb die privaten, aber
auch die staatlichen Geldproduzenten dazu anhalten, besseres Geld zu
produzieren. Die Produktion von schlechtem Geld und die Verschlechterung von
gutem Geld werden von den Menschen aufgrund ihrer freien Wahlmöglichkeit
zwischen unterscheidbaren privaten und staatlichen Währungen, also aufgrund
ihrer Konsumentenfreiheit, sofort durch Abwanderung zu konkurrierendem Geld bestraft
werden.
Der Staat
müsste bei gesunkener Kaufkraft seiner Währung - zum Beispiel auf Grund einer
zu hohen Staatsverschuldung - zur Deckung seiner Ausgaben entweder die Steuern
erhöhen, Ausgaben senken oder neue Kredite aufnehmen. Sollten diese Darlehen in
der eigenen staatlichen Währung aufgenommen werden und aus purer Geldschöpfung
bestehen, würden die private Nachfrage nach der Währung und somit ihr
Wert erneut sinken. Dieser Entwicklung könnte dann nur durch höhere Zinsen für
das staatliche Geld entgegengewirkt werden, weil die Investoren sich das
erhöhte Risiko zahlen lassen oder eben in eine andere Währung wechseln würden.
Höhere Zinsen verteuern jedoch gleichzeitig die Rückzahlung der Kredite für den
Staat. Ein Staat würde folglich durch die Zulassung von konkurrierenden
Privatwährungen und eines allumfassenden Währungswettbewerbs gezwungen, eine
nachhaltigere Haushaltspolitik zu verfolgen. Die Zulassung von konkurrierenden
Privatwährungen und die Zulassung eines Wettbewerbs unterschiedlicher Währungen
wären deshalb eine weit wirksamere Schuldenbremse, als es heute die Grenzwerte
des europäischen Stabilitätspaktes sind.
Anstatt
mehr Währungswettbewerb zu ermöglichen, diskreditieren die europäischen Staats-
und Regierungschefs jedoch den ohnehin höchst eingeschränkten und durch das
staatliche Geldmonopol beherrschten Wettbewerb auf den Finanzmärkten als
gemeinwohlgefährdende Spekulation und betreiben den Einstieg in die monetäre
Planwirtschaft und die europaweite Transferunion. Sie gefährden durch ihre
Orwellsche Neusprache und durch ihre kollektiven Rechtsbrüche das vereinte
Europa und den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Aber, wie so häufig in
der Geschichte, sind nicht die Regierungen schuld, sondern Spekulanten und
Bürger.
Quelle:
Schweizer Monat: Ausgabe 987 vom Juli 2011 http://www.libinst.ch/?i=orwellsche-eu Juli 2011 Orwellsche
EU -
Frank Schäffler, Norbert F. Tofall
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