Ohne Steuerabkommen geht es uns besser - Von Prof. Hans Geiger 23.09.2012 21:58
Die drei Abkommen sind schludrig konzipiert und schlecht verhandelt. Für die ausländischen Kunden sind sie unattraktiv,
für die
Schweiz auch. Der erneute Kauf von Daten-CDs durch das deutsche Bundesland
Nordrhein-Westfalen hat Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf zu
interessanten Wortspielchen verleitet. Die Bundesrätin sagt, »dass der
aktive Erwerb von gestohlenen Bankdaten nicht mehr zulässig« sei.
Ihr Staatssekretär Michael Ambühl sagt »ein Kauf ist immer aktiv«. Warum
spricht die Bundesrätin von einem ›aktiven
Erwerb‹, wenn es gemäss ihrem
Staatssekretär gar keinen anderen Erwerb oder Kauf gibt? Der Begriff ›aktiver Erwerb‹ kommt im Abkommen gar nicht vor. Dort steht, ›dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb
von […] entwendeten Kundendaten bemühen werden.‹ Kein Wort davon, dass
Deutschland keine Daten mehr kaufen werde. Das Missverständnis ist Absicht.
Ohne die gewollte Mehrdeutigkeit wäre das Abkommen nicht unterschrieben worden.
Das Ganze ist eine bundesrätliche Nebelpetarde zur Täuschung des Parlaments und
der Bürger. Und es ist nicht die einzige.
Weissgeldstrategie,
Informationsaustausch, Bankgeheimnis Der
Bundesrat präsentiert die drei Abkommen als wesentliche Bestandteile
seiner ›Weissgeldstrategie‹.
Sie seien eine Alternative zum automatischen Informationsaustausch von
Bankdaten mit ausländischen Behörden und schützten das Bankgeheimnis. Das
ist falsch. Deutschland und Grossbritannien verzichten nicht
auf den automatischen Informationsaustausch. Der automatische
Informationsaustausch bleibt EU-Norm und Ziel. Im Vertrag mit Deutschland steht
nur, dass sich die Vertragsparteien einig sind, ›dass die […] vereinbarte
Zusammenarbeit in ihrer Wirkung dem automatischen Informationsaustausch im
Bereich der Kapitaleinkünfte dauerhaft gleichkomme‹. Dieser Satz tut niemandem weh. Richtig weh tut aber deutschen
Kunden, dass das Abkommen den deutschen Behörden das Recht gibt, in den
nächsten zwei Jahren bis zu 1‘300 Direktauskünfte über deutsche
Steuerpflichtige in der Schweiz einzuholen. Diese Direktauskünfte dienen angeblich der ›Sicherung des Abkommenszwecks‹. Damit sind 1‘300 Verletzungen des
Bankgeheimnisses durch das Abkommen legitimiert. Zu guter Letzt müssen die Banken zustimmen, dass sich die deutsche
Bankenaufsicht an Prüfungshandlungen durch die FINMA vor Ort beteiligen kann. Deutsche
Aufseher werden Schweizer Banken inspizieren. Das ist eine der Schweiz
unwürdige Form des ›Informationsaustauschs‹. Ein pikantes Detail zum
automatischen Informationsaustausch findet sich versteckt in den
Schlussbestimmungen des Vertrags. Das Abkommen mit Deutschland (und auch mit
Grossbritannien) eröffnet den Schweizer Behörden den direkten
Informationsaustausch für Schweizer Steuerpflichtige mit Bankverbindungen in
diesen Ländern. So kann die Schweiz den verhassten automatischen
Informationsaustausch für Schweizer durch ein Hintertürchen einführen.
Schweizer, hütet euch am Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartements!
Für ausländische
Kunden oder inländische Banker Die
Abkommen verfolgen angeblich zwei Ziele: Einerseits die
Vergangenheitsbewältigung von Steuerhinterziehung, andererseits die steuerliche
Gestaltung der Zukunft. Beide Ziele lassen sich für die ausländischen Kunden
ohne die Abgeltungssteuer günstiger erreichen. Die steuersündigen Kunden können
sich selbst anzeigen, oder sie können ihre Vermögen in andere Länder
verschieben. Sie werden das eine oder das andere tun. Die Selbstanzeige kostet
für die Kunden sowohl bei der
Bereinigung der Vergangenheit wie auch für die Zukunft weit weniger als
die Inanspruchnahme des Abkommens. Und zudem ermöglicht die Selbstanzeige den
Kunden in Zukunft einen ordentlichen Erbgang. Beim Vorgehen gemäss dem Abkommen
mit Deutschland wird im Erbfall die Hälfte des Vermögens konfisziert,
weit jenseits gängiger deutscher Erbschaftssteuersätze. Ist es möglich, dass
es bei den Abkommen um etwas ganz anderes geht? Etwa um einen
Persilschein für die Banken und Banker? In Artikel 17 des Abkommens mit
Deutschland steht: ›Beteiligte an
einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, die vor
Unterzeichnung dieses Abkommens von einer betroffenen Person […] begangen
wurde, werden nicht verfolgt.‹
Schlecht für die
Kunden Warum
sollte ein Kunde die Abgeltungssteuer überhaupt beanspruchen? Die offizielle
Antwort lautet, weil damit das Bankgeheimnis gewahrt sei, und weil damit der
automatische Informationsaustausch verhindert werden könne. Beide Behauptungen
sind für die ausländischen Kunden unglaubwürdig. Sie wurden in den letzten
Jahren von der Schweiz regelmässig verraten. Es gibt aber auch ehrliche
ausländische Kunden, die ihre Steuerpflichten immer erfüllt haben. Deutsche
steuerehrliche Kunden werden durch das Abkommen gezwungen, den eigenen
Steuerbehörden Informationen zu ihrer Vermögenslage zu liefern, welche sie nach
deutschem Steuerrecht gar nicht offenlegen müssen. Eine Bankverbindung in der
Schweiz wird so auch für steuerehrliche Deutsche zu einem Ärgernis.
Im Widerspruch zum
internationalen Steuerrecht Die drei
Abkommen stehen im krassen Widerspruch zum internationalen Steuerrecht.
Steuern auf bewegliches Vermögen sind grundsätzlich am Domizil des Steuerpflichtigen
geschuldet und zu bezahlen. Kein Land treibt heute so für andere Regierungen
Steuern ein. Wie kann ein kleines Land drei widersprüchliche Abkommen in einer
Welt von 200 Ländern als zukunftsträchtiges Modell betrachten? Dass die Schweiz
Kunden verschiedener Länder nach verschiedenen Grundsätzen behandeln will,
führt zu Chaos und Rechtsunsicherheiten. Zudem stehen die drei Abkommen im
Konflikt mit dem Zinsbesteuerungsabkommen der Schweiz mit der EG vom 26.
Oktober 2004. Die ›Lösung‹ dieses Konfliktes bezahlen die
betroffenen ausländischen Kunden mit weit überhöhten Steuersätzen auf
Zinserträgen. Im Übrigen diskriminieren die Abkommen die Schweizer
Steuerpflichtigen rechtlich, denn sie eröffnen den ausländischen Kunden den
Zugang zur Steuerabgeltung, welche die Schweiz den eigenen Bürgern verwehrt.
Für die grossen und
gegen die kleinen Banken Die
Abkommen stärken die grossen Banken und schwächen die kleineren, die nicht in
der Lage sind, die durch die Abkommen geschaffene Komplexität zu meistern. Wenn
kleine und mittlere Banken für jedes
Land eine eigene Lösung realisieren müssen, können sie das Geschäft nicht kostendeckend betreiben. Sie
werden es an die Grossen und ans Ausland verlieren. Schon heute leiden die
Kleinen überproportional an den Kosten der Regulierung im grenzüberschreitenden
Geschäft. Deshalb bieten die Grossbanken den kleinen Instituten an, ihre
Auslandskunden zu übernehmen. Und sie versuchen, für die kleinen Institute die
Konto- und Depotführung zu übernehmen. Damit würden die kleineren Banken zu
unabhängigen Vermögensverwaltern und könnten ihre Bankenlizenz gleich abgeben.
Und die Grossen würden noch grösser. Dies ist nicht im Interesse der Schweiz.
Wir haben schon genug ›too big to
fail‹.
Ein Abkommen zum
Schaden der Schweiz Die
Abkommen werden zu einem massiven Kapitalabfluss führen, weit grösser als ohne
Abkommen. Die Banken bezahlen auf jeden Fall 2,5 Milliarden Franken an
Deutschland und Grossbritannien, auch wenn sie dieses Geld bei
abgewanderten Kunden nicht mehr eintreiben können. Die Banken, die Wirtschaft
und die öffentlichen Haushalte sind die Leidtragenden. Hohe Verluste an
Arbeitsplätzen und an Steuereinnahmen treffen uns alle.
Welches
sind die Konsequenzen der Ablehnung der Verträge an der Urne für uns Schweizerinnen
und Schweizer? Der Bankensektor wird zwar schrumpfen, aber weit weniger, als
wenn die Kunden ihre unversteuerten Gelder innert Monaten in andere Länder
verschieben. Die Banken haben die Chance, die Kunden, die ihre Steuersünden
durch Selbstanzeige bereinigen, zu behalten. Dafür müssen sie beim
Kundenservice und beim Anlageerfolg erstklassige Qualität zu angemessenen
Preisen liefern, wie in jeder anderen Branche auch. Wohlhabende Europäer haben
heute grössere Sorgen als die Steuerfrage: Eine starke Währung statt eines
wankenden Euros, Schutz vor Konfiskation ihrer Vermögen durch bankrotte
Staaten, ein verlässlicher Rechtsstaat, geordnete Staatsfinanzen. Die Schweiz
hat in allen Punkten Vorteile. Die Schweiz wird ohne Abkommen über mehr
kleinere und mittlere Banken verfügen. Das einzige Problem bei Ablehnung der
Verträge haben möglicherweise gewisse Bankangestellte: Als ›Beteiligte an Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten‹ könnten deutsche Bankangestellte, die
in der Schweiz arbeiten, nicht mehr in ihre Heimat reisen. Auch Schweizer
Bankangestellte müssten ihre Ferien eher in Südtirol als im Schwarzwald
verbringen.
Quelle: http://mag20.com/artikel/ohne-steuerabkommen-geht-es-uns-besser 14. 8. 12 Ohne
Steuerabkommen geht es uns besser – Von Professor Emeritus of Banking Dr. Hans
Geiger Siehe auch
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Dr. Hans Geiger
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