Wer ist Radonski, der Gegenkandidat in den venezolanischen Wahlen, wirklich? 21.10.2012 14:27
d.a. Wie wir zum Zeitpunkt der Wahlen in Venezuela darlegten, war der Versuch einer Beeinflussung derselben
in vollem
Gange. [1] Am 7. Oktober gewann nun Hugo
Chávez Frías die mit 54,8 % aller gültigen Stimmen. Sein Gegner Henrique
Capriles Radonski, der Kandidat von 33 Oppositionsparteien, erreichte 44,5 %.
Die Wahl war ruhig und friedlich verlaufen.
Wie der
seit 1974 in Brasilien lebende Journalist Wolf Gauer darlegt, lästern die deutschen
Medien unisono, wenn es um Hugo Chávez Frías geht: von der FAZ über Bild
bis zu Cicero. Hingegen übertrafen sie sich an Lob für den in Venezuela
bis vor kurzem völlig unbekannten Gegenspieler Radonski. »Von einer differenzierten Abwägung
keine Spur; die Bürger sind ihres Informationsanspruchs ja so zuverlässig
entwöhnt wie ihrer Muttermilch. Da habe sich nun, hieß
es, der arme [jedoch superreiche] Henrique Capriles Radonski die Schuhe ›buchstäblich
abgelatscht‹ (FAZ), um
Venezuela von dem Dämon Chávez zu erlösen. Daß
Chávez inzwischen mehr als 30 % der 29 Mio. Venezolaner aus der Armut erlöst
hat, erfahren wir jedoch aus der FAZ so wenig wie aus den Mantras
unserer öffentlich-rechtlichen Gebetsmühlen. Ganz hingerissen wiederholten
diese dagegen, daß der ›knappe‹ Verlierer das
Wahlergebnis akzeptiere und Hugo Chávez sogar telefonisch beglückwünscht habe.« Gerade
deshalb dürfte es nicht uninteressant sein, nach der Wahl einen genaueren Blick
auf Radonski zu werfen.
Der
drahtig-sportliche Motorradfahrer und Dauerlächler mit Baseballmütze, schreibt
Gauer, schon optisch das Gegenteil des von der Krebstherapie gezeichneten Hugo
Chávez im roten VW-Käfer, wurde 1972 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen
und Curação geboren und ist, wie er sagt, seit 2004 ›glühender Katholik‹.
Die Familie ist in der Industrie engagiert, im Medien- und Immobiliengeschäft,
in den Kinoketten Unidos und Cynex und sonstigen Dienstleistungen. Der Jurist
[Kath.Universität Caracas und Columbia University New York] gründete im Jahr
2000 die Partei ›Primero Justicia‹ [Gerechtigkeit zuerst], dies mittels
Finanzierung und strategischer Orientierung von Seiten des US-amerikanischen ›National
Endowment for Democracy‹
(NED) und des ›International Republican Institute‹ (IRI). Mitbegründer war Leopoldo
Lopez, politisches Spiegelbild von Capriles
- wie dieser Vertrauensmann der US-Botschaft und wegen eklatanter
Korruption bis 2014 für alle politischen Ämter gesperrt. Mark Feierstein, Chef
der Südamerikaabteilung der berüchtigten Nicht(aber
dennoch)-Regierungsorganisation USAID griff Capriles im Wahljahr mit 5 Millionen $
unter die Arme. In den Vorjahren investierte die USA offiziell
20 Mio. $ in anti-chavistische Aktivitäten; Summen in mehrfacher Höhe
werden ebenfalls genannt.
Global
notorisch wurde der Kandidat 2002, damals Bürgermeister der Reichensiedlung Baruta
im Weichbild von Caracas [heute Gouverneur des Bundesstaats Miranda], wegen
seiner Teilnahme am CIA-gestützten Putsch gegen Hugo Chávez. Mit einem
Haufen exilkubanischer Terroristen und seiner Ortspolizei drang er in Kubas
Botschaft ein, stiftete allerhand Unheil, bis er vom kubanischen Botschafter
nach Hause geschickt wurde. Von Wikileaks veröffentlichte Dokumente belegen
seine langjährige Zusammenarbeit mit der US-Botschaft, nicht nur beim Aufbau
seiner Präsidentschaftskandidatur, sondern bei weiteren Aktivitäten, die
Washingtons Zensoren schon ausgetuscht hatten. U.a. waren Henrique Capriles
Radonski und Leopoldo Lopez während des Putschs an der Entführung des Innen-
und Justizministers Ramon Rodriguez Chacin und Plünderung seines Hauses
beteiligt. Von April bis September 2004 saß Capriles deshalb in
Untersuchungshaft, wo er publikumswirksam zum katholischen Christen mutierte.
Der verantwortliche Staatsanwalt, Danilo Anderson, flog dennoch am 18. November
2004 mit seinem Auto in die Luft, unter Verwendung des Sprengmittels C4, das
US-kubanische Terroristen aus der Schule des berühmt-berüchtigten Luis Posada
Carriles bevorzugen. Posada Carriles genießt seinen Lebensabend in Miami, dies
trotz vielfacher Auslieferungsforderungen - nicht nur aus Kuba. Das ›National
Security Archive‹ in Washington qualifiziert ihn als ›einen der gefährlichsten Terroristen
der neueren Geschichte‹ und als ›Godfather der exilkubanischen Gewalt‹. Es versteht sich von selbst, daß Radonski jede von der USA sich absetzende
Zusammenarbeit und Integration Lateinamerikas [Mercosur, Unasur, ALBA, CELAC]
ablehnt, so wie er schon als Bürgermeister Ärzte des kubanischen Hilfsprogramms
mobbte und aus seinem Sprengel vertrieb. Auch verläßt
er sich weiterhin auf die US-inspirierte und NED-finanzierte
Wählermobilisierungsorganisation ›Súmate‹ [Reih Dich ein!], die zur hohen
Wahlbeteiligung [81 %] beigetragen hat. ›Súmate‹ brachte unentschiedene Wähler auf die
Beine, Chávez' sozialer Erfolg aber die weniger privilegierten Mehrheiten. Die
obigen Fakten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der mittlerweile so
perfekt dressierte Strahlemann wird weiterhin von sich hören machen; er verspricht
nun Kampf in den einzelnen Bundesstaaten. Capriles arbeitet entschlossen auf den
Rückbau des venezolanischen Sozialstaats
hin, auf die Privatisierung dessen öffentlicher
Strukturen. Capriles - eine Offerte, die an US-Produkte wie Álvaro Uribe erinnert,
von 2002 bis 2010 Kolumbiens Präsident, oder an Sebastián Piñera Echenique, der
Chile seit 2010 neoliberal abwickelt. Lächelnd, sportlich, weltmännisch, mit
einem Hauch von Werbeseite und dem sicheren Platz auf der Forbesliste der
Superreichen. Sie kommen von teuersten US-amerikanischen Kaderschmieden und
werden von NED, IRI, USAID & Co. aufs Karrieregleis gesetzt - mit dem know how des Imperiums versehen,
inklusive ›licence to kill‹, wie einst James Bond. Auch Eva
Gollinger, die US-venezolanische Anwältin und wohl die beste Venezuelaexpertin
überhaupt, registrierte schon 2010, daß deutsche Parteistiftungen hierbei
helfen: »Die
Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) investiere jährlich 500.000 € in rechte
Parteien, die hinter Radonski stehen. Im Wahlkampf seien auch die in
Lateinamerika schon berüchtigten Privatisierer
- wie die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) und die Hans-Seidel-Stiftung
(CSU) - nicht untätig gewesen.
Henrique
Capriles Radonski hat zwar nicht gewonnen, aber viel erreicht. Einer mit dem
man rechnen muß. Er hat Zeit - dem kranken Hugo Chávez läuft sie davon.
Capriles steht für Wall Street und Washington und deren subversives Vorgehen
gegen einen der fortschrittlichsten Staaten Lateinamerikas und seine
bolivarischen Ideale. Doch wer trifft es genauer als Hugo Chávez' begnadetes
Mundwerk? In einer Rede am 16. Februar 2012 über Radonski, den ›Mittelmäßigen‹, erklärte er folgendes: ›Der Mittelmäßige hat Berater, die ihm gesagt
haben, er solle die Konfrontation mit mir meiden.... Die Konfrontation
hierzulande ist nicht die vom Mittelmäßigen und Chávez, sondern die von
Bourgeoisie und Volk. Von Imperium und Vaterland…. Die Nicht-Patrioten sollen
dem Mittelmäßigen hinterherlaufen. Er ist der Kandidat des Imperialismus..... Kandidat
der Bourgeoisie, der großen Banken, der großen Firmen, des großen Kapitals. Nun
sagt der Mittelmäßige, er sei Progressist. Stell Dir vor…... ein progressiver
Bourgeois! Du versuchst dich zu maskieren, Mittelmäßiger. Doch es wird dir
nicht gelingen. Du bist der Kandidat der Yankees, der Kandidat des
Imperialismus, der Kandidat der Staatsstreiche der Bourgeoisie, der Kandidat
der Vergangenheit‹.
Anmerkung politonline: Die praktisch weltweiten
Einmischungen der schwerreichen steuerbefreiten Stiftungen, ob nun die der
BRD, wie sie in dem Abriss ›Zu den Wahlen in Venezuela‹
aufgezeigt sind, oder die der USA resp. anderer Länder, sind längst
Gegenstand zahlreicher Publikationen. Indessen ist nicht abzusehen, dass sich
die Parlamentarier, auch nicht das EP in Strassburg, bemüssigt sähen, hier einzugreifen. Der
Einfluss der Stiftungen wird von den Regierungen offenbar geflissentlich
ignoriert. Insofern kann man letzteren anlasten, dass sie durch ihre diesbezügliche
Passivität, nämlich die Duldung der Machenschaften der Stiftungen im
Hintergrund, die von ihnen ohne Unterlass ins Feld geführte Demokratie in hohem
Grad unterhöhlen. Wie deutsche Stiftungen in Lateinamerika hinter den Kulissen
den Kampf gegen die Gegner des Neoliberalismus führen, beschreibt ein Rückblick
auf einen von Harald Neuber bereits 2008 veröffentlichten Artikel: »Am 13. und 14. Mai richtete die
CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Brüssel eine Konferenz mit
konservativen Politikern und Vertretern des antikubanischen Exils in der USA
aus, um »Übergangsszenarien nach der Ära Castro« zu beraten. Neben
rechtskonservativen Funktionären aus Spanien und Portugal traf der
Lateinamerika-Referent der KAS, Hans-Hartwig Blomeier, dabei auch mit dem
»Transitionsbeauftragten« der US-Regierung für Kuba zusammen. Daß Blomeier bei der politischen Mission gegen die
lateinamerikanische Linke keine Berührungsängste hat, hatte er bewiesen. Ende
April lud er mit dem brasilianischen Politiker Paulo Sette Câmara einen
Verantwortlichen für eines der schwersten Massaker an Landlosen in dem
südamerikanischen Staat ein. Bei der KAS sprach Sette Câmara zum Thema »Innere
Sicherheit und demokratische Gesellschaft«. Es ist selten, daß solche Kontakte
deutscher Parteistiftungen öffentlich werden. Als die SPD-nahe
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zwei Wochen vor dem Lima-Gipfel zu einer
Lateinamerika-Tagung nach Berlin lud, diskutierten auf dem Podium der
Europa-Abgeordnete Martin Schulz mit dem Präsidentschaftskandidaten der linken
FMLN aus El Salvador, Mauricio Funes. Im Publikum aber sassen 11 Vertreter
lateinamerikanischer Jugendorganisationen, die auf Einladung der FES nach
Deutschland gekommen waren. Aus Venezuela stammten zwei Aktivisten, beide aus
der rechten Opposition. Aus Bolivien wurde ein Vertreter der »Gemeindestiftung«
eingeladen, die dem ehemaligen Präsidenten Carlos Mesa nahesteht. Ein ähnliches
Bild liefern die kleinen Stiftungen. Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung sorgte so
für einen Skandal in El Salvador. Eine von ihr finanzierte Studie empfahl der
Regierung, den FMLN-Kandidaten Funes als Marionette Kubas zu diffamieren. Die
FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung traf sich Ende März in Argentinien mit
rechten Parteien und Organisationen aus aller Welt, um die »Herausforderungen
Lateinamerikas« zu besprechen. Vor diesem Hintergrund wird das Besuchsprogramm
Angela Merkels nach dem EU-Lateinamerika-Gipfel mindestens ebenso interessant
wie die Beratungen in Lima selbst. Auf den weiteren Stationen in Bogotá und Mexiko
trifft sie mit Vertretern der politischen Stiftungen zusammen. Für Bogotá sind
die Adenauer-, die Ebert- und die Seidel-Stiftung aufgeführt.« [2]
Fakten der
genannten Art finden selbstredend seltenst oder gar nie Eingang in die
Systempresse.
Quelle: http://seniora.org/index.php?option=com_content&task=view&id=856&Itemid=58 Wer ist
Capriles Radonski? - Von Wolf Gauer, São Paulo [1] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2008 Zu den Wahlen in Venezuela Siehe auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1530 Militärische
Kontrolle und Einkreisung Lateinamerikas durch die USA - Von Wolf Gauer [2] Ausschnitt aus http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=935 17. 5. 2008 Noch heimlicher als sonst: die Bilderberger-Konferenz 2008
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