»Swiss Respect« 11.11.2012 23:56
Es ist nicht das erste Mal, dass die amerikanischen Behörden ihre Macht einsetzen, um ihre eigenen Geschäfte zu fördern.
Die neue Vereinigung »Swiss Respect« leistet Widerstand gegen
völkerrechtswidrige Angriffe auf die Schweiz und verteidigt das Rechtssystem unseres
Landes. Sie verlangt, dass die Prinzipien der Gerechtigkeit und der
Gegenseitigkeit in den internationalen Verträgen angewendet werden und setzt
sich sehr couragiert für die Wahrung schweizerischer Interessen ein. Die junge
Vereinigung wurde kürzlich in Genf durch Jean Daniel
Balet, Flavien de Muralt, Antoine Spillmann und Jean Paul Tissières gegründet
und hat sich zum Ziel gesetzt, die Schweiz gegen die Angriffe auf ihre
rechtliche und wirtschaftliche Ordnung zu verteidigen. Diese Angriffe werden
von ›Partnern‹ in Szene gesetzt, um die
Ordnung der Schweiz zu destabilisieren. »Swiss
Respect« wehrt sich gegen eine Unterwerfungspolitik, die in unserem
Land dazu führt, sich dem ausländischen Druck anzupassen, anstatt eine echte
geo-ökonomische Strategie vorauszuplanen.
Die Schweiz unterzeichnet und genehmigt Abkommen, die ihre Konkurrenten
selbst nicht anwenden und in ihrem eigenen Land niemals akzeptieren würden.
Rand Paul, Senator aus Kentucky, hat die Ratifizierung des
Doppelbesteuerungsabkommens, das in der Schweiz, aber nicht in den Vereinigten
Staaten ratifiziert worden war, im Kongress blockiert, weil dieses Abkommen
seines Erachtens die Vertraulichkeit der amerikanischen Bankkonten bedroht. Er
erklärte: »Wir brauchen einen verfassungsmässigen Schutz
unserer Bankdaten.« Die Schweizer Banken hingegen
liefern die von der IRS verlangten Auskünfte. Das älteste Schweizer Bankhaus,
die Bank Wegelin, ist im Januar 2012 untergegangen. Aber nicht genug damit – im
April haben elf Schweizer Banken eine riesige Menge von Daten über ihre eigenen
Mitarbeiter an amerikanische Behörden geliefert und damit für mehrere tausend
Personen schwere Risiken geschaffen, bestraft zu werden.
›Verrat‹ So qualifizierte die Presse das Verhalten des Bundesrats, der vier
Monate nach den ersten Lieferungen im April die HSBC [eines der grössten
Finanzunternehmen der Welt] dazu autorisierte, im August 250 zusätzliche Namen
zu übermitteln. Mehr als 10 000
Personen sind heute betroffen. Das geht so weit, dass es einige nicht mehr wagen,
die Schweiz zu verlassen, denn ein Schweizer, der in Deutschland auf der
Durchreise war, wurde festgenommen, weil er den gleichen Namen wie ein
von Nachforschungen betroffenen Bankier hatte; er wurde solange in Haft gehalten,
bis die umfangreichen Begleitunterlagen zum US-Haftbefehl übersetzt waren. Die
Verteidiger der Steuermoral wären gut beraten, die Motive zur Kenntnis zu
nehmen, die den amerikanischen Angriffen zugrunde liegen: Etwa zu Steuereinnahmen
zu kommen, um die Staatsschuld zu entlasten, die sie derart schlecht unter
Kontrolle haben, dass dadurch das Weltwirtschaftssystem zugrunde gehen könnte?
Offensichtlich nicht. In der USA, wo die Steuerbefreiungen eher die Regel als
die Ausnahme sind, und wo die multinationalen Unternehmungen und die grossen
Privatvermögen so niedrige Steuern entrichten, dass sogar manche anbieten, auch
mehr zu bezahlen, scheint die Eintreibung von Steuern keine Priorität zu haben.
Ganz zu schweigen von Delaware, wo die Vermögen weit besser geschützt sind, als
sie jemals es in der Schweiz waren.
Was also irritiert die Amerikaner? Die
Schweiz ist in der Verwaltung privater Vermögen weltweit führend. Obwohl sie
ein kleines Land ist und keinerlei Rohstoffe hat, spielt sie in der Liga der
Grossen und gewinnt seit Jahrzehnten. Ohne überdimensionierte Bilanzen oder die
Übernahme unsinniger Risiken. Einfach auf Grund ihres Know-how. Die Vereinigten
Staaten weisen mehr als 3 Millionen grosse Vermögen auf, das sind beinahe 28,6 %
der Dollarmillionäre auf der Welt. Aber zwei Schweizer Banken zählen zu den
fünf grössten privaten Vermögensverwaltungsinstituten der Welt, und fünf
Schweizer Banken gehören zu den zwanzig grössten. Die amerikanischen Banken
versuchen seit Jahren, diesen Markt zu übernehmen, indem sie beträchtliche
Kredite vergeben. Der Erfolg steht aber in keinem Verhältnis zum Aufwand. Warum
also nicht die Konkurrenz schwächen, indem man sie in Misskredit bringt? Zuerst
der Skandal der jüdischen Konten, dann der Geldwäscherei-Skandal und jetzt der
Steuerflucht-Skandal. Es ist nicht das erste Mal, dass die amerikanischen
Behörden ihre Macht einsetzen, um ihre Geschäfte zu fördern. Nicht nur in der
Schweiz, und nicht nur im Bankensektor.
Wenden wir uns nun unseren europäischen Freunden zu. Grossbritannien
nimmt rund 300?000 Ansässige ohne Wohnsitz auf, deren
Steuerregelung bemerkenswert günstig ist, während die Schweiz nur 5600
Pauschalsteuerpflichtige beherbergt. Ebenso Belgien, wo Bernard Arnaud,
Verwaltungsratspräsident von LVMH (Louis Vuitton SA) und einer der reichsten
Männer der Welt, die Staatsbürgerschaft beantragt hat. Die EU wirft der Schweiz
– insbesondere einigen ihrer Kantone – Vorzugssteuervorschriften vor, welche
die Niederlassung ausländischer Unternehmungen begünstigen. Da die Schweizer
Unternehmen nicht dieselben Konditionen geniessen, ist die Rede von ungleicher
Behandlung und vor allem von schädlichem Steuerwettbewerb. Wir stellen jedoch fest,
dass die EU-Mitgliedsstaaten ihren eigenen Verhaltenskodex auf dem Gebiet der
Steuerdiskriminierung 15 Jahre nach dessen Unterzeichung kaum respektieren. Der
EU ist es noch immer nicht gelungen, die früheren, ausländische Gesellschaften
begünstigenden Satzungen zu bereinigen, die sie von vorhergehenden Regierungen
übernommen hat, vor allem (aber nicht nur) was Frankreich und Grossbritannien
betrifft. Die Archive des Europäischen Gerichtshofs sind voll von Fällen aus
Korsika, Neu-Kaledonien, den Jungferninseln, den Kanalinseln oder aus
Gibraltar. Ganz zu schweigen von den
nicht zu vernachlässigenden Vorteilen, welche die Transportsteuer den Reedern
ausserhalb der EU bietet.
Das jüngste Beispiel ist das französisch-schweizerische Abkommen über
die Erbschaften. Der Text wurde auf die Forderung Frankreichs hin im Juli vom
Bundesrat paraphiert und steht in völligem Widerspruch zu sämtlichen Normen des
internationalen Rechts. Nachdem die Zeitung ›Le Temps‹ den ganzen
Vertragstext einem Gremium von Juristen und Steuerfachleuten unterbreitet
hatte, bestätigten diese, dass die Reform bei weitem nicht nur diejenigen
Franzosen betrifft, welche mit einer Pauschalsteuer in der Schweiz leben,
sondern auch alle Erben von in der Schweiz Niedergelassenen, die in Frankreich
wohnen, sowie alle Eigentümer von in Frankreich liegenden Liegenschaften. Dies
sind Hunderttausende von Steuerpflichtigen. Entgegen einem weitverbreiteten
Klischee handelt es sich bei den betroffenen Personen nicht um eine Handvoll
Steuerflüchtlinge, sondern um 150.?000 Franzosen, die in der Schweiz leben, und 170?.000 Schweizer, die in Frankreich leben. Wenn ein
schweizerischer Elternteil von zwei Schweizer Kindern stirbt, während eines der
Kinder in Frankreich wohnt, wird das in Frankreich lebende Kind gegenüber seinem
Bruder oder seiner Schwester, die an irgendeinem anderen Ort auf der Welt leben,
benachteiligt.
»Swiss Respect« ist der
Meinung, dass die Schweiz seit mehr
als 15 Jahren einem eigentlichen Wirtschafts-
und Finanzkrieg ausgesetzt ist. Die Schweizer Behörden passen sich
eifrig und ohne sich zu sträuben dem ausländischen Druck an, anstatt die Waffen
der Souveränität und des Rechts zu nutzen. Noch schlimmer: Sie verletzen das
Gesetz wiederholt und systematisch und bringen damit die Schweizer Bürger und die
Wirtschaft als Ganzes in Gefahr. Keinerlei Gegenseitigkeit und keinerlei
Gleichbehandlung werden verlangt oder erreicht. Es ist reiner Selbstmord, dass
die Schweiz dort, wo es die internationalen Normen nicht verlangen, als einzige
in den Bereichen Steuer-Selbstdeklaration und Verhaltenskodex aktiv ist. Der
Ruf der Schweiz in bezug auf die Rechtssicherheit und den Schutz der
Privatsphäre sowie des Privateigentums wird schwer geschädigt.
Die neue Vereinigung fordert, dass sich die Schweiz weigert, ihre
Rechtsordnung zu ändern, um ihre Konkurrenten zufriedenzustellen, und dass sie
keine Änderung akzeptiert, wenn nicht alle Finanzzentren sie gleichermassen
anwenden. Die Schweiz muss ihre Rahmenbedingungen verteidigen und eine Haltung
einnehmen, die vergleichbar ist mit derjenigen der EU-Mitglieder Luxemburg und
Österreich, die ihre Vorzugsstellung so lange schützen, als es der EU nicht
gelingt, die Gleichbehandlung und die Gegenseitigkeit durch Drittstaaten zu
erreichen. Die Schweiz darf nichts aufgeben, solange sich Hongkong, Singapur,
die Kanalinseln, die Bahamas, die USA und England, neben anderen, nicht an
dieselben Regeln halten.
Quelle: L’Agefi, Quotidien de
l’agence économique et financière à Genève vom 16. Oktober
2012 http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1159
Zeit-Fragen Nr. 46 vom 29.10.2012
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