Die Griechenlandrettung - endlos 12.11.2012 00:04
d.a. Der griechische Rechnungshof hat am 31. Oktober entschieden, dass wesentliche Einsparbeschlüsse,
die
auf Druck der Troika hin durchgesetzt werden sollen, gegen die griechische Verfassung
verstossen. Dies gilt u.a. für die geplanten Rentenkürzungen, die Abschaffung
von Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld, die Kürzung der
Arbeitslosenunterstützung für Saisonarbeiter und die Anhebung des Rentenalters.
Am 7. 11. beschloss das griechische Parlament bekanntlich weitere
Massenentlassungen, Steuererhöhungen, drastische Kürzungen von Gehältern und
Renten sowie Einschnitte im Sozial- und Gesundheitswesen. Gegen das sogenannte
Sparpaket hatte sich sowohl ein 48stündiger Generalstreik als auch eine
Kundgebung in Athen mit mehr als 70.000 Menschen gerichtet. Was nun die Rente
betrifft, so muss klargestellt werden, dass bei der griechischen Rente bislang 81,8 % des Gehalts
ausbezahlt werden, während die Deutschen lediglich 39,3 % ihres Gehalts erhalten. »Obwohl in
Deutschland die Durchschnittseinkommen höher liegen, bekommen die Griechen der
OECD zufolge durchschnittlich insgesamt 45.000.- € mehr Rente als Deutsche. Ähnlich
ist es mit den Renten in Spanien: Die Spanier erhalten – gemessen an ihrem
Durchschnittseinkommen – die dritthöchsten Bezüge in der EU. Nur die
Niederlande genehmigen ihren Rentnern noch höhere Anteile als Spanien und
Griechenland. Somit werden den Griechen und den Spaniern auch deutlich höhere
Renten versprochen als im Durchschnitt der gesamten EU, wo 58,7 % des Gehalts
ausgezahlt werden. »Griechenland wird dafür bedauert, dass die Pensionisten künftig mit vielleicht 20 % weniger Rente auskommen
müssen. Aber dass sie sich davor absurd hohe
Pensionen, nämlich 40 bis 45 % über
dem EU-27-Niveau versprochen haben, wird nicht erwähnt, sagte Dr. Bernd Marin,
Direktor des ›European Centre For Social Welfare Policy and Research‹ der österreichischen
Tageszeitung ›Kurier‹. Marin fordert nun eine Angleichung der
Rentenversprechungen. Dies werde immer wichtiger, weil die EU-Staaten zunehmend
für ihre Risiken gemeinschaftlich haften. Denn die Differenz zwischen
Beitragszahlungen und tatsächlichen Auszahlungen muss der Staat zuschiessen. Diese
Belastung landet dann über den Staatshaushalt auf der Staatengemeinschaft, die
immer mehr in Richtung Schuldenunion tendiert. Würde keine Harmonisierung des
Rentenniveaus in den einzelnen EU-Staaten vorgenommen, würde das die
Solidarität schwer belasten, so Marin ferner im ›Kurier‹.« [1]
Zwar ist die griechische Regierung nicht an die Entscheidungen des Rechnungshofes
gebunden, aber auf Grund des Beschlusses steht nun der Rechtsweg für Klagen
gegen diese Kürzungen offen. Der Mitherausgeber von ›Strategic Alert‹, Dean Andromidas, hatte im Oktober Griechenland eine Woche lang
besucht, um dort mit Politikern, Ökonomen, Regierungsvertretern, Journalisten
und pensionierten Offizieren zu sprechen. Andromidas hatte u.a. Gelegenheit, sich
mit dem Anführer der sogenannten ›Drachmen-Bande‹ zu treffen, mit dem Ökonomen und früheren Abgeordneten Theodore Katsanevas,
einer der nachdrücklichsten Verfechter
der Rückgewinnung der Souveränität Griechenlands durch die Rückkehr zur
Drachme; Katsanevas erklärte: »Dies ist die schlimmste Zeit für
Griechenland, es ist, als wären wir wieder ein besetztes Land.« Wer sich gegen den Euro ausspreche, werde von den Medien und der
politischen Klasse massiv angegriffen. Man werde entweder als Verrückter hingestellt,
weil Griechenland angeblich mit einer neuen Drachme in einen tiefen Abgrund
stürzen würde, oder es werde unterstellt, man sei Teil einer Mafia mit dicken
Bankkonten in der Schweiz, die nach der Rückkehr zur Drachme alles billig aufkaufen
wolle. Von Katsanevas neuem Buch über den Ausstieg aus dem Euro, das gerade
erschien, wurden bereits 5000 Exemplare verkauft. Sein Plan sieht neben dem
Austritt aus dem Euro und der Wiedereinführung der Drachme vor, den Wert der
Schulden durch Verhandlungen auf 50 % zu reduzieren, ein zweijähriges Moratorium
auf alle Schuldendienste zu erklären, sowie Regierungskontrollen gegen die Spekulation
einzuführen. Dies alles sind Schritte, die ein souveränes Land im Rahmen seiner
Verfassung ergreifen würde, die aber im imperialen Eurosystem
ausdrücklich verboten sind. [2]
Einem
Bericht von ›Topic‹ zufolge [3] ist Griechenland
reich, sogar sehr reich. Genauer formuliert: Es könnte eines der reichsten
Länder Europas sein. Doch noch nie in der europäischen Geschichte hat ein Land
soviel Geld an internationaler Hilfe bekommen wie Griechenland. Die
EU-Kommission hat Anfang dieses Jahres errechnet, dass bisher 380 Milliarden
Euro an internationaler Hilfe in das Land geflossen seien. Schon vor den
Hilfsleistungen hat Griechenland in den letzten Jahrzehnten Hunderte Milliarden
aus den Brüsseler Regional- und Strukturfonds eingesackt und für zum Teil ganz nutzlose Projekte verpulvert. Ende September
stellte sich heraus, dass das Haushaltsloch in Griechenland noch grösser ist
als angenommen. Ein neuer Schuldenerlass wird wohl unumgänglich sein. Der würde
den deutschen Steuerzahler sofort 8 Milliarden € kosten. Alle die vergangenen
Milliardenzahlungen wären jedoch gar nicht nötig gewesen, wenn Griechenland die
Rohstoffschätze versilbert hätte, die es besitzt und von denen es seit
Jahrzehnten weiss. Bereits 1976 berichtete der ›Spiegel‹ in seiner Ausgabe vom 16. August über
Erdölvorkommen nahe der nordägäischen Insel Thasso, auf die deutsche Firmen bei
Probebohrungen gestossen seien; Griechenland fing damals an, diese mit Hilfe
von ausländischen Firmen auszubeuten, strengte sich aber keineswegs an, nach
weiteren Erdöl- und Erdgasvorkommen vor seinen Küsten zu suchen. Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden
weitere Probebohrungen durchgeführt, die sofort Ergebnisse brachten.
Griechenland besitzt eine Riesenmenge an beiden Ressourcen. Noch vor Beginn der
Wirtschaftskrise in Hellas im Jahr 2010 machte das nordeuropäische Konsortium ›Scandic Org‹ den
Griechen ein Kreditangebot von über 250 (!) Milliarden Euro. Dafür wollten die
Nordeuropäer 5 Jahre lang Exklusivrechte für die Förderung von Erdgas und –öl
auf griechischem Boden. Das Geschäft sah vor, den Gewinn in 80 zu 20 [für
Griechenland] aufzuteilen. Doch die Griechen zeigten keinerlei Interesse.
Stattdessen liessen sie sich lieber Milliarden aus den EU-Rettungsfonds
überweisen und schafften es zusätzlich, dass ihre Gläubiger im Zuge eines
Schuldenschnitts auf Forderungen in Höhe von bisher 107 Milliarden Euro
verzichten. Mitte August war den Kopp-exklusiv-Nachrichten [33/12] zu
entnehmen, dass der Verlag über Informationen des deutschen
Bundesnachrichtendienstes verfügt, laut denen Athen sich ganz gezielt aus dem
Euro-Verbund herausmanövrieren wolle, um zu seiner ehemaligen Landeswährung
Drachme zurückzukehren. Dadurch wolle
man die Kreditgeber zwingen, auf noch mehr Forderungen zu verzichten.
Für die Zeit nach dem Austritt habe Griechenland umfassende Verträge mit den
Amerikanern abgeschlossen, die sofort im grossen Stil mit der Ausbeutung der
griechischen Erdöl- und Erdgasvorkommen beginnen wollen. Der Verlag
kommentierte das ›Spiel der Griechen‹ wie folgt: »Vergessen
Sie also alles, was Sie in den vergangenen Monaten über Griechenland und die
Schuldenkrise gelesen haben. Denn hinter den Kulissen gibt es ein brutales
Pokerspiel um die militärische Macht, die Rohstoffe und die Ölgelder.«
Die in Griechenland praktizierte Steuerflucht – auch die
dort beheimatete Korruption - ist längst
Gegenstand zahlreicher Artikel auf politonline
gewesen. Dennoch
entdecken griechische Steuerfahnder immer wieder Erstaunliches. So war
der ›FAZ online‹ Anfang
August zu entnehmen, dass diese einem Bericht der Athener Zeitung ›Ta Nea‹ zufolge bei der
Untersuchung Tausender Auslandsüberweisungen gewaltige Summen nicht
deklarierter Beträge entdeckt haben. »Demnach hat
beispielsweise ein Bauer, der nur ein jährliches Einkommen von 497.- Euro
gemeldet hatte, 12.587.184.- € ins Ausland überwiesen. In einem anderen Fall
hatte ein Gärtner für 2011 ein Jahreseinkommen von 2.275.- Euro angegeben, überwies
aber 610.000.- € ins Ausland. Athen nimmt zurzeit Überweisungen von insgesamt
rund 22 Milliarden Euro genauer unter die Lupe. Insgesamt geht es um 54.246
Personen und Firmen, wie das Finanzministerium mitteilte. Bislang hat die
Steuerfahndung dem Bericht zufolge die Konten von etwa 15.000 Personen
überprüft, die zwischen 2009 und 2011 mehr als 100.000.- € ins Ausland
überwiesen haben.« [4]
In ihrer Grundsatzrede vor dem Europaparlament in Brüssel am 7.
November antwortete Bundeskanzlerin Merkel auf die von Abgeordneten an ihrer
Haltung zu Griechenland vorgebrachten Kritik wie folgt: »Man muss ihnen sagen:
Es ist nicht in Ordnung, dass ich jedes Mal einen Streik mache, wenn eine
Privatisierung erfolgen soll; es ist nicht in Ordnung, dass ein Eisenbahnsystem
über die Fahrkartenpreise nicht mal so viel einbringt, dass man davon die
Beschäftigten bezahlen kann; es ist nicht in Ordnung, wenn die
Regierungsministerien nicht zusammenarbeiten; es ist nicht in Ordnung, wenn man
ein Steuersystem hat, aber keine Steuern zahlt.« Fakt
ist natürlich auch, dass die EU-Hilfen nicht den Griechen zugute kommen, sonder
dazu dienen, das in der Vergangenheit geliehene Geld zurückzuzahlen. Es dient also
dazu, die Banken zu stabilisieren, die aber ihrerseits kein Geld mehr
verleihen. Damit geht der Mittelstand geht leer aus. Thilo Sarrazin äusserte
sich in der ›Frankfurter
Allgemeinen Zeitung‹ u.a. einmal wie
folgt: »Griechenland hat zwar nur 3 % Anteil an der
Bevölkerung und 2 % Anteil an der Wirtschaftskraft des Euroraums. Ein Stück
Griechenland ist aber überall dort, wo Länder der Währungsunion auf Grund
fehlender Strukturreformen und Fehlern in der Finanzpolitik Schwierigkeiten mit
ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbilanz haben. Das gilt für die
Südstaaten in der Währungsunion, einschliesslich Frankreichs. Ihre Probleme
sind hausgemacht. Niemand hört dort aber gern, dass alle Probleme, die sie von
den Nordstaaten unterscheiden, eigenen Fehlentscheidungen und eigenem
Unvermögen entspringen.«
[1] http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/09/46890/ 19. 9. 12 Rentensystem - Hohe Pensionen in
Südeuropa belasten deutsches Rentensystem [2] Strategic Alert Jahrgang 25, Nr. 45
vom 7. 11. 12 [3] TOPIC Nr. 10 vom Oktober 2012
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