Mali aus der Sicht von Ben Schreiner 24.02.2013 23:01
Den nachfolgenden Darlegungen des amerikanischen Politikwissenschaftlers Ben Schreiner sei am zweckmäßigsten dessen Aussage vorangestellt,
daß die
angeblich so bedrohliche Al-Qaeda ›ein wertvolles Geschenk‹ darstellt, das
zu nützlich ist, um untergehen zu dürfen. Denn dies stützt die Erklärung von
Jürgen Todenhöfer, daß sich der islamistische
Terrorismus auch als nützlicher Vorwand zur Begründung offensiver
Militäraktionen erwiesen hat und inzwischen zum wichtigsten Feindbild der USA
avancierte. Wir veröffentlichen im folgenden Auszüge aus Schreiners Artikel ›Was
steckt hinter den US-Interventionen in Afrika? Unter dem Vorwand,
Al-Qaeda zu bekämpfen, soll China zurückgedrängt werden‹. [1]
Die
geopolitische Ausuferung der französischen Intervention in Mali auf die ganze
Region wird auch durch öffentliche Statements aus London und Washington
unterstrichen. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, die Krise
in Mali erfordere ›eine Antwort, die
eher Jahre, oder sogar Jahrzehnte, als Monate in Anspruch nehmen‹ werde. Zur Untermauerung dieser
Ankündigung soll Großbritannien die Franzosen bereits mit Spezialkommandos und
einem Spionageflugzeug unterstützen. Auch in Washington wird schon von einem langen
Krieg gesprochen, der sich auf die gesamte afrikanische Sahel-Zone
ausweiten könnte. Ein US-Offizieller, der sich Ende Januar zur westlichen
Intervention in Mali äußerte, warnte: ›Sie
könnte lange dauern, und mit lange meine ich mehrere Jahre‹. ›Das wird wohl eine
sehr ernste, lang andauernde Bedrohung werden, denn der Norden Malis ist sehr
groß und besteht – was die Topografie angeht – nicht nur als Wüsten; dort gibt
es auch viele Höhlenverstecke, die uns an Afghanistan erinnern‹, hatte Frau Clinton angemerkt. ›Wir stehen vor einem neuen Kampf, und
das wird ein notwendiger Kampf sein. Das nördliche Mali darf nicht zu einem
sicheren Hafen (für Terroristen, Anm. d. Red.) werden‹. Laut einem Bericht in der ›Los
Angeles Times‹ kursiert die
Redensart vom ›sicheren Hafen‹ auch schon wieder in den Fluren des
Pentagons. ›Einige Spitzenleute und
höhere Offiziere im Pentagon warnen davor, daß Mali ohne ein aggressiveres
Eingreifen der USA für Extremisten zu einem sicheren Hafen werden könnte, wie
Afghanistan vor den Terroranschlägen am 11. September 2001‹. Nachdem man die US-Öffentlichkeit mit solchen Behauptungen auf
die Eröffnung einer neuen Front im ›Krieg
gegen den Terror‹ vorbereitet hat,
kann die Intervention der USA in Afrika beschleunigt werden. Laut der ›New York Times‹ erwägt diese, ›eine
Drohnen-Basis in Nordwestafrika zu errichten, um die lokalen Al-Qaeda-Ableger
und andere extremistische islamische Gruppierungen besser überwachen zu können‹.
[2] Wie ein US-Offizieller dieser
Zeitung mitteilte, stehe die Entscheidung, in Nordwestafrika eine permanente
Basis für US-Drohnen einzurichten ›in
direktem Zusammenhang mit dem Mali-Konflikt, diene aber gleichzeitig auch der
Absicherung der Präsenz des Regionalkommandos der US-Streitkräfte für Afrika
[AFRICOM].‹
Die
Behauptung, die Al-Qaeda-Kämpfer in Mali seien eine Bedrohung für den Westen,
beruht einzig und allein auf der ständig wiederholten Annahme, sie könnten das
afrikanische Land, wenn nicht interveniert wird, als Ausgangsbasis für
Anschläge in westlichen Ländern benutzen. Die Wochenzeitung ›The Economist‹ meint, der Westen hoffe, ›in
Mali möglichst viele fanatische Dschihadisten töten und die im Norden liegenden
Städte mit Soldaten aus Mali und seinen Nachbarstaaten absichern zu können,
bevor es den Aufständischen gelingt, sich neu zu gruppieren oder durch Rekruten
zu verstärken.‹ Redaktionsschreiber:
Von ›Hoffnung‹ wird nur geredet, um die Bevölkerung der westlichen Länder auf
jahrzehntelange Kämpfe einzustimmen. Trotz gegenteiliger Bekundungen lag es nie in der Absicht der
verschiedenen US-Regierungen, Al-Qaeda ernsthaft aus dem Verkehr zu ziehen.
Wenn das Terrornetzwerk tatsächlich besiegt würde, wäre das ein strategischer
Verlust für Washington. Die USA verlören damit die unersetzlichen Fußsoldaten,
die sie für ihre Stellvertreterkriege brauchen und könnten ihre weltweiten
Interventionen kaum noch rechtfertigen. Die angeblich so bedrohliche Al-Qaeda ist
ein wertvolles Geschenk, das zu nützlich ist, um untergehen zu dürfen. [3]
Die Zurückdrängung
Chinas Die mit
der angeblich von Al-Qaeda ausgehenden Bedrohung begründete Intervention des
Westens in Mali beginnt schon Früchte zu tragen. Die Bekämpfung der
Terrorgruppe im Norden Malis ist eine perfekte Tarnung für die strategischen
Intentionen der USA und ihrer Juniorpartner im Westen, die darauf abzielen,
China aus ganz Afrika zu verdrängen. Weil China auf dem besten Weg ist, auf dem
afrikanischen Kontinent zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten zu werden,
versucht der Westen, Afrika zu rekolonialisieren. Nach Angaben von Razia Khan,
Regionalchef der britischen Standard Chartered Bank, der für Recherchen in
Afrika zuständig ist, nähert sich der bilaterale Handel zwischen Afrika und
China einer Gesamtsumme von 200 Milliarden US-$ pro Jahr an und ist im letzten
Jahrzehnt jährlich um durchschnittlich 33,6 % gewachsen. In den kommenden
Jahren könnte China sogar zum größten Handelspartner Afrikas werden und sowohl
die EU als auch die USA übertreffen. Das alles ist Washington natürlich nicht
entgangen. Während seiner Anhörung vor dem US-Senat ließ John Kerry, kürzlich
vereidigter US-Außenminister, durchblicken, daß sich die USA gegen diese
Entwicklung im Hintergrund bereits zur Wehr setzt. ›Was China und Afrika angeht:
China ist in ganz Afrika präsent, wirklich überall. Es hat langfristige
Verträge über den Abbau von Mineralien und sonstige Vereinbarungen abgeschlossen‹, erklärte Kerry. ›Und wir haben in einigen Staaten unsere Hände noch nicht im Spiel.
Ich sage das nicht gern, aber da müssen wir mehr tun.‹ In einer von WikiLeaks veröffentlichten Diplomatendepesche aus
dem Jahr 2010 teilte Johnnie Carson, ein US-Staatssekretär für afrikanische
Angelegenheiten, Kerrys Sorgen. Carson ging sogar so weit, China als einen ›sehr aggressiven und bösartigen
Wirtschaftskonkurrenten ohne Moral‹
zu bezeichnen. Die Verärgerung der USA über die wachsenden chinesischen
Investitionen in Afrika wurde auch während des Afrika-Besuchs der
US-Außenministerin Clinton im August letzten Jahres deutlich. Während ihrer
Reise erklärte Frau Clinton mit einem klaren Seitenhieb auf China: ›Anders als andere Staaten tritt die
USA für Demokratie und die allgemeinen Menschenrechte ein, selbst wenn es
leichter wäre, wegzusehen und Vorteile daraus zu ziehen.‹ Die jüngsten Menschenrechtsverletzungen der von US-Ausbildern trainierten
malischen Armee beweisen
hingegen wieder einmal, wie verlogen solche wohlfeilen Erklärungen sind. Als
Antwort auf die Stichelei von Frau Clinton schoß
die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit dem Kommentar zurück,
Frau Clintons Reise sollte wohl vor allem dazu dienen, ›Chinas Engagement auf dem afrikanischen Kontinent zu
diskreditieren und seinen wachsenden Einfluß
einzudämmen.‹ Weil Peking befürchten
muß, daß es
noch weitere Versuche zur Einschränkung seines Einflusses in Afrika geben wird,
betrachtet es das Eingreifen Frankreichs in Mali nur als Auftakt für weitere
Interventionen des Westens. He Wenping von der chinesischen Akademie für
Sozialwissenschaften warnte: ›Mit
der Einmischung französischer Streitkräfte in Mali soll ein neuer
Interventionismus in Afrika legalisiert werden.‹
Durch die
Einmischung des Westens in Libyen hat China bereits Investitionen in Höhe von
20 Milliarden US-$ verloren. Außerdem wurde damit der Weg für die gegenwärtige
Intervention in Mali bereitet. Weil die USA vom dynamischen Wachstum in Asien –
sprich in China – profitieren will, um ihr ›Pazifisches
Jahrhundert‹ abzusichern, muß sie
auch das dynamische Wachstum in Afrika unter ihre Kontrolle bringen. Wenn die
USA die Chinesen aufhalten will, muß sie sich auch um Afrika kümmern. Und ihre
Interventionen in Afrika führt sie – wie üblich – unter dem Banner des ›Krieges gegen den Terror‹ durch.
[1] http://www.hintergrund.de/201302132445/politik/welt/was-steckt-hinter-den-us-interventionen-in-afrika.html 13. 2. 13
Im Original erschien der Artikel am 29. Januar 2013 unter dem Titel Hidden
Agenda behind America’s War on Africa: Containing China by “Fighting Al-Qaeda”
bei Global Research [2] http://www.nytimes.com/2013/01/29/us/us-plans-base-for-surveillance-drones-in-northwest-africa.html [3] Siehe dazu: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP01213_200113.pdf
Der Autor Ben
Schreiner ist Politikwissenschaftler und freier Autor in Wisconsin. Er
beschäftigt sich vor allem mit internationaler und US-Außenpolitik. Schreiner
schreibt u.a. für die Asia Times online, Counterpunch und die englische Ausgabe
von al-Akhbar
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