Der Pakt mit al-Kaida 24.02.2013 23:04
Wie in unseren Beiträgen zu Mali bereits aufgezeigt, sind Putschisten und Tuareg-Rebellen, deren Handlungen zur Besetzung
des
nördlichen Teils des Landes durch Islamisten geführt haben, von
US-Instrukteuren im Kampf gegen den Terrorismus geschult worden. Einem Bericht
von RIA Novosti vom 14. Januar zufolge hat die USA »in den zurückliegenden vier
Jahren ein umfassendes Anti-Terror-Programm in der Region absolviert sowie bis
zu 600 Millionen $ in die Ausbildung von Militärkontingenten in Mali investiert.«
Nach dem Eindringen gut bewaffneter Islamisten aus dem benachbarten Libyen im
März 2012 in nördliche Gebiete von Mali war es bekanntlich zu einem Militärputsch
gekommen, mit dem von den Amerikanern ausgebildeten General Amada Sanogo an der
Spitze. Wie weiter dargelegt wird, hätten die Amerikaner nicht nur den
heranreifenden Putsch übersehen, sondern auch ausser acht gelassen, dass das
Kommando über Elitetruppen an Vertreter der Tuareg, die seit rund 50 Jahren im
Konflikt mit der Zentralregierung stehen, übertragen wurde. Nachdem die Tuareg
im April den Staat Azawad ausgerufen hatten, gingen die Befehlshaber von drei
der vier Armeeeinheiten im Norden des Landes samt Personal und Waffen auf die
Seite der Separatisten über, verstärkt durch etwa 1600 Deserteure. »Die Hilfe
der Amerikaner erwies sich als nutzlos. Sie hatten die falsche Wahl getroffen«,
so ein malischer Offizier.
»Der
Westen«,
schreibt Jürgen Todenhöfer in seinem Artikel ›Die Terror-Zyniker - in Mali gegen, in Syrien mit al-Kaida‹, »muß
diesen zynischen Pakt mit den Terroristen beenden. Als der Westen in
Afghanistan einmarschierte, nannte er als Ziel die Überwindung des
internationalen Terrorismus. Erreicht hat er das Gegenteil. Die Zahl der
Selbstmordanschläge stieg nach 9/11 weltweit um ein Vielfaches. Für jeden
getöteten Terroristen standen Dutzende neue auf. Antiterror-Kriege sind
Terrorzuchtprogramme. In der muslimischen Welt wimmelt es inzwischen von
nationalen Terroristen und ausländischen ›Wander-Dschihadisten‹. Finanziert werden sie vor allem
durch private Organisationen in Saudi-Arabien: Diese wollen ihren wahabbitisch-salafistischen
Radikal-Islam, dem weltweit nur 2 % der Muslime anhängen, verbreiten. Anders
als der Alarmismus westlicher Innenpolitiker vermuten läßt, blieb Europa vom Terror al-Kaidas bisher weitgehend
verschont. Laut Europol hatten 2010 nur 3 von 249 vollendeten oder versuchten
Terroranschlägen islamistische Beweggründe. 2011 war nicht einer der 174
Anschläge in Europa islamistisch motiviert. Die meisten Täter waren
Separatisten und Linksextreme. Trotzdem sollten wir die muslimische Welt mit
ihrem Terrorproblem nicht alleine lassen. Die seit Jahrhunderten andauernde
aggressive Politik des Westens gegenüber der muslimischen Welt ist schließlich Hauptursache dieser Seuche. Palästina,
Afghanistan und der Irak sind nur die letzten Beispiele dieser verhängnisvollen
Politik.
Wesentliche
Mitverantwortung für die epidemische Ausbreitung des Terrorismus tragen seine
Sponsoren am Golf. Ohne saudisches Geld könnte al-Kaida nicht überleben. Doch
der Westen wagt sich an dieses zentrale Problem der Terrorbekämpfung nicht
heran. Er argumentiert, das saudische Königshaus habe mit den Terrorpaten einen
mafiaähnlichen Pakt. Der Westen bleibe nur so lange von Anschlägen verschont,
wie er deren Kreise nicht störe. Seine Zurückhaltung gegenüber den
Hintermännern des Terrors sei daher nachvollziehbar. Der Westen werde für sein
Verständnis reichlich durch Erdöl entschädigt. Doch Öl ist nur einer der Gründe,
warum sich der Westen das Hinterland des Terrorismus, Saudi-Arabien, nicht zur
Brust nimmt. Der islamistische Terrorismus hat sich auch als nützlicher Vorwand
zur Begründung offensiver Militäraktionen erwiesen. Nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion wurde er zum wichtigsten Feindbild der USA,
nachdem Colin Powell 1991 noch geklagt hatte, ›ihm gingen die Schurken aus‹.
Wann immer der Westen Antiterror-Kriege führt oder fordert, geht es um ganz
andere Dinge. In Afghanistan um die zentrale geostrategische Position in Asien,
im Irak um Öl, im Konflikt mit dem angeblich nuklearsüchtigen ›Terrorstaat‹ Iran um die Vorherrschaft im Mittleren Osten. In Mali zum
Beispiel um Uran in dessen Nachbarland Niger. Wenn es in der Ex-Kolonie ›Französisch-Westafrika‹ nur Sand gäbe, könnten sich die
Tuaregs, Terroristen und Malier die Köpfe einschlagen, solange sie wollten.
Paris würde nie intervenieren. Es weiß genau,
daß sein ›Antiterror-Krieg‹ den islamistischen Terror letztlich
nicht besiegen, sondern weiter anheizen wird. Doch was heißt das schon gegen eine gesicherte Stromversorgung
Frankreichs durch afrikanisches Uran?
Den Gipfel
des Zynismus hat die westliche Antiterrorpolitik in Syrien erklommen.
Dort kämpfen über 50 000 bewaffnete Rebellen gegen das Assad-Regime. 40 000 von
ihnen sind nach Aussagen demokratischer Oppositioneller islamistische
Extremisten. Mindestens 15 000 davon bekennen sich zur al-Nusra-Front, einem
al-Kaida-Ableger, unter ihnen Tausende ausländischer Dschihadisten. Für Demokratie kämpft nur noch eine
Minderheit der Rebellen. Bei einem Sieg der extremistischen Rebellen
winkt nicht etwa ein demokratischer Musterstaat, sondern ein ›Emirat‹ religiöser Fanatiker unter
Beteiligung von al-Kaida. Es wäre der größte
politische Triumph derselben seit ihrem Bestehen. Die syrischen Rebellen
erhalten Geld und Waffen vor allem aus Saudi-Arabien und Katar. Saudi-Arabien
beliefert mit Wissen der USA hauptsächlich al-Kaida. Der Westen hält der gesamten
Rebellion, einschließlich al-Kaida, politisch
den Rücken frei. Er ist de facto Verbündeter al-Kaidas. In Mali gegen,
in Syrien mit al-Kaida - zynischer geht es nicht. Assad ist ein Diktator; der König von
Saudi-Arabien und der Emir von Katar ebenfalls. Der USA sowie den Despoten von
Saudi-Arabien und Katar geht es in Syrien nicht um Demokratie. Ihr Ziel ist die
Ausschaltung eines wichtigen Verbündeten des Irans; daß
dabei eines der liebenswertesten multiethnischen Völker Arabiens zerbricht,
interessiert unsere ›Weltstrategen‹ nicht. Auch nicht, daß bei einem Sieg der Extremisten Millionen Christen
ihre Heimat verlieren könnten. Es gibt sinnvolle Lösungen für diesen tragischen
Bruderkrieg. Den Schlüssel hierzu hat die USA. Sie müßte
bereit sein, mit Assad zu verhandeln. Wie einst mit den Führern der
Sowjetunion. Ronald Reagan hat von diesen nie verlangt, vor
Friedensverhandlungen erst einmal zurückzutreten. Die USA könnte die vom
syrischen Volk so heiß ersehnte Waffenruhe
durchsetzen, wenn sie die Waffenlieferungen Saudi-Arabiens und Katars für einen
bestimmten Zeitraum stoppen würde. Rußland
könnte diesem Beispiel folgen. Der Waffenstillstand müßte
für Verhandlungen Assads mit allen gesellschaftlichen Gruppen genutzt werden,
einschließlich der Exil-Opposition und der
syrischen Rebellen, die ihre Waffen niederzulegen hätten. Ziel wäre die Bildung
einer Übergangsregierung, die Erarbeitung einer demokratischen Verfassung, die
auch die Minderheiten schützt, sowie die Vorbereitung international überwachter
freier Wahlen. Assad kann den Krieg noch lange führen. Alle, die seinen Sturz
seit fast zwei Jahren ›für
übermorgen‹ verkünden, haben sich
geirrt. Sie täuschen sich möglicherweise auch bezüglich seiner Zukunftspläne.
Nach meiner Einschätzung ist Assad nicht übermäßig
daran interessiert, 2014 erneut zu kandidieren, falls es zu einem fairen
Friedensschluß kommt.
Kluge
Verhandlungen haben noch immer eine Chance. Es ist Zeit für eine Kurskorrektur
des Westens. Er muß seinen zynischen Pakt mit
al-Kaida beenden.«
Quelle:
Zeit-Fragen Nr. 7 vom 11. 2. 2013 Die Terror-Zyniker – in Mali
gegen, in Syrien mit al-Kaida Mit
freundlicher Genehmigung durch den Autor
|