Ein Dorn im Auge von J. P. Morgan 24.07.2013 22:11
Was für die Finanzwelt ganz offensichtlich zu beseitigende Ärgernisse darstellt,
ist im folgenden festzustellen, wobei die damit verknüpften Zynismen nicht zu übersehen
sind.
J.P. Morgan ärgert sich über die Verfassungen
in Europa Ein Bericht der Bank
J.P. Morgan vom 28. 5. 13 mit dem Titel ›Die Anpassung der Eurozone - ungefähr die Hälfte
des Wegs‹
erklärt die Staatsverfassungen in Europa, die nach dem über den Faschismus errungenen
Sieg etabliert wurden, zu einem Hauptproblem für die Finanzmärkte. In dem
Bericht beklagt sich die Bank über ›nationale Altlasten‹ wie Demokratie, Bürgerrechte und Souveränität. Offenbar meinen die Verfasser
mit ›ungefähr
die Hälfte des Wegs‹ ungefähr die Hälfte
des Wegs zum finanziellen Faschismus. So heisst es in dem Artikel: »Die Verfassungen und politischen
Vereinbarungen in der südlichen Peripherie, die nach dem Fall des Faschismus eingeführt wurden,
weisen eine Anzahl von Charakteristika auf, die für eine weitere Integration der Region ungeeignet
erscheinen..... Die politischen Systeme in der Peripherie entstanden nach der Diktatur
und waren von dieser Erfahrung bestimmt... Die Verfassungen weisen tendentiell einen
starken sozialistischen Einfluss auf, ein Ausdruck der politischen Stärke, die
linke Parteien nach dem Sieg über den Faschismus gewannen. Politische Systeme
der Peripherie weisen typischerweise mehrere der folgenden Merkmale auf: Schwache
Exekutivorgane; im Vergleich zu den Regionen schwache Zentralstaaten;
verfassungsmässigen Schutz von Arbeitnehmerrechten; konsensbildende Systeme,
die politische Klientelwirtschaft begünstigen; und das Recht auf Protest, wenn
es zu unwillkommenen Veränderungen des politischen Status quo kommt. Mit
dem Bericht, der aus der Londoner Filiale von J.P. Morgan stammt, sollen
offensichtlich die europäischen Regierungen zum Handeln gedrängt werden.
Tatsächlich hat sich die EU ohnehin schon wiederholt über Verfassungsgarantien
in verschiedenen Ländern hinweggesetzt und gleichzeitig Klauseln in
EU-Verträgen ohne Zustimmung der nationalen Parlamente eigenmächtig missachtet oder
geändert. So war die Gründung des Rettungsfonds EFSF 2010 ein klarer Verstoss
gegen die ›No-Bailout‹-Klausel, das im
Lissabon-Vertrag niedergelegte Verbot der Finanzierung von Schulden fremder
Staaten. Das gilt umso mehr für dessen Nachfolger, den ESM, der rechtlich
gesehen, noch dazu mit einer völligen Immunität ausgestattet ist. Obwohl der
ESM ursprünglich nur Regierungen Kredite geben sollte [womit man die Beschränkungen
für die EZB umgeht], gaben die Finanzminister der Eurozone am 20. Juni grünes
Licht für direkte ESM-Hilfen an Banken im Umfang von ca. 60 Milliarden €. Auch
die Verfassungen wurden für die Banken-/Euro-Rettung seit 2007 mehrfach
gebrochen. Der frühere Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, hat
sich öffentlich darüber beklagt, dass im deutschen Bundestag über alle
Rettungspakete diskutiert und abgestimmt werden muss, ein Recht, das vom Bundesverfassungsgericht
seit 2007 in mehreren Urteilen bestätigt wurde.
[1]
Und das sagen dieselben Leute, die die Deregulierung der Finanzmärkte
seit den 80er Jahren herbeigeführt und uns das heutige Desaster beschert haben!
J.P. Morgan hatte 1984 in einem Papier mit dem Titel ›Glass-Steagall überdenken‹ die Aufhebung des von Roosevelt eingeführten Gesetzes
und die Rückkehr zu den ›Megabanken‹ gefordert, wo die Aktivitäten von Geschäftsbanken,
Investmentbanken und Versicherungen unter einem Dach stattfinden. Man erinnere
sich daran, dass der Mann, der nach dem Crash von 1987 die ›Flutung der Geldmärkte‹ durchsetzte,
nämlich FED-Chef Alan Greenspan, in seiner Zeit als Direktor der mit der
britischen Finanzoligarchie eng verbundenen J.P. Morgan Bank gegen Glass-Steagall aktiv war.
Greenspan hat nach seiner Ernennung zum FED-Vorsitzenden 1987 zielstrebig an
der Verwirklichung dieses Vorhabens gearbeitet und der Welt damit die heutigen
Probleme beschert. [2] Im übrigen
musste sich Morgan in den 30er Jahren vor Roosevelts Pecora-Kommission über die
Verbrechen der Wall Street während der Grossen Depression verantworten.
Es waren dann die Gegner von Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz und
dem New Deal, nämlich »die anglophilen Wall
Street-Finanzinteressen von Morgan, Mellon, Harriman und Montagu Norman von der
Bank of England, die über Hjalmar Schacht oder den Bankier Kurt Freiherr von
Schröder die Machtübernahme der Nazis erst ermöglichten. Die Antwort heißt: Wir
brauchen jetzt global die Durchsetzung des Glass-Steagall-Standards, sowie staatliche, produktive
Kreditschöpfung für die Realwirtschaft, statt für völlig bankrotte Finanzmärkte!
Nur so können wir heute Demokratie und Gemeinwohl effektiv verteidigen. Der
Schlüssel dafür liegt damals wie heute in der USA, wo die Rückkehr zum
Glass-Steagall-Gesetz gegen den Widerstand von Präsident Obama im
amerikanischen Kongreß auf der Tagesordnung steht und die Mobilisierung dafür
im ganzen Land an Fahrt gewinnt. [3]
J.P. Morgan will Euro-Diktatur Die obengenannte Morgan-Studie hat auch ›mmnews‹ aufgegriffen [4]: Auch dort liest man, dass die
US-Bank in ihrer neuen Analyse ein autoritäres Regime für die Eurozone verlangt
und dass es um nichts Geringeres als die Beseitigung der
bürgerlich-demokratischen Verfassungen in einigen europäischen Ländern geht.
Der Grund: Einige Staaten würden die notwendigen Sparmassnahmen nicht durchsetzen.
Bürger- und Arbeitnehmerrechte könnten zur Destabilisierung führen. Die Politik
sei unfähig, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Euro zu retten. Zwar hätte man auf finanzieller Seite schon
einiges erreicht, aber man sei eben auf halben Weg steckengeblieben. Deshalb
müssten ›politische Reformen‹ durchgedrückt werden, mit dem Ziel, den Widerstand
gegen die auf Geheiss der Banken durchgeführten, zutiefst
unpopulären Sparmassnahmen zu unterdrücken. Insbesondere mahnt J.P. Morgan an, dass man mit der Umsetzung autoritärer Massnahmen viel zu
spät begonnen hätte. Diese seien aber erforderlich, um die Sparmassnahmen
durchzusetzen. Der Prozess einer solchen ›politischen
Reform‹, stellt die Studie fest, ›hat noch nicht einmal begonnen‹. Die Autoren schreiben wörtlich: »In den frühen Tagen der Krise dachte man, dass
diese nationalen Altlasten weitgehend wirtschaftlicher Natur seien«, aber »es hat
sich gezeigt, dass es tiefsitzende politische Probleme in der Peripherie gibt,
die sich aus unserer Sicht ändern müssen, wenn die Eurozone auf lange Sicht
funktionieren soll«. Den Grund für die Misere
sieht die Studie darin, dass die Regierungen in den betroffenen Ländern zu
sozialistisch seien. Dies sei eine überschiessende direkte Folge der Tatsache,
dass es sich zuvor um faschistische Diktaturen gehandelt habe: »Die politischen Systeme in den Peripherieländern
wurden unmittelbar nach der Diktatur etabliert und durch diese Erfahrungen
definiert. Die Verfassungen neigen dazu, einem starken sozialistischen Einfluss
zu unterliegen, was die politische Kraft, die Linksparteien nach der Niederlage
des Faschismus gewonnen haben, widerspiegelt.«
Ein besonderer Dorn im Auge sind
den Bankern die Bürger- und Arbeitnehmerrechte in den Euro-Ländern Diese würden dazu führen, dass die Menschen auf die Strasse gingen und
Politiker zu nachgiebig seien. Wörtlich heisst es in der Studie: »Die
politischen Systeme in den Peripherieländern weisen in
der Regel mehrere der folgenden Merkmale auf: Schwache Führungskräfte; eine
schwache Zentralregierung gegenüber Regionen; verfassungsrechtlicher Schutz der
Arbeitnehmerrechte; Systeme zur Konsenserreichung, die politischen
Klientelismus fördern; und das Recht zu protestieren, wenn unliebsame
Änderungen am politischen Status quo vorgenommen werden. Die Mängel dieses
politischen Erbes sind durch die Krise offensichtlich geworden.« Die Bank plädiert für radikales
Durchgreifen für den Fall, dass sich soziale Unruhen in Zukunft verstärken
sollten. Um eine soziale Revolution in der nächsten Zeit zu verhindern, müssen
Regierungen in ganz Europa so schnell wie möglich diktatorische
Herrschaftsformen einführen: So ist zwischen den Zeilen zu lesen. Falls
nichts unternommen werde, drohe in Zukunft jedenfalls Ungemach. Die Autoren
entwerfen am Ende der Studie eine Reihe von Szenarien, die ihrer Meinung nach
eintreten, wenn die europäischen Regierungen es nicht schafften, strengere
Regime einzuführen:
- Der Zusammenbruch mehrerer
reformorientierter Regierungen im Süden Europas - Ein Zusammenbruch der Unterstützung
für den Euro oder die EU - Ein Wahlsieg für radikale,
anti-europäische Parteien irgendwo in der Region - Oder die tatsächliche
Unregierbarkeit einiger Mitgliedstaaten, wenn die sozialen Kosten [insbesondere die der Arbeitslosigkeit]
einmal ein bestimmtes Niveau überschreiten.
Was nun die angeführte ›politische Klientelwirtschaft‹ betrifft, so sei
angemerkt, dass es die Studie offenbar versäumt,
Vorgänge im eigenen Land mit einzubeziehen, was aus den von der ›Bürgerrechtsbewegung
Solidarität‹ festgehaltenen Fakten hervorgeht, denn »die Drehtür-Politik, nach der viele Banker
in die Washingtoner Politik, dann wieder zurück zur Bank und dann wiederum nach
Washington gehen, die exorbitanten Summen, die bestimmte Abgeordnete als
Wahlkampfspenden von den Banken bekommen, das Heer von Wall-Street-Lobbyisten,
das im Kongreß tagtäglich unterwegs ist, die Tatsache.« Nicht
nur J.P. Morgan, so Helga Zepp-LaRouche, »fordert ›Lösungen wie in den 30er Jahren‹. Einer der Co-Autoren der berüchtigten Kampfschrift der
Oligarchie, des vom Club of Rome verbreiteten Buches ›Die Grenzen des Wachstums‹,
Joergen Randers, sagte kürzlich in einem mit dem ›Corriere della Sera‹
geführten Interview, die EU-Kommission sei das ›beste ihm bekannte Beispiel‹
für die Durchsetzung der seiner Meinung nach notwendigen Kürzungsmaßnahmen. Sie
sei eine ›Elitokratie‹ aus sehr kompetenten Menschen, die
nicht vom Europäischen Parlament kontrolliert wird und der es gelungen sei,
Resolutionen
durchzusetzen, denen die einzelnen demokratisch gewählten nationalen Parlamente
wahrscheinlich niemals zugestimmt hätten. Randers pries Italien als
Modell für eine erfolgreiche Bevölkerungsreduktion, weil dort eine Gesellschaft
geschaffen worden sei, die es Frauen nicht erlaube, gleichzeitig sowohl eine
Arbeit als auch ein Kind zu haben, und deshalb mit 1,3 Kindern pro Frau die niedrigste
Geburtenrate der Welt erreicht wurde.«
»Die Zeichen stehen auf Sturm, es ist fünf Sekunden vor zwölf und
allerhöchste Zeit, daß die Menschen aufwachen und sich wehren! Lösungen wie in
den 30ern bedeutet Faschismus. Das globale Finanzsystem steht vor der
Desintegration, und die ›Finanz-Elitokratien‹ wissen, daß die Politik der
Rettungspakete ausgereizt ist und daß selbst alle Einlagen der Konteninhaber
nicht ausreichen, um
die Gesamtverschuldung des Bankensystems zu finanzieren. Deshalb ist es das
erklärte Ziel, die Kosten des Sozialstaates zu eliminieren und als Folge davon
natürlich das Lebensalter zu senken.«
[5]
Es dürfte
durchaus seine Berechtigung haben, zwei Feststellungen des Autors Mathias
Bröckers als Schlussgedanken hinzuzufügen. »Heute«, schreibt er, »darf unterdessen als
naiv belächelt werden, wer angesichts der globalen Netzwerke des Finanzkapitals
und der Megakonzerne noch an Metaphern wie ›freier
Wettbewerb‹ und ›Marktwirtschaft ‹
glaubt. Daß die Parteien und Vater Staat für Demokratie
und Gerechtigkeit sorgen und die Polizei Dein Freund und Helfer ist: Derlei
fromme Denkungsarten, wie wir sie noch auf der Schule lernten, müssen aus
dieser Perspektive als hoffnungslos naiv gelten. Stattdessen zieht sich der
Verdacht, von einer korrupten kriminellen Clique regiert zu werden, durch das
gesamte politische Spektrum und alle Schichten, wodurch sich die Politiker und
das Großkapital einem massiven Vertrauensschwund
ausgesetzt sehen.«
[1] Strategic Alert Jahrgang 26, Nr. 27 vom 3.
Juli 2013 [2] http://www.bueso.de/node/6539 19. 6. 13 JP Morgan und Südeuropa: Wenn die Verfassung stört [3] http://www.bueso.de/news/hintergrund-zur-pecora-kommission-fur-deutschland 2. 1. 2009 Hintergrund zur ›Pecora-Kommissio‹ für
Deutschland [4] http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/13637-jpmorgan-will-euro-diktatur 1. 7. 13 JPMorgan will Euro-Diktatur Original auf http://homment.com/JPMorgan-Euro JPMorgan: ›The Euro
area adjustment: about halfway there‹. Veröffentlichung in ›Europe Economic Research‹ vom 28.
6. 13 [5] http://www.bueso.de/node/6586 20. 7. 13 Merkel auf
der Seite des Überwachungsstaates, EU-Kommission auf der des Finanzfaschismus - Von
Helga Zepp-LaRouche
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