Russisch-chinesischer Erdgasvertrag verändert die Landkarte Eurasiens - Von F. William Engdahl 22.09.2013 19:38
China und der staatliche russische Erdgaskonzern Gazprom haben einen Vertrag unterzeichnet,
der die
beiden großen Länder Eurasiens wirtschaftlich und politisch einander näher
bringen will, was Washington definitiv nicht gefällt. Just in dem Moment, da
Barack Obama gezwungen war, tief durchzuatmen, seinen Stolz hinunterzuschlucken
und einen Vorschlag Wladimir Putins zu akzeptieren, um einen vollen Krieg mit
Syrien zu vermeiden, haben China und Rußland, die beiden Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats,
die beharrlich bei ihrem Veto gegen ein militärisches Eingreifen der USA in
Syrien geblieben waren, einen Vertrag über umfangreiche Erdgas-Lieferungen
unterzeichnet. Unter Dach und Fach gebracht wurde der Vertrag
bezeichnenderweise genau am Tag des St. Petersburger Gipfeltreffens der G-20-Staaten,
bei dem Obama noch lauthals seine Absicht kundgetan hatte, die Regierungschefs
der übrigen Länder von der Notwendigkeit eines Angriffs auf Syrien zu
überzeugen. Putin steht jetzt an zwei Fronten als Sieger da: Einerseits wurde
der Erdgasliefervertrag mit China unterzeichnet und andererseits wurde Putin
durch Obama auf der internationalen Bühne zum obersten internationalen
Friedensstifter.
Am 5.
September unterzeichneten die Chefs von Gazprom und des chinesischen
staatlichen Energiekonzerns CNPC den langfristigen Vertrag, wonach Rußland China mit Erdgas von seinen Feldern in
Ostsibirien versorgen wird. Daß Rußlands Präsident Putin und Chinas Präsident Xi
Jinping bei der Unterzeichnung zugegen waren, zeigt, wie strategisch bedeutend
der Vertrag für beide Seiten ist. Gemäß der Vereinbarung wird Gazprom jährlich
38 Milliarden Kubikmeter [bcm] Erdgas an China liefern. Zum Vergleich: An
Westeuropa, hauptsächlich an Deutschland, liefert Gazprom in diesem Jahr 152
bcm. Wie in einem früheren Artikel auf dieser Website beschrieben, sind die Auswirkungen
enorm. Das russische Gas wird über die ›östliche‹ Route der Erdgas-Pipeline ›Power of Siberia‹ transportiert, deren erster Abschnitt 2017 den Betrieb aufnehmen
wird. Die beiden Pipelines werden sehr groß; eine verläuft in den Nordwesten
Chinas, wo sie an einen chinesischen Erdgas-Knotenpunkt angeschlossen wird. Die
andere Linie wird Erdgas zum nordostchinesischen Industriegebiet liefern. Wenn
beide Pipelines voll funktionieren, kann über sie mehr als die Hälfte des
täglichen chinesischen Erdgasbedarfs gedeckt werden. Gespräche über den Vertrag
liefen seit 2006, die Unterzeichnung war bislang jedoch an unterschiedlichen
Preisvorstellungen gescheitert. Das ist nun vom Tisch. Mit Sicherheit hat die
wachsende Spannung, der Rußland und China von
Seiten der USA und der NATO ausgesetzt sind, eine Rolle gespielt. Im März
unternahm Chinas neuer Präsident Xi Jinping seine erste Auslandsreise als
Staatsoberhaupt nicht nach Washington, sondern nach Moskau, ein klares Signal
für die Absicht, die Beziehungen zu Rußland zu
vertiefen.
Eine strategische
Allianz über die Energiefrage hinaus? Die
eigentliche Bedeutung des Vertrags geht über die Energiesicherung hinaus. Sie
liegt in der engeren Beziehung, die er zwischen China und Rußland, den
ehemaligen Gegnern im Kalten Krieg, knüpft. Beim Gipfeltreffen in St.
Petersburg sagte Putin: »China ist unser strategischer Partner. Das zeigt sich
nicht zuletzt im Umfang unseres Handels. China ist für die Russische Föderation
Handelspartner Nummer eins.« Darüber hinaus investieren chinesische Firmen in Rußland.
Nach den jüngsten Zahlen des Handelsministeriums stiegen Chinas
Direktinvestitionen in Rußland 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 120 %. Im April
unterzeichnete Chinas Vize-Ministerpräsident mit russischen Firmen insgesamt 27
Verträge im Gesamtumfang von 15 Milliarden US-$, unter anderem mit dem
weltgrößten Aluminiumhersteller RUSAL.
Während
China gemeinsam mit Rußland im UNO-Sicherheitsrat
Resolutionen der USA und EU für eine direkte Militärintervention in Syrien blockierte,
einigten sich beide Länder auch auf eine Zusammenarbeit bei der
Eisenbahn-Infrastruktur. Im vergangenen Monat wurde nach neunjähriger
Unterbrechung der Eisenbahngüterverkehr auf einer neu fertiggestellten 100
Kilometer langen Strecke der Hunchun-Makhalino-Eisenbahn aufgenommen, die die
chinesische Provinz Jilin mit dem russischen Grenzbezirk Primorje verbindet.
Dabei wurde russische Kohle nach Jilin transportiert. Der Verkehr wurde wieder
aufgenommen, nachdem eine ganze Reihe von Problemen, vornehmlich politischer
Art, zwischen beiden Eigentümern und den Regierungen aus dem Weg geräumt waren.
Die 81 km lange Strecke auf der chinesischen Seite gehört der Northeast China
Railway Group aus Jilin, der 20,3 km lange russische Abschnitt dem russischen Unternehmen
JSC Golden Link. Der größte Engpaß war das
zögerliche Vorgehen Chinas beim Aufbau des Rußland-Handels.
Das hat sich nun geändert. Durch die Eisenbahn wird die landeingeschlossene
Region Jilin mit dem russischen Hafen Zarubin verbunden und der Gütertransport
angekurbelt.
Eine
chinesisch-russische Zusammenarbeit besteht jedoch nicht nur in den Bereichen
Diplomatie und Wirtschaft. Auch die militärische Kooperation wird vertieft. Im
Juli endete das gemeinsame chinesisch-russische Marinemanöver ›Joint Sea 2013‹. An der einwöchigen Übung waren sieben Schiffe der chinesischen
Nordmeer- und Südmeerflotte sowie zwölf Schiffe der russischen Pazifikflotte
beteiligt. Die eine Konkurrenz, die Washington seit dem Kollaps der Sowjetunion
aktiv zu verhindern sucht, ist die Bildung eines gemeinsamen, vom US-Dollar und
von der USA unabhängigen eurasischen Wirtschaftsraums. Dieser wirtschaftlich
integrierte eurasische Raum ist mit der Unterzeichnung des Erdgasvertrags
zwischen Gazprom und CNCP einen großen Schritt näher gekommen.
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/russisch-chinesischer-erdgasvertrag-veraendert-die-landkarte-eurasiens.html 19. 9. 13
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