Volksinitiative zur Umsetzung von Volksentscheiden 30.11.2014 21:25
Schweizer Recht geht fremdem Recht vor - Positionspapier der Schweizerischen Volkspartei (SVP)
I. Ausgangslage Internationales Recht verdrängt schweizerisches Recht und verhindert die
Umsetzung von Volksentscheiden
Die SVP Schweiz hat in ihrem Positionspapier »Schweizer Recht vor fremdem, internationalem Recht« vom August 2013
dargelegt, dass internationales Recht [Völkerrecht] das schweizerische Recht
immer mehr verdrängt und die Umsetzung von Volksentscheiden verzögert und behindert.
Im Vordergrund stehen zur Zeit die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) in Strassburg, die
- auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gestützt - von einigen wenigen Richtern aus
verschiedenen Ländern erlassen werden.
Zu nennen sind aber auch die bilateralen Verträge der Schweiz mit der
EU, inklusive ein allfälliges Rahmenabkommen über die sogenannten
institutionellen Fragen [automatische Übernahme von EU-Recht, EU-Gerichtsbarkeit
bezüglich der bilateralen Verträge]. Dieses internationale Recht stellen der
Bundesrat, die Mehrheit des Parlaments, das Bundesgericht und die Staats- und
Völkerrechtsprofessoren über das schweizerische Recht, sogar über die
schweizerische Bundesverfassung. Sie geben damit die rechtliche Souveränität
von Volk und Ständen, dem schweizerischen Verfassungsgeber, preis. Sie
tun dies, weil ihnen nicht passt, was das Schweizer Stimmvolk jeweils beschlossen
hat, zum Beispiel die Verwahrungsinitiative, die Unverjährbarkeitsinitiative,
die Alpeninitiative, die Ausschaffungsinitiative, die Minarettinitiative, die
Volksinitiative ›gegen Masseneinwanderung‹, die Pädophilen-Initiative. Diese Gegner von Volk und
Ständen lassen nichts unversucht, um den schweizerischen Verfassungsgeber dem
internationalen Recht unterzuordnen: Sie
verkünden den Vorrang des internationalen Rechts [Völkerrecht]
gegenüber dem Landesrecht, obwohl unsere Verfassung lediglich sagt, das
Völkerrecht sei zu ›beachten‹; sie
stellen auch das nicht zwingende Völkerrecht über das Schweizer Recht,
obwohl nur das zwingende Völkerrecht eine Schranke einer Verfassungsänderung
ist; und sie weiten den Begriff des zwingenden Völkerrechts immer weiter aus,
um gleichzeitig betonen zu können, man halte sich daran, dass nur das zwingende
Völkerrecht der schweizerischen Verfassung vorgehe. Die SVP hat schon lange
erkannt, wie bereitwillig der Bundesrat, die Mehrheit des Parlaments, das
Bundesgericht und die Staats- und Völkerrechtsprofessoren die rechtliche
Souveränität der Schweiz preisgeben. Sie stellt jedoch mit Erstaunen fest, wie
unerbittlich und unverblümt diese Kräfte allein im vergangenen Jahr - seit der Veröffentlichung des
SVP-Positionspapiers - den allgemeinen
Vorrang des internationalen Rechts gegenüber dem Schweizer Recht verstärkt und
durchgesetzt haben:
- Das Parlament
weigert sich, die Ausschaffungsinitiative umzusetzen, und die
Durchsetzungsinitiative, mit der die Umsetzung sichergestellt werden soll, will
das Parlament sogar teilweise für ungültig erklären.
- Völkerrechtsprofessoren
argumentieren, der Verhältnismässigkeitsgrundsatz gehöre im Bereich der
Menschenrechte zum zwingenden Völkerrecht, womit sie geltend machen,
Initiativen wie die Ausschaffungs- und die Durchsetzungsinitiative dürften
nicht umgesetzt werden bzw. müssten für ungültig erklärt werden.
- Die
Volksinitiative gegen Masseneinwanderung soll nach Meinung gewisser Politiker
und Rechtsprofessoren wegen der bilateralen Verträge mit der EU nicht
umgesetzt werden, obwohl bereits vor der Abstimmung klar war, dass sie mit der
Personenfreizügigkeit nicht in Übereinstimmung
zu bringen ist.
Auch die SVP hätte sich – wie jede Schweizerin und jeder Schweizer – bei
manchen Volksabstimmungen der letzten Jahre und Jahrzehnte einen anderen Ausgang
gewünscht und hat sich auch in vielen Abstimmungskämpfen entsprechend
eingesetzt. Nach erfolgter Abstimmung akzeptiert sie aber das Ergebnis und unterstützt
die Umsetzung des Beschlossenen. Denn das Volk und die Stände sind der
Souverän in unserem Land. In den letzten Jahren ist es jedoch zur
Unsitte geworden, dass der Bundesrat und die Bundesverwaltung, wenn ihnen der
Ausgang einer Abstimmung nicht genehm ist, die Umsetzung der Volksentscheide
behindern oder möglichst lange hinauszögern sowie die neuen Verfassungsbestimmungen
nicht oder nur teilweise umsetzen. Das Hauptargument für die Behinderung und Verzögerung
liefert jeweils das Völkerrecht, welches die Umsetzung nicht erlaube. Die Rede
ist dann von ›übergeordnetem Recht‹, womit die Vormachtstellung
des internationalen Rechts und die Unterordnung der Schweiz unter dieses betont
werden soll. Die SVP wird sich jedoch gegen diese Versuche wehren, die
demokratischen Mitwirkungsrechte von Volk und Ständen zu schwächen oder
auszuhebeln: gegen eine verschärfte Vorprüfung von Volksinitiativen oder
umfassendere Gründe für eine Ungültigerklärung sowie dagegen, dass dem
internationalen Recht eine immer grössere Bedeutung beigemessen und der Raum
für Volksentscheide dadurch immer stärker eingeschränkt wird.
Mit der »Volksinitiative zur Umsetzung von
Volksentscheiden - Schweizer Recht geht fremdem Recht vor« will die SVP die Schwächung und Aushebelung der
Volksrechte bekämpfen. Die Umsetzung und Durchsetzung der Verfassung soll nicht
mehr mit dem Hinweis auf internationales Recht verhindert werden können.
Widerspricht ein Staatsvertrag der Verfassung, muss er neu ausgehandelt oder,
wenn dies nicht geht, gekündigt werden; neue Staatsverträge, die der Verfassung
widersprechen, dürfen selbstverständlich gar nicht erst abgeschlossen werden.
Vorrang gegenüber der Bundesverfassung soll
- wie es schon jetzt in der Verfassung steht - nur das zwingende Völkerrecht haben. Damit
dieser Begriff aber nicht immer weiter ausgedehnt wird, ist er in Anlehnung an
das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zu definieren. Die SVP hat
den nachfolgenden Text für die »Volksinitiative
zur Umsetzung von Volksentscheiden - Schweizer
Recht geht fremdem Recht vor« nach einer
schweizweiten parteiinternen Vernehmlassung ausgearbeitet. Die Vernehmlassungsteilnehmer
begrüssten die im Positionspapier vom August 2013 gemachten Vorschläge weitestgehend,
wünschten jedoch vor allem eine Konzentration auf die Hauptproblempunkte,
namentlich auf die Umsetzung von Volksentscheiden. Dementsprechend
konzentriert sich der Initiativtext auf das Verhältnis von Verfassung und
Völkerrecht.
II. Nachfolgend der Text der Volksinitiative
zur Umsetzung von Volksentscheiden; die kursiv gesetzten Zeilen sind
die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen, der restliche Text entspricht der
heute geltenden Verfassung. Der vorliegende Text ist provisorisch; er steht
insbesondere unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung durch die Delegierten der
SVP Schweiz.
Art. 5 Abs. 1: Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. Die Bundesverfassung ist die oberste
Rechtsquelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Art. 5 Abs. 4: Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. Die Bundesverfassung steht über dem Völkerrecht und geht ihm vor, unter
Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Als zwingend gelten
diejenigen Bestimmungen, die gemäss dem Wiener Übereinkommen über das Recht der
Verträge in der Fassung vom 23. Mai 1969 von der internationalen Staatengemeinschaft
in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt werden als Bestimmungen, von denen
nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Bestimmung des
allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden können.
Art. 56a - Völkerrechtliche
Verpflichtungen: Der Bund
und die Kantone gehen keine völkerrechtlichen Verpflichtungen ein, die der
Bundesverfassung widersprechen. Im Fall eines Widerspruchs sorgen sie für eine
Anpassung der völkerrechtlichen Verpflichtungen an die Vorgaben der Bundesverfassung,
nötigenfalls durch Kündigung der betreffenden völkerrechtlichen Verträge.
Vorbehalten sind die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.
Art. 190: Bundesgesetze
und völkerrechtliche Verträge, deren Genehmigungsbeschluss dem Referendum unterstanden
hat, sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden
massgebend.
Erläuterungen: Im folgenden werden die vorgeschlagenen
Verfassungsbestimmungen erläutert.
a) Bundesverfassung als oberste Rechtsquelle (Art. 5 Abs. 1) Der Grundsatz, dass die von Volk und Ständen beschlossene Verfassung die
oberste Rechtsquelle der schweizerischen Eidgenossenschaft ist, soll
ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben werden. Volk und Stände sind der
oberste Souverän und Gesetzgeber in der Schweiz. Damit wird klargestellt, was
bis vor wenigen Jahren unbestritten schien und wovon die Schweizerinnen und
Schweizer wie selbstverständlich ausgehen. Die Bundesverfassung steht damit
insbesondere über allem internationalem Recht [unter Vorbehalt des zwingenden
Völkerrechts], und zwar gleichgültig, ob eine Verfassungsbestimmung älter oder
jünger als eine völkerrechtliche Norm ist. Der Grundsatz, dass die Verfassung
die oberste Rechtsquelle der schweizerischen Eidgenossenschaft ist, wird in
Art. 5 Abs. 1 ohne Einschränkung festgehalten, obwohl das zwingende Völkerrecht
eine Ausnahme zum Grundsatz darstellt. Der entsprechende Vorbehalt wird erst in
Absatz 4 ausdrücklich angebracht, denn dort wird das Verhältnis zum Völkerrecht
bereits heute angesprochen.
b)
Vorrang der Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht, unter Vorbehalt
des zwingenden Völkerrechts (Art. 5 Abs. 4) Der Satz ›Bund und Kantone beachten
das Völkerrecht‹ soll unverändert bleiben.
Zwar ist er eine der Grundlagen, auf die sich das Bundesgericht und der Bundesrat
bei dem von ihnen vertretenen Vorrang auch des nicht zwingenden Völkerrechts
gegenüber dem Landesrecht berufen; sie geben damit dem Wort ›beachten‹ eine
verbindlichere Bedeutung als bis anhin. Diese Neuinterpretation ist zu korrigieren.
Der erwähnte Satz braucht dafür jedoch nicht gestrichen werden. Hingegen muss
im Anschluss daran angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der
Praxis der Bundesbehörden und der Ansichten der meisten Staatsrechtsprofessoren,
der
Vorrang der Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht ausdrücklich
festgehalten werden. Mit diesem Vorrang kann insbesondere die Umsetzung
von in der Volksabstimmung angenommenen Volksinitiativen nicht mehr unter
Hinweis auf angeblich widersprechendes Völkerrecht, ›übergeordnetes
Recht‹ usw., verzögert oder verweigert
werden, denn gemäss der vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung geht die
Verfassung den widersprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen vor.
Die Volksinitiative gegen Masseneinwanderung muss umgesetzt werden, auch
wenn sie dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU widerspricht; die Ausschaffungsinitiative
muss umgesetzt und die kriminellen Ausländer müssen ausgeschafft werden, auch
wenn dies der EMRK widersprechen oder einen Konflikt mit der Rechtsprechung des
EGMR provozieren sollte; und das Minarettverbot gilt
in der Schweiz, auch wenn der EGMR eines Tages entscheiden sollte, dass es mit
der EMRK nicht vereinbar ist; und so
weiter und so fort. Der Begriff des zwingenden Völkerrechts ist ein völkerrechtlicher
Begriff. Definiert ist er in Art. 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht
der Verträge. Auf diese Definition wird im vorgeschlagenen Initiativtext ausdrücklich
verwiesen. Der Bundesrat, die
Bundesverwaltung, das Parlament, das Bundesgericht sowie die Staats- und Völkerrechtsprofessoren, die die Verfassung auslegen,
sollen nicht mehr mit einer ›autonomen‹, ›dynamischen‹ Auslegung die
Schranke des zwingenden Völkerrechts laufend weiter ausdehnen und
dadurch die Volksrechte immer mehr einschränken und aushebeln können.
Als zwingendes Völkerrecht gelten nur diejenigen Bestimmungen, die von
der ›internationalen Staatengemeinschaft‹ als zwingende Bestimmungen anerkannt sind. Namentlich
kann das von den Richtern in Strassburg (EGMR) geschaffene Richterrecht, das
sich auf die EMRK stützt, kein zwingendes Völkerrecht in diesem Sinn sein.
Sollte dies in Frage gestellt werden, muss die Schweiz die EMRK kündigen und so
den zwingenden Charakter der EMRK bestreiten.
c) Behebung von Widersprüchen zwischen der Bundesverfassung und dem
Völkerrecht (Art. 56a) Widersprüche, tatsächliche oder behauptete, zwischen der
Bundesverfassung und dem Völkerrecht haben dazu geführt, dass von Volk und
Ständen angenommene Volksinitiativen unter Hinweis auf völkerrechtliche
Verpflichtungen der Schweiz nicht oder nur teilweise und zudem verzögert
umgesetzt wurden. Die Nichtumsetzung von Volksentscheiden widerspricht der Demokratie.
Sie schadet dem Vertrauen in die demokratischen Institutionen und zerstört die
Glaubwürdigkeit des politischen Systems. Volksentscheide werden zu
Meinungsumfragen degradiert, wenn sie anschliessend nicht umgesetzt werden.
Widersprüche zwischen angenommenen Volksinitiativen und dem Völkerrecht bringen
zudem den Bundesrat und das Parlament in eine Zwickmühle, weil diese sich
einerseits an die Verfassung halten müssen, andererseits aber auch dafür sorgen
müssen, dass die Schweiz gegenüber anderen Staaten nicht vertragsbrüchig wird. Die
Behebung von Widersprüchen zwischen der Verfassung und dem Völkerrecht liegt
darum im Interesse aller Beteiligten.
Mit dem vorgeschlagenen Art. 56a sollen klare Verhältnisse geschaffen
werden, im Inland wie auch gegenüber dem Ausland. Einerseits dürfen die
schweizerischen Behörden [angesprochen ist vor allem der Bundesrat] gegenüber
dem Ausland keine Verpflichtungen eingehen, die der Verfassung widersprechen.
So darf der Bundesrat zum Beispiel kein Abkommen mehr mit der EU betreffend den Personenverkehr unterzeichnen, wenn dieses
Abkommen der Volksinitiative gegen Masseneinwanderung widersprechen würde. Und
der Bundesrat darf kein Abkommen mit der EU abschliessen, worin sich die
Schweiz zur automatischen Übernahme von EU-Recht verpflichtet [ein
Rahmenabkommen zu den sogenannten institutionellen Fragen], denn unsere Verfassung
hält fest, dass in der Schweiz Gesetze durch das Parlament, allenfalls mit der
Mitwirkung des Volkes, beschlossen werden.
Andererseits muss die Schweiz bei einem Widerspruch zwischen der
Verfassung und dem Völkerrecht den Widerspruch beseitigen. Im Fall eines
Staatsvertrages muss in erster Linie versucht werden, den Staatsvertrag neu
auszuhandeln oder einen Vorbehalt anzubringen, in zweiter Linie ist der Vertrag
zu kündigen. Die Schweiz darf darum keine unkündbaren völkerrechtlichen Verträge
abschliessen. Die Kündigung ist ein zwischen Menschen, zwischen
Unternehmen und zwischen Staaten natürlicher Vorgang: Wenn eine Partei
feststellt, dass sie den Vertrag nicht mehr erfüllen will oder kann, muss sie
den Vertrag nötigenfalls kündigen. Sie schafft damit klare Verhältnisse. Eine
Kündigung ist einem Zustand von ständigen und wiederholten Vertragsverletzungen
vorzuziehen. Sollte sich beispielsweise zeigen, dass die
Ausschaffungsinitiative oder die Minarettinitiative nicht mit der EMRK bzw.
deren Auslegung durch den EGMR vereinbar ist, und lassen sich keine
entsprechenden Vorbehalte anbringen, so muss die Schweiz die EMRK kündigen.
d) Massgeblichkeit von Erlassen, die dem Referendum unterstanden haben;
keine Ausdehnung der Verfassungsgerichtsbarkeit (Art. 190) Um den Grundsatz zu verwirklichen, dass die Verfassung die höchste
Rechtsquelle der Schweiz ist und dem Völkerrecht vorgeht, ist es unvermeidbar,
auch Art. 190 BV zu ändern. Art. 190 BV lautet in der
heute geltenden Fassung wie folgt: »Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das
Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend.« Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass
Bundesgesetze und Völkerrecht von den Gerichten und Behörden auch dann
angewendet werden müssen, wenn sie der Bundesverfassung widersprechen. Richter
sollen insbesondere ein vom Parlament, allenfalls unter Mitwirkung des Volkes
beschlossenes Gesetz mit der Begründung, es widerspreche der Verfassung, nicht
anwenden; sie müssen aber das Gesetz auf jeden Fall
anwenden. Aus diesem Grund gibt es in der Schweiz keine
Verfassungsgerichtsbarkeit mit Bezug auf Bundesgesetze. Während sich daran mit
der vorliegenden Volksinitiative nichts ändern soll, wird Art. 190 BV aber zum
Teil auch so verstanden, dass die »massgebenden« Rechtsnormen im Konfliktfall der Verfassung vorgehen:
also auch das in Art. 190 BV ebenfalls erwähnte Völkerrecht [worauf sich das
Bundesgericht denn auch beruft, wenn es den Vorrang auch des nicht zwingenden
Völkerrechts gegenüber der Bundesverfassung begründet]. Dies würde scheinbar
dafür sprechen, das Völkerrecht in Art. 190 BV zu streichen. Eine solche
Streichung hätte jedoch den Nachteil, dass damit die Verfassungsgerichtsbarkeit
ausgebaut würde, so dass zum Beispiel vor Gericht geltend gemacht werden
könnte, ein Staatsvertrag, der unter Umständen vom Volk genehmigt wurde, widerspreche
der Verfassung; ein solcher Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit ist im
Prinzip jedoch nicht gewollt. Im Sinne einer vermittelnden Lösung sieht der
Initiativtext darum vor, dass nur die referendumsfähigen Staatsverträge [obligatorisches
oder fakultatives Referendum] für ›massgebend‹ erklärt werden, während alle anderen völkerrechtlichen
Bestimmungen [zum Beispiel solche in Verträgen, die der Bundesrat in eigener
Kompetenz abgeschlossen hat] im Fall eines Widerspruchs hinter die Verfassung
zurückzutreten haben, das heisst, sie sind von den Gerichten und Behörden nicht
anzuwenden.
Die EMRK ist kein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne des neu
vorgeschlagenen Artikels 190, denn ihr Genehmigungsbeschluss hat nicht dem
Referendum unterstanden. Im Fall eines Widerspruchs zwischen der
Bundesverfassung und der EMRK müssen die Gerichte und Behörden darum der
Verfassung den Vorrang geben. Mit dem vorgeschlagenen Art. 190 hätte das
Bundesgericht nicht den Vorrang der EMRK gegenüber der Ausschaffungsinitiative
erklären dürfen, wie es dies in seinem Urteil vom 12. Oktober 2012 getan hat.
Um den allfälligen Widerspruch zwischen Verfassung und EMRK zu beseitigen, muss
gemäss Art. 56a des Initiativtextes ein Vorbehalt gegenüber der EMRK angebracht
oder, wenn dies nicht möglich ist, die EMRK gekündigt werden.
III. Weiteres
Vorgehen Der Text für eine Volksinitiative wird nun in den Parteigremien
bereinigt. Die Parteileitung der SVP Schweiz wird der Delegiertenversammlung
danach die »Volksinitiative zur Umsetzung von
Volksentscheiden - Schweizer Recht geht fremdem Recht vor« zur Beschlussfassung vorlegen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten siehe http://www.svp.ch/positionen/positionspapiere/
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