John Pilgers Rede auf dem Londoner »Logan Symposium« 15.12.2014 00:17
»Der Krieg seitens der Medien und der Triumph der Propaganda«
Warum hat sich ein so großer Teil des Journalismus der
Propaganda unterworfen? Warum sind Zensur und (Tatsachen-) Verdrehung Standardpraktiken?
Warum ist die ›BBC‹ so oft das Sprachrohr raubgieriger
Macht? Warum betrügen die ›New York
Times‹ und die ›Washington Post‹ ihre
Leser? Warum wird jungen Journalisten nicht beigebracht, die Zielsetzung der
Medien zu verstehen und die behaupteten hohen Ansprüchen und die niedrigen
Zwecke falscher Objektivität in Frage zu stellen? Und warum wird ihnen nicht
beigebracht, daß das
Wesen von so vielem, was ›Mainstream
Medien‹ genannt wird, nicht
Information sondern Macht ist?
Dies sind dringende Fragen. Die Welt steht vor der
Aussicht auf einen großen Krieg, vielleicht ein Nuklearkrieg – mit der
deutlichen Zielsetzung der USA , Rußland und vermutlich auch China zu isolieren und
zu provozieren. Diese Wahrheit wird von Journalisten auf den Kopf gestellt und ihr
Innerstes nach Außen gekehrt – darunter sind auch diejenigen, welche
die Lügen verbreiteten, die (seit) 2003 zum Blutbad im Irak führten. Die
Zeiten, in denen wir leben, sind so gefährlich und in der öffentlichen
Wahrnehmung so verdreht, daß Propaganda längst nicht mehr, wie Edward Bernays es
nannte, eine ›unsichtbare Regierung‹ ist. Sie ist die Regierung. Sie
herrscht direkt, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, und ihr vorrangigstes
Ziel ist unsere Eroberung: Die Eroberung unserer Wahrnehmung der Welt, unserer
Fähigkeit, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Das Informationszeitalter ist
tatsächlich ein Medienzeitalter. Wir haben einen Krieg, der von den Medien
geführt wird; Zensur durch die Medien; Dämonen(aber)glaube, der durch die
Medien verbreitet wird; Vergeltung und Bestrafung durch die Medien - eine
surreales, unwirkliches Fließband folgsamer Clichés und falscher
Voraussetzungen.
Diese Macht, eine neue ›Realität‹ zu schaffen,
hat sich über lange Zeit entwickelt. Vor 45 Jahren verursachte ein Buch mit dem
Titel ›The Greening of America‹ [1] eine Sensation. Auf dem Umschlag
standen diese Worte: »Es
kommt eine Revolution. Sie wird nicht wie die Revolutionen der Vergangenheit
sein. Sie wird vom Individuum ausgehen.« Ich war zu diesem Zeitpunkt Korrespondent in den
Vereinigten Staaten und erinnere mich an die Erhebung des Autors Charles Reich,
eines jungen Wissenschaftlers der Yale University, zum Guru, die quasi über
Nacht erfolgte. Seine Botschaft war, daß das
Aussprechen der Wahrheit und politische Aktion fehlgeschlagen seien und nur ›Kultur‹ und [individuelle] Einsicht, Einkehr und Besinnung die Welt
verändern könnten. Innerhalb weniger
Jahre hatte die Kultur des ›Ich-ismus‹, von den Kräften des Profits
getrieben, unser Verständnis und unser geistiges Vermögen, gemeinsam zu
agieren, überwältigt, ebenso wie unseren Sinn für soziale Gerechtigkeit und
Internationalismus. Klasse, Geschlecht und Rasse wurden voneinander getrennt.
Das Persönliche war das Politische, und das Medium war die Botschaft. Als Folge
des Kalten Krieges vervollständigte die Herstellung immer neuer ›Bedrohungen‹ die politische Desorientierung und Verwirrung all jener, die 20
Jahre zuvor noch vehement Widerstand geleistet hätten.
2003 nahm ich in Washington ein Interview mit Charles
Lewis auf, dem herausragenden amerikanischen investigativen Journalisten. Wir diskutierten
die Invasion des Iraks, die einige Monate zuvor begonnen hatte. Ich fragte ihn:
»Was wäre geschehen, wenn die
freiesten Medien der Welt ernsthaft George Walker Bush und Donald Rumsfeld
herausgefordert und ihre Behauptungen überprüft hätten, anstatt das weiterzureichen,
was sich als grobe Propaganda erweisen sollte?« Er antwortete: Wenn wir Journalisten unseren Job
richtig gemacht hätten, hätte es »eine sehr sehr gute Chance gegeben, daß wir nicht in den Irak-Krieg gezogen
wären.« Das
ist eine schockierende Feststellung, und zudem eine, die von berühmten führenden
Journalisten, denen ich dieselbe Frage ebenfalls stellte, bestätigt wurde. Dan
Rather, der früher beim ›Columbia
Broadcasting System‹, CBS, war, gab
mir dieselbe Antwort. David Rose vom ›Observer‹ sowie leitende Journalisten und Produzenten der ›BBC‹, die wünschten, anonym zu bleiben, gaben mir dieselbe Antwort.
Mit anderen Worten: Hätten Journalisten ihren Job gemacht, hätten sie die
Propagandabehauptungen untersucht und in Frage gestellt, anstatt sie zu verstärken,
dann könnten Hunderttausende Männer, Frauen und Kindern heute noch leben und
Millionen hätten nicht ihr Zuhause verlassen müssen; der Sektenkrieg zwischen
Sunniten und Schiiten wäre nicht ausgebrochen, und der berüchtigte ›Islamische Staat‹ [2] würde jetzt nicht existieren. Sogar heute, trotz der
Millionen, die wieder auf den Straßen protestieren, hat der größte Teil der
Öffentlichkeit in den westlichen Ländern kaum eine Vorstellung von der schieren
Größe des Verbrechens, das von unseren Regierungen im Irak verübt wird. Noch
weniger sind sich bewußt, daß die Regierungen der USA und Großbritanniens in
den 12 Jahren vor der Invasion einen Holocaust in Gang gesetzt hatten, indem
sie der Zivilbevölkerung des Iraks die Lebensgrundlagen verweigerten. Hier sind
die Worte eines hohen britischen Beamten, der für die Sanktionen gegen den Irak
in den 1990ern, eine mittelalterliche Belagerung, die UNICEF zufolge den Tod
von einer halben Million Kinder unter 5 Jahren verursachte, verantwortlich war.
Der Name dieses Beamten ist Carne Ross. Im Londoner Außenministerium war er als
›Mr. Iraq‹ bekannt; er ist derjenige, der wahrheitsgetreu dargelegt hat, wie
Regierungen lügen und wie Journalisten diese Lügen willfährig verbreiten: »Wir versorgten Journalisten mit
Halbwahrheiten aus ›korrigierten‹ Erkenntnissen der Geheimdienste«, sagte er mir, »oder wir ließen sie ›erfrieren‹.« Der
wichtigste Whistleblower resp. Warner während dieser schrecklichen schweigenden
Periode war Denis Halliday; er war damals Stellvertretender Generalsekretär der
Vereinten Nationen und hoher UNO-Beamter im Irak und trat lieber zurück, als
eine Politik durchzusetzen, die er als Völkermord beschrieb. Er schätzt, daß mehr als eine
Million Iraker durch die Sanktionen ermordet wurden. Was dann mit Halliday
geschah, ist lehrreich: Er wurde ›wegretuschiert‹ oder verunglimpft. Im ›BBC‹ Nachrichtenprogramm ›Newsnight‹ schrie ihn der Sprecher Jeremy Paxman
an: »Sind sie nicht einfach ein
Verteidiger Saddam Husseins?« Der ›Guardian‹ beschrieb dies kürzlich als einen von
Paxmans ›denkwürdigen Momenten‹. Letzte Woche unterzeichnete Paxman
einen Buchvertrag über 1 Million £. Die Diener der Unterdrückung haben ihren Job
gut gemacht. Bedenken Sie die Auswirkungen. Im Jahre 2013 glaubte eine
Mehrzahl der Briten einer Umfrage von ›ComRes‹ zufolge, daß die Zahl der
Toten im Irak niedriger als 10.000 war -
ein winziger Bruchteil der Wahrheit: Eine Blutspur, die sich vom Irak nach London zieht, ist fast
vollständig ausradiert worden.
Rupert Murdoch wird als der ›Pate‹ des Medienpacks
bezeichnet, und niemand sollte die ausgedehnte Macht seiner Zeitungen - aller 127, mit einer Gesamtauflage von 40
Millionen - oder die seines ›Fox‹-Sendernetzes in Zweifel ziehen. Aber der Einfluß von Murdochs
Imperium reicht nicht weiter als dessen Widerspiegelung in den anderen Medien.
Die effektivste Propaganda ist nicht in der ›Sun‹ oder in den ›Fox News‹ zu finden, sondern in der ›liberalen‹ Wolke, die sie umgibt. Als die ›New York Times‹
Behauptungen publizierte, daß Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfüge, wurde ihren
falschen Beweisen geglaubt, weil es eben nicht ›Fox News‹ war, sondern
die ›New York Times‹. Dasselbe trifft auf die ›Washington Post‹ und den ›Guardian‹ zu, welche beide eine entscheidende Rolle in der Konditionierung
ihrer Leser spielten, damit diese einen
neuen und gefährlichen Kalten Krieg akzeptieren. Alle drei liberalen Zeitungen
haben die Ereignisse in der Ukraine als einen böswilligen Akt Rußlands
falsch dargestellt – während der von Faschisten
geführte Putsch in der Ukraine tatsächlich das Werk der Vereinigten Staaten mit
Unterstützung Deutschlands und der NATO war. Diese Umkehrung der Realität ist
so vorherrschend, daß
Washingtons militärische Einkreisung und Bedrohung Rußlands gar
nicht bewußt ist.
Dies ist nicht einmal eine Nachricht, sondern eine unterdrückte Tatsache, die
hinter einer Schmieren- und Schreckenskampagne verborgen ist, eine von der Art,
mit der ich im ersten Kalten Krieg aufwuchs. Nochmals: das Imperium des Bösen
ist dabei, uns zu überwältigen - geführt von einem neuen Stalin, oder,
perverser, einem neuen Hitler. Benennen Sie selbst Ihren Dämon und legen Sie los!
Die Unterdrückung der Wahrheit über die Ukraine ist einer der
vollständigsten Blackouts in den Nachrichten, an die ich
mich erinnern kann. Die größte westliche Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg
im Kaukasus und in Osteuropa wird vollständig verschwiegen. Washingtons heimliche
Unterstützung für Kiew - also für die
aktuelle ukrainische Putschisten-Regierung und seine Neo-Nazi-Brigaden, die für
Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung der Ostukraine verantwortlich sind, wird
verschwiegen. Beweise, welche der Propaganda, daß Rußland für den Abschuß des
Malaysischen Flugzeugs verantwortlich gewesen sei, widersprechen, werden
verschwiegen. Und nochmals: Medien, die man für liberal halten sollte, sind die
Zensoren. Ohne Fakten oder Beweise zu zitieren, identifizierte ein Journalist
den pro-russischen Anführer in der Ukraine als den Mann, der das Flugzeug
abschoss. Dieser Mann, schrieb er, wäre als ›der Dämon‹ bekannt, ein
schrecklicher Mann, der dem Journalisten Angst machte: Und das war sein Beweis.
Viele in den westlichen Medien haben hart daran gearbeitet, die ethnisch
russische Bevölkerung der Ost-Ukraine als Außenseiter in ihrem eigenen Land
darzustellen, beinahe nie als Ukrainer, die eine Föderation innerhalb der
Ukraine anstrebten, und als ukrainische Bürger, die gegen den vom Ausland orchestrierten
Staatsstreich gegen ihre gewählte Regierung Widerstand leisten. Was der
russische Präsident zu sagen hat, hat keine Konsequenzen; er ist ein
verbrecherischer Pantomime, den man ungestraft mißbrauchen kann.
Ein amerikanischer General, der die NATO leitet und
direkt aus [dem Film von Stanley Kubrick] ›Dr.
Seltsam‹ kommt, ein General Philip
Breedlove, behauptet wiederholt resp. routinemäßig, ohne den Hauch eines
Beweises, es gäbe russische Invasionen. Seine Personifikation von Kubricks
General Jack D. Ripper ist perfekt. 40.000 ›Russki‹ versammelten sich laut Breedlove an
der Grenze. Das war sowohl für die ›New York Times‹ als auch für die ›Washington
Post‹ und den ›Observer‹ ausreichend;
letzterer hatte sich damals mit Lügen und fabrizierten Meldungen, die Blairs
Irak-Invasion rechtfertigten, hervorgetan, wie der frühere ›Observer‹-Reporter
David Rose enthüllt hat. Es hat fast den
Geist eines Klassentreffens. Die Trommler der ›Washington Post‹ sind dieselben
Schreiber
der Editorials, welche die Existenz von Saddams Massenvernichtungswaffen als ›harte Fakten‹ darstellten. »Wenn Sie sich wundern«, schrieb Robert Parry, »wie die Welt in den Dritten Weltkrieg
stolpern konnte, fast so wie in den Ersten vor einem Jahrhundert, müssen sie
sich nur den Wahnsinn anschauen, der praktisch die gesamte politische und
Medien-Struktur der USA hinsichtlich der Ukraine erfaßt hat, wo sich
eine falsche Erzählung von weißen Hüten gegen schwarze Hüte [d.h. vom Guten gegen das Böse] schon früh etabliert hat - abgeschottet gegen
Fakten oder Vernunft.«
Parry, der Journalist, der die Iran-Contra-Affäre aufgedeckt hat, ist einer der
wenigen, die die zentrale Rolle der Medien in diesem ›game of chicken‹, wie
es der russische Außenminister nannte, investigativ untersucht. Aber ist es ein
Spiel? Während ich dies schreibe, stimmt der US-Kongreß über die Resolution 758
ab, welche, kurz zusammen gefaßt, sagt: »Laßt uns
für den Krieg mit Rußland bereitmachen!«
Im 19. Jahrhundert beschrieb der russische Schriftsteller
Alexander Herzen weltlichen Liberalismus als ›die letzte Religion, obwohl ihre Kirche nicht von der jenseitigen
Welt ist, sondern von dieser‹. Heute
ist dieses ›göttliche Recht‹ weitaus gewalttätiger und
gefährlicher als alles, was die moslemische Welt hervorwürgen könnte, wobei ihr
größter Triumph wohl die Illusion von freier und offener
Information ist. In den Nachrichten verschwinden ganze Länder. Saudi-Arabien, die
Quelle des Extremismus und des vom Westen unterstützten Terrors, ist keine [berichtenswerte]
Story, es sei denn, es treibt den Ölpreis immer tiefer. Yemen leidet seit 12
Jahren unter amerikanischen Drohnenattacken. Wer weiß das? Wen kümmert das? Im
Jahr 2009 publizierte die Universitiy of West England die Ergebnisse einer 10jährigen
Studie zur Berichterstattung der ›BBC‹ über Venezuela. Von 304 gesendeten
Berichten erwähnten nur 3 die positive Politik, die von der Regierung unter
Hugo Chavez betrieben wurde. Das größte Alphabetisierungsprogramm in der
Geschichte der Menschheit wurde kaum im Nebensatz erwähnt. In Europa und in der
USA wissen Millionen von Lesern praktisch nichts über die bemerkenswerten,
lebensspendenden und lebenserhaltenden Veränderungen, die in Lateinamerika in
Gang gesetzt worden sind, viele davon auf die Initiative von Hugo Chavez hin.
Ebenso wie bei der ›BBC‹ waren die Berichte der ›New York Times‹, der ›Washington Post‹, des Guardians‹ und des Restes der ›respektablen‹ westlichen Medien durchgehend böswillig.
Chavez wurde selbst auf seinem Totenbett noch verspottet. Ich frage mich: Wie
wird dies in den Journalistenschulen erklärt? Warum sind Millionen von Briten
davon überzeugt, daß eine
kollektive Bestrafung namens ›Sparpolitik‹ notwendig ist?
Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch 2008 wurde das
verrottete System sichtbar. Für den Bruchteil einer Sekunde wurden die Banken
als die Ganoven aufgereiht, die die Öffentlichkeit mit Obligationen betrogen
hatten. Aber innerhalb weniger Monate - neben
einigen kleineren Meldungen über die exzessiven Boni - hat sich die Botschaft geändert: Die
Verbrecherfotos der schuldigen Banker verschwanden aus den Boulevard-Blättern
und etwas namens›Sparpolitik‹ wurde zur Last für Millionen einfacher Leute.
Gab
es jemals einen schamloseren Taschenspielertrick? Heutzutage werden
viele Voraussetzungen eines zivilisierten Lebens in Großbritannien in der
Absicht zerstört, eine betrügerische ›Schuld‹ zurückzuzahlen, die Schulden der Ganoven.
Die Einschnitte für diese ›Sparsamkeit‹ werden auf 83 Milliarden £ geschätzt.
Das ist fast genau die Höhe der Steuern, welche dieselben Banken und großen
Firmen wie Amazon oder Murdochs ›News
UK ›vermeiden‹. Darüber hinaus wird den Ganovenbanken eine jährliche
Unterstützung von 100 Milliarden £ in Form von Gratis-Versicherung und Gratis-Garantien
gegeben, eine Summe, die das gesamte Nationale Gesundheitssystem finanzieren
würde. Die ökonomische Krise ist pure Propaganda. Extreme Politik beherrscht
heute Großbritannien, die Vereinigten Staaten, den größten Teil Europas, Kanada
und Australien. Wer steht für die Mehrheit auf? Wer erzählt ihre Geschichte?
Wer zeichnet alles genau auf? Ist es nicht das, was Journalisten tun sollten?
1977 enthüllte der für die Aufdeckung des Watergate-Skandals berühmte Carl
Bernstein, daß mehr
als 400 Journalisten und Nachrichtenleute [in der USA] für die CIA arbeiteten.
Darunter waren Journalisten der ›New
York Times‹, von ›Time‹ und Fernsehsendern. 1991 enthüllte Richard Norton Taylor vom ›Guardian‹ Ähnliches für Großbritannien.
Nichts davon ist heute notwendig. Ich bezweifle, daß
irgend jemand die ›Washington Post‹ oder die vielen anderen Medienfirmen dafür
bezahlte, Edward Snowden zu bezichtigen, er unterstütze den Terrorismus. Ich
bezweifle, daß irgend jemand diejenigen schmiert, die Julian Assange regelmäßig
in den Schmutz ziehen, obwohl es reichlich andere Vergünstigungen geben mag. Für
mich ist klar, daß der Hauptgrund für das Gift, die Gehässigkeit und die
Eifersucht, welche Assange auf sich gezogen hat, darin liegt, daß WikiLeaks die
Fassade der korrupten politischen Elite, welche von Journalisten aufrechterhalten
wurde, niedergerissen hat. Indem er eine außergewöhnliche Epoche der Enthüllung
einleitete, machte sich Assange Feinde, weil er die Torwächter der Medien
beleuchtete und bloßstellte, nicht zuletzt in der Zeitung, die seine großen
Neuigkeiten publizierte und sie sich aneignete. Er wurde nicht nur eine
Zielscheibe, sondern auch eine Goldene Gans. Lukrative Buch- und
Hollywood-Verträge wurden auf dem Rücken von WikiLeaks und seines Gründers
abgeschlossen und Medienkarrieren gestartet oder gefördert. Leute haben viel Geld gemacht, während WikiLeaks ums
Überleben kämpft. Nichts davon wurde am 1. Dezember in Stockholm erwähnt, als
der Herausgeber des ›Guardian‹, Alan Rusbridger, den ›Right Livelihood Award‹, der als Alternativer Nobelpreis
bekannt ist, erhielt. Was an diesem Ereignis
schockierend war, ist die Tatsache, daß Assange und WikiLeaks verschwiegen wurden. Sie
existierten nicht. Sie waren ›Un-Leute‹. Niemand sprach sich für den Mann aus,
der als Pionier des digitalen Whistleblowings agiert und dem ›Guardian‹ den größten Nachrichten-Sccop der Geschichte übergab. Mehr noch: Es waren Julian
Assange und sein WikiLeaks-Team die letztendlich, und auf brillante Weise,
Edward Snowden in Hongkong retteten und ihn in Sicherheit brachten. Davon nicht
ein Wort. Was diese Zensur durch Verschweigen so ironisch, schmerzlich
schneidend und schändlich machte, war, daß die Zeremonie im Schwedischen Parlament
stattfand, dessen feiges Schweigen über Assange zugleich mit einem grotesken
Fehlurteil der Justiz in Stockholm gegen diesen zusammenspielt. [Auf Grund
dieses Urteils ist Assange derzeit gezwungen, in der Ecuadorianischen Botschaft
in London zu leben, um seiner Auslieferung an Schweden - und damit vermutlich an die USA - zu entgehen.]
»Wenn
die Wahrheit durch Schweigen ersetzt wird«, sagte der sowjetische Dissident Jewtuschenko, »ist Schweigen eine Lüge.« Es ist diese Art des Schweigens, die
wir Journalisten brechen müssen. Wir müssen in den Spiegel schauen. Wir müssen
unverantwortlich handelnde Medien, die der Macht und dem Wahnsinn dienen,
welche die Welt mit Krieg bedrohen, zur Verantwortung ziehen. Im 18. Jahrhundert beschrieb Edmund Burke die Rolle
der Presse als Vierte Gewalt, welche die Mächtigen kontrolliert. War das jemals
wahr? Heute sicherlich nicht mehr. Was wir brauchen, ist eine Fünfte Macht: Ein
Journalismus, der genau beobachtet, Propaganda entlarvt und dagegen hält und
die Jungen lehrt, Agenten des Volkes und nicht der Macht zu sein. Wir brauchen
das, was die Russen ›Perestroika‹ nannten, einen Aufstand des
unterdrückten Wissens. Ich würde das wirklichen Journalismus nennen.
Es sind 100 Jahre seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs vergangen. Reporter
wurden damals für ihr Schweigen und ihre geheime Mitwirkung belohnt und geehrt.
Auf dem Gipfel des Schlachtens bekannte damals der britische Premierminister
David Lloyd George gegenüber C. P. Scott, Herausgeber des ›Manchester Guardians‹: »Wenn die Leute wirklich die Wahrheit
wüßten,
würde der Krieg morgen beendet sein, aber natürlich kennen sie sie nicht und
sie können sie auch nicht wissen.«
Es ist Zeit, daß sie sie wissen.
Der mit
zahlreichen Preisen ausgezeichnete englische Journalist John Pilger ist u.a.
der Autor des aufschlussreichen Werks ›Verdeckte
Ziele‹; siehe http://www.seniora.org/buecher-filme/buecher/309-john-pilger-verdeckte-ziele-ueber-den-modernen-imperialismus
Quelle: http://propagandaschau.wordpress.com/2014/12/07/john-pilgers-rede-auf-dem-londoner-logan-symposium-deutsche-ubersetzung/ 5. 12. 14
Rede auf dem Londoner Logan Symposium
The Logan Symposium:
Building an Alliance
Against Secrecy, Surveillance and Censorship siehe http://www.tcij.org/logan-symposium
[1] http://www.huffingtonpost.com/jesse-kornbluth/the-greening-of-america-a_b_1378727.html [2] Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2315 14.
9. 14 Der
ISIS oder die ewige Verdummung
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