Die Selbstbestimmungs-Initiative als Rettungsanker der Volksrechte - Von Andrea Geissbühler 12.07.2015 20:07
Die parlamentarischen Beratungen zur Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative
sowie die vorgezogene Gerichtspraxis zeigen, dass
Volksentscheide nicht umgesetzt werden. Dabei wird jeweils auf
völkerrechtliche Bestimmungen verwiesen, welche Priorität hätten und wichtiger
seien. Bundesbern lässt Volk und Stände munter abstimmen, foutiert sich in der
Folge jedoch um den Entscheid des Souveräns. Die ›Selbstbestimmungs-Initiative‹ will hier endlich einen Riegel schieben.
Siehe auch Das
Selbstbestimmungsrecht ist zwingendes Völkerrecht - Von Peter Aebersold
Der Kampf zur Ausschaffung krimineller Ausländer geht weiter Volk und Stände hatten am 28. November 2010 die Eidgenössische Volksinitiative
›für die Ausschaffung krimineller Ausländer‹ angenommen. Gleichzeitig
lehnten alle Kantone und eine Mehrheit des Volkes einen Gegenentwurf des
Parlaments ab. Dass Mitte-Links im Parlament am 20. März 2015 in der
Schlussabstimmung eine Umsetzungsvorlage verabschiedet hat, welche sich an
diesem Gegenentwurf orientiert, ist mittlerweile bekannt. Die Referendumsfrist ist
am 9. Juli abgelaufen.
Die SVP musste das Referendum nicht ergreifen. Bereits im
Vernehmlassungsverfahren war absehbar, dass das Parlament die
Ausschaffungs-Initiative nicht in deren Sinn und Geist umsetzen würde. Deshalb
hat die SVP mit der ›Volksinitiative
zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer‹ [›Durchsetzungs-Initiative‹] rechtzeitig reagiert. Das Parlament begann bereits
im Rahmen der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative mit allen Mitteln, die
Durchsetzungs-Initiative zu bekämpfen, auch mit formellen Tricks. So wurde
gegen den Willen der SVP beschlossen, die Schlussabstimmung zur
Durchsetzungs-Initiative auszusetzen.
Die Folge dieses Schildbürgerstreichs ist, dass die Abstimmung zur ›Durchsetzungs-Initiative‹ wohl kurz nach Inkraftsetzung der
Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungs-Initiative erfolgen wird. Volk und Stände werden über die ›Durchsetzungs-Initiative‹
voraussichtlich am 28. Februar 2016 oder am 5. Juni 2016 befinden, wohingegen
die Umsetzungsgesetzgebung voraussichtlich per 1. Januar 2016 in Kraft treten
wird.
Die Taktik von Bundesbern ist offensichtlich. Im Abstimmungskampf wird
dereinst betont werden, dass das neue Recht im Bereich Ausschaffung eben erst
in Kraft getreten sei und es derzeit keine weiteren Massnahmen brauche;
vielmehr sei es nun angezeigt, abzuwarten, wie sich die neuen Bestimmungen in
der Praxis bewähren würden. Ich bin aber überzeugt, dass Volk und Stände diesen
Plan durchschauen werden und die ›Durchsetzungs-Initiative‹ annehmen werden. Allein deren Bestimmungen
garantieren eine effektive Ausschaffung krimineller Ausländer.
Härtefallklausel verhindert Ausschaffung Eine Parlamentsmehrheit aus Mitte-Links baute - gegen den Willen der SVP - die sogenannte ›Härtefallklausel‹ in die Umsetzungsgesetzgebung
zur Ausschaffungsinitiative ein. Hiernach kann das Gericht bei der ›obligatorischen Landesverweisung‹ - welche
schwere Vergehen und Verbrechen umfasst -
von einer Landesverweisung absehen, wenn ›diese für
den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die
öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten
Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen; dabei
ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der
Schweiz geboren oder aufgewachsen sind‹. Bei
anderen Vergehen und Verbrechen soll das Gericht berechtigt sein, einen
Landesverweis auszusprechen. Dass diese Umsetzung inhaltlich nicht mehr viel
mit dem Gedanken der Ausschaffungs-Initiative zu tun hat, ist offensichtlich. Das
Gericht findet in jedem Fall eine Begründung, um von einem Landesverweis
abzusehen.
Beispiel: Secondo als notorischer Straftäter Im Dezember 2014 hat das Berner Verwaltungsgericht gegenüber einem 33jährigen
Italiener einen Landesverweis ausgesprochen, obwohl dieser in dritter
Generation in der Schweiz wohnt (seine Grosseltern sind eingewandert) und sein
Heimatland nur von den Ferien her kennt. Der Grund: Der Mann ist ein
notorischer Straftäter. Er ist 1981 in der Schweiz geboren und hat folgende
Straftaten vorzuweisen: Im Jahr 2004: Tierquälerei; im Jahr 2007:
gewerbsmässiger Diebstahl, qualifizierter Raub, mehrfache Sachbeschädigung,
Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Raufhandel, Anstiftung zur Brandstiftung,
Versicherungsbetrug, Hehlerei; im Jahr 2011: Drogendelikte, Pornografie,
Verstösse gegen das Waffengesetz und erneut Tierquälerei. Die Härtefallklausel
würde es in solchen Fällen ermöglichen, von einem Landesverweis abzusehen, denn
der Italiener lebt in der dritten Generation in der Schweiz, spricht perfekt
Mundart, ist mit einer Schweizerin verheiratet und hat in Italien nur entfernte
Verwandte, zu denen er keinen Kontakt
hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, doch nach neuem Recht würde das
Gericht von einem Landesverweis wohl absehen.
Die Selbstbestimmungs-Initiative als zentrales Element aller
Volksinitiativen Am Beispiel der Ausschaffungs-Initiative sowie der
Durchsetzungs-Initiative ist gut erkennbar, weshalb es die Volksinitiative ›Schweizer Recht statt fremde Richter‹, die ›Selbstbestimmungs-Initiative‹ braucht. Ziel dieser Initiative
ist es, den Volksrechten wieder zum Durchbruch zu verhelfen, was jeder
Volksinitiative zugute kommen wird, egal aus welchem Lager diese stammt.
Nachdem Volk und Stände einer Volksinitiative zugestimmt haben - also beispielsweise der
Ausschaffungs-Initiative - soll diese neue
Verfassungsbestimmung nichtzwingenden internationalen Abkommen vorgehen. Bei
einem Widerspruch zwischen der neuen Verfassungsbestimmung und einem
internationalen Vertrag, wäre dieser somit anzupassen oder zu kündigen. Dass
das Initiativrecht ansonsten zur Makulatur verkäme, hat das Bundesgericht im
Urteil vom 12. Oktober 2012 [2C_828/2011] bereits bestätigt. Darin hat das
Bundesgericht in einem Prozess bezüglich des Widerrufs der
Niederlassungsbewilligung - was einem
Landesverweis gleichkommt - ausgeführt,
dass die Annahme der Ausschaffungs-Initiative nichts daran ändere, dass
völkerrechtliche Bestimmungen der Bundesverfassung grundsätzlich vorgehen. Bei
den meisten Volksinitiativen ist ein Widerspruch zu internationalen
Bestimmungen auszumachen. Würde diese Auffassung mittels Selbstbestimmungs-Initiative
nicht gekippt, wäre dies formell das Ende dieses direktdemokratischen Rechts.
Bundesbern würde weiterhin sagen: Stimmt nur mal ab, umgesetzt wird das
Ergebnis sowieso nicht. Die SVP sagt dazu ganz klar: So, nicht! oder:
Selbstbestimmungs-Initiative, ja!
Andrea Geissbühler ist Nationalrätin von Bäriswil (BE)
www.selbstbestimmungsinitiative.ch
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