Zu den terroristischen Angriffen vom 13. November 23.11.2015 01:07
führt Alain Corvez, Berater für internationale Strategie in Paris, folgendes aus:
Die terroristischen Angriffe in Paris
wurden auf Befehl des Islamischen Staats, der sich auf seine übliche widerliche
Art zu den Taten bekannt hat, organisiert und ausgeführt. Die Gleichzeitigkeit
der Taten und die ausgewählten Orte zeigen, daß es sich um eine gegen
Frankreich gerichtete, im voraus geplante und koordinierte Kriegsoperation
handelt. Weitere Anschläge dürften folgen, da die terroristische Organisation
über Selbstmordkandidaten verfügt, von denen einige in ihren Kampfeinheiten im
Irak und in Syrien ausgebildet wurden und in der Welle von Flüchtlingen nach Frankreich
zurückkommen werden - oder sich schon
hier befinden - um ihre Schandtaten zu
verüben. Die französischen Moslems, die friedlich in das Leben des Landes
integriert sind, werden ohne großes Nachdenken durch Willkürakte zu
unschuldigen Opfern. Unsere Sicherheitskräfte verrichten ihre Arbeit kompetent
und wirksam, wobei sie von den am 11. Januar dieses Jahres erlassenen neuen
gesetzlichen und rechtlichen Bestimmungen unterstützt werden. Aber sie können
nicht mit den Hunderten, ja wahrscheinlich Tausenden potentieller Terroristen
fertigwerden, die sich auf unserem Staatsgebiet befinden, und die ohne
Rücksicht auf ihr Leben und oft unter dem Einfluß von bewußtseinsverändernden
Drogen Taten verüben könnten, sobald ihre IS- oder al-Qaida-Kommandeure den
Befehl dazu geben. Die vom Ministerrat ergriffenen Maßnahmen werden das
Vorgehen unserer Sicherheitskräfte erleichtern und unseren Schutz vor der
terroristischen Bedrohung erhöhen, aber sie lösen nicht das grundlegende
Problem, das sich aus der Situation im Nahen Osten und ganz besonders in Syrien
ergibt.
Wir müssen aufhören, den Kopf in den
Sand zu stecken, wenn wir wirklich gegen die Terroristen kämpfen wollen, deren
Taten sich bei uns wiederholen können. Wir müssen uns mit Rußland zusammentun,
das seit kurzem einen echten Kampf gegen den Terrorismus
führt, indem wir unser Vorgehen mit Rußland koordinieren, anstatt Rußland
ständig zu kritisieren. Auch müssen die russischen Vorschläge für eine
politische Lösung der Krise in Syrien unterstützt werden: Hilfe bei der
Wiederherstellung der rechtmäßigen Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet,
Einleitung eines landesweiten Dialogs unter der Schirmherrschaft der Großmächte
und der UNO, der zu Wahlen führt, bei denen die Syrer selbst über ihr
Schicksal und ihre Führung entscheiden.
Die Terroristen in Syrien und im Irak können
letztlich nur mit Hilfe von aus irakischen und syrischen Streitkräften
bestehenden Bodentruppen, die durch die internationale Gemeinschaft unterstützt
werden, vernichtet werden. Es ist in der Tat undenkbar, daß nichtarabische
Streitkräfte in großer Zahl in dieser Region in Erscheinung treten. Es wird
aber viele Soldaten brauchen, um die Oberhand zu gewinnen. Ebenfalls
unverzichtbar ist die Wiederaufnahme unseres Austauschs mit dem syrischen
Geheimdienst, der auf der ganzen Welt am besten über die terroristische
Bewegung informiert ist, was eine Wiederherstellung des Dialogs mit den
politischen Behörden bedeutet. Das ist eine dringende Notwendigkeit für unsere
Sicherheitskräfte.
Der Krieg gegen den Terrorismus ist ein
weltweiter Krieg: Ausreden und doppeltes Spiel sind deshalb ab sofort
untersagt. Staaten, die es können, sollten von den sunnitischen Staaten, die
den Terrorismus unterstützen, verlangen, sich klar für eine Seite zu
entscheiden und sich nicht hinter der Scheinheiligkeit zu verstecken, daß sie
angeblich nicht wissen, was ihre Geheimdienste oder ihre am Konflikt
beteiligten Landsleute machen. Es muß auch Schluß damit sein, feine, aber erlogene
Unterscheidungen zwischen ›gemäßigten‹ Terroristen und anderen zu machen; die amerikanische Erfahrung
beweist deutlich das Fiasko dieser Unterscheidung.
Nur um diesen Preis kann der Krieg
gewonnen werden. Ansonsten wird die Welt für lange Zeit mit dieser Bedrohung
leben müssen.
Der Weg zum Frieden in Syrien führt über Moskau Während sich in Deutschland und
Frankreich bereits mehr oder weniger die Einsicht durchgesetzt hat, daß der IS
nur in Zusammenarbeit mit Rußland besiegt werden kann, werden inzwischen auch
im anglo-amerikanischen Raum Stimmen in dieser Richtung lauter. In London sagte
der ehemalige Chef des Verteidigungsstabs, Sir David Richards, gegenüber BBC,
Premierminister David Cameron müsse seine ›widersprüchlichen Kriegsziele‹ fallenlassen. Man müsse den erzwungenen Regierungswechsel zugunsten
des Kampfes gegen den IS aufgeben. »Jeder General wird Ihnen
erklären, daß man in einem Krieg eine gemeinsame Absicht und eine klare
Zielsetzung haben muß.« Außerdem müsse Cameron akzeptieren,
daß die syrische Armee, der Iran und die Hisbollah realistischerweise die
einzig kompetenten Bodentruppen darstellen, um den IS zu bekämpfen. Man müsse
Syrien das Schicksal des Iraks ersparen. »Rußland spielt in
dieser Hinsicht, ob wir es mögen oder nicht, eine führende Rolle. Neben den
traurigen Ereignissen in Frankreich, könnte man sagen, hat die russische
Intervention [in Syrien] diesen Sinneswandel hervorgebracht. Wir müssen uns
damit abfinden, daß sie dort sind.«
Wie Berichte über den G-20-Gipfel in
Antalya am 15. und 16. November unterstreichen, ist dies keine Einzelmeinung.
So schreibt der irische Journalist Finian Cunningham am 18. 11. in einer
Kolumne in ›Sputnik‹ unter der Überschrift ›Putin - der richtige Mann zur rechten Zeit‹, daß der
enthusiastische Empfang, der Putin in Antalya zuteil wurde, auf sein
entschlossenes Eingreifen in Syrien zurückzuführen sei. Cunningham zitiert dann
die ›Financial Times‹: »Eine Zusammenkunft mit dem russischen Präsidenten war bei
westlichen Staatsführern, die nicht umhin kommen zu erkennen, daß der Weg zum
Frieden in Syrien unausweichlich über Moskau führt, heiß begehrt.«
Und Cunningham fährt fort: »Es hat sich gezeigt, daß Rußland mit seiner Intervention in Syrien
recht hatte. Der effektivste Weg, um die Terror-Netzwerke von ISIS und anderer
Dschihadisten-Gruppen wie die al-Nusra-Front zu schlagen, besteht in der
Unterstützung des syrischen Staates, in der Koordination mit der
syrisch-arabischen Armee und im Angriff auf die Dschihadisten in einem
umfassenden Feldzug.«
In der USA erklärte der republikanische
Senator Dan Coats gegenüber ›Sputnik‹, daß Rußlands militärische Fähigkeiten und diplomatisches Gewicht
eine positive Veränderung im Kampf gegen den Islamischen Staat in Gang setzen
könnte, wenn Washington und Moskau zusammenarbeiteten. Die demokratische Abgeordnete Tulsi Gabbard
aus Hawaii attackierte Präsident Obama auf CNN für dessen illegales Vorgehen in
Syrien: »Der Krieg in Syrien ist illegal, weil weder der Kongreß, noch das
amerikanische Volk der souveränen syrischen Regierung von Assad den Krieg
erklärt hat. Und er ist kontraproduktiv, weil man so die gleichen Ziele wie die
des ISIS, von al-Qaida und anderer extremistisch-islamistische Gruppen
verfolgt.« [1]
Was Sie über den Mittleren Osten wissen müssen faßt der bekannte
US-Autor William Blum nochmals knapp zusammen und entlarvt mit wenigen Fakten
das von der USA und den Mainstream-Medien
betriebene Verwirrspiel über die Vorgänge im Mittleren Osten:
- Die USA, Frankreich,
Saudi-Arabien, die Türkei, Katar und die Golfmonarchien haben alle bis in die
jüngste Vergangenheit al-Qaida und/oder den Islamischen Staat mit Waffen, Geld
und/oder Helfershelfern unterstützt.
- Das fing bereits 1979 an, als
die USA in Afghanistan verdeckte Operationen startete; sechs Monate bevor die
Russen kamen, führte sie in den südlich der Sowjetunion liegenden Grenzgebieten Afghanistans zur Bekämpfung des ›gottlosen Kommunismus‹ mit in der
USA gedruckten Lehrbüchern für Koranschulen den islamistischen Fundamentalismus
ein. Damit schufen sie al-Qaida und die Taliban und die Voraussetzungen für
alle folgenden Desaster.
- Außer in Afghanistan
unterstützte die USA islamistische Kämpfer auch in Bosnien, im Kosovo, in Libyen, im Kaukasus und in Syrien.
- Die USA hat die säkularen Regierungen
Afghanistans, des Iraks und Libyens gestürzt und will auch die säkulare
syrische Regierung stürzen, womit sie nur den Aufstieg des ISIS fördert. Barack
Obama hat im März dieses Jahres gesagt: »Der ISIS ist aus der al-Qaida im Irak
hervorgegangen, die Gruppierung, die sich erst nach der US-Invasion dort
formiert hat. Das sind Beispiele für unbeabsichtigte Folgen unseres Handelns.
Deshalb sollten wir grundsätzlich erst zielen, bevor wir schießen.«
- Mehr als eine Million Menschen,
die vor den Kriegen Washingtons fliehen, überfluten derzeit Europa und Nordafrika. Gott schütze den US-amerikanischen
Exzeptionalismus - den Anspruch auf die Weltherrschaft,
der mit Gewalt durchgesetzt werden soll.
- Die irakischen, syrischen und
türkischen Kurden kämpfen gemeinsam gegen den ISIS; die Türkei, der enge US-Verbündete und NATO-Staat, bekämpft
alle Kurden.
- Rußland, der Iran, der Irak und
die libanesische Hisbollah unterstützen auf vielfältige Weise die syrische
Regierung in Damaskus im Kampf gegen den ISIS und andere terroristische
Gruppierungen - auch gegen die hochgelobten,
aber nie in Erscheinungen getretenen ›gemäßigten
Rebellen‹ - und werden dafür von Washington heftig
kritisiert.
- Die USA hat unter dem Vorwand,
den ISIS in Syrien bombardieren zu wollen, die Gelegenheit genutzt, um Syriens
Infrastruktur und seine Ölförderanlagen zu zerstören.
- Rußland hat nicht nur den ISIS
bombardiert, sondern bei dieser Gelegenheit auch die anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen in Syrien angegriffen.
- Die Mainstream-Medien haben
bisher kaum über die Erdgas-Pipeline berichtet, die von Katar durch Syrien nach
Europa führen und Rußland, den wichtigsten Erdgas-Lieferanten Europas, aus dem Geschäft
drängen soll. Daß Syrien
diese Pipeline nicht wollte, ist wohl der wichtigste Grund für den
angezettelten Krieg.
- Als 2011 der Bürgerkrieg in
Libyen begann, wurden die von al-Qaida infiltrierten ›Rebellen-Milizen‹, die
Gaddafi bekämpften, von der NATO durch eine ›Flugverbotszone‹ geschützt.
- Die Syrien-Politik der USA war
darauf gerichtet, religiöse Spannungen und die Unzufriedenheit in der syrischen
Bevölkerung zu schüren und damit die 2011 beginnenden Proteste gegen Baschar
al-Assad, mit denen das gegenwärtige Chaos begann, auszulösen; damit wollte man
von Anfang an einen Regimewechsel herbeiführen.
- US-Außenminister John Kerry
erklärte am 22. Oktober, nach Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien dürfe »das Land
nicht gespalten werden«; es müsse ›säkular‹ bleiben und »die Syrer sollten ihren zukünftigen
Präsidenten selbst wählen können.« Einer schnellen Umsetzung dieser Ziele stehe nur eine
Person im Weg, und das sei Baschar al-Assad.
Warum haßt die
US-Regierung den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit solcher
Leidenschaft? Tut sie das, wie sie uns weismachen will, weil er ein brutaler
Diktator ist? Warum sollte das der Grund für ihren Hass sein? Mit allen
brutalen Diktatoren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder danach im
21. Jahrhundert haben sich die US-Regierungen zunächst sehr gut verstanden; sie
wurden unterstützt und häufig sogar gegen den Willen der unterdrückten
Bevölkerung an die Macht gebracht. Auf der Liste der von der heutigen
US-Regierung unterstützten Diktaturen stehen Saudi-Arabien, Honduras,
Indonesien, Ägypten, Kolumbien, Katar und Israel. Nach meiner Meinung lehnt die
US-Regierung die syrische Regierung aus dem gleichen Grund ab, aus dem sie mehr
als ein halbes Jahrhundert lang die Regierung Kubas, seit 15 Jahren die
Regierung Venezuelas und früher die Regierungen in Vietnam, Laos und
Kambodscha, in der Dominikanischen Republik, in Uruguay und Chile und in vielen
anderen Staaten abgelehnt hat, die in einem Weltatlas oder in Geschichtsbüchern
zu finden sind. All diese Regierungen wollten etwas, was sich in dem Wort Unabhängigkeit
zusammenfassen läßt. Sie
wollten unabhängig von der USA bleiben und keinesfalls zu Marionetten der
US-Regierung werden; sie weigerten sich, von Washington zu Feinden erklärte
Staaten ebenfalls als Feinde zu betrachten und die kapitalistische Lebensweise
als einzig mögliche zu akzeptieren. [2]
Thierry Meyssan von ›Réseau Voltaire‹ In seinem Artikel ›Die
Französische Republik als Geisel‹ vermerkt
dieser u.a. folgendes zu den Geschehnissen in Paris: »Frankreich wurde in der
Nacht vom Freitag, 13. November 2015, durch mehrere Kommandos angegriffen, die
an fünf verschiedenen Orten mindestens 130 Menschen getötet haben. Auf dem
gesamten Gebiet wurde der Ausnahmezustand für 12 Tage ausgerufen und könnte vom
Parlament erneuert werden. Die französische Presse interpretiert diesen
Kriegsakt in Verbindung zu dem Anschlag auf Charlie Hebdo, obwohl die Verfahren
ganz anders sind. Im Januar ging es darum, bestimmte Personen zu töten, während
es sich jetzt in Paris um einen koordinierten Angriff auf eine grosse Anzahl
von zufälligen Menschen handelt.« [3]
In
diesem Zusammenhang seien die in diesem Artikel veröffentlichten Angaben, die
Meyssan zu dem Charlie-Hebdo-Attentat anführt, hier wiedergegeben, in der
Annahme, dass sie für den Leser durchaus wissenswert sein könnten: »Wir
wissen heute
- dass
der Chefredakteur von Charlie Hebdo ein ›Geschenk‹ von 200.000 € aus dem Nahen Osten
erhalten hatte, um seine Anti-Islam-Kampagne weiter zu verfolgen;
«Charlie Hebdo : les révélations de
la dernière compagne de Charb», Thibault Raisse, Le Parisien,
18 octobre 2015
- dass die Mörder mit den
französischen Geheimdiensten verbunden waren;
« Selon McClatchy,
Mohammed Mehra et les frères Kouachi seraient liés aux services secrets
français », Réseau Voltaire, 9 janvier 2015
- dass die Herkunft ihrer Waffen
Staatsgeheimnis wurde.
« Les armes de Charlie-Hebdo couvertes par le
Secret-Défense », Réseau Voltaire, 17
septembre 2015
- Ich habe bereits
gezeigt, dass dieses Attentat keine islamistische Operation war,
« Qui a commandité l’attentat contre Charlie Hebdo ? »,
par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 7 janvier 2015
- dass es unmittelbar vom Staat
aufgegriffen wurde:
« Charlie Hebdo a bon dos », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 12 janvier
2015
- und dass diese staatliche
Übernahme ein Echo bei der der Republik feindlich gesinnten Bevölkerung
gefunden hatte,
« De quoi ont peur les
politiques et les journalistes français ? », par Réseau Voltaire, 25
janvier 2015
- eine Idee, die ein paar Monate
später von dem Demographen Emmanuel Todd brillant entwickelt wurde.
Qui est Charlie ? : Sociologie d’une crise
religieuse, Emmanuel Todd, Seuil, 5 mai 2015, 252 p
Was hinsichtlich der Hintergründe des Überfalls vom 13. 11. an Erklärungen
resp. Aufdeckungen an uns herangetragen werden wird, bleibt abzuwarten.
Die deutsche Version des Artikel findet sich auf http://www.voltairenet.org/article189298.html der Originalartikel ›La
République française prise en otage‹ auf http://www.voltairenet.org/article189275.html
Zu Charlie Hebdo siehe Ein
französischer 11. September? Charlie
Hebdo - Folgen
Quellen :
[1]
http://www.bueso.de/node/8326 19. 11. 15
[2] http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP21115_181115.pdf 18. 11. 15 Friedenspolitische
Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein LP
211/15; diesen verdanken wir die Übersetzung ins Deutsche Originalartikel auf http://www.counterpunch.org/2015/11/05/what-you-need-to-know-about-the-middle-east/ November 5, 2015
What You Need to Know About the Middle East
by William Blum
William Blum ist der Autor der Bücher ›Killing Hope: U.S. Military and CIA
Interventions Since World War II‹
und ›Rogue State: A guide to the
World’s Only Super Power‹; sein
jüngstes Buch heißt ›America’s
Deadliest Export: Democracy‹. Er ist
zu erreichen unter BBlum6@aol.com
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