Syrien - Der Umbau im Visier? 07.12.2015 00:54
d.a. Zieht man die Darlegungen von Thierry Meyssan zum Eintritt Frankreichs in den
Syrienkrieg
in Betracht, ist es durchaus zweckmässig, noch einmal auf das sogenannte ›Greater Middle East Project‹ zurückzukommen. Was wir seit 4 Jahren
in Syrien vor Augen haben, ist der von Obama in seiner Rede vom 10. September 2014
als festes Ziel angekündigte, mit militärischen Mitteln durchzusetzende Umbau
des Nahen und Mittleren Ostens; dieser war bereits in der Ausgabe des Armee-Magazins
›Parameters‹ 2001/2002 von US-Oberst Ralph Peters unter Erstellung einer in
diesem Sinn veränderten Landkarte aufgezeichnet worden und von der damaligen
US-Aussenministerin Condoleezza Rice mit dem katastrophal entmenschten Begriff ›Geburtswehen‹ belegt worden. Die Umgestaltung Syriens sollte bekanntlich in ein
Shiitestan, ein Sunnistan, ein Kurdistan sowie in ein Alawitestan münden. Teil
des Plans bildete ferner die Vertreibung der Bevölkerung von Gaza. So hatte es
auch zur Zerschlagung der Region im August letzten Jahres geheissen, man könne
ja Assads syrisches Herrschaftsgebiet auf ein kleines ›Alawitestan‹ reduzieren und die übrigen Teile des Landes mit
Teilen des Iraks zu einem ›Kurdistan‹ und einem ›Sunnistan‹ zusammenschliessen.
Die Kleinstaaten, die dabei entstünden, wären machtlos, hätten kein
Widerstandspotential mehr und wären prinzipiell leichter beherrschbar als die
jetzige arabische Staatenwelt.
Der eigentliche Vorläufer für dieses Vorhaben bildet indessen die Rede von
George W. Bush vom 6. 11. 2003 bei der Stiftung ›National
Endowment for Democracy‹. Der Kern der Rede
drehte sich um das Vorhaben, die Einführung der Demokratie in den ›islamischen‹
Ländern mittels einer von aussen kommenden Initiative zu erzielen; wobei schon
damals abzuschätzen war, dass dabei mitnichten an die Etablierung einer
wirklichen Demokratie gedacht war, so dass, wie Bernhard Schmid am 4. 2. 2005 in ›Telepolis‹ schrieb, »das damals gleichzeitig ausgesprochene Lob für eine Reihe
autokratisch regierter Länder - wie etwa
mehrere Golfmonarchien, Saudi-Arabien und das marokkanische Königreich - für ihren angeblichen Fortschritt in dieser
Richtung in eklatantem Widerspruch zu diesem offiziell gesteckten Ziel stand.« Auf
internationaler Ebene war das ›Greater
Middle East Project‹ offiziell auf
der Münchner Sicherheitskonferenz vom Februar 2004 debattiert worden. Wie
Schmid des weiteren festhielt, warben die US-Vertreter dort um Zustimmung der
europäischen Regierungen zu ihrem Konzept. Dass die NATO die erste transnationale
Instanz war, bei der über das Projekt diskutiert wurde, ist keineswegs Zufall:
Denn das nordatlantische Militärbündnis sollte bei der, wie es hiess, ›Stabilisierung‹ des Grossraums eine wesentliche Rolle einnehmen.
Zum ›Greater
Middle East Project‹ gehört
in jedem Fall der Sturz von Baschar al-Assad mit allen Mitteln. Westlichen
Diplomaten zufolge übte der US-Diplomat und stellvertretende UN-Staatssekretär Jeffrey
D. Feltman 2011 auch Druck auf die Vereinigten Arabischen Emirate und auf Kuwait
aus, damit sich diese von Syrien fernhalten sollten; Syrien bezeichnete er im
Mai 2011 als das ›potentielle Nordkorea im Mittleren Osten‹.
Nähere Überlegungen, aus den kurdischsprachigen Gebieten Syriens und
des Iraks ein ›Kurdistan‹ zu formen, hatte Ende September 2013 auch die US-Publizistin
Robin Wright in der ›New York Times‹ veröffentlicht. Wright, die unter anderem am ›United States Institute of Peace‹ [USIP] tätig ist, übte an den seinerzeit von den
Kolonialmächten festgelegten Grenzen, die seitdem von arabischen Autokraten
verteidigt werden, Kritik. Aus ihrer Sicht könnten sich Länder durchaus auflösen
und somit neue Grenzen gezogen werden, was sie für grosse Teile der arabischen
Welt gedanklich durchexerziert. [1] Im eigentlichen absolut unfriedliche
Gedankengänge für ein Friedensinstitut…..
Was das ›USIP‹ betrifft, so ist durchaus wissenswert, dass sich die deutsche,
vom Bundeskanzleramt finanzierte ›Stiftung
Wissenschaft und Politik‹ [SWP]
unter der Leitung ihres Direktors Volker Perthes in den vergangenen Jahren
immer wieder mit Syrien befasst hat. Eine herausragende Rolle spielte dabei das
Projekt ›The Day After‹, das die ›SWP‹ im ersten Halbjahr 2012 gemeinsam mit
dem ›United States Institute of
Peace‹ betrieb. Es zielte offen
darauf ab, Grundlagen für eine staatliche Neuordnung Syriens nach Assads Sturz
zu schaffen, und führte zu diesem Zweck mehr als 40 Aktivisten der syrischen
Exilopposition in Berlin zusammen. Neben Liberalen waren auch Muslimbrüder
beteiligt; nicht vertreten war dagegen die im Land verbliebene linke
Opposition, die bis heute den gewaltsamen Sturz der Regierung ablehnt und auf
eine friedliche Konfliktlösung setzt. Während ›SWP‹ und ›USIP‹ mit den Neuordnungsplänen für Syrien befasst waren, wiesen die
westlichen Mächte Anfang 2012 einen Vorschlag Moskaus zurück, der einen
Interessenabgleich herstellen können hätte, wodurch der Syrienkrieg bereits 2012
zu beenden gewesen wäre.
Man muss
sich einmal vorstellen, wie vermessen die Stiftungsmitglieder
sein müssen, damit, wie dies ›German
Foreign Policy‹ Ende September
festhielt, aktuell ein Projekt betrieben werden kann, das ›die Fragmentierung Syriens‹
untersucht und ›die Entwicklung von
Politikoptionen‹ für das zerstörte
Land ins Zentrum stellt. Wie es hiess, sollte es bis Dezember laufen und wird
aus Sondermitteln des Auswärtigen Amts finanziert. [2]
Über das ›The Day After‹-Projekt hatte auch die ›Junge
Welt‹ im August 2012 berichtet: Regierungsnahe
Think Tanks in Washington und in Berlin arbeiteten mit Hochdruck an Plänen für
die Zeit nach dem Sturz Assads: »In Deutschland sind an der regierungsfinanzierten
Umsturzarbeit offensichtlich auch ›Aktivisten‹ beteiligt, die von Teilen der
Friedensbewegung unterstützt werden. In der Reportage ›Deutscher Marshallplan für Syrien nach Assad‹ bekennt Ferhad Ahma, Mitglied im Syrischen Nationalrat und im
Beirat der Kampagne ›Adopt a
Revolution‹, freimütig, seit
Jahresbeginn an entsprechenden Geheimtreffen des Projekts ›The Day After‹ teilgenommen
zu haben. An seiner Seite sind die Kampagnenaktivisten Elias Perabo und Aktham
Abazid zu sehen. Gleichwohl teilte ›Adopt
a Revolution‹ auf ›jW‹-Nachfrage per e-mail
mit, daß Mitglieder an dem Projekt nicht beteiligt seien. Nachfragen wurden
abgelehnt. ›Adopt a Revolution‹ sucht nach eigenen Angaben vornehmlich
Revolutionspaten für syrische Oppositionelle; die ›unabhängige Initiative aus der Zivilgesellschaft‹ schreibt auf ihrer Webseite: ›Um sich die Unabhängigkeit zu
bewahren, wird ›Adopt a Revolution‹ keine staatlichen Gelder annehmen‹. Unterstützung kommt statt dessen von
medico international, der Bewegungsstiftung, dem Netzwerk Friedenskooperative
und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie.« [3] Wie die ›Junge
Welt‹ im Oktober vermerkte, »hatte
US-Vizepräsident Joseph Biden vor kurzem vor Studierenden an der
Harvard-Universität ungewohnt freimütig eingeräumt, daß Saudi-Arabien, die
Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate ›derart versessen darauf gewesen seien‹, den syrischen Präsidenten
zu stürzen, daß sie Millionen an US-Dollars und Tausende Tonnen an Waffen an
jeden in Syrien, der gegen Assad kämpfen wollte
- wobei auch die al-Nusra-Front und der IS unterstützt wurden - geliefert hätten.« Nicht, dass diese Fakten in
der EU nicht bekannt wären, erstaunlich ist hier nur, dass ein Mann wie Biden
sie öffentlich
vorträgt. »Nach monatelangen Gesprächen und personellen Veränderungen bei den
Regierungen von Katar und Saudi-Arabien«, so die ›jW‹ ferner, »war es US-Außenminister John Kerry auf
der Dschidda-Konferenz am 12. September gelungen, die Sponsoren des Terrors in
Syrien und im Irak auf den Kampf gegen die von ihnen seit 2011 aufgebauten
Gruppen zu verpflichten.« [4]
Nachdem
der IS - dem offenbar zunächst die Rolle
eines leicht instrumentalisierbaren destabilisierenden Akteurs zugedacht war, wie
z.B. zuvor den Taliban in Afghanistan - jetzt
für jedermann sichtbar aus dem Ruder gelaufen ist, kontrolliert das ›Kalifat‹, das von der syrischen Stadt Raqqa aus herrscht, die Hälfte
Syriens und ein Drittel des Iraks. Das Vorrücken der IS-Terror-Miliz in Syrien
löste die grösste Flüchtlingswelle in die Türkei seit Beginn des syrischen
Bürgerkriegs aus. UNO-Schätzungen vom September 2014 zufolge suchten innerhalb
von zwei Tagen mehr als 100'000 Menschen aus den Kurdengebieten im Norden
Syriens Schutz im Nachbarland. Die Türkei hatte am 19. 9. angesichts der
Flüchtlingswelle ihre Grenzen geöffnet, nachdem das Land tagelang
Schutzsuchende zurückgeschickt hatte. Nach offiziellen Zählungen strömten
daraufhin 70'000 Menschen über die Grenze.
Hinsichtlich
der durch das Eingreifen Russlands in Syrien entstandenen neuen Lage ist dem
Bericht von Thierry Meyssan ›Frankreich und Israel starten einen neuen
Krieg im Irak und in Syrien‹ unter anderem folgendes zu entnehmen:
Mit der
einen Hand mobilisiert die französische Regierung ihre gesamten Medien, um das
Bewusstsein der Bevölkerung auf die Anschläge vom 13. November zu lenken. Mit
der anderen startet sie zusammen mit Israel einen neuen Krieg im Irak und in
Syrien. Ihr Ziel besteht jetzt nicht mehr darin, das säkulare syrische Regime
zu stürzen, oder Assads Armee zu zerstören, sondern beiderseits der Grenze
zwischen dem Irak und Syrien einen von den Kurden zu verwaltenden Kolonialstaat
zu schaffen, »um die arabischen Staaten ›in den Griff zu kriegen‹. Der Traum einer israelischen Macht
vom Nil bis zum Euphrat ist wieder da.«
Der Krieg,
der im Juli 2012 in Syrien einsetzte, und den Meyssan als den zweiten Krieg in
Syrien bezeichnet [vom Juli 2012 bis Oktober 2015] war von Frankreich, den ›liberalen US-Falken‹, Hillary Clinton, dem bereits
genannten Jeffrey Feltman, David Petraeus, usw., und von Israel begonnen worden,
und ist durch eine Gruppe von Staaten wie die Türkei, Katar, Saudi Arabien,
usw., sowie den multinationalen Unternehmen Exxon-Mobil, KKR, Academi, usw., finanziert
worden. Es ging nicht mehr so sehr darum, das Regime zu ändern, als das Land ›auszubluten‹ und seine Armee zu zerstören, was mehr als 100 000 syrischen
Soldaten das Leben gekostet hat. Dieser Krieg, so Meyssan, endete diesen
Oktober mit der militärischen Intervention Russlands.
Der seit
dem 20. November geführte Krieg, den Meyssan als den dritten bezeichnet, ist
von einigen Mitgliedern der gleichen Gruppe eingefädelt worden; dieses Mal jedoch,
um einen neuen Staat im Norden Syriens und des Iraks zu schaffen; das
hierzu gehörende Ziel ist, wie bereits vermerkt, die arabischen Staaten, die Israel widerstehen, ›in die Zange zu nehmen‹. Die Organisatoren des Syrienkriegs haben
erkannt, dass sie jetzt nicht mehr gegen Syrien handeln können werden und haben sich
daher darauf geeinigt, das Programm, das bereits zur Schaffung des Südsudans im
Jahr 2012 geführt hat, wieder aufzunehmen und weiterzuführen. Dieses Projekt
entspricht dem Plan von Alain Juppé vom März 2011 und demjenigen von Robin
Wright vom September 2013; vorgesehen war, nach der Unterstützung des IS/Daesh,
das zu einem Sunnistan führen sollte, in der Folge im syrischen Norden ein Kurdistan zu schaffen. Es geht auch nicht
mehr um einen angeblich ideologischen Krieg, wie etwa der arabische Frühling,
noch um den angeblich religiösen Krieg, der 2012 einsetzte, sondern um einen ethnischen
Krieg. Fakt ist, dass es gelungen ist, die syrische, kurdisch-marxistisch-leninistische
Partei ›YPG‹, die jetzt als ›demokratische
Kräfte von Syrien‹ bezeichnet wird, umzudrehen
und sie mit dem Barzani-Clan im Irak zu
verbünden. Zwar sind beide Gruppen Kurden, aber sie sprechen nicht die gleiche
Sprache; sie töteten sich gegenseitig während des Kalten Krieges und folgen
diametral entgegengesetzten Ideologien. Wie Meyssan hier einfügt, ist die
jetzige regionale kurdische Regierung im Irak eine Diktatur. Ihr Präsident
Massoud Barzani, ein Agent des Mossad, der von Grossbritannien und der USA installiert
wurde, klammert sich seit Ende seines Mandats im Juni 2013 an die Macht.
Diese
sogenannten demokratischen Kräfte (sic) sind im Oktober dazu aufgestachelt
worden, die nicht-kurdische Bevölkerung im Norden Syriens zu ›kurdisieren‹, was die Erhebung der Araber und der assyrischen Christen sowie
den Zorn von Damaskus hervorrief, jedoch keine internationale Reaktion
verursachte. Eine solche gab es auch nicht von Seiten der Regierung des Iraks,
als die kurdische Annexion der Ölfelder von Kirkuk im Sommer 2014 erfolgte, da
die internationale öffentliche Meinung
nur Augen für die vom IS praktizierten ethnischen Säuberungen hatte. Zu jenem
Zeitpunkt haben die Grossmächte den Eroberungskrieg der regionalen kurdischen
Regierung des Iraks nicht nur nicht verurteilt, sondern
vorgeschlagen, ihr Waffen direkt zur Verfügung zu stellen, ohne die
Zentralregierung von Bagdad einzubeziehen; dies angeblich zur Bekämpfung des
IS. Die Konfliktparteien werden natürlich nicht zugeben, einen Krieg zu führen,
um einen israelischen kolonialen Staat zu schaffen und widerspenstige arabische
Staaten in die Knie zu zwingen, sondern sie werden - sobald dies nötig sein wird - erklären, für ein unabhängiges Kurdistan zu
kämpfen; dies stellt insofern eine groteske Situation dar, da das betroffene
Gebiet nie zum historischen Kurdistan gehörte und die Kurden dort weitgehend in
der Minderheit sind und weniger als 30 % der Bevölkerung bilden.
Am 5.
November hatte Paris angekündigt, den Flugzeugträger Charles De Gaulle nach
Syrien zu senden. Wie verlautete: zur Bekämpfung des IS, in Wirklichkeit jedoch,
um sich für diesen 3. Krieg in Syrien zu positionieren. Der Flugzeugträger verliess
Toulon am 18. 11.
Wie es
hiess, vertrieb die regionale irakische Regierung des Kurdistans den IS mit
Unterstützung der ›demokratischen
Kräfte von Syrien‹ zwischen dem 13.
und 15. November vom Berg Sindschar im Irak. In Wahrheit, so Meyssan, hatten sich
die IS-Soldaten zurückgezogen und nur 300 Mann gegen eine Koalition von
mehreren zehntausend Soldaten zurückgelassen. Das befreite Gebiet wurde nicht
etwa an die irakische Regierung zurückgegeben, sondern von der regionalen kurdischen
Regierung des Iraks annektiert. Obwohl
die Türkei so tut, als unterstütze sie die jetzige Operation nicht, so hat sie
diese dennoch 2011 im Rahmen des Geheimvertrags Juppé-Davutoglu genehmigt.
Würde ein Pseudo-Kurdistan in nicht-kurdischen Gebieten erstellt - was keinerlei Legitimität im
internationalen Völkerrecht besässe
- wäre es sicher, dass die Türkei die
PKK-Kämpfer dorthin treiben würde.
Wie
Meyssan abschliessend darlegt, handelt es sich somit nicht darum, den Norden Syriens
vom IS zu befreien, um ihn an Syrien zurückzugeben, sondern darum, dort einen
unabhängigen Staat unter kurdischer Verwaltung zu verkünden. [5]
[1] Robin Wright: Imagining a Remapped Middle East. www.nytimes.com 28. 9. 2013
[2] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59212 29. 9. 15 Deutschlands
ordnungspolitischer Radius
[3] http://www.jungewelt.de/2012/08-10/029.php Dem Frieden keine Chance von Rüdiger Göbel
[4] https://www.jungewelt.de/ausland/libysches-vorbild
12. 10. 14
[5] http://www.voltairenet.org/article189387.html 23. 11. 15 Frankreich
und Israel starten einen neuen Krieg in Irak und Syrien - Von Thierry Meyssan
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