Diese EU ist nicht gefährdet, sie ist tot 08.01.2016 22:13
schreibt Rudolf Fußi in der österreichischen Zeitung »Der Standard«. Wir erleben die Entdemokratisierung Europas und seiner Nationalstaaten in einem schier erschreckenden Ausmaß.
Die
Eliten werden uns noch ein paar evolutionäre Wimpernschläge lang erklären, daß dem
nicht so sei. Daß man das schon wieder hinkriege.
Weil die EU und den Euro aufzugeben keine Option sei. Es ist aber nicht nur die
EU tot. Die meisten Länder Europas sind es in Wahrheit doch auch. Und das alles
hat einen ziemlich banalen Grund: Die Politik hat auf allen Ebenen das Primat
des Handelns sukzessive aufgegeben. Man ist zum Handlanger reiner
Marktinteressen und deren Vertreter verkommen. Das hat im übrigen per
se nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Nein, wir erleben die Entdemokratisierung
Europas und seiner Nationalstaaten in einem schier erschreckenden Ausmaß. In
funktionierenden Demokratien wäre es undenkbar, daß
sich Finanz- und Industrieoligopole einen ganzen Kontinent, ja eine ganze Welt
so herrichten, wie sie wollen. Datenschutz? Wurscht. Alle Menschen werden
überwacht? Wurscht. Die Anhäufung von Kapital und damit Macht in den Händen
einzelner weniger Player? Wurscht. Ist halt so. Gottgewollt. Nein, es ist nicht
gottgewollt. Es sind die Taten der Täter, die uns diese Situation bescheren.
Neid statt
Solidarität Sie
haben die Solidarität als Wert unserer Gesellschaften umgebracht und sie durch
den Neid ersetzt. Früher haben Politiker, die Staatsinteressen über Eigen-
und/oder Parteiinteresse gestellt haben, kräftig mit beiden Händen angepackt,
um eine Gesellschaft weiterzuentwickeln. Um zu gestalten, um zu tun. Heute
greift die herrschende Klasse auch mit beiden Händen zu – in unsere Taschen, um
sich und die Ihren gut durch die Reise ans Ende Europas zu finanzieren. Sie
treffen dabei auf ein willfähriges, verdummtes Volk, das achselzuckend - durch die letzten Zuckungen
wohlfahrtsstaatlicher Verfaßtheit sediert - danebensteht und staunt. Oder gar nicht
mitkriegt, was hier eigentlich passiert. Der Karren ist völlig verfahren Und
das stimmt für die große Welt genauso wie für das kleine, feine Österreich. Es
werden im Dauertakt Nebensächlichkeiten diskutiert, bei den großen Fragen, von
einer Vision gar nicht zu sprechen, geht nichts weiter. Es gibt ein paar
Beispiele, die, jedes für sich und geballt, erst recht zeigen, daß der Karren
völlig verfahren ist. Mein Vater war Alleinverdiener, meine Mutter Hausfrau,
wir sind drei Kinder. Er war Versicherungsdirektor in der Steiermark, hat gut
verdient und zwei Häuser gebaut. Und das ging sich aus. Ein Einkommen, eine
Familie mit fünf Personen. Heute undenkbar, und zwar (fast) egal wo. Ich gehöre
laut Statistik Austria zu den obersten 5 % der Einkommenspyramide, kann mir
aber keine 100-Quadratmeter-Wohnung innerhalb des Gürtels in Wien kaufen.
Unleistbar. Nein, ich jammere nicht. Aber wenn ich es mir mit einem Vielfachen
des Durchschnittseinkommens nicht leisten kann, wie sollen es sich dann die
anderen 95 % leisten können? Würden Starbucks, Google, Amazon und Co ihre
Steuern wie jedes KMU und jede Angestellte in Österreich und Europa auch, ›normal‹ bezahlen, wären, konservativ geschätzt, 1.000.000.000.000 Euro
mehr pro Jahr im Steuertopf. Eintausend Milliarden Euro pro Jahr. Da sprechen
wir noch gar nicht von der Beseitigung von Privilegien wie Gruppenbesteuerung
oder Schachtelprinzip. Oder gar von der Erhöhung vermögensbezogener Steuern.
Mein absolutes Lieblingsbeispiel übrigens: Ich bezahle pro Jahr weniger als 100
€ Grundsteuer für mein Haus im Waldviertel. Das ist unfaßbar
lächerlich. Würde gerne 1.000 oder 2.000 € Grundsteuer bezahlen, dafür aber
weniger Steuern auf mein Arbeitseinkommen. Selbst wenn ich dadurch mit
plus/minus Null aussteigen würde, wäre es gerechter und würde dort
Mehreinnahmen bringen, wo es notwendig ist.
Die Wahrheit
ist viel einfacher Wir
haben Banken- und den Casinofinanzoligopolen Tausende von Milliarden in den
Rachen geworfen. Alleine in Österreich kosten uns Hypo, Kommunalkredit und Co
bist jetzt fast 20 Milliarden Euro. Wie lächerlich sind da diese Minizahlungen,
wenn es um diese Flüchtlingskrise geht? Primat des Handelns zurückholen: Dieses
Europa will nicht. Seine Länder wollen nicht. Diese EU ist nicht gefährdet, sie
ist tot. Entweder erleben wir eine weitere Entdemokratisierung, einen Zerfall
Europas, die unaufhaltsame Ökonomisierung aller Lebensbereiche - wenn man so will, einen autoritären
Kapitalismus - noch mehr Überwachung,
weiter sinkende Kaufkraft, das Verschwinden des Mittelstandes, eine neofeudale
Diktatur des ›Geldadels‹, oder es entstehen aus diesen
Trümmern neue, echte Demokratien, die sich das Primat des Handelns zurückholen
und die Interessen des einen Prozents zurückdrängen. Meine Hoffnung ist kaum
noch vorhanden. An eine internationale Lösung dieser Probleme glaube ich nicht
mehr, man steht einer Übermacht gegenüber, die unbesiegbar ist. »Think global,
act local« wäre ein Ansatz, der treffender und richtiger nicht sein könnte – in
Wahrheit unsere letzte Hoffnung. [1]
Wir
haben keine stabile Demokratie, solange Oppositionsparteien wie die AfD
politisch verfolgt werden.
Die Anschläge auf Parteieinrichtungen, Info-Stände und Personen
sowie die Drohungen gegen Gastwirte, die Räume für AfD-Veranstaltungen zur
Verfügung stellen
wollten, sind mittlerweile unzählbar. Wir haben keine stabile Demokratie,
solange die Regierung sich über Recht und Gesetz hinwegsetzt. Bei Angela Merkel
reiht sich seit dem verhängnisvollen Jahr 2010 ein Rechtsbruch an den anderen.
Sie läßt uns für die Schulden anderer Länder bezahlen, sie läßt uns
für eine rechtswidrige Energiewende zahlen und sie läßt uns
für eine illegale Massenweinwanderung zahlen.
[2]
Blick auf die USA
Im Westen gibt es keine Rechtsstaatlichkeit und
keinen Schutz vor Willkür mehr
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert, schreibt Paul
Craig Roberts, zeige ich auf, wie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der
Schutz vor der Willkür der Mächtigen ausgehöhlt werden. Ich kann mit voller
Überzeugung bestätigen, daß die Vereinigten Staaten nicht länger ein
Rechtsstaat sind, in dem die Bürger vor der Willkür der Regierung geschützt
werden. Die USA ist zu einem gesetzlosen Land geworden. Aber dies meine ich
nicht in dem Sinne, wie dieser Begriff von vielen konservativen Republikanern
ausgelegt wird. Ich verstehe darunter, daß nur die Großbanken und das extrem
reiche und einflußreiche oberste Prozent der Bevölkerung noch den Schutz der Gesetze
genießen, und das aus einem einfachen Grund. Sie kontrollieren die Regierung.
Für alle anderen gilt, daß das Gesetz als Instrument der Regierung
gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird. [3]
[1] Quelle: http://derstandard.at/2000024656184/Diese-EU-ist-nicht-gefaehrdet-sie-ist-tot 29. 10. 15
- Rudolf Fußi, österreichischer PR-Berater, Unternehmer und politischer
Aktivist, ist
Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur ›Mindworker‹ und war 2002
Initiator des Anti-Abfangjäger-Volksbegehrens
[2] http://www.pi-news.net/2016/01/us-experten-europa-bewaeltigt-krise-nicht/ 1. 1. 16
[3] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/dr-paul-craig-roberts/im-westen-gibt-es-keine-rechtsstaatlichkeit-und-keinen-schutz-vor-willkuer-mehr.html 7. 1. 16
Von Dr. Roberts finden sich zahlreiche Beiträge auf politonline
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