Diese EU ist nicht gefährdet, sie ist tot

schreibt Rudolf Fußi in der österreichischen Zeitung »Der Standard«. Wir erleben die Entdemokratisierung Europas und seiner Nationalstaaten in einem schier erschreckenden Ausmaß.

Die Eliten werden uns noch ein paar evolutionäre Wimpernschläge lang erklären, daß dem nicht so sei. Daß man das schon wieder hinkriege. Weil die EU und den Euro aufzugeben keine Option sei. Es ist aber nicht nur die EU tot. Die meisten Länder Europas sind es in Wahrheit doch auch. Und das alles hat einen ziemlich banalen Grund: Die Politik hat auf allen Ebenen das Primat des Handelns sukzessive aufgegeben. Man ist zum Handlanger reiner Marktinteressen und deren Vertreter verkommen. Das hat im übrigen per se nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Nein, wir erleben die Entdemokratisierung Europas und seiner Nationalstaaten in einem schier erschreckenden Ausmaß. In funktionierenden Demokratien wäre es undenkbar, daß sich Finanz- und Industrieoligopole einen ganzen Kontinent, ja eine ganze Welt so herrichten, wie sie wollen. Datenschutz? Wurscht. Alle Menschen werden überwacht? Wurscht. Die Anhäufung von Kapital und damit Macht in den Händen einzelner weniger Player? Wurscht. Ist halt so. Gottgewollt. Nein, es ist nicht gottgewollt. Es sind die Taten der Täter, die uns diese Situation bescheren.

Neid statt Solidarität  
Sie haben die Solidarität als Wert unserer Gesellschaften umgebracht und sie durch den Neid ersetzt. Früher haben Politiker, die Staatsinteressen über Eigen- und/oder Parteiinteresse gestellt haben, kräftig mit beiden Händen angepackt, um eine Gesellschaft weiterzuentwickeln. Um zu gestalten, um zu tun. Heute greift die herrschende Klasse auch mit beiden Händen zu – in unsere Taschen, um sich und die Ihren gut durch die Reise ans Ende Europas zu finanzieren. Sie treffen dabei auf ein willfähriges, verdummtes Volk, das achselzuckend  - durch die letzten Zuckungen wohlfahrtsstaatlicher Verfaßtheit sediert -  danebensteht und staunt. Oder gar nicht mitkriegt, was hier eigentlich passiert. Der Karren ist völlig verfahren Und das stimmt für die große Welt genauso wie für das kleine, feine Österreich. Es werden im Dauertakt Nebensächlichkeiten diskutiert, bei den großen Fragen, von einer Vision gar nicht zu sprechen, geht nichts weiter. Es gibt ein paar Beispiele, die, jedes für sich und geballt, erst recht zeigen, daß der Karren völlig verfahren ist. Mein Vater war Alleinverdiener, meine Mutter Hausfrau, wir sind drei Kinder. Er war Versicherungsdirektor in der Steiermark, hat gut verdient und zwei Häuser gebaut. Und das ging sich aus. Ein Einkommen, eine Familie mit fünf Personen. Heute undenkbar, und zwar (fast) egal wo. Ich gehöre laut Statistik Austria zu den obersten 5 % der Einkommenspyramide, kann mir aber keine 100-Quadratmeter-Wohnung innerhalb des Gürtels in Wien kaufen. Unleistbar. Nein, ich jammere nicht. Aber wenn ich es mir mit einem Vielfachen des Durchschnittseinkommens nicht leisten kann, wie sollen es sich dann die anderen 95 % leisten können? Würden Starbucks, Google, Amazon und Co ihre Steuern wie jedes KMU und jede Angestellte in Österreich und Europa auch, normal bezahlen, wären, konservativ geschätzt, 1.000.000.000.000 Euro mehr pro Jahr im Steuertopf. Eintausend Milliarden Euro pro Jahr. Da sprechen wir noch gar nicht von der Beseitigung von Privilegien wie Gruppenbesteuerung oder Schachtelprinzip. Oder gar von der Erhöhung vermögensbezogener Steuern. Mein absolutes Lieblingsbeispiel übrigens: Ich bezahle pro Jahr weniger als 100 € Grundsteuer für mein Haus im Waldviertel. Das ist unfaßbar lächerlich. Würde gerne 1.000 oder 2.000 € Grundsteuer bezahlen, dafür aber weniger Steuern auf mein Arbeitseinkommen. Selbst wenn ich dadurch mit plus/minus Null aussteigen würde, wäre es gerechter und würde dort Mehreinnahmen bringen, wo es notwendig ist.

Die Wahrheit ist viel einfacher
Wir haben Banken- und den Casinofinanzoligopolen Tausende von Milliarden in den Rachen geworfen. Alleine in Österreich kosten uns Hypo, Kommunalkredit und Co bist jetzt fast 20 Milliarden Euro. Wie lächerlich sind da diese Minizahlungen, wenn es um diese Flüchtlingskrise geht? Primat des Handelns zurückholen: Dieses Europa will nicht. Seine Länder wollen nicht. Diese EU ist nicht gefährdet, sie ist tot. Entweder erleben wir eine weitere Entdemokratisierung, einen Zerfall Europas, die unaufhaltsame Ökonomisierung aller Lebensbereiche -  wenn man so will, einen autoritären Kapitalismus -  noch mehr Überwachung, weiter sinkende Kaufkraft, das Verschwinden des Mittelstandes, eine neofeudale Diktatur des Geldadels, oder es entstehen aus
diesen Trümmern neue, echte Demokratien, die sich das Primat des Handelns zurückholen und die Interessen des einen Prozents zurückdrängen. Meine Hoffnung ist kaum noch vorhanden. An eine internationale Lösung dieser Probleme glaube ich nicht mehr, man steht einer Übermacht gegenüber, die unbesiegbar ist. »Think global, act local« wäre ein Ansatz, der treffender und richtiger nicht sein könnte – in Wahrheit unsere letzte Hoffnung.  [1]
 

Wir haben keine stabile Demokratie, solange Oppositionsparteien wie die AfD politisch verfolgt werden.

Die Anschläge auf Parteieinrichtungen, Info-Stände und Personen sowie die Drohungen gegen Gastwirte, die Räume für AfD-Veranstaltungen zur Verfügung stellen wollten, sind mittlerweile unzählbar. Wir haben keine stabile Demokratie, solange die Regierung sich über Recht und Gesetz hinwegsetzt. Bei Angela Merkel reiht sich seit dem verhängnisvollen Jahr 2010 ein Rechtsbruch an den anderen. Sie läßt uns für die Schulden anderer Länder bezahlen, sie läßt uns für eine rechtswidrige Energiewende zahlen und sie läßt uns für eine illegale Massenweinwanderung zahlen.  [2] 


Blick auf die USA  

Im Westen gibt es keine Rechtsstaatlichkeit und keinen Schutz vor Willkür mehr

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert, schreibt Paul Craig Roberts, zeige ich auf, wie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Schutz vor der Willkür der Mächtigen ausgehöhlt werden. Ich kann mit voller Überzeugung bestätigen, daß die Vereinigten Staaten nicht länger ein Rechtsstaat sind, in dem die Bürger vor der Willkür der Regierung geschützt werden. Die USA ist zu einem gesetzlosen Land geworden. Aber dies meine ich nicht in dem Sinne, wie dieser Begriff von vielen konservativen Republikanern ausgelegt wird. Ich verstehe darunter, daß nur die Großbanken und das extrem reiche und einflußreiche oberste Prozent der Bevölkerung noch den Schutz der Gesetze genießen, und das aus einem einfachen Grund. Sie kontrollieren die Regierung. Für alle anderen gilt, daß das Gesetz als Instrument der Regierung gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird.  [3]

 

 

[1]  Quelle:
http://derstandard.at/2000024656184/Diese-EU-ist-nicht-gefaehrdet-sie-ist-tot
   29. 10. 15   -   Rudolf Fußi, österreichischer PR-Berater, Unternehmer und politischer Aktivist, ist Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Mindworker und war 2002 Initiator des Anti-Abfangjäger-Volksbegehrens

[2]  http://www.pi-news.net/2016/01/us-experten-europa-bewaeltigt-krise-nicht/ 1. 1. 16

[3]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/dr-paul-craig-roberts/im-westen-gibt-es-keine-rechtsstaatlichkeit-und-keinen-schutz-vor-willkuer-mehr.html   7. 1. 16  Von Dr. Roberts finden sich zahlreiche Beiträge auf politonline