Die Mär vom deutschen Exportüberschuss 18.09.2016 21:56
d.a. »Deutschland«, schreibt German Foreign Policy am 8. 9., »wird 2016
seinen höchsten Exportüberschuß seit je erzielen
und mit einem Plus im Außenhandel von mehr als einer Viertelbillion € sämtliche
andere Länder der Welt weit in den Schatten stellen. Dies sagt das Münchner
ifo-Institut voraus. Bereits im ersten Halbjahr 2016 konnten deutsche Firmen
ein Außenhandelsplus von 142,6 Milliarden € verzeichnen, fast 10 % mehr als im
Vergleichszeitraum 2015«.
»International werden die jüngsten
deutschen Rekorde scharf kritisiert. Dauerhafte
Exportüberschüsse führen in den Abnehmerländern häufig zu dauerhaften
Außenhandelsdefiziten, die die betroffenen Staaten häufig tief in die
Verschuldung treiben; aktuelle Beispiele sind die südlichen Eurostaaten, etwa
Griechenland. Weil die Exportüberschüsse jedoch deutschen Firmen Wohlstand und
Einfluß in der Weltwirtschaft sichern, kümmert sich Berlin nicht darum.
Mittlerweile warnen allerdings erste Think Tanks vor den Folgen. So rät
beispielsweise die Bertelsmann-Stiftung zu einem vorsichtigen Kurswechsel: Ein
Wachstumsmodell, das allzu stark auf Exporte fokussiere, gerate im Falle eines
Absatzrückgangs in bedeutenden Abnehmerstaaten in die Krise.
Lohnverzicht für die Expansion - Mit
dem neuen Rekord-Außenhandelsplus setzt die Bundesrepublik die Serie ihrer
Überschüsse aus den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten fort. Die deutsche
Wirtschaft verkauft seit 2001 mehr Waren ins Ausland, als sie selbst von dort
beschafft. Ihre Überschüsse erreichten im Jahr 2012 bereits einen Wert von rund
170 Milliarden €; 2014 beliefen sie sich auf 220, 2015 schon auf 248 Milliarden.
Insgesamt überstiegen die deutschen Exporte seit dem Jahr 2001 die Importe um
gut 2 Billionen € - immense Reichtümer, die in Deutschland angehäuft wurden und
dieses Jahr noch weiter wachsen. Möglich ist das, weil, wie dies die
Bertelsmann-Stiftung in einer Ende 2015 publizierten Studie erläutert, die Lohnstückkosten
in der Bundesrepublik ›von
1995 bis 2011 nahezu konstant‹
blieben, während sie in den meisten anderen Industriestaaten im selben Zeitraum
›um 30 bis 40 %
stiegen‹. Das wiederum liegt, wie die
Stiftung feststellt, nicht nur am technologischen Fortschritt, sondern vor
allem auch an ›einer
zurückhaltenden Lohnpolitik der Gewerkschaften‹:
Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten führt dazu, dass deutsche Unternehmen
sich im Ausland zunehmend gegen ihre internationale Konkurrenz durchsetzen und
profitable Geschäfte abschließen können. Im Endergebnis füllt der Lohnverzicht
also nicht nur die Konzernkassen, er kommt auch einer Beihilfe für die deutsche
Industrie zur Sicherung einer machtvollen Position in der Weltwirtschaft
gleich.
In die Schuldenfalle exportiert - Umgekehrt
haben die anhaltenden deutschen Exportüberschüsse, wie die Bertelsmann-Stiftung
in Erinnerung ruft, gravierende Nachteile für diejenigen Länder, die in ein
dauerhaftes Handelsdefizit gegenüber der Bundesrepublik geraten. So müssen sich
die betroffenen Volkswirtschaften zur Finanzierung ihrer Handelsdefizite in
vielen Fällen ›im
Ausland verschulden‹.
Ausserdem stehen ›dem
höheren Beschäftigungsniveau des Exportüberschusslandes Deutschland‹ häufig geringere Beschäftigungsniveaus in den
Ländern mit einem Importüberschuss gegenüber: ›So
gesehen exportiert Deutschland seine Arbeitslosigkeit‹. In ein dauerhaftes Handelsdefizit gegenüber der
Bundesrepublik sind unter anderem Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland
geraten. Allein von 2010 bis 2015 flossen aus Italien und Spanien rund 60 Milliarden
€ nach Deutschland ab. Das in der Krise versinkende Griechenland zahlte im
selben Zeitraum immerhin 19 Milliarden Euro netto in die Bundesrepublik. Aus
Frankreich wurden von 2010 bis 2015 sogar über 210 Milliarden € netto an
deutsche Unternehmen überwiesen - riesige Summen, deren Verlust in allen vier
Ländern deutlich krisenverschärfend wirkt.« [1]
Soweit
der Auszug aus dem GFP-Bericht.
Mit anderen Worten: Es ist mal wieder nichts gut an
Deutschland!
Eine derart anklagende und dem wahren
Sachverhalt nicht standhaltende Skizzierung der Lage kann nicht unwidersprochen
bleiben, selbst wenn man daran gewöhnt ist, dass sich die Presse hinsichtlich
der Interpretation von Gegebenheiten nur allzu gerne das Recht anmasst, ihre eigene Sichtweise als veritablen Tatbestand darzulegen.
Insofern folgt hier die im vorliegenden Fall absolut unerlässliche Berichtigung:
HURRA, Deutschland ist Exportweltmeister!
Ein Grund zum Jubeln? N E I N
!
Zwar hat Deutschland
seine internationale Wettbewerbsfähigkeit im vergangenen Jahrzehnt in der Tat enorm
gesteigert – dies aber auf Kosten seines Heimatmarktes. Dass
Produkte ›Made in
Germany‹
günstiger wurden, ist vor allem der Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer im
Inland zu verdanken, und nicht dem Einfallsreichtum der Politiker.
Was
die Aussage von GFP betrifft, »dass die jüngsten
deutschen Rekorde international scharf kritisiert werden und dauerhafte
Exportüberschüsse in den Abnehmerländern häufig zu dauerhaften Aussenhandelsdefiziten
führten, die die betroffenen Staaten tief in die Verschuldung treiben«, so ist hier folgendes richtigzustellen:
Deutsche Exportüberschüsse
als Grund für die zunehmende Verschuldung südeuropäischer Länder aufzuführen,
ist mehr als irreführend. Der wahre Grund liegt in der Gleichschaltung völlig
heterogener Wirtschaftszonen. Konnten die EU-Länder früher auf das Regularium ›Währungsabwertung‹ zurückgreifen, um
gegenzusteuern, ist ihnen diese Möglichkeit durch die Einheitswährung Euro
genommen worden. Die Gründe für die Schulden in den Krisenländern sind
vielfältig, diese allein auf deutsche Exporte zurückzuführen, ist mehr als
töricht und dient einzig und allein dazu, von den tatsächlichen Gründen
abzulenken. Vor der Einführung des Euros hatten die deutschen Konzerne das
Abwertungsrisiko einzukalkulieren und zu tragen. Dieses Risiko besteht für sie
nun nicht mehr; diese Abwertungen innerhalb der EU müssen die Steuerzahler der
effizienteren Länder tragen, indem sie durch Einzahlungen in das EU-System
bluten müssen.
Und Deutschland bzw. seine Steuerzahler sind das
Opfer dieses Wahnsinns.
Doch der deutsche
Steuerzahler muss noch mehr ertragen, denn die Exportüberschüsse werden heute zu
einem grossen Teil im Ausland
erwirtschaftet.
Die Grosskonzerne
erzielen mit ihren im Ausland verkauften Produkten Erträge in den
Landeswährungen. Blieb zu klären: Wohin mit dem fremden Geld? Diese Frage liess
nur einen betriebswirtschaftlichen Schluss zu: Die Verlagerung der
Produktionsstätten ins Ausland - und so schlug man zwei Fliegen mit einer
Klappe: Durch geringere Löhne stiegen vice versa die Erträge und man wurde auf
einfache Weise die fremde Währung über die Lohnzahlungen wieder los. Und so haben
die so scharf kritisierten und uns immer wieder vor Augen geführten Exportgewinne
vor allem zu eines geführt:
Zur Arbeitslosigkeit bei uns in Deutschland
Und mit der Verlagerung von
Produktionen ins Ausland ist bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange
erreicht: 47 % der deutschen Industriebetriebe wollen jenseits der Grenzen investieren. Das zeigt die
aktuelle Umfrage ›Auslandsinvestitionen in der Industrie‹, die der DIHK Ende April
2016 vorlegte. [2]
Von den für Deutschland
gebetsmühlenartig so positiv publizierten Exportüberschüssen bleibt nun nicht
mehr viel übrig, denn zwei Drittel der Erlöse der deutschen Börsenkonzerne
kommen mittlerweile aus dem Ausland. Das bedeutet, dass deutsche Unternehmen
den grössten Anteil an Mitarbeitern im AUSLAND und NICHT IM INLAND haben.
Hierzu zwei Beispiele:
Henkel beschäftigt
inzwischen 82,4 % seiner Mitarbeiter im Ausland. Und auch die im Ausland
erwirtschafteten Umsätze sprechen eine deutliche Sprache: Laut ›boerse.de‹ wurden bereits 2013
folgende Auslandsumsätze gelistet:
Siemens-Konzern 85,9 %
Linde 91,5 %
Adidas 95 %
Diese Beispiele liessen
sich beliebig fortführen. Von den hierin enthaltenen Arbeitsstunden profitiert nicht ein einziger deutscher Arbeitnehmer!
Allerdings werden die Umsätze wegen der deutschen Stammhäuser hier erfasst
und publiziert.
Wie verhält es sich nun mit
den Exportprodukten, die im Inland hergestellt werden? Hier sei auf das
Zahlungsverkehrssystem TARGET2 hingewiesen. Dieses nationale und
grenzüberschreitende Zahlungssystem gleicht Salden der Lieferanten und
Empfänger über die Nationalbanken aus.
Siehe hierzu auf politonline Die
unbekannte finanzielle Vernichtungswaffe: TARGET2 - Der Billionen-Solizuschlag
für Krisenländer - Warum die EZB fortbestehen muss! http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2115
Laut der Deutschen
Bundesbank betrug der TARGET2-Saldo am 31. 8. 2016 677.478.969.911,78 Euro. [3]
Es handelt sich hier also
um Geld, das mit immer grösserer Verzögerung und zum Teil gar nicht mehr nach
Deutschland zurückfliesst, für das aber die Bundesbank und damit der
Steuerzahler haftet.
Nicht nur, dass
die Forderungen immer grösser werden und wir auf Grund der Auslandsproduktion immer
mehr Arbeitsplätze streichen müssen, sondern wir verzeichnen auch seit Jahren
eine schwerwiegende Investitionszurückhaltung im Inland, da die deutschen
Konzerne vorzugsweise im Ausland investieren. Daran
werden auch Draghis Zins-Machenschaften nichts ändern!
Und das Drama geht noch weiter: Mit dem Exportüberschuss
geht ein hoher Kapitalexport einher. Allein
2014 flossen 240 Milliarden Euro Kapital aus Deutschland ins Ausland ab.
Dies für Direktinvestitionen in die Produktionsverlagerung und in
Wertpapieranlagen. Die Mittel hierfür
wurden zwar in Deutschland erspart, aber nicht hier investiert. Anstatt
den Deutschen diese Gewinne gutzuschreiben und
anstatt sie um ihre Sparzinsen zu bringen, wird diese Mehrleistung des Volkes
an andere Länder einfach verschenkt. So etwas nennt man auch Versklavung.
Und nicht nur, dass wir vom
Ausland versklavt werden und unser Geld dorthin verschenken, darüber hinaus
arbeiten die Deutschen auch noch für jeden Asylanten in Deutschland und für
jeden Migranten oder Deutschen mit Migrationshintergrund, der Hartz IV bezieht,
was hier nur nebenbei bemerkt sei!
Und unter
Berücksichtigung all dieser nachweisbaren authentischen Zahlen - die den Publizisten sehr wohl bekannt sein
müssen, denn sonst hätten sie den falschen Job - Deutschland wegen der Exportüberschüsse zu
kritisieren, grenzt schon an Infamie.
Wenn uns nun
die Exportgewinne vorgerechnet werden, die andere Länder angeblich in die
Verschuldung treiben, dann erwarte ich von Berichterstattern wie German Foreign
Policy die Antwort darauf, warum die Armut in Deutschland so hoch angestiegen
ist und weiter zunimmt, und warum Tausende von Kindern über Tafeln versorgt
werden müssen?
So las man denn auch im ›Focus‹ [4] bereits am 27. 3. 2013:
Die Armut in Deutschland ist grösser als in Slowenien
Deutschland
soll eines der reichsten Länder der Europäischen Union sein - auf den Riesenschuldenberg von 2,1
Billionen Euro wollen wir hier nicht näher eingehen - warum sind dann hier Armut und
Einkommensunterschiede grösser als in vielen Mitgliedsstaaten mit einer
schwächeren Wirtschaft? Gemäss aktueller Zahlen vom Mai 2016 des
Statistik-Portals [5] betrug der Anteil der von Armut oder sozialer
Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2014 20,6 % der Bevölkerung.
Ganz
aktuell titelt die ›Badische Zeitung‹
vom 13. September 2016: ›1,9 Millionen Kinder in Hartz
IV‹ »Trotz
der guten Wirtschaftslage sind immer mehr Minderjährige auf Grundsicherung
angewiesen. Auch
im prosperierenden Deutschland bleibt die Kinderarmut ein Problem. Fast 2
Millionen Kinder sind auf Hartz IV angewiesen und ihre Zahl ist trotz des
Aufschwungs zuletzt gewachsen. Sozialleistungen zu bekommen, ist für viele ein
Dauerzustand geworden, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.« [6] Man muss sich vor Augen führen, dass in Deutschland, das ja angeblich zu einem der
reichsten Länder der Erde gehört, jeder 5. Einwohner von Armut betroffen ist!
Dies ist eine Schande für das Land und seine Regierung!
Aber
unsere mediengesteuerten Rechtsverdreher lassen nicht nach, Deutschland mit
Fehlinformationen oder Halbwahrheiten bewusst
und gezielt zu verunglimpfen. Ein schändlicher Artikel!
Fazit Die
Folgen der Exportüberschüsse haben für Deutschland weitaus verheerendere Folgen
als für die bedauerten Abnehmerländer; auch eine Überschrift im ›Focus‹ vom 24.
Oktober 2014 lautete bereits wie folgt: ›Reiche
immer reicher - Deutschland ist das ungerechteste Land der Euro-Zone‹. [7]
Dass von dem ›immensen
Reichtum‹ knapp 10 % der Bevölkerung
profitieren, verschweigt GFP und erweckt so den Eindruck, als würde die gesamte
Bevölkerung im Geld schwimmen.
[1] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59436
8. 9. 16 Riskante Überschüsse
[2] http://www.dihk.de/branchen/industrie/auslandsinvestitionen/auslandsinvestitionen Auslandsinvestitionen
[3] https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/target2_saldo.html 31. 8. 16 TARGET2-Saldo
[4] http://www.focus.de/finanzen/news/wohlstand-in-europa-armut-in-deutschland-ist-groesser-als-in-slowenien_aid_949511.html 27. 3. 13 Wohlstand in Europa - Armut in Deutschland
ist grösser als in Slowenien
[5] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/244865/umfrage/von-armut-oder-sozialer-ausgrenzung-betroffene-bevoelkerung-in-deutschland/ Anteil der von Armut oder
sozialer Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2014 und https://de.statista.com/themen/120/armut-in-deutschland/ Fakten zum Thema: Armut in
Deutschland
[6] http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/1-9-millionen-kinder-in-hartz-iv--127146006.html 13. 9. 16
›1,9 Millionen Kinder in Hartz IV‹ - Von Ronny Gert Bürckholdt
[7] http://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/reiche-immer-reicher-deutschland-ist-das-ungerechteste-land-der-euro-zone_id_4225150.html
24. 10. 14
Reiche immer reicher - Deutschland ist das ungerechteste Land der Euro-Zone –
Von Clemens Schömann-Finck
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