Masseneinwanderung - Eine Klarstellung 02.10.2016 20:53
Was hinter den Kulissen passiert resp. passiert ist, beschreibt das Mitglied
der
Staatspolitischen Kommission, Nationalrat Gregor Rutz, wie folgt:
Art. 121a
der Bundesverfassung verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausländern
künftig wieder eigenständig steuert. Diese Steuerung soll mittels jährlicher
Höchstzahlen und Kontingenten geschehen. Bei der Festlegung derselben sind die
gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu berücksichtigen. Zudem soll
ein Inländervorrang gelten. Diesen unmissverständlich formulierten Leitplanken
trägt der nationalrätliche Beschluss vom 21. September keine Rechnung. Im
Gegenteil: Mit einer blossen Stellenmeldepflicht ist die eigenständige
Steuerung der Migration nicht möglich. In der kontroversen Diskussion werden
viele Unwahrheiten verbreitet, welche es richtigzustellen gilt.
Im Umfeld
der Debatte zur Umsetzung von Art. 121a BV wurde geflunkert, geschwindelt und
gelogen, dass sich die Balken biegen - getreu dem bekannten Ausspruch von
US-Präsident Harry Truman: ›If you
can’t convince them, confuse them!‹
Wer nicht überzeugen kann, versucht, seine Gegner zu verwirren. Unter diesen
Voraussetzungen zielführende Lösungen zu erarbeiten, ist nicht einfach. Und
wenn selbst die Berichterstatter aus den Ratskommissionen wider besseres Wissen falsche
Aussagen machen, wird eine sachliche Debatte definitiv unmöglich. So
behauptete SP-Nationalrätin Cesla Amarelle ohne mit der Wimper zu zucken: ›Quant au groupe UDC, il n'a jamais été
capable de faire une proposition de concept général‹, nämlich dass die SVP-Fraktion nie in der Lage gewesen sei, einen
Konzeptvorschlag zu formulieren. Ebenso unverfroren unterstellte
FDP-Nationalrat Kurt Fluri den SVP-Vertretern: ›Wir haben nach wie vor kein alternatives Konzept aus Ihrer
Fraktion‹. Er behauptete, der
Einbezug des Asylwesens wie auch der Grenzgänger sei ›seitens der Initianten nie in die Diskussion eingebracht worden‹, ebenso wie die Frage, ob ›konkrete Zahlen in die
Umsetzungsgesetzgebung zu schreiben‹
seien oder nicht.
All dies ist
brandschwarz gelogen - wurden
die entsprechenden Themen doch an verschiedenster Stelle - so natürlich auch in der Kommission - eingebracht und thematisiert.
Die SVP hatte als
einzige Partei ein Konzept und als einzige Fraktion umfassende Anträge in die Debatte
zur Umsetzung von Art. 121a BV eingebracht; in den verschiedenen Kommissionssitzungen
waren es mehrere Dutzend Anträge. Es wurden auch verschiedene Prüfungsanträge
gestellt, welche Bundesrat und Verwaltung verpflichten sollten, Abklärungen zu
treffen, zum Beispiel zur quantitativen Auswirkung gewisser diskutierter
Beschränkungsmassnahmen. Ein grosser Teil dieser Abklärungsanträge wurde abgelehnt.
Die Kommissionsmehrheit war offensichtlich gar nicht daran interessiert, genaue
Fakten zu kennen. Wie oberflächlich die Diskussion bestritten wird, zeigt eine
weitere Aussage von FDP-Wortführer Fluri: ›Würden
bloss die Begriffe Höchstzahlen und Kontingente ins Gesetz geschrieben, ohne
diese zahlenmässig zu konkretisieren, würde dies gleichzeitig bedeuten, dass
wir die Kompetenz zur zahlenmässigen Definition dieser Begriffe dem Bundesrat
überlassen und übergeben würden‹.
Indessen regelt Art. 121a BV diese Frage explizit und spricht von jährlichen
Höchstzahlen und Kontingenten. Dies ist so gewollt. Eine fixe
Festsetzung im Gesetz widerspräche nicht nur der Verfassung, sondern könnte vor
allem auch die gesamtwirtschaftlichen Interessen nicht gebührend
berücksichtigen. Genau dies wurde in den Kommissionssitzungen, aber auch bei
den Besprechungen zwischen Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien wiederholt
zum Ausdruck gebracht. Kurt Fluri war an all diesen Sitzungen mit dabei.
Entgegen seinen Äusserungen wusste er also genau Bescheid.
29 SVP-Anträge
standen 9 anderen Anträgen gegenüber Die
Anträge der SVP bezogen sich auf die Vorgaben von Art. 121a BV: Die Leitplanken
der Bundesverfassung sind bei der Gesetzgebung nach Auffassung der SVP zwingend
einzuhalten. Die Ratsdebatte dokumentiert die Vorbereitungsarbeiten deutlich:
29 der 38 Anträge stammten aus der Feder der SVP. Von den anderen Parteien
stammten nur wenige Vorschläge. Das neue ›Konzept‹ der Mitte-Links-Allianz resultierte
aus der Fusion einiger CVP-, GLP- und FDP-Anträge, welche auf Wunsch der SP
redigiert wurden. Von den Anträgen, welche die Wirtschaftsverbände mit den
bürgerlichen Parteien diskutiert hatten, blieb nichts übrig. Dies kritisierte
auch CVP-Präsident Gerhard Pfister in einem Interview: ›Die Abmachung war ganz klar: Die FDP stellt in der Kommission den
Antrag mit dem Inländervorrang, die CVP jenen mit der Schutzklausel. (…) Was
Kollege Fluri dann gemacht hat, war das pure Gegenteil dessen, was abgemacht
war.‹ [Schweiz am Sonntag vom 25. 9. 2016] Diese
Aussage trifft zu.
Die Fakten:
- Art.
121a BV gibt ein klares Konzept vor. Die Schweiz muss ihre Zuwanderung
eigenständig steuern und dafür jährliche Höchstzahlen und Kontingente festlegen.
Bei der Festlegung dieser Massnahmen gilt ein Inländervorrang; zudem ist auf
die gesamtwirtschaftlichen Interessen Rücksicht zu nehmen. Internationale Verträge, welche diesen
Entscheiden widersprechen, sind bis Frühjahr 2017 neu zu verhandeln und
anzupassen.
-
Von 38 Anträgen, welche in der
Nationalratsdebatte vom 21. September diskutiert wurden, stammten 29 Anträge
von der SVP. Die anderen Parteien hatten kaum eigene Anträge in die
Kommissionsbehandlungen eingebracht bzw. sich zum Schluss der Beratungen auf
die Kombination einiger weniger Anträge geeinigt.
-
Die Abmachungen, welche in
Gesprächen zwischen Wirtschaftsverbänden, FDP, CVP und SVP getroffen worden
sind, wurden seitens der FDP verschiedentlich nicht eingehalten. Dass auch
economiesuisse am 22. 9. einen Schwenker machte und ein Vertreter besagter
Organisation die nationalrätlichen Beschlüsse als positiv bezeichnete, ändert
nichts an dieser Tatsache.
Seitens der
Wirtschaft wäre ein Konzeptvorschlag vorgelegen Die
Wirtschaftsverbände - vor allem der
Arbeitgeber-Verband - versuchten, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, welche sowohl
den Verfassungsvorgaben als auch den internationalen Abkommen Rechnung tragen. Das
Modell hätte in einer ersten Phase einen Inländervorrang vorgesehen. Die erste
Phase hätte auch einen harten Inländervorrang (Nachweispflicht der Unternehmen)
umfasst. In einer zweiten Phase wären ›regionale,
zeitlich begrenzte sowie berufsgruppenbezogene Höchstzahlen oder andere
Begrenzungsmassnahmen‹ vorgesehen
gewesen. Dies bezeichnete Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt als ›Notstopp, falls der
Inländervorrang nicht die gewünschte Wirkung entfaltet.‹ [Neue Zürcher Zeitung vom 31. 8. 2016]
Was
Kommission und Nationalrat nun beschlossen haben - eine fakultative Stellenmeldepflicht - entspricht dieser Idee in keiner Weise. Es
ist nachvollziehbar, dass CVP-Präsident Gerhard Pfister unzufrieden ist, ›weil unzählige lange Gespräche
zwischen den drei bürgerlichen Parteien und den Wirtschaftsverbänden mit einem
Federstrich Makulatur wurden. Das war Zeitverschwendung‹ [Schweiz am Sonntag vom 25. 9. 2016)]
Seiner Einschätzung ist beizupflichten.
Der Aufwand hat sich offensichtlich nicht gelohnt, nachdem namentlich die
Vertreter der FDP nun völlig andere Zielsetzungen vertreten und diametral
entgegenstehende Anträge einbringen. Pfister beschreibt die Situation vor der
Herbstsession wie folgt: ›Nach der
Kommissionssitzung sassen wir wieder mit den Wirtschaftsverbänden zusammen. Dort
war das Entsetzen gross. Umso mehr, als der ehemalige Präsident der FDP
der erste war, der im Ständerat beantragen wollte, was seine Leute in der
Nationalrats-Kommission abgelehnt hatten.‹ [Schweiz am Sonntag vom 25. 9. 2016]
Die Fakten:
- Die Aussage, die FDP habe ihre Position nie
geändert, ist falsch. Die FDP-Vertreter haben sich in den erwähnten
Sitzungen - soweit eine Abmachung
bestand - gegenüber den Anträgen der
Wirtschaftsverbände immer (explizit oder konkludent) positiv geäussert.
- Die Mitte-Links-Koalition hat offensichtlich
kein Interesse daran, die Migrationsprobleme zu lösen. Kurt Fluri bringt es auf
den Punkt: ›Die Zuwanderung kann
nicht so stark gebremst werden, wie manche sich das wünschen würden. (…) Wichtige
internationale Verträge sind höher zu gewichten als die eigene Verfassung.‹
[Südostschweiz am Sonntag vom 10. 9. 2016]
Die
Verweigerungshaltung von FDP, BDP und CVP stärkt
Ratslinke und Gewerkschaften. Indem sich die Mitte-Links-Parteien beharrlich
weigern, die Probleme der Zuwanderung zu lösen, riskieren sie die Einführung
weiterer flankierender Massnahmen. Immer mehr Einwanderer führen zu einer
zusätzlichen Belastung der Sozialwerke, zu steigender Arbeitslosigkeit, zu
einer massiven Beanspruchung der Infrastrukturen und zur zunehmenden Gefährdung
der öffentlichen Sicherheit.
Die Untätigkeit im
Migrationsbereich fördert dirigistische und bürokratische Lösungen.
Ein Beispiel hierfür ist der Kanton Tessin:
- Im ›Legge
sulle Imprese Artigianali‹ - Gesetz
über die Handwerksbetriebe - sieht der
Kanton Tessin vor, dass sich im Kanton tätige Handwerksbetriebe in ein
Handwerksregister eintragen müssen. Der bürokratische und kostenmässige Aufwand
ist unverhältnismässig. Der Ersteintrag kostet 2.000 Franken, die technische
Überprüfung der Berufskenntnisse ebenfalls bis zu 2.000 Franken, die jährliche
Nachführung des Registers 300 Franken. Diese Massnahme erinnert eher an das Zunftwesen im Mittelalter als an
eine moderne liberale Marktwirtschaft.
- Am 5. Juni 2016 haben die
Tessiner Stimmbürger einer Sonderabgabe für Parkplätze zugestimmt: Firmen und
Einkaufszentren mit über 50 Parkplätzen müssen künftig eine Gebühr entrichten, zwischen
Fr. 1.- und 3.50 pro Parkplatz. Diese soll auf die Angestellten, vor allem italienische
Grenzgänger, und die Kunden abgewälzt werden.
Wird auch künftig nichts unternommen, um die
Zuwanderung besser steuern zu können, werden ähnliche Massnahmen bald auch in
anderen Kantonen eine Mehrheit finden. Bereits heute spricht die SP von einer
Intensivierung der Arbeitsmarktkontrollen und von Entwicklung und Ausbau einer
öffentlichen Wohnung- und Bodenpolitik. Auch die Einführung einer
Einstellungspflicht für Unternehmen und ein weiterer Ausbau des Kündigungsschutzes
sind absehbar. Kurzum: Das Ende des freien Arbeitsmarkts.
Spannen die
Freisinnigen mit SP und Gewerkschaften zusammen? Bedenklich
ist: Nach erfolgter Debatte im Nationalrat ist zu befürchten, dass namentlich
die FDP den Gewerkschaften und der SP diesbezüglich entgegenkommt.
CVP-Präsident Gerhard Pfister bringt es auf den Punkt: ›Ihr werdet flankierenden Massnahmen zustimmen, die als
Inländervorrang getarnt sind. Ihr werdet im Ständerat mit dem Genfer Modell
kommen.‹ [Schweiz am Sonntag vom 25. 9. 2016] Pfister nimmt Bezug auf die Meldepflicht für
offene Stellen, welche der Kanton Genf für Staatsbetriebe kennt, sowie die
Anhörungspflicht valabler Kandidaten. Ähnlich argumentiert SVP-Präsident Albert
Rösti: ›Die FDP machte ein Päckchen
mit der SP. Es fragt sich, was die FDP der SP wohl in Sachen flankierende
Massnahmen versprochen hat. Wenn dieselbe FDP jetzt der SVP vorwirft, sie habe
zwei Jahre lang nichts gemacht, ist das unter aller Kanone. Das weise ich in
aller Form zurück.‹ [Schweiz am Sonntag vom 25. 9. 2016]
Fazit und nächste
Schritte Der
Beschluss des Nationalrats ignoriert die Vorgaben der Bundesverfassung. Eine eigenständige Steuerung der Migration ist
mit dieser Regelung nicht möglich; Höchstzahlen, Kontingente sowie ein
Inländervorrang sind nicht vorgesehen. Die fakultative Stellenmeldepflicht,
welche beschlossen worden ist, entspricht einer Nulllösung. Vor diesem
Hintergrund wurde am 25. September 2016 die Volksinitiative ›Prima i nostri‹ angenommen, welche explizit einen Inländervorrang vorsieht. Im
Gegensatz zum Beschluss des Nationalrats entspricht die Tessiner Initiative den im
Art. 121a BV statuierten Grundsätzen. Aus diesem Grund ist die
entsprechende Änderung der Tessiner Kantonsverfassung auch von der
Bundesversammlung zu gewährleisten.
Dieses
Modell des kantonalen Inländervorrangs könnte Schule machen – wenn der
Ständerat nicht auf eine Lösung einschwenkt, welche die Verfassung respektiert.
Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Und der Druck aus der Bevölkerung ist gross.
Quelle:
SVP Editorial vom 29. September 2016
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