Ukrainische Oligarchen - ungebrochen an der Macht 08.10.2016 21:20
Der nachfolgend veröffentlichte Bericht von »German Foreign Policy«
ist
nicht der erste dieser Art; eine umfassende Analyse der Machenschaften dieser ›Kategorie‹ hat GFP bereits in dem Bericht
Die
Ukraine und ihre Oligarchen
erstellt; was die gegenwärtige Situation angeht, so ergibt sich das
nachfolgende Bild:
»Der
von Berlin forcierte Umsturz in Kiew hat die Macht
der verhaßten ukrainischen Oligarchen nicht gebrochen, sondern sie
lediglich transformiert. Dies geht aus einer aktuellen Analyse des offiziösen
Warschauer ›Zentrums für Oststudien‹ hervor. Demnach können sich
ukrainische Oligarchenclans - wenn auch zum Teil
andere als vor 2014 - unter dem Schutz der EU heute weiterhin selbst
bereichern. Vor allem Präsident Petro Poroschenko, der lange von der
Bundesregierung favorisiert wurde und das Präsidentenamt nicht zuletzt Berlin verdankt,
erzielt in seiner Eigenschaft als Unternehmer hohe Profite. Weitere
Milliardäre sitzen an Schaltstellen im Kiewer Machtapparat. Erste Oligarchen
üben zudem offen Kritik an der Assoziierung der Ukraine an die EU. Berlin hat
aktiv dazu beigetragen, daß die Macht der ukrainischen Oligarchen fortbesteht.
Die ›Revolution der
Würde‹ Den
aus Berlin massiv unterstützten Umsturz liberaler, konservativer und
faschistischer Kräfte in der Ukraine im Februar 2014 hatten deutsche Medien und
Regierungsvertreter zur ›Revolution
der Würde‹ gegen die berüchtigten
Seilschaften der ukrainischen Oligarchen erklärt. Auch die staatsfinanzierte ›Deutsche
Welle‹ sprach davon, die Ukrainer
hätten mit dem Staatsstreich die Demokratie gewählt: Sie »wollen den
Rechtsstaat«, hieß es. [1] Die Bundesregierung stellte explizit fest, ›politische Macht‹ bedürfe ›der
demokratischen Legitimierung‹, und
wandte sich damit direkt gegen die Herrschaft der ukrainischen Milliardäre. [2] In
ihrer praktischen Politik ließ sie allerdings nichts erkennen, was dieser
Stellungnahme Rechnung trug - im Gegenteil. Schon die Ende Februar 2014
gebildete Kiewer Umsturzregierung stützte sich unmittelbar auf Oligarchen [1], ohne daß Berlin Einspruch erhob.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat im Frühjahr 2014, um politische
Fortschritte zu erzielen, sogar mehrmals direkt mit einflußreichen Oligarchen verhandelt.
Ungebrochene
Kontinuität Dementsprechend
konnten die ukrainischen Oligarchen ihren Einfluß über den Umsturz hinweg ohne
größere Schwierigkeiten bewahren. Dies belegt nun eine aktuelle Studie des
Warschauer ›Zentrums für Oststudien‹ [O?rodek Studiów Wschodnich, OSW],
das vom polnischen Außenministerium finanziert wird. Dem OSW zufolge wurde seit
dem Frühjahr 2014 kein einziger Oligarch vor Gericht gestellt, keine einzige
Privatisierung aus der Amtszeit von Präsident Wiktor Janukowitsch wurde
zurückgenommen. [3] Wenn die Kiewer
Regierung nach dem Staatsstreich tatsächlich einmal Maßnahmen gegen einzelne
Magnaten ergriff, dann geschah dies in der Regel auf Veranlassung anderer
Oligarchen, um ihren Konkurrenten zu schaden. Allerdings gab es
Machtverschiebungen: Wenngleich die bis Anfang 2014 dominierenden Milliardäre
zwar weiterhin neue Unternehmen kaufen konnten, aber einen Einflußverlust
hinnehmen mußten, gesellten sich neue Geschäftsmänner hinzu, die das Land
seitdem wirtschaftlich und politisch mitdominieren - nicht zuletzt Oligarchen
aus dem Umfeld des Oligarchenpräsidenten Petro Poroschenko.
Profitables
Präsidentenamt Poroschenko,
der bis zum Staatsstreich im Jahr 2014 nur der zweiten Liga der ukrainischen
Oligarchen zugeordnet worden war, ist derjenige
Milliardär des Landes, der von der Entwicklung in der Ukraine seit 2014
geschäftlich am meisten profitiert. Er ist der einzige der ukrainischen
Oligarchen, der, wie berichtet wird, selbst im Rezessionsjahr 2015 sein persönliches Vermögen vermehren konnte. [4] Laut Angaben des ukrainischen
Wirtschaftsministeriums brach das Bruttoinlandsprodukt des Landes im
vergangenen Jahr um 10,4 % ein. Für dieses Jahr
erwarten Experten einen noch drastischeren Absturz der Wirtschaftskraft
des Landes. Unabhängig davon floriert das Konzernimperium des
Staatsoberhauptes: Mehrere Konzerne unter Poroschenkos Kontrolle profitieren
von Staatsaufträgen; seine neu gegründete Holding ›International Investment Bank‹
konnte ihre Bilanzsumme im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um 85 % steigern.
[4]
Die
Anziehungskraft der Oligarchen Als
exponiertester Zögling der deutschen Außenpolitik in der Ukraine galt lange
Zeit der Ex-Boxer Witali Klitschko. Klitschko verdankte seine anfängliche
Popularität nicht zuletzt der Tatsache, daß er eine erfolgreiche Karriere
absolviert hatte, ohne von den verhaßten Oligarchen abhängig zu sein. Seine
Partei UDAR erhielt vor allem in der Gründungsphase direkte Hilfe von der CDU
und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mit dem Staatsstreich im Frühjahr 2014
wechselte diese in die neu geschaffene Regierungskoalition und Klitschko begann
umgehend, seine Kooperation mit führenden Oligarchen des Landes, die er in den
Jahren als Zögling der Berliner Außenpolitik aufgebaut hatte, zu intensivieren.
Bereits kurz nach der Regierungsbildung Ende Februar 2014 trafen sich Klitschko
und Poroschenko mit Dmitro Firtasch, einem der einflußreichsten Oligarchen der
Ukraine, in Wien, wo Firtasch wegen einer Strafanzeige in den USA festsaß. [5] Laut
Recherchen der britischen Zeitung ›The
Guardian‹ steckte hinter dem
juristischen Vorgehen gegen ihn das Kalkül, ihn wegen seiner Beziehungen nach
Rußland politisch kaltzustellen. Unmittelbar nach dem Treffen gab Klitschko den
Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur zugunsten von Poroschenko bekannt.
Firtasch ist Besitzer des Fernsehsenders TV Inter, der kürzlich von rund 20
ukrainischen Nationalisten überfallen und verwüstet wurde. [6]
Der
Strippenzieher Einer
der einflußreichsten Politiker im Umfeld des amtierenden Präsident ist laut
Beobachtern der ukrainische Oligarch Ihor Kononenko. Poroschenko und er
verrichteten in den 1980er Jahren gemeinsam Militärdienst in der sowjetischen
Armee und sind seit der Transformation der Ukraine in einen kapitalistischen
Staat Geschäftspartner. Kononenko gilt als Schlüsselfigur in der
Parlamentsfraktion der Partei ›Block
Petro Poroschenko‹. Der in Kiew
geborene Mann, der als ›graue Eminenz‹ des ›Systems Poroschenko‹
bezeichnet wird [7], kontrolliert seit
seinem Einzug ins Parlament das nominelle Staatsunternehmen ›Centrenergo‹, das 14 % der in der Ukraine verbrauchten Energie produziert. [3]
Oligarch aus
Moskau Ein
weiterer Oligarch im Umfeld von Präsident Poroschenko ist Konstantin
Grigorischin. Der russische Staatsbürger ist seit zehn Jahren ebenfalls ein
Geschäftspartner des derzeit amtierenden ukrainischen Präsidenten. Der frühere
Premierminister Arsenij Jazenjuk hat den in Moskau lebenden Grigorischin als ›Agenten des FSB‹, also des russischen Geheimdienstes, bezeichnet. Zu Grigorischins
ausschließlich in der Ukraine tätigen Firmen gehören der
Transformatorenhersteller Zaporoschtranformator, das Stahlunternehmen
Dneprospetsstal und diverse ukrainische Häfen. Seine Unternehmen zählen zu den
profitabelsten des Landes - trotz wirtschaftlicher Rezession.
EU-Kritiker Dem
unmittelbaren Umfeld des Präsidenten gehört schließlich der Oligarch Jurij
Kosiuk an. Er leitet das größte ukrainische Agrarunternehmen und gilt als
einflußreicher Vertreter der Agrarlobby des Landes. Ganz wie Poroschenko baute
Kosiuk seine Unternehmen in der mittelukrainischen Oblast Winnyzja auf, wo auch
der heutige Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman von 2006 bis 2014 als
Bürgermeister der Großstadt Winnyzja Karriere machte - bevor
er Ende Februar 2014 Mitglied der Umsturzregierung in Kiew wurde. Poroschenko
ernannte Kosiuk zunächst zum stellvertretenden Administrationschef für die
Aufsicht über den Verteidigungs- und Sicherheitssektor. Ende 2014 mußte er
allerdings von dem Posten zurücktreten, da er für seine eigenen Firmen zu
offensichtlich gearbeitet hatte. Poroschenko machte ihn daraufhin zu seinem
Berater. Im Frühjahr 2016 gab Kosiuk ein Interview, in dem er die Assoziierung
der Ukraine mit der Europäischen Union kritisierte: Es handle sich nicht um ein
Freihandelsabkommen, da die EU ihren Markt für ukrainische Agrarprodukte nicht geöffnet
habe, erklärte er. Die Assoziierung bringe nur Vorteile für eine Seite - und
zwar für die EU. Zum ersten Mal seit dem Frühjahr 2014 übte damit ein Kiewer
Regierungspolitiker offen Kritik an der EU.
Ökonomische
Realitäten Tatsächlich
bleibt die Ukraine trotz ihrer spektakulären Abwendung von der Eurasischen
Union ökonomisch eng an deren Mitgründer Rußland und Belarus gebunden. Noch 2015
kamen 26,5 % der ukrainischen Importe aus diesen beiden Ländern; Rußland war
vor der Türkei, China und Ägypten wichtigster Abnehmer ukrainischer Waren,
während sich Polen und Italien, die jeweils 5,2 % der ukrainischen Ausfuhr kauften, als erste
EU-Staaten auf der ukrainischen Exportrangliste nur Rang fünf teilten. Selbst
für die Belieferung der neugegründeten ukrainischen Nationalgarde mit
Lastkraftwagen greift der Bogdan-Autokonzern - im Besitz des Präsidenten
Poroschenko - auf eine Lizenz des belarussischen Unternehmens MAZ zurück.
Der
seit nunmehr zweieinhalb Jahren forcierte Pro-EU-Kurs der Ukraine hat an diesen
ökonomischen Realitäten nichts geändert; die von Berlin mit an die Macht gebrachte
neue Oligarchenriege um Poroschenko tut das ihre dazu.«
Anmerkung politonline: Zur Wahl des US-handverlesenen Petro
Poroschenko, Milliardär und Oligarch, zum Präsidenten der Ukraine hatte die ›Bürgerrechtsbewegung Solidarität‹ vermerkt: »Mit diesem steht erstmals ein Vertreter der Oligarchen
direkt an der
Spitze des Staates. Das ukrainische Volk, egal ob pro-EU oder
rußlandfreundlich, hat gleich zweimal verloren. Einerseits hat man den
EU-Forderungen nach einer extremen Sparpolitik nachgegeben und damit die
weitere Verarmung der Bevölkerung auf lange Zeit festgeschrieben. Andererseits
wird das militärische Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung im Süden und Osten
des Landes verschärft und damit die Gräben zwischen den Landesteilen noch
vertieft. Poroschenko selbst blickt auf eine Karriere als einer der Finanziers
der ›orangenen
Revolution‹ von 2004, als Direktor
der Zentralbank, Außenminister und Vorsitzender des Nationalen Sicherheits- und
Verteidigungsrats unter Präsident Juschtschenko sowie als Wirtschaftsminister
unter Janukowitsch zurück; zuletzt trat er als Finanzier des Euromaidan auf.«
Laut
dem Wirtschaftsmagazin ›Forbes‹ befand sich Poroschenko 2013 auf
Platz sieben der ukrainischen Oligarchen mit einem geschätzten Vermögen von 1,6
Milliarden $, während das polnische Nachrichtenmagazin ›Wprost‹ sein Vermögen
2005 auf lediglich ca. 350 Millionen $ geschätzt hatte. Wie die ›Neue Rheinische Zeitung‹ am 28. 5. 2015 festhielt, »waren die Einnahmen von Poroschenko einer Meldung von BBC zufolge innerhalb
seines ersten Jahres als Präsident der Ukraine um das Siebenfache gewachsen.
Wie dabei betont wurde, geschah das trotz des fatalen Rückgangs der
ukrainischen Wirtschaft und der Schwierigkeiten, auf die Poroschenkos Business
in Rußland stieß. Hatte Poroschenko 2013 Gesamteinnahmen von umgerechnet mehr
als 2 Millionen $ deklariert, so waren es 2014 bereits mehr als 17 Millionen $.
90 % davon machten Dividenden und Bankzinsen aus. Eine mögliche, allerdings
nicht erschöpfende Erklärung wäre der Kursrückgang der nationalen Währung
Griwna 2014. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Poroschenko von seinen
Devisenkonten beim Anstieg der Devisenkurse profitierte. Trotz seines
Wahlversprechens hat Poroschenko seine Unternehmen nicht verkauft. Neben seiner
Süßwarenfabrik Roshen, die ihre Einnahmen innerhalb eines Jahres verneunfachte,
gehören ihm mehrere Lebensmittelgeschäfte, Glas- und Stärke-Fabriken, eine
Versicherungsfirma, eine Investmentbank sowie mehrere TV- und Radiosender.«
Dies obgleich die Bekämpfung der ›Oligarchen-Wirtschaft‹ von der Regierung
in Kiew zu einem der Hauptziele der Wirtschaftsreformen in der Ukraine erklärt
worden war. Hinzu kommt, dass Kiew im Gegenzug für internationale Kredite in
Höhe von 40 Milliarden $ das Sozialsystem abbauen und sowohl das
Gesundheitssystem als auch den Bildungssektor privatisieren muss.
Einen Überblick über die in die
Ukraine fliessenden horrrenden Summen, mit denen der Steuerzahler ausgebeutet
wird, vermittelt der Artikel
Der
Steuerzahler: Erbarmungslos gerupft
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59455 6. 10. 16 Zauberlehrlinge
(III)
[1]
Bernd Johann: Kommentar: Revolution der
Würde in der Ukraine - www.dw.com vom 21. 11. 2014
[2] Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage von Sevim Dagdelen et al.: Möglicher Regime-Change in der Ukraine
mit der extremen Rechten. Deutscher Bundestag, 18/863 vom 18. 3. 2014
[3] Wojciech Kono?czuk: Keystone of the
System - Old and New Oligarchs in Ukraine; Studie des O?rodek Studiów
Wschodnich, Nr. 59 vom August 2016 [4]
Reinhard Lauterbach: Bilanzen eines
Präsidenten. junge Welt vom 8. 9. 2016
[5] Firtasch: Treffen mit Klitschko?,
wien.orf.at vom 4. 4. 2014
[6] Shaun Walker: Caught between Russia
and the US? The curious case of Ukraine's Dmytro Firtash, theguardian.com vom
23. 1. 2016
[7] Julia Smirnova: Wichtiger Reformer
rechnet mit Poroschenkos Staat ab, welt.de vom 4. 2. 2016.
|