Eher Missbrauch statt Menschenrecht 27.11.2016 23:20
Der Europäische Gerichtshof habe in jüngster Vergangenheit jegliches Augenmass verloren
kommentiert Markus Melzl, Sprecher der
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Die SVP hat Mitte August dieses Jahres die
Selbstbestimmungs-Initiative »Schweizer
Recht statt fremde Richter« bei der
Bundeskanzlei eingereicht. Dabei soll das Verhältnis zwischen Landesrecht und
internationalem Recht geklärt sowie festgeschrieben werden, dass das
schweizerische Recht und die Bundesverfassung die oberste Rechtsquelle sind.
Die Eidgenössische Bundesverfassung steht über dem Völkerrecht und die Schweiz
wahrt somit die Menschen- und Grundrechte eigenständig; vorbehältlich bleiben
die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.
Die Gegner der Selbstbestimmungs-Initiative erwecken
nun den Anschein, dass die Schweiz ein finsterer Schurkenstaat wäre, und unterschlagen,
dass sämtliche Grundrechte in unserer Bundesverfassung umfassend
festgeschrieben sind. Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
festgehaltenen Menschenrechte und Grundfreiheiten sind also nichts Neues unter
der Sonne. Die Rechtssicherheit in der Schweiz ist vollumfänglich gewahrt und
es stellt sich die Frage, weshalb gewisse politische Kreise ein derart tiefes
Misstrauen gegenüber unserem Rechtssystem hegen und dem Schweizerischen
Bundesgericht die Urteilsfähigkeit weitgehend absprechen.
Nun ist es aber so, dass der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte in der jüngsten Vergangenheit jegliches Augenmass verloren
hat, und es macht den Anschein, dass die Euro-Richter in Strassburg die Schweiz
mit einer gewissen Genugtuung sanktionieren. Die SelbstbestimmungsInitiative
fordert nicht die Kündigung der EMRK, nimmt diese aber in Kauf. Und das ist
auch gut so. Wir können sehr wohl auf ein Gericht verzichten, welches die
Überwachung einer Person, die des Versicherungsbetrugs verdächtigt wird - oder einer afghanischen Flüchtlingsfamilie
im Widerspruch zu Schengen/Dublin den Verbleib in der Schweiz gestattet, obwohl
diese in Italien bereits ein Asylgesuch gestellt hat - im öffentlichen Raum verbietet.
Zudem haben sich die Strassburger Richter mit einer
Versicherungsstreitigkeit im Zusammenhang mit der
Geschlechtsumwandlung einer nahezu 70jährigen transsexuellen Person
befasst, was wohl auch nicht gerade eine Menschenrechtsfrage ist.
Schliesslich unterläuft der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte die von Volk und Ständen angenommene Initiative für die
Ausschaffung krimineller Ausländer mit einer beinahe boshaften Regelmässigkeit
und desavouiert dadurch nicht nur das Schweizerische Bundesgericht, sondern
auch den Schweizer Souverän. Bevor jetzt aber eine vertiefte politische
Diskussion zur Selbstbestimmungs-Initiative einsetzt, verfallen die Gegner
reflexartig in Schnappatmung und gründeten den Verein ›Schutzfaktor M‹. Auf
ihrer Website halten die Vereinsverantwortlichen fest, dass die EMRK nach dem
Zweiten Weltkrieg als Mindeststandard an Menschenrechten definiert wurde, um
Demokratien zu fördern und Frieden zu sichern. Es bleibt die Frage, ob der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Verein ›Schutzfaktor M‹
überhaupt realisieren, wie stark sich das Strassburger Gericht schon lange von
seinem Gründungsgedanken verabschiedet hat.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das ›M‹
im Vereinsnamen Schutzfaktor ›M‹ sowohl als ›Menschenrechte‹ wie
auch als ›Missbrauch‹ interpretiert werden kann.
Quelle: http://bazonline.ch/schweiz/eher-missbrauch-statt-
menschenrecht/story/19054799 18. 11.
16
|