Die USA und ihre Eingriffe 04.12.2016 21:52
Unter dem Titel »Auf dem Weg zur Autonomie« hat »German Foreign Policy«
seinen
nachfolgenden Bericht veröffentlicht:
Aktuelle
Medienberichte legen erstmals US-amerikanische Eingriffe in deutsche Geschäfte
mit mißliebigen Staaten detailliert offen. Demnach intervenieren US-Behörden
direkt bei deutschen Unternehmen, die etwa Finanztransaktionen mit dem Iran
durchführen; dabei hat Washington immer wieder durchgesetzt, daß in Deutschland
legale Geschäfte eingestellt und zuständige Angestellte und Vorstände
entlassen wurden. Begründet wird dies damit, daß Firmen, die Standorte
in den Vereinigten Staaten unterhalten, sich US-Recht zu unterwerfen hätten;
dazu zählen auch bilaterale US-Sanktionen etwa gegen den Iran. In der Tat
gelingt es Washington damit, nationales US-Recht faktisch auf andere Staaten,
darunter Deutschland, zu übertragen. Aktuellstes Beispiel sind Überlegungen in
Washington, ein Veto gegen die Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers
Aixtron durch einen chinesischen Konzern einzulegen; worüber US-Präsident
Barack Obama am 2. 12. entscheiden sollte. Die
Berichte über die US-Praktiken werden während einer Umbruchphase bekannt, in
der Berlin mit Macht EU-Streitkräfte zu bilden sucht, um eine ›strategische Autonomie‹ zu erreichen und eine Weltmacht zu
werden. Für die ersehnte ›Supermacht
Europa‹ wären anmaßende
US-Interventionen in die deutsch-europäische Wirtschaft ein nicht akzeptables
Tabu.
Probleme im Iran-Geschäft Aktueller
Hintergrund der erwähnten Berichte ist, daß das deutsche Iran-Geschäft nach dem
Abschluß des Nuklearabkommens mit Teheran vom 14. Juli 2015 noch immer nicht im
erhofften Maße boomt. Eine wichtige Ursache dafür liegt darin, daß die
führenden deutschen Banken sich weiterhin weigern, Handel und Investitionen im
Iran zu finanzieren. Dies wäre nach geltender deutscher und internationaler
Rechtslage nach dem Ende der Sanktionen zwar ohne weiteres möglich. Doch
halten die Vereinigten Staaten an bilateralen Sanktionen fest. Firmen,
die in den USA tätig sind, müssen sich danach richten; verstoßen sie gegen
bilaterale US-Boykotte, haben sie Strafmaßnahmen aus Washington zu gewärtigen.
So mußte sich etwa die Commerzbank im März 2015 verpflichten, im Rahmen eines
Vergleichs 1,45 Milliarden US-$ an die US-Behörden zu zahlen, weil sie mit der
staatlichen iranischen Reederei IRISL - Islamic Republic of Iran Shipping Lines
- von 2002 bis 2007 Geschäfte gemacht hatte; diese waren sowohl nach deutschem
wie auch nach europäischem Recht legal, widersprachen jedoch US-Vorschriften.
Faktisch gelingt es Washington mit Schritten wie diesem, das nationale US-Recht
auf fremde Länder zu übertragen. Von deutschen Konzernen wurde diese Anmaßung
meist zähneknirschend akzeptiert, da das US-Geschäft
ihnen herausragende Profite versprach.
»Mit dem lieber nicht« Frappierende
Ähnlichkeiten weist ein zweites Beispiel auf. Bei dem Betroffenen handelt es
sich um einen ehemaligen Angestellten der Commerzbank, der für die Abwicklung
der erwähnten Geschäfte mit der iranischen Reederei IRISL zuständig war. Auch
seine Aktivitäten werden als völlig legal eingestuft; Verstöße gegen das Recht
der involvierten Staaten sind nie nachgewiesen worden. Dennoch erhielt er im
März 2015, als die Commerzbank sich wegen ihrer IRISL-Deals zur Zahlung von 1,45
Milliarden US-$ an die Washingtoner Behörden verpflichten mußte, die Kündigung.
Gegen diese ist er gerichtlich vorgegangen und hat bisher zweimal Recht
bekommen; die Richter bestätigten, er sei ›wegen
des Drucks durch einen Dritten‹
gesetzwidrig entlassen worden. Aktuell liegt sein Fall in der Revision beim
Bundesarbeitsgericht in Kassel. Seine berufliche Karriere scheint ruiniert. »Potentielle
Arbeitgeber ... fürchten, daß sie Schwierigkeiten mit den Amerikanern bekommen,
wenn mein Name auftaucht«, erläutert der ehemalige
Commerzbank-Angestellte: »Da sagen sie sich: ›Mit dem lieber nicht‹.« [1]
Veto aus Washington Gravierende
US-Eingriffe in deutsche Geschäfte erfolgen nicht nur im Fall des Irans. Für
den 2. 1. 16 wird eine Entscheidung über die angestrebte Übernahme des
deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch die chinesische Fujian Grand Chip
Investment (FGC) erwartet - allerdings nicht in Berlin, sondern in Washington.
Dort hat, wie kürzlich bekannt wurde, das Committee on Foreign Investment in
the United States (CFIUS) Einspruch gegen die Transaktion erhoben. [2] Das
CFIUS erklärt sich für zuständig, da die deutsche Aixtron in den USA einen
Entwicklungsstandort unterhält. Das Gremium wird von US-Regierungsvertretern
gebildet, darunter der Nationale Sicherheitsberater und US-Geheimdienste sind
mit beratender Funktion vertreten. Wie das CFIUS nun behauptet, müsse die
Übernahme abgewehrt werden, da sie die Sicherheit der Vereinigten Staaten
gefährde: Die von Aixtron produzierten Anlagen könnten auch zu militärischen
Zwecken genutzt werden. Auf Intervention aus Washington hat
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine bereits erteilte Genehmigung für
die Übernahme zurückgezogen. Die Entscheidung, ob der US-Präsident auf seinem faktischen Veto beharrt war für den 2. 12.
angekündigt.
Supermacht Europa Die
aktuellen Berichte über die US-Eingriffe fallen in eine umbruchsreiche Zeit.
Als vor rund 11 Jahren die weltweite Verschleppung und Folter Verdächtiger
durch die CIA sowie die Beteiligung staatlicher deutscher Stellen daran bekannt
wurden, blieben Konsequenzen weitestgehend aus; Berlin deckte Washington, auch um
seine eigenen Praktiken zu verschleiern. Als vor mehr als drei Jahren die
skandalösen NSA-Abhörmethoden ans Licht der Öffentlichkeit gerieten, da suchte
Berlin die deutsche Beteiligung zu vertuschen, distanzierte sich jedoch
erstmals von Washington [›Abhören
unter Freunden, das geht gar nicht‹]
und ging daran, seine eigenen Geheimdienste systematisch aufzurüsten, mit dem
Ziel, von den Vereinigten Staaten langfristig unabhängig zu werden. Aktuell
steht die Bundesrepublik inmitten einer Kampagne, die darauf abzielt, die EU
mit schlagkräftigen Streitkräften auszustatten, die eine ›strategische Autonomie‹
und damit erstmals echte Eigenständigkeit gegenüber den USA erlangen sollen.
Einer solchen Eigenständigkeit stehen US-Eingriffe in die deutsche Wirtschaft
freilich diametral entgegen. Die Bundesregierung hat sich bislang noch nicht zu
den Medienberichten über die US-Interventionen bei der Deutschen Forfait AG
sowie bei der Commerzbank geäußert. Der Gedanke, sich auf dem Weg zur
Supermacht Europa - so Federica
Mogherini - derartige Einmischungen
offiziell oder doch zumindest über diplomatische Kanäle zu verbitten, da sie
nun schon öffentlich thematisiert werden, liegt nicht fern.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59495 2. 12. 16
Auf dem Weg zur Autonomie
[1] Stefan Buchen, Rainer Hermann: Die Falle schnappt zu. Frankfurter
Allgemeine Zeitung 01.12.2016. Stefan Buchen: Imperiales Gehabe: der lange Arm
der US-Gesetze. daserste.ndr.de 1. 12. 2016 [2]
Obama soll über Aixtron-Übernahme entscheiden. Frankfurter Allgemeine Zeitung
21.11.2016
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