Notiz zu Georgien 30.06.2019 23:54
Wie einem Bericht von Helmut Kunkel zu entnehmen ist, »wird Georgien durch
westliche NGOs und Geheimdienste destabilisiert. Für die Woche vom 18. bis 23. Juni war in Georgiens Hauptstadt Tiflis schon seit längerem die »Tbilissi Pride« anberaumt gewesen, die erste Parade der LGBT-Anhänger [LGBT steht bekanntlich für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender sowie solidarisch für alle weiteren Sexualitäten]. Daraufhin hatten sich in diesem Land mit starker christlich-orthodoxer Prägung nicht nur Vertreter der Kirche, sondern auch weite Teile der Bevölkerung mit Empörung gegen diese von vielen als unsittlich empfundene Zurschaustellung gewendet, was einige Tage lang zu spontanen Massenversammlungen von Menschen führte, die die
Parade verhindern wollten. Angeführt wurde die Gegenbewegung von dem
Geschäftsmann Levan Vasadse, einem ehemaligen populären georgischen
Rugby-Spieler. In einer Videoansprache vom 15. Juni sagte Vasadse: »Ich wende
mich an jene, die die Genehmigung für die Parade erteilt haben – Bidsina
Ivanischwili oder wer auch immer. Laßt es euch gesagt sein: Wir werden nicht
zulassen, dass die LGBT-Aktivisten eine öffentliche Veranstaltung durchführen,
wo auch immer das geschehen mag: In Kinos, in Parks, auf der Straße, auf Bergen
oder Seen, wir werden euch überall finden, wir werden jede Absperrung
durchbrechen, und wir werden euch überwältigen!« Tausende von Menschen folgten
dem Aufruf, darunter auch zahlreiche Muslime, die ebenfalls für den Erhalt
moralischer Werte kämpfen wollen. »Dieser Aktionsplan ist dem Schutz und der
Wiederherstellung der Ordnung in Georgien gewidmet«, erklärte Vasadse. Ab dem
18. Juni sollte die von ihm gegründete Privatmiliz durch Tbilissi patrouillieren.
Am 16. Juni hielt Vasadse dann im Vere-Park vor
Tausenden von Demonstranten eine öffentliche Rede, in der er zum aktiven
Widerstand gegen die Parade aufrief. Freiwillige, so Vasadse, sollten sich der ›Öffentlichen Legion‹ anschließen, um den Teilnehmern der
Parade keine Gelegenheit zu ihrer Veranstaltung zu geben.
Unterdessen hatte auch das georgisch-orthodoxe
Patriarchat die Regierung aufgefordert, die Parade nicht zuzulassen. So sagte
Erzbischof Jakob: »Es mag in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche
Regeln geben, aber es ist nicht notwendig, diese auch hierzulande einzuführen.
Ich rufe alle Liberalen dazu auf, davon abzulassen, unsere Bevölkerung mit
Moralterror unter Druck zu setzen«. [1]
Die Veranstalter der Parade schlugen Alarm, da sie
ihre Rechte bedroht sahen, und so nahm sich das Innenministerium der Sache an,
um zu prüfen, ob der Tatbestand einer illegalen Formationsgründung gemäß
Artikel 223, Paragraph 1 des georgischen Strafgesetzbuches gegeben war; dieses
ließ verlauten, die Rechte der Versammlungsfreiheit schützen zu wollen,
unabhängig von politischen oder religiösen Ansichten und sexueller
Orientierung, und rief alle Bürger dazu auf, sich an Recht und Ordnung zu
halten.
In seiner öffentlichen Ansprache vom 16. 6. bezichtigte
Vasadse insbesondere die US-Botschaft, aber auch die Botschaften der EU sowie
von George Soros unterstützte NGOs, nicht nur Georgien, sondern
allgemein der traditionell christlich orientierten westlichen Welt eine
globalistische, neoliberale Weltsicht aufzuzwingen. Der starke Einfluß der
US-Botschaft in Tiflis begann bereits 2002, als der amerikanische Botschafter
Richard Miles in die georgische Hauptstadt entsandt wurde, um dort einen
»NATO-freundlichen Staatsstreich zu organisieren«
[2], der als ›Rosenrevolution‹ bekannt wurde. Es ging damals um eine
von den USA geplante Pipeline von Aserbaidschan durch Georgien bis ans
türkische Mittelmeer. Miles bereitete den in den USA vorgeschulten Mikheil
Saaksaschwili gezielt auf den Putsch vor, der dann 2004 auch gelang. Schon
damals wurde Saakaschwilis Wahlkampagne von George Soros’ ›Open Society Foundation‹
unterstützt«.
Wie Helmut Kunkel im weiteren darlegt, »ist die US-Botschaft in Tiflis seither ein
wesentliches Steuerelement zur Durchsetzung US-amerikanischer Interessen in
Georgien, das für die USA auch als direkter Nachbar Rußlands ein Land von hoher
strategischer Bedeutung ist. Beispielsweise entsandte Barack Obama 2012 Richard
Norland, der gleichzeitig außenpolitischer Berater der US-amerikanischen
Heeresleitung ist, als Botschafter nach Tiflis.
Im Mai 2015 veröffentlichte die
US-Botschaft in Georgien auf ihrer Website ein Statement von Barack
Obama, das keinen Zweifel daran läßt, dass die Verbreitung von LGBT-Propaganda
in Washington zur Chefsache erhoben wurde: ›Michelle
und ich schließen uns unseren amerikanischen und anderen Mitbürgern auf der
ganzen Welt an, um morgen, am 17. Mai, dem Internationalen
Tag gegen Homophobie und Transphobie zu gedenken. Wir nutzen diese
Gelegenheit, um zu bekräftigen, dass lesbische, schwule, bisexuelle und
transsexuelle Rechte Menschenrechte sind, dass wir die Würde jedes Menschen
feiern, und wir nutzen sie ebenso dazu, zu unterstreichen, dass alle Menschen
es verdienen, frei von Angst, Gewalt und Diskriminierung zu leben, unabhängig
davon, wer sie sind oder wen sie lieben. Auf dieses Ziel arbeiten wir Tag für
Tag hin‹. [3]
In einem Interview vom 19. Juni mit ›CBN News‹ analysierte Levan Vadadse die neoliberalen Einflüsse noch weiter.
»Wir wissen, dass es das häßliche Erbe der beiden letzten Jahrzehnte liberaler
Vorherrschaft ist, von der die Welt nach dem Zusammenbruch des Marxismus
befallen wurde. Als wir in der Sowjetunion lebten, sehnten wir uns nach
westlicher Freiheit. Für uns waren die Vereinigten Staaten die ›leuchtende Stadt auf dem Hügel‹, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit,
Freiheit des privaten Unternehmertums..… Wir hatten allerdings keine Ahnung,
dass zu diesem Zeitpunkt eine Erosion der westlichen oder amerikanischen Werte
vonstatten ging«.
In unserem armen Land, in dem zu Zeiten der
Sowjetunion 1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebte, ist der
Anteil jetzt auf 10 % angewachsen. Unsere Bevölkerung ist mittlerweile auf die
Hälfte geschrumpft: Von 6 Millionen auf 3 Millionen. Das wiederum liegt zum
großen Teil an der grenzenlosen liberalen Propaganda zur Abtreibung. Die UNO
hat uns in die Liste gefährdeter Staaten und gefährdeter Sprachen aufgenommen.
Im Grunde stehen wir vor unserer Auslöschung. Was jetzt geschieht, ist so etwas
wie der letzte Nagel für den Sarg unserer Nation. [4]
Vasadse hatte auch eine Botschaft an den
amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die er auf einer Kundgebung am 16. Mai
auf Englisch vorgetragen hat:
»Sehr geehrter Präsident Donald Trump, wir sprechen zu Ihnen aus Tbilissi, dem Herzen
Georgiens, das eines der ältesten christlichen Länder der Welt ist. Wir sind
hier versammelt, um unsere Nation vor einer Auferlegung unannehmbarer pseudomoralischer Werte zu schützen. Niemand in Georgien verfolgt,
niemand unterdrückt, niemand bedrängt Menschen mit sexueller Desorientierung.
Aber gleichzeitig haben wir ein sehr starkes Bewußtsein für Tugend und Sünde.
Sünde ist etwas, wofür man sich schämen muß, und wir werden nicht zulassen,
dass Sünde normalisiert, verherrlicht und gefeiert wird. Das ist nicht unsere
Art. Als Sie für das Amt des Präsidenten kandidierten, haben Sie dem
amerikanischen Volk gegenüber erklärt, dass die Außenpolitik der Vereinigten
Staaten unter anderem darin besteht, sich von der Einmischung Amerikas in die
inneren Angelegenheiten anderer Länder fernzuhalten. Drei Jahre nach Ihrer
Präsidentschaft hoffen wir, dass Sie Ihr Wort halten werden. Wir können nicht
glauben, dass Sie Ihre Versprechen brechen und dass Sie die Auferlegung
pseudomoralischer Werte - genauer:
pseudoamerikanische Werte - auf den Rest
der Welt fortsetzen werden.
Helfen Sie uns, Amerikas Anteil am Sumpf in der
US-Botschaft in Tbilissi trockenzulegen, Herr Trump. Helfen Sie uns, jene
seltsamen Globalisten, die seit der Amtsperiode Ihres Vorgängers bei uns in der
US-Botschaft untergebracht sind, an die Leine zu nehmen. Wenn sich jemand entscheidet, ein sexuell perverses
Leben zu führen, ist das seine eigene Entscheidung. Aber wenn wir eine
Gesellschaft aufbauen wollen, die das Recht hat, zu sagen, was sie davon hält,
dann ist das unsere Entscheidung. Und wir lassen nicht zu, dass Sie oder irgend
jemand anderes uns das Recht auf freie Meinungsäußerung entzieht.
Wir haben nichts gegen das amerikanische Volk. Obwohl
wir anders gekleidet sind, sind wir so ziemlich die gleichen hart arbeitenden
Menschen, die in Amerika ›Konservative‹ genannt werden; die Franzosen würden
sie Traditionalisten nennen, wir nennen sie ›erovnuli‹, ›Nationale‹. Unabhängig vom Begriff, ob Konservative, ob Traditionalisten, sind
wir gleich.
Die Auferlegung pseudomoralischer Werte ist ein
Angriff auf traditionelle Gesellschaften, und wir hoffen aufrichtig, Herr
Trump, dass Sie uns helfen werden, uns von allen radikalen Aktionen
fernzuhalten, gegen die wir uns hier versammelt haben. Wir haben uns
zusammengetan, um Ordnung in unsere Hauptstadt und unser Land zu bringen.
Helfen Sie uns, Herr Präsident, ziviles Chaos zu vermeiden, und pfeifen Sie
jene globalistischen Hunde zurück, die versuchen, uns etwas aufzuzwingen, was
nicht nur nach georgischen Werten, sondern auch nach christlichen,
abrahamitischen oder kaukasischen Werten unerhört ist. Vielen Dank!‹
[5]
Nach Angaben vom 18. Juni des Anwalts Nino Lomjaria
hatte das Innenministerium den LGBT-Aktivisten die Durchführung ihrer
Veranstaltung untersagt. Am gleichen Tag wurde im Hauptkanal des georgischen
Fernsehens eine Live-Umfrage veranstaltet, bei der die Zuschauer für oder
gegen die Durchführung der Parade stimmen konnten. Das Ergebnis war 97 zu 3 %
gegen die Parade«. [6]
Anmerkung politonline Am 21. 6. war dann bekannt geworden, dass die Parade
von den Organisatoren selbst endgültig abgesagt wurde. Als Grund war die
angespannte Lage im Land genannt worden. Die Frage, was alles an Nichtregierungsorganisationen
hinter den für die Parade stimmenden 3 % steht, sollte sich inzwischen eigentlich
jeder bei solchen Auseindersetzungen stellen.
Die LGBTI-Aktivisten ihrerseits verwiesen bei dieser
Gelegenheit auf fortgeschrittene Beratungen mit der Regierung zu mehreren
Themenbereichen, darunter ›eine
einfache Anerkennung des rechtlichen Geschlechts von Transpersonen, die
Schaffung einer Notstelle für LGBTI und ein Ansprechpartner für LGBTI, sowie
die Gleichstellung im Kabinett‹.
Wieso letztere Forderung speziell zu verankern wäre, mutet eher seltsam an, denn
ihre Umsetzung setzt doch voraus, dass sich der Betreffende der Öffentlichkeit
gegenüber jeweils mit der Angabe seiner Geschlechtsidentität vorstellen müsste,
an was eigentlich kein wirkliches Interesse bestehen kann, schon allein
deswegen nicht, weil kaum jemand daran interessiert sein dürfte, ein Detail
dieser Art zu erfahren. Man kann eine Forderung dieser Art auch durchaus als
aufdringlich betrachten, nämlich als eine Art Zurschaustellung eines überaus
intimen Bereichs, die manchen regelrecht
abstossen könnte. Wie ferner bekannt wurde, hatten sich ›AllOut‹ sowie ›LGBTI- und Menschenrechtsverbände‹ und Politiker aus dem In- und Ausland
mittels einer Petition für die Durchführung der ›Tbilisi Pride‹
eingesetzt.
Was nun die von den Organisatoren der Parade
angeführten Spannungen angeht, so sind damit die durch den Besuch einer
russischen Parlamentariergruppe am 20. Juni ausgelösten Massenproteste gemeint.
Tausende von Demonstranten hatten versucht, das Parlament in Tiflis zu stürmen,
was nicht ohne Verletzte abging. Die Staatspräsidentin und der Regierungschef
brachen ihre Auslandsreisen ab.
Der Grund der Anwesenheit der russischen
Parlamentarier bestand in der Teilnahme an einer Tagung der ›Interparlamentarischen Versammlung der
Orthodoxie‹ ›IAO‹, einem Forum von
Abgeordneten aus überwiegend christlich-orthodoxen Ländern. Die bisher kaum
bekannte Vereinigung existiert seit Anfang der 1990er Jahre; den Vorsitz hat
derzeit Sergej Gawrilow, Abgeordneter der russischen Staatsduma und Mitglied
der Kommunistischen Partei, inne. Der Grund für den öffentlichen Protest dürfte
in einem ›Protokollfehler‹ zu
sehen sein, der sich aus dem im Prinzip einfachen Umstand ergab, dass Gawrilow als
Vorsitzender im Plenarsaal des georgischen Parlaments im Sessel des
Parlamentspräsidenten Irakli Kobachidse Platz nahm, was zu Protesten der
Oppositionspolitiker führte, die danach die Bürger auf den Straßen
mobilisierten. Gawrilow sah sich mitsamt
seinen Kollegen dazu gezwungen, fluchtartig die Rückkehr anzutreten. In Moskau
erklärten sie den Vorfall als eine ›russlandfeindliche Provokation‹. Kobachidse trat auf die Forderung
der Opposition hin am 21. Juni zurück, und der Abgeordnete, der die Tagung
organisiert hatte, legte sein Mandat nieder. Gleichzeitig war die Forderung der
Opposition nach einem Rücktritt des Innenministers und des Geheimdienstchefs
ergangen.
Wie die ›DW-Nachrichten‹ [7] vermerkten, »gelang der
Leiter der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung im Südkaukasus,
Stefan Meister, zu der Ansicht, dass ›man
sehe, wie stark das Thema ›Rußland‹ die georgische Gesellschaft
polarisiere und emotionalisiere. Hier ging es darum, über die orthodoxe Kirche
Einfluß auf Georgien auszuüben‹. Fakt ist indessen, dass sich die orthodoxe Kirche in
Georgien bisher hinsichtlich der Politik des Landes meistens zurückgehalten hat. Man sieht
hier erneut, wo die Stiftungen überall ihren Sitz und damit durchaus auch die
Möglichkeit haben, ihre Strategien zur Wirkung zu bringen. Nicht umsonst hat
sich Russland bereits vor geraumer Zeit insbesondere der Soros-Stiftungen
entledigt. Wie Meister darlegt, gehe es auch und vor allem um einen Konflikt
zwischen der regierenden Partei ›Georgischer
Traum‹ und den oppositionellen
Kräften des früheren Staatschefs Saakaschwili, der, ausgebürgert und wegen
Amtsmißbrauchs verurteilt, zwar in der Ukraine im Exil lebt, seine
Verbindungen nach Georgien hingegen nie gänzlich abreißen läßt. Seit 2015 ist
er in der ukrainischen Politik aktiv und befeuert von dort aus die Proteste über die sozialen
Netzwerke«.
Nun sind die Beziehungen zwischen Georgien und
Russland schon seit Jahren angespannt, so dass der Besuch einer russischen
Parlamentariergruppe ein eher aussergewöhnliches Ereignis darstellt, denn seit
dem russisch-georgischen Krieg im August 2008 unterhält die Kaukasus-Republik
keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Moskau. Der mit Moskaus Hilfe geführte
Krieg hat die Abspaltung der georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien,
die Russland als unabhängige Staaten anerkennt und deren Streitkräfte Moskau in
seine Armee integriert hat, zementiert. Auch das Bestreben Georgiens, der EU
und der NATO beizutreten, hat jahrelang für Konflikte mit Russland gesorgt.
Erst mit dem 2013 erfolgten Abgang von Saakaschwili, der den Ton gegenüber
Moskau verschärft hatte, folgte eine rhetorische Abrüstung in Tiflis und eine vorsichtige
Annäherung auf Wirtschaftsebene; auch die Zahl russischer Touristen in Georgien
stieg zuletzt wieder an.
Unter dem Titel ›Proteste
wie von Zauberhand – Wer steckt hinter den anti-russischen Unruhen in Georgien?‹ meint ›RT‹ [8]: »Ein ›Protokollfehler‹ der Gastgeber zur Sitzung eines
kirchenennahen Gremiums hat eine politische Krise ausgelöst. ….. Die langsame
Annäherung zwischen Rußland und Georgien konnte dadurch gestoppt werden«.
›RT‹ zufolge »kam es vor dem Parlamentsgebäude nicht nur zu
Protesten gegen Rußland, sondern auch gegen die eigene Regierung, woraufhin im
Eiltempo wichtige innenpolitische Entscheidungen für Georgien beschlossen
wurden. Diese könnten die Oppositionsparteien bei den Parlamentswahlen im
nächsten Jahr stärken. Rußland reagierte mit einem Erlaß, dem zufolge es ab dem
8. Juli keine Direktflüge nach Georgien geben wird. Der eigentliche Anlaß eines Protokollfehlers
wirkt eher nichtig. Das überraschte sogar Kenner der Situation wie den
Buchautor und Journalisten des ›Guardian‹, Shaun Walker. Am 20. Juni postete er
Bilder von den Protesten und schrieb dazu auf Twitter: »Ich kam nach Georgien, um ein Panel über Proteste
zu moderieren, und wie von Zauberhand stürmen die Menschen das Parlament«.
»Was
äußerlich wie Magie wirkt«, so ›RT‹, »könnte dennoch auch eine
gut vorbereitete Aktion einiger Profis vom Schlage des georgischen
Ex-Präsidenten Mikheil Saakaschwili sein. Ausgerechnet Abgeordnete und
Aktivisten seiner Partei ›Vereinte Nationale Bewegung‹ waren bei den Protesten im Parlament und auf den Straßen die Anführer. Bereits
vor dem Besuch der russischen Duma-Abgeordneten gab es Proteste (mit US-Fahnen!).
In georgischen Medien wurden Meldungen lanciert, Gawrilow selbst habe an den
Kämpfen in Abchasien gegen Georgien im Jahr 2008 teilgenommen, so dass dieser
derartige Gerüchte während seiner ersten Pressekonferenz nach der Ankunft in
der georgischen Hauptstadt richtigstellen mußte. ›Meine Gegendarstellung haben georgische
Medien nicht wiedergegeben‹, sagte er später. Von Beginn an gab es
unter den Protestlern mehrere Personen, die die Aktion auf Englisch
koordinierten. Wie
Gawrilow erklärte, ›halten wir diese
Aktion für geplant. Denn es waren in
Windeseile Dutzende von Kameras aufgestellt worden. Personen, die zur Sitzung
kamen, demonstrierten mit im Voraus vorbereiteten Plakaten mit dreckigen,
beleidigenden, antirussischen Inhalten. Es ist offensichtlich, dass nicht das
orthodoxe Forum, um dessen Ausrichtung Georgien sich selbst beworben hatte, die
Ursache für Ausschreitungen war, sondern der Versuch eines Staatsstreichs und
einer Besetzung des Parlaments. Zusammenstöße mit der Polizei unter Teilnahme
zahlreicher radikaler Kräfte sind ein Beweis dafür‹, so seine Schlußfolgerung bei einem Presseauftritt.
Der Direktor des ›Joe
Biden Centers‹ und führende Experte
des NATO-nahen Think Tanks ›Atlantic
Council‹, Michael Carpenter, nahm in
der georgischen Hauptstadt an einer Konferenz zum russischen Einfluß in
Georgien teil. Offenbar wertet er den russischen Tourismusboom in Georgien, dem
sogenannten ›Italien der UdSSR‹, als ›hybride Kriegsführung‹.
Carpenter, Demokrat, gilt als
aussichtsreichster Kandidat seiner Partei für das im nächsten Jahr
bevorstehende Präsidentschaftsrennen in den USA. Zu seinem Credo gehört die Bekämpfung russischen Einflusses und der Ausbau der US-Hegemonie im gesamten
postsowjetischen Raum. Legendär ist sein Auftritt im Sessel des ukrainischen Premierministers
im Frühjahr 2014, kurz nach dem Staatsstreich im Februar. ›Die
Sitzung im ukrainischen Parlament, die Joe Biden am 22. April 2014 leitete,
ging als Sinnbild für die öffentliche Unterweisung einer Marionettenregierung
um die Welt‹. Auf der diesjährigen
Münchner NATO-Sicherheitskonferenz im Februar erklärte Biden: ›Wir müssen Partnern der NATO wie
Ukraine und Georgien maximal helfen, damit sie widerstandsfähiger gegen den
russischen Einfluß werden‹.
Die Trump-Administration sagt Biden nun allerdings
Korruption zu familiären Gunsten im ukrainischen Gassektor nach. Für Arno
Chidirbegischwili, den georgischen Politologen und Chefredakteur des Portals ru.grusininform.ge, sind es vor allem gemeinsame
finanzielle Projekte, die Biden zu einem Machtwechsel in Georgien treiben
könnten. Noch zu Zeiten der Präsidentschaft von Saakaschwili besuchte Biden am
24. 7. 2009 auch Georgien. Drei Monate später verkündete Saakaschwili den Bau
eines Tiefseehafens am Küstenort Anaklia. Chidirbegischwili zufolge sollte
Biden für US-Investitionen sorgen und Bidens Sohn Hunter sollte den Posten im
amerikanisch-georgischen Konsortium übernehmen. Der georgische Staat hatte
seinen Beitrag für das Projekt in Höhe von 300 Millionen $ bereits geleistet,
doch wurde dieses nach Saakaschwilis Abwahl zunächst auf Eis gelegt. Nun hofft
Biden offenbar, dass seine Rückkehr in die georgische Politik das totgeglaubte
Projekt doch noch wiederbeleben könnte.
Nun verhält es sich nicht etwa
so, dass sich Präsidentin Salome Surabischwili, die sich am 20. Juni in der
weißrussischen Hauptstadt Minsk befand, bei den in die Flucht geschlagenen
russischen Diplomaten, deren Sicherheit zuvor garantiert worden war,
entschuldigt hätte: Nein. Sie entschuldigte sich erstaunlicherweise bei den
Radikalen. ›Rußland sei Georgiens Feind und Okkupant‹, schrieb sie reumütig auf
Facebook. Am nächsten Tag traten der Parlamentssprecher sowie der
Hauptorganisator der ›IAO‹ auf georgischer Seite von ihren Ämtern zurück. Für die russische Führung
brachte eine solche Bewertung der Unruhen seitens des georgischen
Staatsoberhaupts das Fass zum Überlaufen. Die bereits erwähnte Streichung der
Direktflüge nach Tiflis begründete Putin mit dem offenkundig ›erhöhten
Sicherheitsrisiko‹ für russische Staatsbürger«.
»Bislang sind die Saakaschwili-Partei ›Vereinte Nationale Bewegung‹ (›VNB‹) und
die Partei ›Europäisches Georgien‹ die Hauptprofiteure der jüngsten Proteste; und die derzeitige Regierung
hat gezeigt, dass sie gegen die Demonstranten genauso gewalttätig vorgehen kann
wie seinerzeit Saakaschwili. Die Spezialeinheiten schossen am 20. Juni mit
Gummigeschossen in die Menge, mehr als 200 Demonstranten wurden verletzt, zwei
von ihnen verloren dabei ein Auge«.
2018 verzeichnete Georgien
1,7 Millionen russischer Touristen; die Einnahmen aus dem Geschäft mit Russland
betragen bis zu 10 % des georgischen Bruttoinlandprodukts; auch den wichtigsten
Absatzmarkt für georgische Weine bildet Russland. Jedoch kann selbst eine ›zaghafte
Annäherung‹ an Russland unmöglich im Sinne
Washingtons sein. Jedenfalls befindet sich Georgien auf striktem EU- und
NATO-Kurs und im Parlament der kleinen Kaukasusrepublik gibt es keine Parteien,
die man als russlandfreundich bezeichnen könnte. Und so werden dort weiterhin
regelmässig Militärübungen mit US- und NATO-Kräften abgehalten.
Indessen hat Russland wiederholt betont, man werte
mögliche Gespräche über eine Mitgliedschaft der ehemaligen Sowjetrepubliken
Georgien und Ukraine in der NATO als Bedrohung.
Doris Auerbach mailto:d.auerbach@gmx.ch
Siehe hierzu
Wie Soros und das britische Außenamt die georgische
Regierung schufen auf http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1023 19. 9. 2008 Zufall
oder Absprache?
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1681
10. 2. 2011 Aufstände und ihre
Drahtzieher [1] Ana Dumbadze: »Tbilisi Pride Organizers Respond to Levan
Vasadze’s Video«, Georgia Today, 17. Juni 2019 http://georgiatoday.ge/news/16028/Tbilisi-Pride-Organizers-Respond-to-Levan-Vasadze’s-Video-Address
[2] F. William
Engdahl: Geheimakte NGOs – Wie die Tarnorganisationen der CIA Revolutionen,
Umstürze und Kriege anzetteln; Kopp Verlag 2017
ISBN-13: 9783864456404; Seite 169
[3] https://ge.usembassy.gov/statement-president-international-day-homophobia-transphobia-may-16/
[4] https://www.youtube.com/watch?v=miLAogxP3zM
[5] https://www.youtube.com/watch?v=td8pelESz4s
[6] https://kopp-report.de/lgbt-parade-in-tiflis-georgien-wird-durch-westliche-ngos-und-geheimdienste-destabilisiert/
25. 6. 19 Herbert Kunkel
[7] https://www.dw.com/de/proteste-in-georgien-verh%C3%A4ltnis-zu-russland-als-z%C3%BCndstoff/a-49297998 21. 6. 19
Proteste in Georgien: Verhältnis zu Russland als Zündstoff
[8] https://deutsch.rt.com/europa/89613-proteste-wie-von-zauberhand-wer-steckt-hinter-antirussischen-unruhen/ 27. 6. 19
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