Personenfreizügigkeitsmärchen - Unwahrheiten um die BGI - Von Hermann Lei 06.09.2020 19:50
Der Abstimmungskampf um die Zuwanderung tobt. Doch was dabei von den Gegnern
für Unsinn behauptet wird, geht auf keine Kuhhaut. Eine kleine Auswahl:
1. Das Reisefreiheitsmärchen
Der Präsident von Hotelleriesuisse verwechselt Personenfreizügigkeit mit freiem
Personenverkehr! Denn natürlich kommt kein einziger EU-Bürger wegen der
Personenfreizügigkeit in die Schweiz in die Ferien. Auf der Webseite des
Verbands scheint man erkannt zu haben, dass der Chef hier unlauter (oder dumm) argumentiert. Dort heisst es immerhin, für den
Schweizer Tourismus seien »die Personenfreizügigkeit und das Schengen-Abkommen
zentral«, weshalb die Initiative abzulehnen sei.
Dumm nur, dass auch das Schengen-Abkommen nichts mit den
Bilateralen I, um die es bei der BGI geht, zu tun hat ..…
Aber klar, nach Annahme der Initiative kann der Präsident von Hotelleriesuisse
nicht mehr hemmungslos ältere Arbeitnehmer durch billige EU-Ausländer ersetzen.
Dafür kann er in seinen Hotels einen der vielen Arbeitslosen anstellen und ihn
so vor dem unwürdigen Abschieben in die Entlassungsrente bewahren.
2. Das Pflegerinnen-Märchen
Auf einem diesbezüglichen Inserat heisst es zu der abgebildeten jungen Frau:
›Sie
könnte Ihr Grosi pflegen – wird sie aber nicht‹. ›Marta,
polnische
Fachpflegefrau, darf in der Schweiz nicht
mehr arbeiten‹.
NEIN zur
Begrenzungsinitiative
Dieses
perfide Inserat ist so falsch, dass man ihm einen Pinocchio-Preis verleihen
sollte. Zuerst einmal ist die freundliche ›Marta‹, die angeblich Ihr Grosi nicht mehr
pflegen wird, keine polnische Pflegefachfrau, sondern irgendein Fotomodel, das
die Geldprotze von Economiesuisse bei einer Bildagentur gekauft haben.
Wahrscheinlich haben sie gedacht, auf eine weitere Lüge komme es auch nicht
mehr an. Denn ein Ja zur BGI heisst natürlich nicht, dass Pflegefachfrauen
nicht mehr in die Schweiz kommen dürfen.
Wir können auch ohne Personenfreizügigkeit die Leute ins Land lassen, die
wir brauchen.
Nur
müssen wir nicht alle aufnehmen.
3. Das Bilaterale-Märchen
Während Tagen veröffentlichte das ›Ostschweizer
Tagblatt‹ eine Annonce, in
der es schrieb, mit Annahme der BGI seien »die gesamten
bilateralen Verträge in Gefahr«. Ob die Zeitung dieses
dreiste Märchen der Initiativgegner aus Unwissenheit oder Dummheit übernahm,
ist unklar.
Richtig ist, dass mit der Annahme der Initiative lediglich 7
von über 150 bilateralen Verträgen mit der EU zur Diskussion stehen
könnten. Die Bilateralen I bieten weit weniger als Wirtschaftsverbände und
viele Politiker behaupten.
Die Schweiz könnte gut ohne die Bilateralen I auskommen.
4. Das Marktzugang-Märchen
Die federführende Propagandaministerin gegen den Volkswillen
meinte in der ›NZZ‹, ein Ja zur Begrenzungs-Initiative wäre
ein Hochrisikospiel: »Wenn wir die Personenfreizügigkeit kündigen, fallen automatisch
auch die anderen sechs bilateralen
Abkommen mit der EU weg – und damit der Marktzugang«.
Wahr ist, dass der Marktzugang durch das Freihandelsabkommen und
die Abkommen mit der Welthandelsorganisation (WTO) garantiert wird. Über
95 % unseres Handelsverkehrs ist WTO-konsolidiert.
Wer dennoch solchen Unsinn erzählt, der gehört in eine Dolmetscherzelle
eingesperrt.
5. Das Arbeitslosen-Märchen
Wenn Einwanderung nicht zu einer höheren Arbeitslosigkeit von älteren Personen
führt, wie Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt uns treuherzig weismachen will,
so würde uns interessieren, weshalb die Arbeitslosigkeit unter älteren
Arbeitnehmern derart besorgniserregend zugenommen hat, dass derselbe Valentin
Vogt vehement für die Entlassungsrente gekämpft hat.
Diese hat explizit zum Ziel, die auf dem Müllhaufen der Personenfreizügigkeit
gelandeten älteren Arbeitnehmer ungeniert vom Arbeitsmarkt zu entsorgen.
Auf Kosten der Allgemeinheit.
6. Die Wahrheit
Schluss mit dem Experiment Personenfreizügigkeit!
Wir sollten dieses gescheiterte Experiment beenden.
https://schweizerzeit.ch/wp-content/uploads/sites/7/2020/09/200904_Brisant-hl.pdf 4. 9. 20
- Hermann Lei ist Kantonsrat in
Frauenfeld
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