Syrien - Wie man ein Land unter den Augen der UNO zu erdrosseln sucht 13.12.2020 20:07
d.a. Die EU-Sanktionen gegen Syrien, die erstmals im Frühjahr 2011 verhängt
worden waren, gehen mittlerweile in ihr zehntes Jahr. Sie umfassten von Beginn an nicht nur ein Waffenembargo, Visasperren und das Einfrieren des Vermögens zahlreicher Einzelpersonen und Unternehmen, sondern auch Schritte gegen syrische Banken. Hinzu kam ein Öl-Embargo inklusive des Verbots, Syriens Ölbranche mit Ausrüstung und mit Ersatzteilen zu versorgen sowie syrische Öllieferungen in Drittstaaten zu versichern. Bereits 2012 war darauf hingewiesen worden, dass die Sanktionen ein Klima der Unsicherheit schufen und auch den noch legalen Handel von EU-Unternehmen
mit Syrien schädigten, da niemand wissen konnte, ob und wann das Brüsseler
Sanktionsregime ausgeweitet werden würde. Schwer wiegt insbesondere, dass jegliche
Finanzierung von Infrastrukturprojekten, die auf irgendeine Art und Weise dem
syrischen Staat zugute kämen, verboten ist, wodurch die Sanktionen dem Wiederaufbau
des kriegszerstörten Landes unmittelbar im Weg stehen.
Konträr zu der ständig vorgebrachten
Behauptung, dass es sich in Syrien um einen Bürgerkrieg handelt, liegt hier ganz klar der Fall eines ungerechtfertigten
Angriffskrieg vor, da Washington unter der damaligen Aussenministerin Hillary Clinton
nach der Zerstörung von Gaddafis Libyen den Krieg in Syrien im März 2011 in
Gang gebracht hatte. Aufbau und Unterstützung der gegen
Assad kämpfenden sogenannten ›Freunde Syriens‹, ein Kreis von sich um die USA, Grossbritannien, Frankreich und die
Ölmonarchien im Golfkooperationsrat scharenden Staaten, ist im einzelnen in dem Artikel Die
»Freunde« Syriens aufgezeichnet.
So hatte sich der Ministerpräsident und
Aussenminister Katars, Scheich Hamad bin Jassim Al-Thani, bereits am 27. 2. 2012
in Oslo dafür ausgesprochen, dass die Internationale Gemeinschaft - das sind von jeher wir, die Steuerzahler
- die syrischen Aufständischen mit
Waffen versorgen sollte, während die arabischen Staaten für die Aufständischen
innerhalb Syriens ›sichere Häfen‹ einrichten müssten.
Festzuhalten ist ferner, dass die ›islamistischen‹ Rebellengruppierungen
von den EU-Sanktionen ausgenommen waren. [1]
Nach der diesen Mai erfolgten Verlängerung der EU-Sanktionen
gegen Syrien und vor dem Inkrafttreten weiterer US-Zwangsmassnahmen, dem "Caesar
Act", hatten westliche Aussenpolitiker auf Hungerrevolten gegen die
Regierung in Damaskus spekuliert. Der "Caesar Act", hiess es hoffnungsfroh
in deutschen Leitmedien, könne «die Herrschaft von Baschar al-Assad ernsthaft
bedrohen». Man muss sich einmal eine brutale Gesinnung dieser Art bewusst machen,
da bereits 2017 feststand, dass in dem Land jeder Dritte hungert. [1]
Das anhaltende Spekulieren der westlichen Mächte
auf Elendsunruhen kontrastiert stark mit den
Warnungen, die schon seit Jahren über Strukturen der katholischen Kirche aus
Syrien nach Europa gelangen. Die Sanktionen seien «inhuman, weil sie die ganze
Bevölkerung bestrafen», protestiert etwa der Apostolische Vikar von Aleppo,
Bischof Georges Abou Khazen: «Bei uns verhungern die Leute. Es gibt keine Medikamente.
Es gibt keine Arbeit. Für uns sind die Sanktionen ein Verbrechen», wird der
Bischof zitiert: «Wir sind sehr enttäuscht von der Europäischen Union». [2]
Wie Karin Leukefeld bereits 2012 festhielt, »waren
die Sanktionen
allein von
der Europäischen Union mehr als 60mal Sanktionen verschärft worden, dies im
Widerspruch zum Völkerrecht, das Sanktionen gegen ein Entwicklungsland nur auf der
Basis einer UN-Sicherheitsratsresolution zulässt. Statt die guten diplomatischen
Beziehungen zu Syrien für eine Deeskalation zu nutzen, nahm die BRD eine
führende Position unter den ›Freunden
Syriens‹
ein. Man agierte am UN-Sicherheitsrat und am Sondervermittler Kofi Annan
vorbei, was die komplizierte Lage zusätzlich verschärfte. Die ›Freunde Syriens‹ folgten den Ansagen Katars und Saudi-Arabiens, ›keine Verhandlungen mit dem Regime Assad‹ zu führen, sondern stattdessen den Rücktritt
von Präsident Baschar Al-Assad zu fordern. Dies erfolgte unisono mit der im
Ausland agierenden Opposition und gegen den ausdrücklichen Rat und die
Vorschläge der innersyrischen Opposition«.
[3]
Von den Sanktionen betroffen ist
insbesondere auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Die wiederholte
Behauptung der EU, die Sanktionen behinderten die medizinische Versorgung der
Bevölkerung nicht, entspricht in keiner Weise der syrischen Lebensrealität. Bereits
im März riefen Michelle Bachelet, die UN-Menschenrechtskommissarin, sowie die
UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, Hilal Elver, dazu auf,
die Sanktionen gegen Syrien unter anderem im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie
einzustellen oder zumindest abzuschwächen, um eine humanitäre Katastrophe wegen
mangelhafter medizinischer Versorgung zu verhindern.
In Antwort darauf verlängerte die EU
die Sanktionen am 28. Mai ohne jegliche Einschränkung. [2]
Seit Ausbruch
des Krieges im Jahr 2011 hat Damaskus wegen des von den USA und der EU verhängten Lieferstopps keine Heilmittel mehr gegen Krebs importieren können. «Die zweite Richtung
war die Produktion von Arzneimitteln sowie von Gegengiften bei Schlangenbissen und
Skorpion-Stichen für ganz Syrien. Unser Zentrum war das einzige in der Region,
das diese 20 Jahre lang produziert hat. Auch solche Nachbarländer wie Jordanien
und der Libanon haben sie bei uns gekauft», so Az-Said. Die Organisation für
ein Verbot chemischer Waffen (OPCW) hatte ihm zufolge allein im Jahr 2013 die
Anstalt fünfmal geprüft und dabei bestätigt, dass dort keine Arbeiten zur
Produktion von C-Waffen ausgeführt worden waren. [4]
Den Zusammenbruch des Gesundheitswesens des
Landes haben somit sowohl die von den USA schon
1979 über Syrien verhängten Strafmassnahmen als auch diejenigen der EU zu verantworten.
Im Gegensatz hierzu enthielten die von Grossbritannien im August
2012 für die Unterstützung der syrischen Rebellen auf 5 Millionen £ erhöhten Gelder
auch medizinische Hilfsgüter. [5]
Mit Blick
auf das Jahr 2012 darf
auch das von der vormaligen Grossrätin von Basel, Louise Stehler, und dem Politiker
und Gewerkschafter Rudolf Schulter im Oktober an das Schweizer Parlament gerichtete
Schreiben nicht unerwähnt bleiben. »In tiefer
Sorge um die Situation in Syrien«, heisst es
darin, »aber auch in grosser Empörung gegenüber
der Rolle der Schweiz in diesem Konflikt, haben wir am 8. September 2012 in
Basel ein Bündnis ›Hände weg von Syrien - Bündnis gegen den Krieg‹
gegründet. Die Schweiz trägt die verschärften Sanktionen der USA und der EU
gegen Syrien mit. Ganz offensichtlich wird damit gegen das Gebot der dauernden
Neutralität als Grundsatz der schweizerischen Aussenpolitik verstossen. Das EDA
hat die syrische Opposition für Planungen ›Syrien nach Assad‹ mit
60.000 Franken unterstützt. Dies sind die eklatantesten Verstösse der Schweizer
Politik gegenüber Syrien. Zu nennen ist jedoch auch die Verletzung des
Völkerrechts, welches die Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner
Staaten verbietet«.
Was den obengenannten ›Caesar Act‹, das im Dezember 2019 verabschiedete US-Gesetz
namens ›Caesar Syrian Civilian Protection Act‹ angeht, so ist dessen
1. Stufe am 17. Juni 2020 in Kraft getreten; er sieht die extraterritoriale
Anwendung ökonomischer Zwangsmassnahmen gegen Syrien vor. Demnach haben
Staaten, Unternehmen oder Personen, die die syrische Regierung militärisch,
wirtschaftlich oder finanziell unterstützen, in den Vereinigten Staaten mit
empfindlichen Strafen zu rechnen. Wie US-Aussenminister Mike Pompeo zum
gleichen Zeitpunkt erklärte, sende dieser ›ein klares Signal‹ aus: «Kein auswärtiger Akteur solle mit der syrischen Regierung
Geschäfte machen». Über das Ziel dieser Massnahme, die dazu geeignet ist,
Syrien ökonomisch noch umfassender zu isolieren, hiess es im Februar in der
US-Fachzeitschrift ›Foreign Affairs»: «Zumindest könne sie die Regierung in
Damaskus noch weiter schwächen und die Instabilität in regierungskontrollierten
Gebieten verstärken». [2]
Die Rückkehr der Syrer in ihr Land
Am 7. August 2018 forderte Syrien die USA und die
EU dazu auf, die Wirtschaftssanktionen aufzuheben, damit alle syrischen
Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren könnten. Zuvor hatte der syrische UN-Botschafter Baschar al-Jafaari am 5. 8. alle
syrischen Flüchtlinge im Ausland dazu aufgerufen, nach Syrien zurückzukehren. Al-Jaafari wies darauf hin,
dass die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge nicht nur mit der syrischen
Regierung, sondern mit vielen Staaten zusammenhänge, die dem syrischen Volk
sogenannte ›einseitige Zwangsmassnahmen auferlegten‹, die nicht auf
Resolutionen des UN-Sicherheitsrats basierten. Über die Auswirkungen der
EU-Sanktionen gegen Syrien sagte Dr. Joseph Fares, Direktor des italienischen
Krankenhauses in Damaskus, im
vergangenen Jahr dem ›Middle East Eye‹: «Wir können Lachgas, das für Anästhetika benötigt wird,
nicht importieren, weil man sagt, dass damit Bomben hergestellt werden können.
Wir benötigen Helium, um unsere MRI-Scanner zu kühlen, aber wir dürfen keins
importieren. Viele MRI-Zentren sind in ganz Syrien ausser Betrieb». Früher wurde das italienische
Krankenhaus von Damaskus teilweise durch Spenden aus Italien finanziert, aber «wir
können kein Geld mehr aus Italien bekommen, weil keine Gelder an syrische
Banken überwiesen werden können». Die christlich-arabischen Würdenträger
Johannes X. von Antiochien, Gregor III. Laham und Mar Ignatius Aphrem II.
forderten bereits im Jahr 2016 von der Internationalen Gemeinschaft einen
sofortigen Stop der Sanktionen gegen Syrien; sie forderten diese auf, die «Belagerung
des syrischen Volkes zu beenden», da Sanktionen die Isolation Syriens vorantrieben
und die Ärmsten der Armen treffen würden. Die ›Asia Times‹ zitiert die Erklärung
wie folgt: «Obwohl das Hauptziel der Verhängung dieser Sanktionen politischer
Natur ist, betrifft ihr Einfluss das Leben des gesamten syrischen Volkes, insbesondere
der Armen und der Arbeiterklasse; die Armut und das Leid der syrischen
Bevölkerung nehmen ständig zu. Daher erheben wir, die drei Patriarchen, die in
Damaskus leben, wo wir das Leid der syrischen Bevölkerung spüren, unsere Stimme
in diesem humanitären Appell und fordern die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen
auf der Grundlage der Menschenrechtscharta und anderer internationaler Pakte». Die
UNO teilt die Ansicht, das die Sanktionen gegen Syrien eine verheerende
Auswirkung auf die Zivilbevölkerung haben. «Ich bin sehr besorgt darüber, wie
die Sanktionen umgesetzt werden», sagte der UN-Sonderberichterstatter Idriss
Jazairy am 17. Mai 2018. Die UNO meldete in einer Mitteilung: «Auf Einladung
der Regierung besuchte Herr Jazairy vom 13. bis 17. Mai Syrien und erlebte aus
erster Hand, wie die Krise unter anderem die Wirtschaft schwer getroffen hat.
Der UN-Sonderberichterstatter sagt: «Ich möchte die Rolle des Konflikts bei der
Schaffung dieser schrecklichen Situation nicht verringern, aber ich betone, dass
restriktive Maßnahmen die Situation nur verschlimmern. Das syrische Volk sollte
nicht für das leiden müssen, was zu einem internationalen Konflikt von
unglaublicher Komplexität geworden ist. Alle, die die grundlegenden
Menschenrechte erfüllen wollen, brauchen unsere Hilfe, nicht unsere Bürokratie».
[6]
Die Teilung des Landes
Es gilt klar zu erkennen, dass ohne das
Eingreifen des vom Westen konstant geschmähten Russlands in diesen seit 19 Jahre währenden ›endlosen Krieg‹ die Teilung Syriens - wie von Beginn an angestrebt - bereits vollzogen wäre. 2014 intervenierte
Russland in Syrien, dessen Staat nicht zusammengebrochen war, um dem Land in
seinem Widerstand beizustehen. In der Folge mussten sich die Briten, die dort
während des Arabischen Frühlings (2011-Anfang 2012) versuchten, das Regime zu
ändern – und danach die Vereinigten Staaten, die nicht das Regime, sondern den
Staat (Mitte 2012 bis heute) stürzen wollten -
zurückziehen. Russland kämpft gegen das Chaos und für die Verteidigung
staatlicher Strukturen sowie die Achtung der Grenzen. [7]
Noch
Anfang März 2016 hatte der damalige US-Aussenminister John Kerry erklärt, dass
die USA eine Zerteilung Syriens unterstützen würden, wenn die Waffenruhe nicht
hielte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die USA bereits einen Teilungsplan für
Syrien bereit. Zuvor hatte die CIA-Denkfabrik RAND Corporation einen Bericht
veröffentlicht, der sich mit der kompletten Teilung Syriens auseinandersetzt,
während die türkische Zeitung ›Yeni
Safak‹ von einem konkreten syrischen
Teilungsplan der US-Regierung schrieb. Dem
Plan zufolge sollte Syrien in insgesamt drei Teile - faktisch aber in fünf Teile - aufgespalten werden. Die kurdische ›PYD‹, die ›Partei der
Demokratischen Union‹ in Syrien und Mitglied der syrischen Oppositionsgruppe,
sowie die moderaten Rebellen sollten jeweils zwei Regionen und die syrische
Regierung eine Region erhalten. Wie es hiess, sei es besonders bemerkenswert,
dass die Gebiete des Islamischen Staats im Osten Syriens nicht von der
Zerteilung betroffen seien. Diese würden dem US-Plan zufolge weiterhin bestehen
bleiben, um von der Terror-Miliz kontrolliert zu werden. Der ölreiche Osten
Syriens war zuvor ein Staatsgebiet, das mehrheitlich von sunnitischen Arabern, die
vom IS mehrheitlich vertrieben wurden, bewohnt wurde. [8]
Zur
›PYD‹ hiess es
allerdings schon im August 2016, dass Russen und Syrer offenbar nicht die
Absicht haben, sich von den jüngsten Drohungen aus Washington beeindrucken zu
lassen: Es muss verhindert werden, dass mit Hilfe der Kurden-Miliz ›YPG‹ ein Korridor entsteht, der Syrien spaltet. Auch das NATO-Land
Türkei teilt die strategischen Ziele der Russen und Syrer. [9]
Wie
F. William Engdahl im Februar 2016 darlegte, sah der bereits
2008 konzipierte Feltman-Bandar-Plan, den Bandar nach Berichten mit 2 Milliarden $
aus seiner privaten Schatulle finanzierte, die
Aufteilung Syriens unter verschiedene ethnische Gruppen vor - Alawiten,
Sunniten, Schiiten, Kurden und Christen -
und teilte das Land in drei Bereiche ein: In Großstädte, Kleinstädte und
Dörfer. Danach sollten die USA, Saudi-Arabien sowie ausgewählte Verbündete
verdeckt mit der Rekrutierung und Ausbildung von Akteuren auf fünf Ebenen oder
Netzwerken beginnen. Sie sollten unter Anleitung der CIA und dem saudischen Nachrichtendienst,
dessen Leitung Prinz Bandar bin Sultan übernahm, die Zerstörung oder nationale Zerstückelung
Syriens durchführen. Wahrscheinlich, vermerkte Engdahl hinsichtlich des
Bandar-Plans ferner, wird die Karte der gesamten Nahost-Region zum ersten Mal
seit dem geheimen britisch-französischen (und russischen – dies vor der
bolschewistischen Machtergreifung im Jahre 1917) Sykes-Picot-Plan
grundlegend neu gezeichnet. Und wie 1916 werden nicht die Kartografen und
Geografen Riads oder Ankaras die neuen Grenzen festlegen; das werden die anglo-amerikanischen
vornehmen, jedenfalls ist das der Plan des Spiels. Anscheinend können wir
Amerikaner in diesen Tagen nur noch Kriege organisieren. Der
Feltman-Bandar-Plan flog 2011 in den internen Dokumenten mit den Tausenden von
Dateien auf, die Hacker von ›Stratfor‹, jener undurchsichtigen US-Beratungsagentur für ›strategische
Intelligenz‹ für das US-Verteidigungsministerium und die
Rüstungsindustrie, veröffentlicht haben.
[10]
Die Auszeichnung der Europäischen Union mit dem Friedensnobelpreis
des Jahres 2012 hat, wie man das erwarten können hätte, nicht etwa dazu geführt,
dass sich diese aus der Bekriegung Syriens zurückzog, sondern sie führte im
Gegenteil zu einer Ausweitung ihrer Sanktionen gegen das Land, wie sie die Aussenminister
der 27 EU-Staaten am 15. 10. 2012 beschlossen. Dazu zählte auch ein Landeverbot
für Maschinen der staatlichen Syrian Arab Airlines in Europa.
»An eine friedliche
Lösung des syrischen Konflikts«, vermerkte hierzu
Werner Pirker von der ›Jungen Welt‹, »wurde von der Supermacht in Übersee
und ihrem europäischen Juniorpartner nie
auch nur ein einziger Gedanke verschwendet. Der Regimewechsel gilt längst als
beschlossene Sache, mag er auch noch so langwierig und blutig verlaufen. Mit
ihrer Politik der Sanktionen unterstützt die EU den bewaffneten Aufstand und
begibt sich damit indirekt in die Rolle einer kriegführenden Partei. Obwohl
die erhöhte Gewaltbereitschaft der Antiregierungskräfte inzwischen offenkundig
ist, wird die Forderung nach einem Gewaltverzicht ausschließlich an die Adresse
der regulären Streitkräfte gerichtet. Sanktionen gegen die Halsabschneider sind
nicht vorgesehen. [11]
Die
Aufforderung an Assad, zurückzutreten
Inmitten aller Kriegswirren zentriert sich das Ziel einer Entmachtung von
Präsident Bashar al-Assad.
London, so der britische Aussenminister William Hague in einem
Artikel in der London › Times‹ im August 2012, müsse seine Kontakte zum
politischen Flügel der Freien Syrischen Armee intensivieren, ›um den unausweichlichen Fall‹ von Präsident Bashar al-Assad vorzubereiten:
»Wir müssen heute Beziehungen zu denjenigen aufbauen, die in
Zukunft in Syrien regieren könnten«, so Hague.
Zugleich rief er die Rebellen dazu auf, sich an die Regeln des Völkerrechts zu
halten und die Menschenrechte zu achten. [12]
Im
selben Monat kündigten die USA und die Türkei an, den Sturz von Assad ›beschleunigen‹ zu wollen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul
erklärten Hillary Clinton und ihr türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu am 11.
8., dass beide Länder an Strategien arbeiteten, ›um das Ende des Blutvergießens
und des Regimes von Assad zu beschleunigen‹.
»Niemand kann sagen, wann das Regime fallen wird, aber der
Tag wird kommen«, erklärte Clinton. [13]
So
hatten die syrischen Regierungsgegner in Berlin unter der Anleitung deutscher,
französischer, britischer und US-amerikanischer Experten auch eine Strategie
zusammengestellt, die im August 2012 in den Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz
unter dem Titel ›The Day After‹
offiziell präsentiert wurde. Eine baldige Realisierung wurde in Aussicht
gestellt. [14]
Als
sich die EU-Aussenminister am 10.
September 2012 zur Besprechung der syrischen Situation in Zypern trafen, bestand
bereits das Verbot für Assad, seine engsten Verwandten sowie für 150
Regierungsangehörige, die EU zu betreten. Eingeschlossen war das Einfrieren
ihrer Vermögen. Das Treffen stand unter der Forderung, dass die EU den Sturz
Assads vorbereiten müsse; gleichzeitig arbeitete die EU bereits auf eine Zukunft
nach Assad hin. Das zeigten Diskussionen über die Anerkennung einer
Übergangsregierung und die Bildung einer internationalen Arbeitsgruppe in
Berlin zur Vorbereitung eines wirtschaftlichen Neuanfangs. [15]
Bei den Verhandlungen in Genf im Januar 2014 bezüglich
einer Übergangsregierung und die künftige Rolle von al-Assad gab es kein
Resultat. Die syrische Delegation hatte ein auf Prinzipien begründetes Dokument
vorgelegt, das Syriens Souveränität bekräftigte und kategorisch ausschloss,
dass Assad von seinem Amt zurücktrete. Hingegen sahen die Opposition und die im
Land gegen das Regime kämpfenden Rebellen im Abgang Assads die Voraussetzung
dafür, dass eine aus Regimevertretern und Oppositionellen bestehende
Übergangsregierung gebildet werden könne. [16]
Am
9. September 2015 erklärte dann der britische Aussenminister Philipp Hammond, dass
falls ein vernünftiger Plan für einen Übergang vorläge, bei dem Assad eine
Zeitlang in gewisser Weise an dem Prozess beteiligt bliebe, würde man das
prüfen; wir sagen nicht, dass er gleich am ersten Tag gehen muss. Indessen
beharrte Premier Cameron darauf, Assad zu stürzen, und sagte sogar, er erwäge
zusätzlich zu den laufenden Drohnenangriffen ein stärkeres militärisches
Eingreifen. In Frankreich deutete Präsident Hollande in einer Pressekonferenz als
Reaktion auf einen Vorstoss von Putin am 7. 9. 15 einen Kurswechsel an; Frankreich
bestehe nicht mehr darauf, dass Assad als Vorbedingung für Frieden in der
Region sofort zurücktrete. Frankreich sei bereit, mit allen Ländern, die bei
einer politischen Lösung und einem Übergang helfen können, auch mit Russland
und dem Iran, zu kooperieren. Zum Machtübergang in Syrien sagte Hollande nur,
man solle nichts tun, was Assad stärke, und irgendwann werde Assad gehen
müssen. [17]
Entsetzt
gab sich Merkel Anfang Februar 2016 über die Russen, wozu ›sputniknews‹ vermerkte,
dass sie ihr Entsetzen in den bisherigen vier Jahren des Syrienkriegs mit
seinen mehr als 200.000 Toten gut verborgen habe. Auch über die halbe Million
Tote im Ergebnis des Irakkriegs, mit dem die Kanzlerin offen sympathisierte,
war ihr bisher kein Grausen abzuringen, und die mehr als 100.000 Tote des
Afghanistankriegs, an dem die Bundeswehr so tapfer beteiligt ist, konnten ihr
bisher kein Mitleid entlocken: Das trifft auch auf die durch vom Stützpunkt Ramstein
aus gesteuerten US-Drohnen Hingerichteten zu, die ihr offensichtlich kein
Schaudern verursachen. [18]
Der
›Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung‹ vom 1. Januar 2017
zufolge lehnte Berlin trotz der Befreiung Aleppos Gespräche mit Syriens
Präsident Assad ab: «Mit Assad gibt es keinen Frieden». Mit diesen Worten liess
sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert
Röttgen, von der ›FAS‹ zitieren. Röttgen meinte, dass der
syrische Präsident «kein wirklich entscheidender Akteur» in Syrien sei, sondern
nur «ein Vehikel für Russland und den Iran».
[19]
Die
Aussenminister der G7-Staaten wollten bei ihrem Treffen im April 2017 im
italienischen Lucca eine Lösung des Syrienkonflikts ohne Präsident Assad an der
Macht. Auch Präsident Trump drängte auf eine Ablösung Assads, wobei jedoch immerhin
die Auffassung vertreten wurde, dass der Konflikt ohne militärische Gewalt zu
lösen sein müsse. Der deutsche Regierungssprecher Seibert nannte als
gemeinsames Ziel ein stabiles und friedliches Syrien -
natürlich ohne Assad. [20]
Bei
dieser Zusammenkunft hatte Merkel erklärt: Assad kann nicht Präsident von
Syrien bleiben. [21]
Auf der 4. Brüsseler Syrien-Geberkonferenz im
Juni sind unsere Steuergelder in Höhe von 2,3 Milliarden Euro von der EU wiederum
als Hilfsgelder zugesagt worden - 2019 waren es rund 8,6 Milliarden €. Gleichzeitig
forderte Josep Borrell, der EU-Aussenbeauftragte, auch die anderen Konferenzteilnehmer
zu grosszügigen Zusagen auf.
Zwar forderte Borrell gleichzeitig eine dauerhafte Lösung für den
Syrien-Konflikt - ähnlich äusserte sich auch
Guterres mit dem Statement, dass nur eine politische Lösung das Leiden der
Menschen beenden könne - doch steht zu befürchten,
dass diese Worte erneut auf steinigen Grund fallen. [22]
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2293
22. 6.
14 51 Millionen auf der Flucht
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2502
8. 2. 16 Syrien - Neue Teilungspläne
[1] INTER
INFO Nummer 466 vom Oktober 2017
[2] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8307/ 16. 6. 20
Hoffen auf die Hungerrevolte
[3] http://www.jungewelt.de/2012/08-08/026.php 8. 8. 12 Der
Tag danach - Karin Leukefeld
[4] https://de.sputniknews.com/panorama/20180419320397900-syrien-forschungszentrum-krebs-medikamente/ 19. 4. 18
[5] http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/USA-verhaengen-Sanktionen-gegen-Syrien-und-meinen-damit-den-Iran/story/13960835
11. 8. 12 [6] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/07/syrien-rueckkehr-von-fluechtlingen-erst-nach-ende-der-eu-sanktionen/ 7. 8. 2018
[7] https://www.voltairenet.org/article209449.html 10.
3. 20 Was ist das nächste Ziel nach
Syrien? – Von Thierry Meyssan
[8] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/29/teilungsplan-syrien-usa-will-gebiete-isis-ueberlassen/ 1. 3. 16
[9] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/08/21/tuerkei-und-syrien-wenden-sich-gegen-us-verbuendete/ 21. 8. 16
[10] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/f-william-engdahl/herr-praesident-sind-sie-dabei-den-nahen-osten-in-die-luft-zu-sprengen-.html 8. 2. 2016
Herr Präsident, sind Sie dabei, den Nahen Osten in die Luft zu sprengen? Von F.
William Engdahl [11] http://www.jungewelt.de/2012/10-16/033.php 16. 10. 12 Friedensaktivismus - Syrien, Iran: Schärfere
EU-Sanktionen - Von Werner Pirker [12] http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/USA-verhaengen-Sanktionen-gegen-Syrien-und-meinen-damit-den-Iran/story/13960835
11. 8. 12
[13] http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=59871&title=Westerwelle+gegen+Milit%E4reinsatz+in+Syrien&storyid=1344764153532 12. 8. 12
[14] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59521 19. 1. 17 Keine Ordnungsmacht
[15] http://bazonline.ch/ausland/europa/Die-EU-plant-die-Zukunft-Syriens/story/25077675 6. 9. 12
[16] http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/AssadFrage-laesst-Friedensverhandlungen-stocken/story/13192184 27. 1. 14
[17] Strategic Alert,
Jahrgang 28, Nr. 38 vom 16. September 2015
[18] http://de.sputniknews.com/meinungen/20160211/307755586/nato-bekaempft-fluechtlinge.html 11. 2. 16 [19] http://www.epochtimes.de/politik/welt/italienische-geheimdienste-in-alarmbereitschaft-weltweit-gesuchter-is-anfuehrer-soll-mit-400-kaempfern-nach-europa-gekommen-sein-anschlaege-in-vorbereitung-a2011534.html 30. 12. 16
[20] http://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3 11. 4. 17 [21] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/04/10/merkel-assad-kann-nicht-praesident-von-syrien-bleiben/ 10. 4. 17 [22] https://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3 30. 6. 20
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