Krieg und Erdgas: Die israelische Invasion und die Offshore-Gasfelder des Gazastreifens - Von Michel Chossudovsky 16.10.2023 16:59
Am frühen Samstagmorgen des 7. Oktobers 2023 startete die Hamas die »Operation Al-Aqsa-Sturm«,
die von ihrem Militärchef Mohammed Deif geleitet wurde. Am selben Tag bestätigte Netanyahu den sogenannten »Zustand der Kriegsbereitschaft«. Israel hat so am 7. 10. 2023 offiziell einen illegalen Krieg gegen Palästina erklärt. Militäroperationen werden immer lange im voraus geplant. War die »Operation Al-Aqsa-Sturm« ein »Überraschungsangriff«? Hatten Netanjahu und sein riesiger militärischer Geheimdienstapparat Vorwissen über den Hamas-Angriff? Gab es einen sorgfältig ausgearbeiteten Plan für einen umfassenden Krieg gegen Palästina, bevor die »Operation Al-Aqsa-Sturm« gestartet wurde? Hierzu
Dr. Philip Giraldi am 8. Oktober: »Als ehemaliger Geheimdienstoffizier finde
ich es unmöglich zu glauben, dass Israel nicht über mehrere Informanten im
Gazastreifen und elektronische Abhörgeräte entlang der Grenzmauer verfügte, die
Bewegungen von Gruppen und Fahrzeugen aufzeichnen können hätten - [Hatte
Netanjahu Vorwissen] über die Entwicklungen in Gaza und entschied sich, es geschehen
zu lassen, um Gaza als Vergeltung von der Landkarte zu tilgen«. Es
sollte auch klar sein, dass Netanjahus illegale Kriegserklärung gegen den
Gazastreifen vom 7. Oktober eine Fortsetzung der Invasion des Gazastreifens von
2008 - 2009 im Rahmen der »Operation Gegossenes Blei« ist. Das zugrundeliegende
Ziel ist die vollständige militärische Besetzung des Gazastreifens durch
Israels IDF-Truppen und die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Heimatland.
Rückblick: »Operation
Gegossenes Blei«
Der Gazastreifen gehört zu Palästina. Im Dezember 2008 marschierten die
israelischen Streitkräfte im Rahmen der »Operation Gegossenes Blei« in den
Gazastreifen ein. Begründet wurde dieser Einmarsch mit »anhaltenden
terroristischen Aktivitäten und einer ständigen Bedrohung durch Raketen aus dem
Gazastreifen, die auf israelische Zivilisten gerichtet waren«. Was war der
Hintergedanke? Der Zweck der Operation war die Beschlagnahmung der maritimen
Erdgasreserven Palästinas. Im Zuge der Invasion
wurden die palästinensischen Gasfelder von Israel unter Mißachtung
des Völkerrechts de facto beschlagnahmt. Ein Jahr nach der »Operation
Gegossenes Blei« gab Tel Aviv die Entdeckung des Leviathan-Erdgasfeldes im
östlichen Mittelmeer »vor der Küste Israels« bekannt.
Zu
dieser Zeit war das Gasfeld »…...das bedeutendste Feld, das jemals in dem noch
nicht erforschten Gebiet des Levantinischen Beckens, das etwa 83.000
Quadratkilometer im östlichen Mittelmeerraum umfaßt, gefunden wurde«. In
Verbindung mit dem 2009 entdeckten Tamar-Feld am selben Ort sind die Aussichten
für Israel sowie für das in Houston, Texas, ansässige Unternehmen Noble Energy
und seine Partner Delek Drilling, Avner Oil Exploration und Ratio Oil
Exploration ein wahrer Energie-Glücksfall. [1] Die Gasfelder im Gazastreifen sind Teil des umfassenderen Bewertungsbereichs
der Levante. Die Integration dieser angrenzenden Gasfelder, einschließlich der
palästinensischen, in den Orbit Israels ist im Gange. Es sei darauf
hingewiesen, dass die gesamte östliche Mittelmeerküste, die sich vom
ägyptischen Sinai bis nach Syrien erstreckt, ein Gebiet mit großen Gas- und
Ölreserven ist.
Krieg und Erdgas Die
militärische Invasion des Gazastreifens durch die israelischen Streitkräfte im
Dezember 2008 steht in direktem Zusammenhang mit der Kontrolle und dem Besitz
der strategischen Offshore-Gasreserven. Dies war ein Eroberungskrieg: Vor der
Küste des Gazastreifens waren im Jahr 2000 umfangreiche Gasreserven entdeckt
worden. British
Gas (BG Group) und sein Partner, die in Athen ansässige Consolidated
Contractors International Company (CCC), die sich im Besitz der
libanesischen Familien Sabbagh und Koury befindet, erhielten in einem
im November 1999 mit der Palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichneten Abkommen
mit einer Laufzeit von 25 Jahren die Rechte zur Exploration von Öl und Gas. Die
Rechte an dem Offshore-Gasfeld liegen bei British Gas (60 %), Consolidated
Contractors (CCC) (30 %) und dem Investitionsfonds der Palästinensischen
Behörde (10 %); (Haaretz vom 21. 10. 2007). Die Vereinbarung zwischen PA, BG und CCC umfaßt
die Erschließung des Feldes und den Bau
einer Gaspipeline; (Middle East Economic Digest vom 5. 1. 2001). Die BG-Lizenz
umfaßt das gesamte Offshore-Meeresgebiet des Gazastreifens, das an mehrere
israelische Offshore-Gasanlagen angrenzt. Es sei darauf hingewiesen, dass 60 % der
Gasreserven entlang der Gaza-Israel-Küste zu Palästina gehören. Die
BG-Gruppe führte im Jahr 2000 zwei Bohrungen durch: Gaza Marine-1 und Gaza
Marine-2. Die Reserven werden von British Gas auf eine Größenordnung von 1,4
Billionen Kubikfuß geschätzt, was einem Wert von etwa 4 Milliarden Dollar
entspricht. Dies sind die von British Gas veröffentlichten Zahlen. Die
Gasreserven Palästinas könnten noch viel größer sein.
Wem gehören die Gasfelder?
Die
Frage der Souveränität über die Gasfelder in Gaza ist von entscheidender
Bedeutung. Rechtlich gesehen gehören die Gasreserven zu Palästina. Der Tod von
Jassir Arafat, die Wahl der Hamas-Regierung und der Ruin der Palästinensischen
Autonomiebehörde haben es Israel ermöglicht, de facto die Kontrolle über die
Offshore-Gasreserven des Gazastreifens zu übernehmen. British
Gas (BG Group) hat mit der Regierung in Tel Aviv verhandelt. Im Gegenzug wurde
die Hamas-Regierung in Bezug auf die Explorations- und Erschließungsrechte für
die Gasfelder übergangen.
Die
Wahl von Premierminister Ariel Sharon im Jahr 2001 war ein wichtiger
Wendepunkt. Die Souveränität Palästinas über die Offshore-Gasfelder wurde vor
dem Obersten Gerichtshof Israels angefochten. Sharon erklärte unmißverständlich,
dass »Israel niemals Gas von Palästina kaufen würde« und deutete damit an, dass
die Offshore-Gasreserven des Gazastreifens Israel gehören. Im Jahr 2003 legte Ariel Sharon sein Veto gegen eine
erste Vereinbarung ein, die es British Gas ermöglichen sollte, Israel mit
Erdgas aus den Offshore-Bohrungen des Gazastreifens zu versorgen; (The
Independent, 19. 8. 2003. Der Wahlsieg der Hamas im Jahr 2006 trug zum
Niedergang der Palästinensischen Autonomiebehörde bei, die sich unter dem
Stellvertreterregime von Mahmoud Abbas auf das Westjordanland beschränkte. Im
Jahr 2006 stand British Gas »kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens, das
Gas nach Ägypten zu pumpen«; (Times, 23. 5. 2007). Berichten zufolge
intervenierte der britische Premierminister Tony Blair im Namen Israels, um das
Abkommen mit Ägypten zu verhindern. Im folgenden Jahr, im Mai 2007, billigte
das israelische Kabinett einen Vorschlag von Premierminister Ehud Olmert, »Gas
von der Palästinensischen Autonomiebehörde zu kaufen«. Der vorgeschlagene
Vertrag hatte ein Volumen von 4 Mrd. $, mit Gewinnen in der Größenordnung von 2
Mrd. $, von denen eine Milliarde an die
Palästinenser gehen sollte. Tel Aviv hatte jedoch nicht die Absicht, die
Einnahmen mit Palästina zu teilen. Das israelische Kabinett setzte ein
israelisches Verhandlungsteam ein, das unter Umgehung der Hamas-Regierung und
der Palästinensischen Autonomiebehörde ein Abkommen mit der BG-Gruppe
aushandeln sollte: »Die israelischen Verteidigungsbehörden wollen, dass die
Palästinenser in Form von Waren und Dienstleistungen bezahlt werden, und
bestehen darauf, dass kein Geld an die von der Hamas kontrollierte Regierung
geht«; (ebd.). Das Ziel bestand im Wesentlichen darin, den 1999 zwischen der
BG-Gruppe und der Palästinensischen Autonomiebehörde unter Jassir Arafat
unterzeichneten Vertrag zu annullieren. Im Rahmen des 2007 vorgeschlagenen
Abkommens mit BG sollte palästinensisches Gas aus den Offshore-Bohrungen des
Gazastreifens über eine Unterwasserpipeline zum israelischen Seehafen Aschkelon
geleitet werden, wodurch die Kontrolle über den Verkauf des Erdgases an Israel
überging. Das Geschäft scheiterte. Die Verhandlungen wurden ausgesetzt: »Der
Chef des Mossad, Meir Dagan, sprach sich aus Sicherheitsgründen gegen die Transaktion
aus, da mit den Erlösen der Terror finanziert würde«; (Knessetmitglied Gilad
Erdan, Rede vor der Knesset zum Thema »Die Absicht des stellvertretenden Premierministers
Ehud Olmert, Gas von den Palästinensern zu kaufen, wenn die Zahlung der Hamas
zugute kommt« - zitiert am 1. März 2006 in »Does the Prospective Purchase of
British Gas from Gaza’s Coastal Waters Threaten Israel’s National Security?«
von Generalleutnant a.D. Moshe Yaalon; Jerusalem Center for Public Affairs, October
2007.
Invasionsplan auf dem Reißbrett
Der
Plan für die Invasion des Gazastreifens im Rahmen der »Operation Gegossenes
Blei« wurde nach Angaben des israelischen Militärs im Juni 2008 auf den Weg
gebracht: »Quellen im Verteidigungsapparat sagten, Verteidigungsminister Ehud Barak
habe die israelischen Streitkräfte vor über 6 Monaten [Juni oder vor Juli] angewiesen, sich auf die Operation vorzubereiten,
selbst als Israel begann, ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas
auszuhandeln«; (Barak Ravid, Operation »Cast Lead«: Israelische Luftwaffe schlug nach monatelanger Planung zu; (Haaretz,
27. Dezember 2008) Noch im selben Monat setzten sich die israelischen Behörden
mit British Gas in Verbindung, um die entscheidenden Verhandlungen über den
Bezug von Erdgas aus dem Gazastreifen wieder aufzunehmen: »Sowohl der
Generaldirektor des Finanzministeriums, Yarom Ariav, als auch der Generaldirektor
des Ministeriums für nationale Infrastrukturen, Hezi Kugler, erklärten sich
bereit, BG über den Wunsch Israels nach einer Wiederaufnahme der Gespräche zu
informieren. Die Quellen fügten hinzu, dass BG noch nicht offiziell auf die
israelische Anfrage geantwortet hat, dass aber Führungskräfte des Unternehmens
wahrscheinlich in einigen Wochen nach Israel kommen werden, um Gespräche mit Regierungsvertretern zu führen«; (Globes, Israel’s Business Arena, 23. Juni
2008). Die Entscheidung, die Verhandlungen mit der British Gas Group zu
beschleunigen, fiel zeitlich mit der im Juni begonnenen Planung der Invasion in
Gaza zusammen. Es hat den Anschein, dass Israel bestrebt war, vor der Invasion,
die sich bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstadium befand, eine
Einigung mit BG zu erzielen. Außerdem wurden diese Verhandlungen mit British
Gas von der Regierung Ehud Olmert in dem Wissen geführt, dass eine militärische
Invasion geplant war. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde von der israelischen
Regierung auch eine neue politisch-territoriale Regelung für den Gazastreifen
für die Zeit nach dem Krieg ins Auge gefaßt. Tatsächlich liefen im Oktober
2008, also zwei bis drei Monate vor Beginn der Bombardierungen am 27. Dezember,
Verhandlungen zwischen British Gas und israelischen Beamten. Im November 2008
wiesen das israelische Finanzministerium und das Ministerium für nationale
Infrastrukturen die Israel Electric Corporation (IEC) an, Verhandlungen mit BG über
den Kauf von Erdgas aus der Offshore-Konzession von BG in Gaza aufzunehmen;
(Globes, 13. November 2008). »Der Generaldirektor des Finanzministeriums, Yarom
Ariav, und der Generaldirektor des Ministeriums für Nationale Infrastrukturen, Hezi
Kugler, informierten den Vorstandsvorsitzenden der IEC, Amos Lasker, in einem
Schreiben über die Entscheidung der Regierung, die Verhandlungen gemäß dem
Anfang des Jahres genehmigten Rahmenvorschlag fortzusetzen. »Der IEC-Vorstand
unter der Leitung des Vorsitzenden Moti Friedman hat die Grundsätze des
Rahmenvorschlags vor einigen Wochen genehmigt. Die Gespräche mit der BG Group
werden beginnen, sobald der Vorstand die Ausnahme von der Ausschreibung
genehmigt hat«; (Globes, 13. 11. 2008).
Gaza und Energiegeopolitik
Die
militärische Besetzung des Gazastreifens zielt darauf ab, die Souveränität über
die Gasfelder unter Verletzung des Völkerrechts an Israel zu übertragen. Was
können wir nach der Invasion erwarten? Welche Absichten verfolgt Israel in
Bezug auf die Erdgasreserven Palästinas? Eine neue territoriale Regelung mit
der Stationierung von israelischen und/oder ›friedenserhaltenden‹
Truppen? Die Militarisierung der gesamten Küstenlinie des Gazastreifens, die
für Israel von strategischer Bedeutung ist? Die völlige Beschlagnahmung der palästinensischen
Gasfelder und die einseitige Erklärung der israelischen Souveränität über die
Seegebiete des Gazastreifens? In diesem Fall würden die Gasfelder des Gazastreifens
in die israelischen Offshore-Anlagen, die an die des Gazastreifens grenzen, integriert
werden.
Diese
verschiedenen Offshore-Anlagen sind auch mit dem israelischen
Energietransportkorridor verbunden, der sich vom Hafen Eilat, einem
Ölpipeline-Terminal am Roten Meer, bis zum Seehafen-Pipeline-Terminal in
Aschkelon und nordwärts nach Haifa erstreckt und schließlich durch eine
geplante israelisch-türkische Pipeline mit dem türkischen Hafen Ceyhan
verbunden wird. Ceyhan ist der Endpunkt der
transkaspischen Pipeline ›Baku – Tblisi – Ceyhan‹. »Geplant ist,
die BTC-Pipeline mit der ›Trans-Israel-Eilat-Ashkelon-Pipeline‹,
auch bekannt als Israels ›Tipline‹, zu verbinden«. [2]
Auf politonline sind zahlreiche unverändert
aktuelle Analysen des kanadischen Professors der Wirtschaftswissenschaften
an der Universität Ottawa eingestellt.
https://uncutnews.ch/krieg-und-erdgas-die-israelische-invasion-und-die-offshore-gasfelder-des-gazastreifens/ 12. 10. 23 resp.
https://michelchossudovsky.substack.com/p/war-natural-gas-israeli-invasion-gaza-gas-fields?utm_source=post-email-title&publication_id=1910355&post_id=137832719&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=9atnc&utm_medium=email
10.10.2023 ›War and Natural Gas:
The Israeli Invasion and Gaza’s Offshore Gas Fields
[1] Felicity Arbuthnot, Israel: Gas, Oil and
Trouble in the Levant, Global Research, Dezember 30, 2013
[2] https://www.globalresearch.ca/the-war-on-lebanon-and-the-battle-for-oil/2824 ›The War on
Lebanon and the Battle for Oil‹ by Prof. Michel Chossudovsky,
Global Research July‹ 23, 2006
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