Geschichte einer Kapitulation - von e. Nationalrat Valentin J. Oehen, Köniz - Anmerkungen zum Vorschlag des Bundesrates, die Lex Koller aufzuheben.

Der Ausverkauf begann in den 50er Jahren! In zunehmend hemmungsloserer Art wurden nach dem Kriege Boden und Liegenschaften an Personen mit Wohnsitz im Ausland verschachert. In zahlreichen parlamentarischen Vorstössen wurde diese Entwicklung damals angeprangert. Und man höre und staune: es waren vor allem bürgerliche Repräsentanten wie etwa U.Dietschi oder C. Scherrer, welche, von zahlreichen Mitunterzeichnern unterstützt, das Thema auf eidgenössischer Ebene zur Diskussion stellten. Diese parlamentarischen Vorstösse führten 1960 zur sogenannten Lex von Moos, mit deren Hilfe der Masslosigkeit ein Riegel hätte geschoben werden sollen. Aus der bundesrätlichen Botschaft zu dieser Lex hier ein kurzes Zitat: "In der Schweiz ist der Boden besonders knapp. Auf diesem von Natur engen und angespannten Bodenmarkt kann schon eine geringe und erst recht eine massive ausländische Nachfrage, oft buchstäblich um jeden Preis, den Bodenpreis gefährlich in die Höhe treiben. Der höhere Bodenpreis wirkt sich als Teuerungsfaktor für die ganze Volkswirtschaft aus. Jede Bodenpreissteigerung leistet der Bodenspekulation und diese wiederum einer weiteren Preissteigerung Vorschub." Bald zeigte sich, dass das Gesetz wenig Wirkung entfaltete. Die Verkäufe nahmen stetig zu; im Schnitt wurden nur wenige Prozent der Gesuche abgelehnt; dafür wurden immer zahlreichere Umgehungsgeschäfte bekannt. Zweimal wurde die Lex von Moos vermeintlich verschärft - und immer neue Verkaufsrekorde stellten sich ein.

Neue parlamentarische Vorstösse von Seiten der SP, NA und EVP liessen erkennen, wieso sich BR Furgler, er hatte inzwischen das EJPD übernommen, weigerte, ein griffigeres Gesetz zu schaffen. Nach aussen tönte es zwar gut. So erklärte er am 13. Dezember 1972 vor dem Nationalrat: „Den Bundesrat erfüllt die Tatsache mit Sorge, dass die kantonalen und eidgenössischen Bewilligungs- und Rekursinstanzen (1971) 4849 Gesuche bewilligten und nur 183 (4%) der Fälle ablehnten. Es ist einfach für einen Kleinstaat nicht möglich, Auffangbecken zu werden für alle …./….. es ist ein Unterschied, ob man zu einem lieben Freund auf Besuch geht oder sich bei ihm gleichsam für den Rest des Lebens einnistet.
Sie würden sehr rasch erleben, dass die besten Freunde eine etwas merkwürdige Gesichtsfarbe bekämen, wenn ihnen solche Überlegungen plötzlich einfielen. Ähnlich verhält es sich mit dem Gastland Schweiz.“
 
Am 9. 12. 1971 hatte NR W. Jaeger mit 11 Mitunterzeichnern ein Postulat mit der Forderung nach einem Dringlichen Bundesbeschluss eingereicht: „…. durch welchen die Verkäufe von Grundstücken und Eigentumswohnungen an Personen im Ausland befristet, d.h. bis zur Inkraftsetzung eines wirksamen Gesetzes, längstens aber für ein Jahr grundsätzlich verboten werden.“ Der Bundesrat lehnte dieses Postulat postwendend ab.
 
Bundesrat Furgler lässt die Katze aus dem Sack!
Die Begründung für die Ablehnung dieser wahrhaft moderaten Forderung lässt tief blicken. Wir lesen dort: „In ökonomischer Hinsicht stellen die Grundstückverkäufe für die bisherigen Landbesitzer, insbesondere für solche in wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebieten, eine willkommene Einkommensverbesserung dar und vermögen solcher Art mitzuhelfen, die Wirtschaftsstruktur einer Region zu verbessern. Der Verkauf von Eigentumswohnungen dürfte ferner den betreffenden Gebieten eine kaufkraftstarke Konsumentenschaft zuführen.“
Dabei verschwieg Herr Furgler,
dass die grossen Profiteure dieser Verkäufe in aller Regel Spekulanten waren und dass einzig die Bauwirtschaft und die Notare kurzfristige Gewinne erzielten;
dass die ungedeckten Infrastrukturkosten durch das meist schlecht genutzte Wohneigentum an den einheimischen Steuerzahlern hängen blieben und bleiben;
dass eine sinnlose Energieverschleuderung unausweichlich ist, da die leeren Wohnungen und Villen in der kalten Jahreszeit durchgeheizt werden müssen;
dass die wilde Überbauerei die touristisch entscheidenden Landschaftsschönheiten vernichtet;
dass die Hotellerie mit ihren ganzjährigen Arbeitsplätzen massiv konkurrenziert wird, ohne dass wesentliche neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ausserdem: durch den Verkauf des Tafelsilbers wird bekanntlich keine Einkommensverbesserung erzielt, höchstens eine Notsituation überbrückt!
 
Dafür aber brachte Furgler bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal das Totschlag-Argument der Diskriminierung von Ausländern, also die Xenophobie ins Spiel! Und die Katze im Sack wollen wir an dieser Stelle klar benennen: Nur die Interessen der Parteifreunde in den bekannten Gebieten GR, TI, VS und VD etc. sind wichtig; Wirtschaft über alles! Wachstum ist wichtig! Die Interessen der kleinen Leute sind vernachlässigbar! Das Umwelt-Problem ist irrelevant!
 
Das Intermezzo der Lex Celio
In jenen Jahren litt die Schweiz unter einer massiven Inflation. Riesiges Fremdkapital drängte auf unseren Finanzmarkt, so dass auch die Finanzhaie kalte Füsse bekamen. Und siehe da: plötzlich, am 26. Juni 1972, konnte der Bundesrat mit einem Dringlichen Bundesbeschluss alle „Rechtsgeschäfte zum Erwerb von Grundstücken in der Schweiz durch Personen im Ausland“ auf eine begrenzte Dauer verbieten. Keine Rede mehr von Diskriminierung von Ausländern. Aber hier ging es ja nicht mehr um den Schutz des eigenen Bodens, sondern um die Währung! Immerhin war der Ausverkauf für einen Moment unterbrochen. Aber sehr bald hub ein Wehgeschrei aus den Kreisen der Notare, Advokaten, Treuhänder, Liegenschaftenmakler (und Spekulanten) an, und sehr rasch wurden Ausnahmen bewilligt. Wie die Statistik zeigt, war der Erfolg trotzdem eindrücklich. Leider - ein Dringlichkeitsbeschluss hat in der Regel eine nur kurze Lebensdauer - wurde er zu Gunsten der neu geschaffenen Lex Furgler schon ein Jahr später wieder aufgehoben.
 
Die « Lex Furgler» ein Papiertiger!
Die Botschaft des Bundesrates liess Hoffnungen aufkommen. So lesen wir dort zum Beispiel:
„Die Knappheit des unvermehrbaren Bodens bei sich vermehrender Bevölkerung ist eine für die Schweiz unbestreitbare Tatsache; das Wort vom Volk ohne Raum wäre für die Schweiz wohl am Platze, wäre es nicht historisch belastet. Es empfiehlt sich, flankierend zu der Raumplanung, den Erwerb von Boden - auch und nicht zuletzt für Erholungszwecke und in Form von Wohneigentum durch Personen im Ausland zu beschränken; der Boden soll in erster Linie den Landeskindern und jenen Ausländern reserviert bleiben, die auf ihm arbeiten oder sonst mit ihm als Einwohner dauernd verbunden sind.“ Doch schon bei der Beratung des neuen Gesetzes wurde klar, dass unter Furglers Ägide kein wirksames Instrument gegen die Verschleuderung des einheimischen Bodens geschaffen würde. Zu zahlreiche Ausnahmen wurden vorgesehen und zu viele Schlupflöcher wurden eingebaut. Und der Ausverkauf ging denn auch trotz der schönen oben zitierten Ausführungen des Bundesrates fröhlich weiter.
 
Die Lex Friedrich von 1983
wurde unter den Titel gestellt: ‚Gesetz zur Verhinderung der Ueberfremdung des einheimischen Bodens.’ Eine Zielformulierung , die schlicht falsch, resp. einseitig war. Die Knappheit des Bodens schien plötzlich keine Rolle mehr zu spielen. Die Revision war unvermeidlich geworden, weil die Zahl der Bewilligungen von 1593 (im Jahre 1973, Folge der Lex Celio) auf jährlich bis zu 5900 Bewilligungen zu Beginn der achtziger Jahre angestiegen war.Vor allem aber musste ein Kampfinstrument gegen die Initiative der Nationalen Aktion, die 1979 mit 108 000 Unterschriften eingereicht worden war, geschmiedet werden. In einer Nationalfonds-Studie eines Forscherteams der Universität Genf wurde klar festgehalten, dass die geplante Schaffung der Lex Friedrich der Initiative der Nationalen Aktion den Wind aus den Segeln nehmen sollte. Es ging also keineswegs um eine bessere Bekämpfung des Ausverkaufs der Heimat! Eine Tageszeitung titelte: ‚Die ganze Lexerei - eine Geschichte von Fehlschlägen!’
 
Das ist begreiflich, da Furgler seinerzeit, wie oben angetönt. widersprüchliche Ziele unter einen Hut bringen wollte. Es ging um die Beschwichtigung der ‚Gegner des Ausverkaufs der Heimat’, andererseits (angeblich) um die Förderung der Bergebiete (lies: seiner Parteifreunde) und schliesslich um die internationale Öffnung der Schweiz. Dem letzten Punkt wäre ein besonderes Kapitel zu widmen, da Landesvater Furgler gleichzeitig Mitglied des internationalistischen Bilderberger-Clubs war. * Nun war also Bundesrat Friedrich an der Reihe, um einen weiteren Blindgänger zu schaffen, der sich zur Täuschung des Volkes eignen sollte. Wer sich über die Vorgänge in den 20 Jahren Lex von Moos/ Lex Furgler informieren möchte, möge sich die Beobachter-Serie ‚Sand in die Augen des Volkes’ beschaffen und diese sorgfältig studieren.
 
Der Kampf gegen die Initiative der Nationalen Aktion - ein Lehrstück politischer Hinterhältigkeit!
Die Initiative kam am 20. Mai 1984 zur Abstimmung. Sie wurde von einem breit abgestützten Patronatskomitee unter Führung der Nationalen Aktion getragen und stiess in der Bevölkerung auf grosse Sympathie. In einem Artikel der NZZ führte der Schreibende aus:
„Die Initiative ist einfach und klar. Man weiss, was man erwarten kann. Sachliche Argumente dagegen, die einer genauen Prüfung standhalten, gibt es nicht. Sie ist eine angemessene Antwort auf 24 Jahre gesetzgeberischen Versagens und schlimmer Fehlentwicklungen.“
 
10 Tage vor der Abstimmung titelte Die Weltwoche: „Herr Oehen darf den Merlot aus dem Keller holen.“ Eine Umfrage hatte eine eklatante Unterlegenheit der ablehnenden Stimmen von 14% bei 47 % zustimmenden Wählern ergeben. Allerdings war die Zahl der Unentschiedenen mit 28% noch sehr hoch. Der Kommentar: „Man muss die Abstimmungschance der NA-Ausverkaufs-Initiative als exzellent bezeichnen; und an eine überraschende Trendwende ist nicht zu glauben“, prophezeite Felix Müller in derselben Zeitung.
 
Aber das gegnerische Komitee hatte offenbar noch genug Geld, um nochmals eine breit angelegte Kampagne zu lancieren. Mit Titeln wie ‚Noch mehr Ausverkauf der Heimat: Nein’ oder ‚Nein zum Ausverkauf der Heimat’ am 20. Mai oder ‚Wie lange soll der Ausverkauf der
Heimat noch weitergehen?’ wurde das Faktum ausgenützt, dass zur Initiative ‚Ausverkauf der Heimat’ JA stimmen musste, wer diesen Ausverkauf wirksam bremsen wollte. Der Coup gelang. Offensichtlich stimmten Hunderttausende von Stimmbürgern mit Nein, in der Meinung, damit die Initiative ‚Gegen den Ausverkauf der Heimat’ zu unterstützen. Bei einer Stimmbeteiligung von 41,9% stimmten 48,9% für die Annahme der Inititative, 51,1% lehnten sie ab. Besonders deutlich lehnten Kantone mit starken CVP-Parteien ab. Hier kumulierten sich die Stimmen der echten und vermeintlichen Profiteure des Ausverkaufs mit den getäuschten Mitbürgern in dramatischer Weise. Die «Bauernfängerei» mit dem täuschenden Slogan hatte ganz eindeutig den Willen des Volkes ausgehebelt! Angenommen hatten die Kantone ZH, BE, SO, BS, BL, SH, AR, SG, AG und TG. Damit war der Weg für die Lex Friedrich offen!
Es ist eine Schönfärberei, was im Bericht mit Vorentwurf betr. Aufhebung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland berichtet wird. Es ist nicht wahr, resp. eine Täuschung der Bürgerschaft, wenn behauptet wird, die Lex Friedrich sei nur geschaffen worden, um die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern. Wir haben das Thema oben dargestellt. Schritt um Schritt wurden alle Massnahmen abgeschwächt, die dem Schutz der Interessen der einheimischen Bevölkerung gedient hatten. Immer wieder haben sich die Wirtschaftskreise durchgesetzt, so dass z.B. seit 1997 (Lex Koller) der Erwerb von Grundstücken als reine Kapitalanlagen durch Ausländer möglich ist. Mit dem Freizügigkeitsabkommen von 1999 sind die Staatsangehörigen der EG-Staaten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, und die Grenzgänger auch von der Bewilligungspflicht befreit. Weitere Lockerungen beschloss das Parlament im Jahr 2002 und erneut in 2004. Heute sind wir tatsächlich an einem Punkt angelangt, wo festzustellen ist, dass
der Anwendungsbereich der Lex Koller stark eingeschränkt worden ist und sich der Kreis der Personen, die noch der Bewilligungspflicht unterliegen, sehr verkleinert hat, seitdem die in der Schweiz wohnenden Staatsangehörigen der EG- und EFTA-Staaten jegliche Art von Grundstücken frei erwerben können.
 
Die Politik hat vor den Interessen der Wirtschaft kapituliert!
In den Vernehmlassungsunterlagen stehen folgende ominöse Auslassungen:
„Es ist darauf hinzuweisen,dass sich die Schweiz in einer globalisierten Welt die Sonderbehandlung von Ausländern im Bereich des Grundstückerwerbs immer weniger leisten kann. Der Wirtschaftsstandort Schweiz hat ein vitales Interesse daran, für international tätige Unternehmen an Attraktivität zu gewinnen. Mit der Gesetzesaufhebung kann ein weiterer Beitrag zur Liberalisierung der schweizerischen Wirtschaftsordnung geleistet werden und die Schweiz kann sich auf diese Weise als dynamischer, offener und zukunftsträchtiger Wirtschaftsstandort positionieren.“ Gleichzeitig wird angekündigt, der Bestand an Zweitwohnungen werde weiter zunehmen. Die damit verbundenen Probleme vermögen unsere Regierung nicht zum Handeln zu veranlassen, da einmal mehr wirtschaftliche Interessen bestimmter Kreise wichtiger sind, als das Wohl der Gesamtbevölkerung und der Schutz der Umwelt. Erst wenn 30 bis 50% des gesamten Wohnungsbestandes in einer Region Zweitwohnung seien, müssten spezielle Regelungen geprüft werden.
Da kann man wirklich nur sagen: Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode!
 
* Zum Thema Bilderberger siehe u.a. Die Bilderberger-Konferenz 2005 auf politonline.