Das Imperium plant den Krieg

politonline d.a. Der am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnete EU-Reformvertrag, der am 1. 1. 2009 in Kraft treten soll, ist jetzt auch vom deutschen Bundestag ratifiziert worden, ohne dass es einen nennenswerten Widerstand gegeben hätte. Zu dem Vertragswerk selbst meinte die Neue Zürcher Zeitung am 20. 10. 07: »Zum Teil unkenntlich gemacht, zum Teil unsichtbar gemacht, kommt sie [nämlich die im Oktober 2004 von den EU-Regierungen unterzeichnete und von Frankreich und Holland abgelehnte Verfassung für Europa] in grossen Teilen wieder auf den Teller und »das Volk« soll das Vorgesetzte schlucken, ohne Stellung nehmen zu können.«

Die Junge Freiheit [1] schrieb am 25. 4. 08 u.a.: »Die Gelegenheit, die nationalstaatliche Verfassung ohne großen Widerstand des Volkes plattzumachen und das deutsche Grundgesetz einem europäischem Diktat zu unterwerfen, ist günstig. Die breite Bevölkerung plagt Inflation und Armut. Die Zustimmung des Bundestags zu diesem Vertrag krönt zudem die Verschleierungsstrategie der deutschen Volksvertreter, die Abschaffungder nationalen Souveränität möglichst klammheimlich und vor allem ohne Zustimmung des Volkes zu bewerkstelligen.« Henry Nitzsche, der aus der CDU ausgetretene Abgeordnete erklärte: »Mit diesem Reformvertrag wird eine verbindliche Verfassung für über 500 Millionen Menschen geschaffen, die allerdings nicht demokratisch legitimiert ist. [...] Der Europäische Rat wird durch das vereinfachte Änderungsverfahren dazu ermächtigt - ermächtigt! - fast das gesamte bestehende Unionsrecht zu ändern [...] Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments ist dabei nicht mehr notwendig« 2. Mit anderen Worten: Dem angestrebten Demokratieabbau und der Militarisierung der EU, die bereits mehrfach aufgezeigt wurde, sind alle Wege geebnet.
 
Dies bedeutet ferner, dass »die EU - ohne ein Parlament zu fragen - einen Krieg beginnen kann;  über Militäreinsätze entscheidet allein der Ministerrat der EU. Der Vertrag verpflichtet die EU-Bürger, (ungefragt) mehr Steuergeld für militärische Aufrüstung auszugeben, oder, wie dies die Eurokraten vorsichtiger formulierten ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Achtung des Privat- und Familienlebens, jedenfalls die der Wohnung, des privaten Telefons und der Briefe, darf eingeschränkt werden, und zwar für das wirtschaftliche Wohl des Landes oder zum Schutz der Moral. Was das sein soll, bestimmen diejenigen, die bisher schon die materiellen Voraussetzungen für wirtschaftlichen Wohlstand ruiniert und die Moral weitgehend zersetzt haben.« 2 Was die Militarisierung betrifft, so sind, abgesehen von der Verpflichtung zur Aufrüstung und der Ermächtigung zum weltweiten Kriegseinsatz - die damit verbundenen Vorhaben in einem von Gerald Oberansmayr bereits 2004 verfassten Artikel ausgezeichnet festgehalten 3: In der sogenannten Europäischen Sicherheitsstrategie hatten sich die EU-Staatschefs Ende 2003 auf ein gemeinsames Strategiepapier geeinigt. Dieses ist die Grundlage für das European Defence Paper- EDP, das der EU-Rat beim Institut für Sicherheitsstudien in Auftrag gegeben hatte. Das EDP erläutert auf 140 Seiten präzise die Ausgestaltung zukünftiger Kriege des europäischen Imperiums. Während Voggenhuber und Einem durch die Lande zogen, um von einer Friedensmacht EU zu schwadronieren, entstand im Auftrag des EU-Rats ein Papier, das sich kein Blatt mehr vor den Mund nimmt und aufdeckt, worum es tatsächlich geht: »Die Transformation Europäischer Streitkräfte von der Landesverteidigung in Richtung Intervention und Expeditionskriegszügen (orig.: expeditionary warfare) ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Europäische Sicherheitsstrategie.«. Die EU »will mehr globale Verantwortung ..... und eine Strategie präventiven Engagements übernehmen.« Dafür brauche man sowohl »mobile, flexible und schnelle Streitkräfte für Expeditionsinterventionen« als auch Besatzungstruppen, um diese »über sehr lange Zeiträume einzusetzen und aufrechtzuerhalten.« Militärische Szenarien werden entwickelt, »in denen die nationalen Atomstreitkräfte von EU-Mitgliedstaaten (Frankreich und Großbritannien) in die Gleichung entweder explizit oder implizit eingehen können.«
 
»Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen«
Über die Missionsziele für die imperialen Streitkräfte wird ebenfalls Klartext geredet: »Stabilitätsexport zum Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen.« Dafür gelte es - so heißt es tatsächlich wörtlich - »Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen« zu führen. Dankenwerterweise klären die EU-Strategen darüber auf, was hinter dem sog. Antiterrorkampf tatsächlich steht: »Durch künftige regionale Kriege könnten europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielsweise durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder einer massiven Erhöhung der Energiekosten, ... oder der Störung der Handels- und Warenströme.« Auch ein Vorbild für diese Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen wird ausführlich dargelegt: der Golfkrieg von 1991. »Europa kann seine Verteidigungspolitik nicht auf der Annahme aufbauen, dass es keine größeren militärische Herausforderungen im Mittleren Osten gibt, die von der gleichen oder sogar einer größeren Dimension als der des Golfkriegs von 1990-1991 sind.«
 
Vorbild für EU-Kriege: Golfkrieg 1990-91
Zur Erinnerung: im Golfkrieg Anfang der 90er Jahre wurden ca. 300.000 IrakerInnen unmittelbar getötet. Die Folgetoten dieses Krieges-– insbesondere aufgrund der Zerstörung der Infrastruktur und des Embargos - wird auf über eine Million geschätzt. In dieser Liga will die EU in Zukunft mitschießen. Auch die entsprechenden militärischen Planspiele werden bereits elaboriert: »In einem Staat X am Indischen Ozean haben antiwestliche Elemente die Macht erlangt und benützten das Öl als Waffen, vertreiben westliche Bürger und greifen westliche Interessen an. Darüber hinaus haben sie mit der Invasion des Nachbarlandes Y begonnen, dessen Regime pro-westlich orientiert ist und eine zentrale Rolle beim freien Fluss von Öl in den Westen spielt. ... Die EU interveniert gemeinsam mit den USA mit einer starken Streitmacht, um das land Y zu unterstützen und ihre eigenen Interessen zu schützen. [.....] Das militärische Ziel der Operation ist es, das besetzte Territorium zu befreien und die Kontrolle über einige der Öl-Infrastrukturen, Pipelines und Häfen des Landes X zu erlangen. [....] Der EU-Beitrag besteht aus 10 Brigaden (60.000 Soldaten). Diese Landstreitmacht wird von 360 Kampfflugzeugen und zwei maritimen Einheiten, die aus 4 Flugzeugträgern, 16 amphibischen Schiffen, 12 U-Booten, 40 Schlachtschiffen, 2 Kommandoschiffen, 8 Unterstützungsschiffen und 20 Patrouilleschiffen bestehen, unterstützt.«  
 
»Kriege wagen und gewinnen«
Weil sich die imperialen Streitkräfte noch nicht in der Lage sehen, dieses Golfkriegsszenario zu verwirklichen, durchzieht die Klage über die »militärischen Defizite« den Text von Anfang bis zum Schluss. »Die Fähigkeit Kriege in einem anspruchsvollen Szenario zu wagen und zu gewinnen ist noch sehr beschränkt.« »Noch fehlt es der EU an militärischer Eskalationsdominanz«. Das soll sich ändern. Daher ist das allgemeine Credo klar: »Die militärischen Ausgaben müssen gesteigert werden.« Die konkreten Vorgaben sind präzise. Hier nur ein Auszug dessen, was im EDP auf die Tagesordnung gesetzt wird: Erhöhung des Anteils der im Ausland einsetzbaren Streitkräfte von derzeit 10 % auf 50 %. Gemessen an den derzeitigen Mannstärken hieße das eine Ausweitung von 150.000 auf 750.000 Mann/Frau. Die Durchhaltefähigkeit bei Expeditionskriegszügen soll von derzeit 1 auf 3 Jahre gesteigert werden. Gleichzeitig soll der Zeitraum, innerhalb dessen die Euro-Länder weltweit schussbereit sind, extrem verkürzt werden. Diese Aufgabe kommt den sogenannten EU- battle groups (Schlachtgruppen) zu. Ein erstes Bataillon soll bereits innerhalb von 48 Stunden marschbereit sein. Erhöhung der einsetzbaren Militärflugzeuge von derzeit 400 auf 600; Ausbau der Luftbetankungsmöglichkeiten, um den Einsatzradius für Kampf- und Transportflugzeuge erheblich auszuweiten; Steigerung der Präzisionsmunition, Abstandslenkwaffen und der Waffen zur Ausschaltung gegnerischer Flugabwehr, um die eigenen Verluste gering zu halten. Ein sofortiges 42 Milliarden Euro-Investitionspaket wird alleine im Bereich Lufttransport und Aufklärungskapazitäten für notwendig erachtet. Die Militärausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung sollen verdoppelt werden. Ausbau der militärischen Fähigkeiten im Bereich Kommando, Kontrolle, Kommunikation, Nachrichtendienst, Überwachung, Zielerfassung und Aufklärung. Dafür muss insbesondere die militärische Nutzung des Weltraums vorangetrieben werden. Das ist die Voraussetzung zur sog. »Netzwerkszentrierten Kriegsführung«, wie sie die USA - so die Sichtweise der Verfasser des Papiers - so »eindrucksvoll« (!) vorgeführt haben. Ausbau der Transportgeräte in der Luft und zur See, um die Truppen weltweit verlegen zu können. Einrichtung eines Europäischen Multinationalen Kommandos zur See bestehend aus Flugzeugträgern, Schlachtschiffen, U-Booten, amphibischen Einheiten, usw. Denn »die anspruchsvollste Aufgabe ist die Machtprojektion, die aus der Kombination von Luftschlägen, Landangriffen und amphibischen Operationen besteht.« Einrichtung eines ständigen strategischen sowie eines mobilen Hauptquartiers, um bei Interventionen auf Perspektive nicht mehr auf NATO-Infrastrukturen angewiesen zu sein. Als besonders zentral für die Ausführung all dieser Ziele sehen die Autoren des EDP die Einrichtung der Rüstungsagentur und der sog. »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit« - SSZ, also die Einrichtung einer militärischen Kerngruppe in der EU. Die EU-Verfassung verleiht sowohl der Rüstungsagentur als auch der SSZ Verfassungsrang. Dadurch werden die entsprechenden militärischen Handlungsstrukturen grundgelegt. Schließlich sind »auch die besten militärischen Instrumente wirkungslos, wenn die EU-Mitglieder nicht darin übereinstimmen, warum, wann und wie sie eingesetzt werden.« Denn eines, so teilen uns die EPD-Verfasser mit, will das Imperium in Zukunft vermeiden: den nächsten Krieg »aus der Zuschauerposition« zu erleben.
 
Anmerkung politonline d.a. Es ist kaum möglich, dass diejenigen Parlamentarier, die den Lissabon-Vertrag bereits abgesegnet haben, über dessen Konsequenzen, die entgegen aller proklamierten EU-Werte eine ungeheuer menschenverachtende Angriffslust propagieren, nachgedacht haben. Auch hier lässt sich nur das konstatieren, was wir schon des öfteren ausgesprochen haben: Wir sind ausgeliefert, denn unsere Möglichkeiten, sich gegen diese Strategien zu stemmen, sind so gut wie ausgehebelt. Das sollte niemanden überraschen, notiert doch Strategic Alert 4, dass, was die Bundesrepublik betrifft, »der größte Skandal darin besteht, daß die Abgeordneten bis auf ganz wenige Ausnahmen diesen Vertrag zuvor gar nicht gelesen hatten. Dabei handelt es sich um nichts weniger als einen Staatsstreich von oben, bei dem auch noch der klägliche Rest an gesetzgeberischen Kompetenzen, die zuvor noch beim Bundestag lagen, an die Brüsseler EU-Diktatur abgegeben werden. [….] Man muß auch die Medien angreifen, die halfen, eine öffentliche Debatte über den Vertrag zu unterdrücken, indem sie monatelang nichts über dessen Inhalt veröffentlichten. Falls die EU unter dem Diktat des Vertrags einem britischen Empire als „erweitertem Commonwealth beitritt und sich zusammen mit der imperialistisch ausgerichteten USA als Rammbock gegen die künftigen Weltmachtansprüche Rußlands, Chinas und Indiens benutzen läßt, dann ist dies genau der Stoff, aus dem der Erste Weltkrieg des 21. Jahrhunderts zu entstehen droht. Europa soll stark sein, aber als Europa der Vaterländer im Sinne de Gaulles, die als souveräne Republiken multinational und bilateral zusammenarbeiten, um gemeinsam eine positive Rolle in der Welt zu diskutieren und zu übernehmen.«
 
1 Junge Freiheit www.jungefreiheit.de 18/08 25. April 2008; Vertrag von Lissabon - Harmonie um jeden Preis Von Bernd-Thomas Ramb
2 http://spatzseite.de/ vom 4. 5. 08
3 http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Europa/oberansmayr2.html Das Imperium plant den Krieg -  »European Defence Paper« im Auftrag es EU-Rates bereitet »Expeditionskriegszüge« vor. Von Gerald Oberansmayr. Oberansmayr arbeitet in der Werkstatt für Frieden und Solidarität, Linz. Bei der alternativen Friedenskonferenz in München am 11./12. Februar 2005 referierte er über die EU-Verfassung. Letzte Buchveröffentlichung: Auf dem Weg zur Supermacht. Die Militarisierung der Europäischen Union, Wien: Promedia 2004
Quelle: Institut für Sicherheitsstudien, European Defence - A proposal for a White Paper, Mai, 2004, www.iss-eu.org
4 Strategic Alert Jahrg. 22, Nr. 18 vom 1. Mai 2008