Iran - »Inszenierte Feindschaft« 23.06.2019 18:06
d.a. Die konstanten Nadelstiche Washingtons gegen den Iran, gleich,
wer dort am Ruder ist, setzen sich nahtlos fort. Und
seit nun US-Präsident Trump – legt man die Anzeichen zugrunde - offensichtlich auch noch glaubt, dass die
Geschicke dieser Welt ausschliesslich in seinen Händen gedeihen können, haben
sich die Angriffe gegen das Land, ob taktischer oder rein verbaler Natur,
erneut verstärkt. Der feste Wille der Vereinigten Staaten, die Nationen unter
die Hegemonie der USA zu bringen, war letztlich auch für den
US-Militärstrategen Thomas P.M. Barnett der Anlass, die hierfür
konzipierten Massnahmen auf nicht weniger als 415 Seiten in seinem Buch über
die zukünftige US-bestimmte ›Neue Weltordnung‹ schonungslos auszubreiten, was den
Leser allerdings mit Schrecknissen aller Art zurücklässt ….. [1]. Was nun
den Drang resp. die Obsession angeht, die Politik der Staaten steuern zu wollen,
so dürfte allerdings George Soros mit Trump unverkennbar gleichauf liegen..…..
Inzwischen haben die Spannungen, wie in den Medien hinlänglich berichtet, Auswirkungen auf den internationalen Flugverkehr. Am 20. 6. hatte der Iran eine
US-Aufklärungsdrohne, die bei Kuh-Mubarak in der Provinz Hormusgan in den
iranischen Luftraum eingedrungen war, abgeschossen; hierzu erklärte der Chef
der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami: »Dies war eine klare und
konsequente Botschaft an diejenigen, die unsere Grenzen verletzen wollen. Der
Iran wolle mit niemandem Krieg, sei aber auf jeden militärischen Konflikt
vorbereitet«. Die Grenzen des Landes stellten die ›rote Linie‹ des Irans dar. »Jeder, der sie überschreitet, wird zerstört,
und auch nicht mehr zurückkehren«, sagte der General ferner. Die US-Armee
hat den Abschuss zwar bestätigt, jedoch dementiert, dass die unbemannte Drohne
in den iranischen Luftraum eingedrungen sei. Kommentar von Trump: »Der Iran hat einen
sehr grossen Fehler gemacht!«. [2]
Der Vorfall hat
den Iran darüber hinaus dazu veranlasst, sich auf Grund der Verletzung des Luftraums am Persischen Golf an den
UNO-Sicherheitsrat zu wenden, um gegen den ›eindeutigen und
provokativen Verstoss der USA‹ zu protestieren. Den US-Angaben zufolge soll sich die
Drohne rund 34 km von der Küste Irans entfernt im internationalem Luftraum befunden
haben, was vom iranischen Aussenministerium, das die Koordinaten des Abschusses
veröffentlicht hat, jedoch als Lüge bezeichnet wird. Wie sich dieser
Zwischenfall entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel
al-Dschubair, gewarnt, dass es, sollte der Iran die Strasse von Hormus sperren,
es eine ›sehr, sehr starke‹ Reaktion geben werde; er
bekräftigte indessen gleichzeitig, dass sein Land keinen Krieg mit dem Iran
wolle. Wie am 21. Juni bekannt gegeben,
hat die US-Luftfahrtbehörde ein Flugverbot über dem Persischen Golf und dem
Golf von Oman verhängt; dieses gelte für alle in den USA angemeldeten zivilen
Fluggesellschaften.
Einer letzten Meldung vom 21. 6. zufolge hat ein
iranischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters mitgeteilt, dass
Präsident Trump über den Oman ausrichten liess, er wolle keinen Krieg gegen den
Iran, sondern Gespräche über verschiedene Themen. Die Antwort hierauf - ebenfalls via Oman - soll besagt haben, dass eine Entscheidung
hierzu dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt Chamenei obliege. Einem
Insider zufolge soll dieser jedoch Gespräche mit den USA ablehnen. Zuvor hatte
es noch geheissen, dass Trump nach dem Abschuss der Drohne zunächst Angriffe
auf Ziele im Iran genehmigt hätte, diese aber doch nicht ausführen liess. [3] Das kann
man nun glauben oder nicht, widersprechen sich doch die Meldungen mit schöner
Regelmässigkeit ……
Unter dem Titel ›Inszenierte Feindschaft‹ legen
die Autoren Jochen Mitschka und Hossein Pur Khassalian dar, wie der Westen eine
Demokratisierung des Irans systematisch verhindert hat und das ›Mullah-Regime‹ erbittert bekämpft. [4]
Jochen Mitschka, Jahrgang 1952, war u.a.
Unternehmensberater mit eigenem Unternehmen in Südostasien und einem kurzen
Einsatz im Rahmen einer UNO-Massnahme in Vietnam. Seit seinem Ruhestand im Jahr
2017 schreibt er für verschiedene alternative Internetseiten Artikel, und
schreibt Bücher mit dem Schwerpunkt Außenpolitik. [5] Der im Jahr 1938 geborene Dr. Hossein
Pur Khassalian ist gebürtiger Iraner und studierte in Bonn Medizin; als
Ruheständler forscht und schreibt er seit 2001 Texte über den Iran und den
Islam.
Der Iran war das erste Land in der Region, das
versuchte, eine Demokratie zu entwickeln. Der Versuch wurde, nicht allein, aber maßgeblich und immer wieder,
durch westliche Mächte unterbunden. Jedes Mal, wenn eine Demokratisierung
begonnen hatte, wurde sie wieder zertreten.
Seit der Amtsübernahme des US-Präsidenten Donald Trump
wird die Liberalisierung und Demokratisierung des Irans erneut behindert. Die
politischen Auseinandersetzungen
zwischen der Islamischen Republik und den USA sind in eine neue Phase
eingetreten. Mit der Weigerung, sich an den Atomvertrag, den ›Joint Comprehensive Plan of Action‹ ›JCPOA‹ zu halten, hat Trump alles über Bord
geworfen, was Frank-Walter Steinmeier in seinem vorherigen Amt als
Außenminister in der Iran-Frage erreicht hatte: Insbesondere den Iran und die
USA an einen Tisch zu bringen, den Atomstreit beizulegen und die
Vertragsverhandlungen in Wien, die im November 2013 begannen, im Jahr 2015 zu
einem positiven Abschluß zu bringen.
Was möchte Donald Trump? Möchte er alles anders machen
als Obama, möchte er den Herren Netanjahu und Mohammad bin Salman gefallen?
Oder will er ein Diener der Waffenindustrie sein?
Ich denke, dass er alle drei Rollen gleichzeitig
spielt. Hinzu kommt, dass er selbst mit all seinen präsidialen Möglichkeiten an
sein privates Geschäft denkt. Er macht sich wichtig, indem er die Menschen an
die ›Achsen der Bösen‹ erinnert, wobei der Iran am bösesten
sein soll. Hört oder liest man, wie er den Iran und dessen Regierung
beschreibt, unterscheidet es sich kaum von dem, was man westlichen Medien
entnehmen kann. Mal sei der Iran ein Gottesstaat, mal ein Mullah-Staat, in dem
die Regierung dem Volk ihre eigene Art des Islam vorschreibe. Der Iran sei das
Zentrum des Weltterrorismus - er unterstütze
die Terroristen - und der schiitische
Iran sei entschlossen, die Welt zu erobern. Und dann dieser kernige Satz: »Erst, wenn die Wurzel des Übels beseitigt ist,
wird es Frieden geben«.
Mullah-Staat oder Gottesstaat sind für mich vulgäre
Beschimpfungen des Irans. Wie rasch die Geistlichen tatsächlich ihre Positionen
im Staat verlieren, kann man an Hand der Anzahl ihrer Sitze im Parlament
ersehen: In der ersten Legislaturperiode waren von 327 Abgeordneten 164, also
knapp über die Hälfte, religiöse Gelehrte. In der zweiten Legislaturperiode
wurde die Anzahl der Abgeordneten auf 277 reduziert, davon waren noch 153 Mullahs
beziehungsweise Religionswissenschaftler. Schon in der dritten
Legislaturperiode mit 278 Abgeordneten reduzierte sich die Zahl der religiös
bestimmten Abgeordneten auf 30 % oder 85 Abgeordnete. Und so ging es kontinuierlich
weiter bis auf nur noch 5,5 % in der 10. Legislaturperiode.
Der ›Iran
unterstützt die Terroristen‹ ist
eine viel zu pauschale Unterstellung. Es muß betont werden, dass aus der Sicht
Israels jeglicher legitime Kampf gegen Besatzung und jeder Widerstand gegen
einen Angriffskrieg als terroristischer Akt bezeichnet wird.
Der Iran wäre ein Unterstützer des internationalen
Terrorismus und hätte Verbindungen zu al-Kaida und zum ISIS.
Diese Behauptung ist natürlich eher eine Satire, weil niemand die beiden
Terrororganisationen in Syrien entschiedener bekämpft als die iranischen
Hilfseinheiten der Revolutionären Garden. Und gerade im vergangenen Jahr hatte
es tödliche Anschläge einer ISIS-Zelle in
Teheran gegeben, auf die der Iran mit Mittelstreckenraketen auf ein
Hauptquartier der Terroristen geantwortet hatte. Jeder dürfte inzwischen
wissen, dass die Hauptunterstützer dieser Dschihadisten die USA, die Türkei und Saudi-Arabien sind, sowie bis
vor kurzem Katar. Sie agieren als Stellvertreterarmeen in Syrien, um das Land
zu destabilisieren. Das ist in so vielen Quellen nachzulesen, dass ich hier
darauf verzichte, sie einzeln zu erwähnen.
Der Iran unterstützt die Hisbollah, das ist richtig,
aber sie ist keine Terrororganisation, sondern gerade wieder als stärkste
Partei ins Parlament des Libanons gewählt worden. Sie ist grimmiger Verteidiger
der südlichen Grenzen des Landes, gegen das Israel bereits zweimal vergeblich
Krieg führte, ohne die wichtigen Wasser-Ressourcen des Libanons besetzen zu
können. Durch die Hisbollah blieb dem Libanon das Schicksal Syriens erspart, dessen
Golanhöhen von Israel besetzt wurden, das dort nun Öl und Gas ausbeuten wird.
[Diese hat US-Präsident Trump, völlig eigenmächtig gilt es
hinzuzufügen, vor kurzem formell als Staatsgebiet Israels anerkannt; Anmerk.
Redaktion politonline].
Den Jemen unterstützt der Iran diplomatisch und mit
humanitären Lieferungen, die jedoch von Saudi-Arabien mit Hilfe der USA durch
eine Totalblockade immer wieder abgefangen werden. Ob auch Militärberater vor
Ort sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie die
Lieferung von Waffen. Und ja, der Iran unterstützt die legitime Regierung
Syriens beim Anti-Terror-Krieg gegen Einheiten, die von den USA und ihren
Verbündeten bewaffnet, trainiert, finanziert und mit Aufklärung und Logistik
unterstützt werden.
Zum Vorwurf des Terrorismus in Palästina durch
Palästinenser schreibt Tim Anderson: »Dann gibt
es den aktiven Widerstand, der den bewaffneten einschließt. Es gibt keinen
Zweifel, dass dieser im Kontext der gewalttätigen Kolonialisierung
legitim ist. Er wird sehr wohl durch internationales Recht anerkannt; er gilt
jedoch als böse in Zeiten von genozidaler Aufhetzung durch zionistische
Anführer, die wiederholt Angriffe auf palästinensische Siedlungen unterstützen.
Diese Angriffe sind zum großen Teil dazu bestimmt, palästinensische Gebiete ›unbewohnbar‹ zu machen, um die Bewohner so aus dem ›gelobten Land‹ zu vertreiben (Wadi 2018). In diesem Zusammenhang ist sowohl sich
wehren als auch zurückschlagen Widerstand. Der Apartheidstaat besetzt
mehr Land als zuvor, und doch zeigen die Aufstände der Palästinenser, dass die
neuen ›Siedlungen‹, ihre Militärbasen und
Zubringerstraßen nicht sicher sind. Sie können blockiert werden und unter Feuer
geraten, und solche Vorfälle geschehen regelmäßig, fast täglich.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat bei
mehreren Gelegenheiten das Recht von kolonialisierten Völkern - insbesondere von Palästinensern - bestätigt, sich mit ›allen verfügbaren Mitteln, besonders auch dem bewaffneten Kampf‹ zu widersetzen (UNGA 1978). Die
UNO-Generalversammlung hatte außerdem erklärt, sie »verurteile scharf alle Regierungen, die das Recht auf
Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen unter kolonialer und
ausländischer Herrschaft sowie die Unterjochung durch Fremde nicht anerkennen,
insbesondere den Kampf der Menschen von Afrika und des palästinensischen Volkes« (UNGA 1974).
Bemerkenswert ist, dass Trump für den
aktuellen Versuch der Unterwerfung des Irans nicht unbedingt
militärische Mittel einsetzen muss. Die Sanktionen, die er verordnet hat,
reichen aus, den Iran bei der Entwicklung eines demokratischen Prozesses zu
behindern. Und das ist nach meiner Meinung nicht das erste Mal, dass eine
westliche Macht dem Iran dies antut.
Die Geschichte der Zerstörung demokratischer
Hoffnungen ist die, wie der mühsam erkämpfte
Demokratisierungsprozeß im Iran im Verlauf der letzten 100 Jahre mindestens
sechsmal beendet oder behindert wurde.
Der erste Versuch
1905 fand eine Revolution
statt, die zur Bildung einer konstitutionellen Monarchie führte. Es wurde eine
Verfassung geschrieben, ein Parlament gewählt und die kaiserliche Macht
eingeschränkt. Dies war in dem Gebiet östlich der Donau ein einmaliger Vorgang.
Zwischen 1905 und 1911 kam es zur Bildung einer konstitutionellen
Revolution, dem Kampf des Parlaments (Madschlis) gegen Mohammed Ali Schah und
den im August 1907 unterzeichneten Britisch-Russischen Teilungsvertrag.
1915 wurde der Iran zwischen Rußland
und Großbritannien aufgeteilt, die Entwicklung der Demokratie beendet.
In den Jahren 1915 bis 1921 wurde der Iran von
britischen und russischen Truppen besetzt und in den
im Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich geführten Krieg [pro-osmanische Gegenregierung in Qom] und die Interventionskriege gegen die junge
Sowjetunion verwickelt.
Der zweite Versuch
Der zweite Versuch, sich aus dem Einfluß der
westlichen Mächte zu befreien und eine Demokratie zu entwickeln, unternahm ein
im Westen ausgebildeter liberal-demokratischer Volljurist, Dr. Mohammad
Mossadegh im April 1951. Auch diese
demokratische Bewegung war für das Gebiet östlich der Dardanellen einmalig.
Der zweite Abbruch: Lange durfte Mossadegh nicht
wirken. Im August 1953 wurde er durch einen von den USA inszenierten
Militärputsch gestürzt. Der Iran wurde durch die Intervention der CIA wieder zu
einer brutalen Diktatur.
Der dritte Versuch
Der dritte Versuch war die Revolution von 1979. Bis
dahin regierte der Schah mit eiserner Hand, was ihm die volle Unterstützung der
USA sicherte. Es gelang ihm aber nicht, die Wunde zu heilen, die der Putsch von
1953 hinterlassen hatte. Michael Lüders
spricht das aus, was jeder Iraner ihm bestätigen würde: »Ohne den Putsch von 1953 wäre die Revolution
1979 nicht zustande gekommen«. [6] Die Revolution in falsche Bahnen zu lenken
wurde gleich von mehreren relevanten politischen Gruppierungen versucht. Nach
einem Zusammentreffen der Vertreter der Großmächte in Guadeloupe vom 3. und 4.
Januar 1979 wurden Pläne entworfen, die weitere Entwicklung der Revolution
bestimmen zu können.
Jimmy Carter und Helmut Schmidt waren sich
sicher: Wenn die von den USA eingerichtete iranische Armee unangetastet bliebe,
könnte der Iran auch ohne den Schah weiterhin in den Diensten des Westens
stehen. Es war der NATO-General Robert Huyser, den man als ›Schah-Ersatz‹ in den Iran
beorderte. Dass die Soldaten und die jungen Offiziere der Armee auch Menschen
waren, die nun ihre Freiheit wünschten, stand nicht in ihrer Kalkulation. Der
Schah ging und die Monarchie verschwand, obwohl er noch 7 Jahre zuvor das
2.500-jährige Bestehen des Königtums im Iran feierte und sich fest im Sattel
fühlte.
6. Januar 1979: Abreise des Schahs
1. Februar 1979: Ein triumphaler Empfang
für Khomeini, an dem, nach Einschätzung von Peter Scholl-Latour, über 2
Millionen Menschen teilnahmen.
5. Februar 1979: Mehdi Bazargan wurde die
Aufgabe zuteil, den Demokratisierungsprozeß
voranzutreiben. Es wird im Westen kaum über Bazargan und sein Schicksal
berichtet, resp. darüber, wie sehr er bemüht war, nach dem Sturz der Monarchie
die ›Ruhe im Saal‹ durchzusetzen. Die Entscheidung
Khomeinis für Mehdi Bazargan (1907-1995), war richtungsweisend, blieb aber im
Westen unbeachtet. Allein die Krawatte, der weiße Kragen und der Anzug zeugten
von seiner politisch-gesellschaftlichen Ausrichtung. In der schriftlichen
Beauftragung vermerkte Khomeini (Quelle persisch): »Nach dem Vorschlag des Revolutionsrates und
nachdem die überwiegende Mehrheit des Volkes mir die Führung der Revolution
überlassen hat, sehe ich es als meine religiöse Pflicht an, Sie, Mehdi
Bazargan, mit der Bildung der vorläufigen Regierung zu beauftragen«. Zu seinen Aufgaben gehörte neben den Regierungsgeschäften
die Durchführung von Volksbefragungen und Wahlen.
Beachtenswert sind dabei folgende Fakten:
- Die
Ernennung Bazargans war keine Alleinentscheidung Khomeinis. Er folgte der
Entscheidung des Revolutionsrates.
- Der
Revolutionsrat war paritätisch besetzt, allerdings ohne Beteiligung der
Vertreter der muslimischen Radikalen und der Kommunisten.
- Die Auswahl
der Mitglieder des Revolutionsrates zeigte, dass Khomeini nicht daran gelegen
war, die muslimischen Radikalfundamentalisten an der Macht teilnehmen zu
lassen, soweit er zu entscheiden hatte.
- Viele
Radikalfundamentalisten hielten die Volksbefragung für überflüssig.
- Viele der
Radikalfundamentalisten waren gegen einen prowestlich gekleideten
Regierungschef.
- Aus
Besorgnis über einen möglichen US-Putsch bestand Khomeini auf der unverzüglichen
Durchführung der Wahlen.
- Wissend, wie
stark die Front der radikalen Fundamentalisten war, bestand Khomeini auf einem
System, in dem neben den religiösen Elementen auch republikanische in der
Verfassung verankert wurden.
- Aber es
lauern auch heute noch einige Ayatollahs darauf, einen rein islamischen Staat
ohne republikanische Elemente durchzusetzen.
Was den 3. Abbruch betrifft, so waren es nicht nur
einige religiöse Gelehrte, die Bazargan Steine in den Weg legten. Für viele
linke Intellektuelle galt er als ein ›prowestlicher‹ Regierungschef, und daher ungeeignet
für einen aus der Revolution entstandenen Staat. Bazargan wäre ein Wegbereiter
für die ›Imperialisten‹, sagten sie. Am 4. November 1979 war
es dann soweit. Die Reise des Schahs in die USA erweckte bei den linken
Intellektuellen den Verdacht, die USA würden wieder einen Putsch vorbereiten
und diesen bald durchführen. Das war der Grund für die Besetzung der Botschaft
der USA in Teheran. Ohne die Auslieferung des ehemaligen Diktators an die neue
Regierung, damit ihm im Iran der Prozeß gemacht werden konnte, schwebte das
Damoklesschwert eines erneuten Regimewechsels über der jungen Republik. Die
Botschaftsbesetzung wollte Bazargan nicht mittragen. Er trat am 5. November
1979 zurück. Dies zeigt einmal mehr,
welche Wunde der 1953er Putsch hinterlassen hatte.
Der vierte Versuch
Dieser wurde während der Präsidentschaft von Abolhassan Banisadr (geb.
am 22. März 1933) begonnen. Am 24. Januar 1980 wurde Banisadr als erster
Präsident in der Geschichte des Irans frei gewählt. Welches Wunder, dass wieder
ein in Frankreich promovierter junger Mann mit sozialdemokratischer Ausrichtung
eine führende Position bekam. Beachtenswert ist, dass er sogar Khomeinis
Favorit war.
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1980 wurde
Khomeini bedrängt, Jalal-Al Din Farssi, einen fundamentalistischen Kandidaten
mit einem Hang zum Marxismus, vorzuziehen. Khomeini winkte ab. Als Begründung
wies er auf dessen Herkunft hin, sein Vater sei kein Iraner, sondern Afghane.
Laut Verfassung käme er deshalb nicht infrage. Wer Khomeini kennt, weiß, dass
er pragmatisch genug war, um sich für den Favoriten der Fundamentalisten zu
entscheiden, wenn er darin einen Vorteil für die Islamische Republik gesehen
hätte.
Khomeini ging sogar einen Schritt weiter. Zum
Leidwesen der Radikal- Fundamentalisten übergab er Banisadr
die gesamte Entscheidungsmacht über die bewaffneten Kräfte, so dass viele
fundamentalistische Kräfte einen ›prowestlichen,
sozialdemokratischen‹ Banisadr als
Oberbefehlshaber ertragen mußten. Hätte es keinen
Krieg gegeben, hätten sie vielleicht Banisadr ertragen. Aber der Irak
hatte im September 1980 mit maßgeblicher Unterstützung der USA einen
Krieg gegen den Iran begonnen. Bald bemängelten die Kritiker Banisadrs, zu
recht oder zu unrecht, Fehler und Führungsschwäche bei ihm. Sie baten Khomeini
um die sofortige Absetzung des Präsidenten. Sie hielten sich für fähiger, sie
wären opferbereiter, heldenhafter und mutiger. Sie würden den Islam und den
Iran besser verteidigen. Khomeini hatte keine andere Wahl, als ihrem Drängen
nachzugeben. Das Land mußte verteidigt werden. Trotzdem lehnte er die sofortige
Absetzung Banisadrs ab. Mit Hinweis auf die Verfassung bestand Khomeini darauf,
dass nur das Parlament diese Entscheidung treffen könne, und das nur mit zwei
Drittel der Stimmen. Er zögerte so lange, bis sich das frisch gewählte erste
Parlament konstituiert hatte. Aus dieser Entwicklung schließe ich, dass
Banisadr ohne den Irakkrieg mehr bewirken können hätte, so dass der Demokratisierungsprozeß
vorangetrieben worden wäre. Seine Absetzung bezeichne ich als vierten Abbruch.
Der fünfte Versuch
Dieser war der eindeutige Sieg Mohammad Khatamis bei
der Präsidentenwahl 1997 gegen Ali-Akbar Nateq-Nuri, einen fundamentalistischen
Kandidaten, einen Geistlichen, der Khameneis Favorit war. Für Khatami war die
Fortentwicklung des Demokratisierungsprozesses wichtig. Er hätte mehr bewirken
können, wenn es den US-Präsidenten George Bush senior nicht gegeben hätte.
Dieser war aufgebrochen, um alle widerspenstigen Kräfte in der Region hinwegzufegen.
Der 11. September 2001 gab ihm den Anlaß, sich beauftragt zu fühlen, erst die
Taliban in Afghanistan zu bekämpfen und dann den Irak zu erobern. Dass der frei
und demokratisch gewählte Präsident im Iran ein Demokrat, liberal und moderat
war, hinderte ihn nicht daran, den Iran als Teil der ›Achse des Bösen‹ zu
bezeichnen. Damit nicht genug, der Iran mußte mit Sanktionen bestraft werden,
obwohl Khatami ihm einen Versöhnungsvorschlag unterbreitet hatte, der folgende
Punkte anbot:
- Volle
Transparenz und die Garantie, dass der Iran nicht den Besitz von
Massenvernichtungswaffen anstrebt;
- Vorgehen
gegen alle Terroristen auf iranischem Boden und Mitarbeit zur Bekämpfung der
regional agierenden Terroristen;
- Informationsaustausch
über alle terrorbezogenen Fragen;
- Zusammenarbeit
bei Herstellung der Stabilität im Irak und in Afghanistan;
- Anerkennung
der Zweistaatenlösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern;
- Beendigung
der materiellen Unterstützung palästinensischer Oppositionsgruppen [Hamas und
Islamischer Dschihad];
- Einstellung
der Urananreicherung.
Als Gegenleistung verlangte Khatami, die USA mögen mit
den Sanktionen gegen den Iran aufhören und das Recht auf die friedliche Nutzung
der Atomenergie gewähren. Hierzu schreibt Michael Lüders: »Wie viele Tote, Verletzte und zerstörte Häuser
wären den Menschen erspart geblieben, wenn George Bush die versöhnende Hand
Khatamis nicht ausgeschlagen hätte«. [7] Bewirkten die Sanktionen Unzufriedenheit der
Massen, so war der Nutznießer bei der darauffolgenden Präsidentschaftswahl 2005
Mahmud Ahmadinedschad, ein Radikalfundamentalist, ein Populist. Sein Sieg war
infolge der breiten Resignation der Reformer möglich geworden. Das war aus
meiner Sicht der fünfte Abbruch.
Nun kommen wir zurück zu Donald Trump.
Der sechste Versuch
Der sechste und bisher letzte Versuch war die
eindeutig freie Präsidentschaftswahl vom 14. Juni 2013, aus der Hassan Rohani
als Sieger hervorging. Mit seiner moderaten Haltung und der Bereitschaft, die
Konflikte mit den USA beizulegen, trug er entscheidend zum Erfolg des am 14.
Juli 2015 geschlossenen ›JCPOA‹ - Atomvertrags bei. Leider konnte er die
Wirtschaft nur über kurze Zeit beleben, als man begann, die Sanktionen
stufenweise abzubauen. Dies geschah während der Präsidentschaft Barack Obamas.
Dann kam Donald Trump, ein Präsident, der entschlossen ist, aus dem Iran einen
US-abhängigen Staat zu machen.
Somit ist der sechste Abbruch vorprogrammiert. Infolge
der wiederholt ausgesprochenen lauten und deutlichen militärischen Drohungen
gegen den Iran entsteht Angst und Unsicherheit. Die iranische Bevölkerung kauft
massenweise Devisen, das führt zur galoppierender Inflation und Geldabwertung. Dass
sich dabei auch die Korruption ausbreitet, ist als eine natürliche Folge zu
betrachten.
Donald Trump hat den 6. Abbruch des
laufenden Demokratisierungsprozesses eingeleitet. Nachdem die westlichen
Handelspartner ihre Niederlassungen im Iran auf US-Druck hin aufgaben, war in
der zweiten Hälfte des Jahres 2018 eine rapid ansteigende Zahl von Arbeitslosen zu
verzeichnen. Es ist bitter, wenn auf diese Weise Menschen mit Sachkenntnis und
akademischer Ausbildung arbeitslos werden. Werden die Sanktionen die iranische
Wirtschaft weiter abwürgen, dann wird ein Radikalfundamentalist wieder beste
Chancen haben, bei der nächsten Wahl das Rennen zu machen. Und die
Liberalisierung des Landes wird wieder einmal unterbrochen.
[1] Thomas P.M.
Barnett »Der Weg in die Weltdiktatur - Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Die Strategie des Pentagon«.
Dezember 2016 ISBN-13: 9783941956513
Original: Thomas P.M. Barnett »Blueprint for Action –
A Future worth creating« October 2006 ISBN-13: 978-3941956490
[2] https://www.bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/trump-der-iran-hat-einen-sehr-grossen-fehler-gemacht/story/24336386 20.
6. 19
[3] https://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3 21. 6. 19
[4] https://www.rubikon.news/artikel/inszenierte-feindschaft
23. 1. 19 Inszenierte Feindschaft - Von Jochen Mitschka und Hossein Pur
Khassalian
[5] Von Jochen
Mitschka erschienen u.a. 2018 ›Die
Menschenrechtsindustrie im humanitären Angriffskrieg‹ und ›Schattenkriege des Imperiums - Der
Krieg gegen den Iran‹; er übersetzte ferner ›Dirty War on Syria‹ von Tim Anderson, dessen deutsche Version „Der Schmutzige Krieg gegen Syrien –
Washington, Regime Change und Widerstand“ im Liepsen-Verlag erschien; ISBN 978-3-9812703-9-6
[6] Michael
Lüders ›Armageddon im Orient, C. H.
Beck 2018, Seite 48
[7]
ebenda Seite 89-90
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