Die »Snowden-Affäre« und der Niedergang der Präsidentschaft Obamas

Während die sogenannte »Snowden-Affäre« die Medienberichte auf beiden Seiten

des Atlantiks noch immer füllt, sind die Behauptungen des 30jährigen Edward Snowden über massive illegale Ausspähprogramme der Nationalen Sicherheitsbehörde [NSA] der USA nur im Kontext des zunehmenden Niedergangs der Präsidentschaft Obamas zu verstehen. Snowdens Bekanntmachen der Ausspähaktivitäten der amerikanischen Geheimdienste innerhalb der Vereinigten Staaten sowie gegen die Verbündeten der USA in Europa und Asien sind nur die letzten in einer ganzen Serie zeitlich aufeinander abgestimmter Enthüllungen über illegale und verfassungswidrige Programme, die unmittelbar nach den Anschlägen des 11. 9. 2001 in Gang gesetzt wurden und unter Präsident Obama sogar noch massiv ausgeweitet wurden. Gut informierte patriotische Kreise im Sicherheits- und Militär-Establishment der USA haben gegenüber EIR [Executive Intelligence Review] darauf hingewiesen, daß die innerhalb kurzer Zeit nacheinander bekannt gewordenen Skandale die Regierung erschüttert haben. Die Enthüllungen kommen von Regierungsbeamten, die zu dem Schluß gekommen sind, daß dem Machtmißbrauch der Exekutive in den letzten 12 Jahren ein Ende gesetzt werden muß, bevor auch noch die letzten Reste einer verfassungskonformen Regierung in der USA beseitigt sind. Weder der US-Kongreß noch die Bundesgerichte, die eigentlich ein bedeutendes Gegengewicht gegen die Mißbräuche der Exekutive sein sollten, haben ihre Aufgaben erfüllt, und dies hat verschiedene Individuen in den betreffenden Bundesbehörden und Ministerien zu dem mutigen Schritt veranlaßt, die Mißbräuche anzuprangern. 

Die Enthüllungen begannen vor zwei Monaten mit Anhörungen über den Anschlag vom 11. 9. 2012 in Bengasi, bei dem der US-Botschafter Christopher Stevens und 3 weitere Botschaftsmitarbeiter getötet wurden. Mitarbeiter des US-Außenministeriums und der CIA enthüllten dabei Aspekte der Vertuschung der wahren Ereignisse in Bengasi, und ein libyscher Waffenhändler gab Interviews, in denen er bestätigte, daß Präsident Obama spätestens seit April 2012 verdeckt Waffen aus Libyen an die syrischen Rebellen liefern ließ. In beiden Punkten hatte Präsident Obama die Öffentlichkeit belogen. Dann kamen, wie wir berichteten, Enthüllungen über die Nutzung der Steuerfahndung, um gegen konservative und progressive Gruppen, die die Regierung Obama kritisierten, vorzugehen, gefolgt von Enthüllungen, daß das FBI und die NSA Reporter der Associated Press und von Fox News ausgespäht hatten. Erst dann machten Snowdens Enthüllungen über das massive Inlandsausspähprogramm der NSA Schlagzeilen. Was immer der Ausgang der »Snowden-Affäre« sein wird: die kumulierte Wirkung dieser Enthüllungen war gewaltig. Die amerikanisch-britische Sonderbeziehung, die unter Obama einen historischen Höhepunkt erreichte, ist jetzt in ganz Europa Gegenstand intensiver Ermittlungen; dies angesichts der Tatsache, daß England kürzlich eine formelle, von Seiten der EU beabsichtigte Untersuchung der NSA-Ausspähprogramme, die in enger geheimer Partnerschaft mit Großbritanniens eigenem riesigen Ausspähprogramm des Kommunikations-Hauptquartiers der Regierung (GCHQ) im englischen Cheltemham durchgeführt wurden, blockiert hat. Das Ausmaß dieser Ausspäh-Operationen, bei denen sämtliche E-Mails und Mobiltelefongespräche überwacht, neun große Internetanbieter angezapft, die EU-Büros in Washington und Brüssel abgehört, sämtliche in der USA transportierte Briefkuverts fotografiert und der weltweite finanzielle Datenverkehr überwacht werden - macht deutlich, daß der eigentliche Zweck dieser Aktivitäten gar nicht darin besteht, Terroristen, die die nationale Sicherheit bedrohen, zu finden. Vielmehr geht es darum, der Regierung im Kontext des immer mehr anwachsenden Polizeistaats Handhaben gegen potentielle wirtschaftliche und politische Gegner zu verschaffen.  [1]  

Der bekannte amerikanische Militäranalytiker Daniel Ellsberg, der 1971 die klassifizierten Pentagon papers über den Vietnamkrieg verbreitete und in einem Gerichtsprozeß angeklagt worden war, hat Edward Snowden jetzt am 8. Juli in der Washington Post erneut unterstützt. Das Verfahren gegen Ellsberg war 1973 eingestellt worden, nachdem u.a. illegale Abhörmethoden der Regierung nachgewiesen werden konnten. Ellsberg sagt in seinem Beitrag, daß diejenigen, die Snowden dafür angriffen, weil er sich nicht den US-Justizbehörden stelle, wie er das damals nach der Veröffentlichung der Pentagon papers selbst getan hatte, unrecht hätten: »Das Land, in dem ich lebte, war ein anderes Amerika, das war vor langer Zeit.« Er erinnert daran, daß er seinerzeit auf Kaution freigelassen wurde und während seiner zweijährigen Anklage mit Zeitungen sprechen sowie Reden bei Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen halten konnte. »Ich gehörte schließlich zu einer Bewegung, die den Krieg beenden wollte. Diesen Krieg zu beenden, darum ging es mir vor allem. Das hätte ich nicht außerhalb des Landes tun können und deshalb dachte ich nie daran, die USA zu verlassen. Diese Erfahrung könnte man heute nicht wiederholen. Schon gar nicht würde ein Gerichtsverfahren [wie damals das seine, ed.] wegen Handlungen des Weißen Hauses gegen den Angeklagten, die in der Ära von Präsident Nixon ganz klar kriminell waren, beendet werden. Das spielte angesichts eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens auch eine Rolle bei Nixons Rücktritt. Heute werden die damaligen Maßnahmen gegen einen Angeklagten [einschließlich eines Versuches, mich völlig kampfunfähig zu machen], als legal  betrachtet.«

Ellsberg sagte ferner, er hoffe, daß Snowden eine Bewegung zur Rettung der Demokratie in Amerika bewirken könne. Solches würde jedoch mit Sicherheit nicht möglich sein, »wäre er hiergeblieben. In letzterem Fall würde er mit größter Wahrscheinlichkeit in totaler Isolierung gehalten, und das noch länger als die acht Monate, die Brian Manning während seiner 3jährigen Inhaftierung durchmachen mußte, bevor kürzlich sein Gerichtsprozeß begann.« »Wenn wir auf seine Informationen und seine Herausforderung eingehen, nämlich uns selbst aus einer Überwachung zu retten, die außer Kontrolle geraten ist und die alle praktische Macht an die Exekutive und ihre Geheimdienste übergibt  - eine Vereinigte Stasi der USA [a United Stasi of America] -  dann hat Snowden Amerika seine beste Chance gegeben.« Ellsberg hatte schon am 5. Juni gesagt, er sei sicher, daß Präsident Obama in seinem Fall heute versuchen würde, ihn zu lebenslanger Haft zu verurteilen.

Es wäre sicher verfehlt, die Enthüllungen über die NSA-Überwachungsprogramme und den Widerstand dagegen als isolierte Ereignisse zu betrachten. Immer mehr prominente Stimmen, und zwar aus dem liberalen Lager wie auch aus führenden Militärkreisen in der USA, beziehen gegen die britisch-imperial dominierte Politik Präsident Obamas Stellung. Daß die kontrollierten Medien in Deutschland nicht darüber berichten, ändert nichts an dieser Tatsache. Die europäischen Regierungen befinden sich zunehmend in der peinlichen Lage, über ihre eigene Kollaboration Rechenschaft ablegen zu müssen. Vor allem aber kommt der führenden Rolle Großbritanniens in der ganzen Affäre eine besondere Bedeutung zu. Es ist also höchste Zeit, die Macht eines Empires in Europa, das offenbar mit allen Mitteln versucht, eine Glass-Steagall-Reorganisation seines bankrotten Finanzsystems sowie die Rückgewinnung der Souveränität der Nationen und die Verpflichtung zum Gemeinwohl zu verhindern, zu beenden. Der Kampf in der USA um eine nicht-imperiale Verfassung und für die Menschenrechte ist dabei ein wesentlicher Bezugspunkt für alle freiheitsliebenden Bürger in den europäischen Nationen.  [2] 

Mehr als ein Polizeistaat: Ein Polizei-EmpireDie weitergehenden Enthüllungen durch den ehemaligen Zuarbeiter der NSA Edward Snowden haben über jeden Zweifel erwiesen, was der Nachrichtenbrief Strategic Alert seit seiner  Gründung behauptet: Die Vereinigten Staaten sind zum Juniorpartner eines neu formierten Britischen Empires geworden. Nicht nur überschattet der Umfang der britischen Ausspähaktivitäten die amerikanischen Programme, Zielscheibe dieser Stasi-artigen Operationen sind Politiker und Aktivisten, die sich dem Empire widersetzen. Das wird offensichtlich an den Enthüllungen über den Londoner G-20-Gipfel im April 2009, als der britische Geheimdienst die Computer von Staatschefs, Finanzministern und ihren Mitarbeitern überwachte und ihre Telefongespräche abhörte, um an die Informationen zu gelangen, die bei dem Treffen nützlich für die Erlangung des gewünschten Resultats waren. Das gewünschte Resultat war, alle Vorstöße zur Reform des Bankensektors durch Schließung des spekulativen Bereichs zu blockieren und der Londoner City die Kontrolle über das weltweite System von Bankenrettungen auf Kosten von Steuerzahlern und Bankeinlegern zu verschaffen. Dieses Resultat wurde auch erreicht, wie in der offiziellen Abschlußerklärung des G-20-Treffens nachzulesen ist: Es wurde beschlossen, daß das Forum für Finanzstabilität (FSF), ein Instrument der von London kontrollierten Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Vorschläge zur Bankenreform zusammenfassen und voranbringen sollte. Das war der offizielle Start der mittlerweile weltweit durchgesetzten Bail-in-Regelung. Später wurde das Forum in das Amt für Finanzstabilität (FSB) umbenannt und mit der Vollmacht versehen, Regierungen Reformen zu oktroyieren.

Bei jenem G-20-Treffen wurde die Gegenseite vom italienischen Finanzminister Giulio Tremonti angeführt, der lautstark ein Neues Bretton Woods verlangt hatte, wodurch das Bankensystem einem Konkursverfahren unterzogen worden und wieder Produktionskredit in die Wirtschaft geflossen wäre. Tremontis Initiative wurde vom britischen Finanzminister Gordon Brown übernommen und in ihr Gegenteil verkehrt. Von den entscheidenden Verhandlungen beim Londoner Gipfel wurde Tremonti sogar ausgeschlossen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zog  am 17. 6. 13 dieselbe Verbindung: »London, am 2. April 2009. Die  Regierungschefs der G-20 treffen sich, um die Welt vor dem Finanzkollaps zu retten. Gordon Brown will eine besonders gute Figur machen, und er hat ein Ziel: Öffentliche Rettungsgelder für die Bankenbranche ohne nervige Auflagen, das möchte er und das möchten zufällig auch seine Freunde, die Lobbyisten von der Londoner City. Aber wollen die anderen Staats- und Regierungschefs das auch? Brown brauchte Hilfe von den Agenten ihrer Majestät.« Und wie die Enthüllungen im Guardian zeigen,  halfen die Dienste dem Premier. »Es war damals gewagt, die Banken mit öffentlichen Geldern zu stützen, ohne störende Kontrollen einzuführen. Aber er gelang Brown und seinen Bonds. Heute sind die Staaten überschuldet, und nicht mehr die Banken.« 

Die G-20-Episode ist nur ein Beispiel von vielen. Der frühere NSA-Mann Russ Tice, einer der wichtigsten Informanten für den ersten explosiven Bericht der New York Times über die illegalen Ausspähprogramme der Regierung Bush 2005, hat erklärt, die eigentlichen Ziele dieser anglo-amerikanischen Spionage seien Regierungsleute, Richter und hohe Militärs sowie Kongreßpolitiker und deren Mitarbeiter, bis hinunter zur Ebene der Wahlkreise. In einem Interview mit Peter B. Collins am 19. 6. 13 sagte Tice: »Ich könnte Ihnen Namen einer ganzen Menge unterschiedlicher Leute nennen, hinter denen sie her waren; die Namen und Telefonnummern von Mitgliedern des Kongresses. Nicht nur diese Namen, sondern offenbar auch Mitarbeiter, und nicht nur Mitarbeiter ihrer Büros in Washington, sondern auch ihrer Büros in den Wahlkreisen ihrer Heimatstaaten und ähnliches. Es ist unglaublich, was die NSA gemacht hat. Meiner Ansicht nach wurde daraus einfach eine Schurkenbehörde mit denselben Möglichkeiten wie die des FBI-Chefs J. Edgar Hoover, aber in monströsem Ausmaß, wie mit Doping.« 

Es läßt sich nicht länger verheimlichen, daß das Empire der Globalisierung Polizeistaatsmethoden benutzt, nicht um Terrorismus zu bekämpfen, sondern um politische Opposition auszuschalten. So gelang es ihm 2008-09, ernsthafte Vorstöße für Wirtschaftsreformen zu vereiteln, und die Macht der Londoner City über geschwächte Regierungen nahm massiv zu. Die gleichen Methoden werden benutzt, um Widerstand gegen militärische Abenteuer in Nordafrika und Südwestasien zu unterdrücken.  [3]

 

Quellen:  
[1] Strategic Alert Jahrgang 26 Nr. 28 vom 10. Juli 13 
[2]  http://www.bueso.de/node/6569   9. 7. 13

http://www.washingtonpost.com/opinions/daniel-ellsberg-nsa-leaker-snowde...
http://www.washingtonpost.com/blogs/wonkblog/wp/2013/06/05/daniel-ellsbe... 
[3]  Strartegic Alert, Jahrgang 26, Nr. 26 vom 26. Juni 2013