Ukraine - Der Versuch einer Übernahme - Von Doris Auerbach 16.12.2013 01:34
Am 27. 8. 2008 hatte der damalige britische Aussenminister David Miliband in Kiew
eine hochprovokante Rede gehalten, in der er sich nachdrücklich dafür
aussprach, dass die Ukraine und Georgien der NATO und der EU beitreten. Zudem wiederholte
er seinen zuvor schon in London erfolgten Aufruf für ›eine
möglichst breite Koalition gegen russische Aggression‹, obwohl keine Anzeichen dafür vorlagen, dass eine
solche von Russland ausging. Zu den Kräften, die für eine Konfrontation mit
Russland um die Ukraine ›trommelten‹, gehörte auch der von George Soros gegründete ›European Council on Foreign Relations‹ [ECFR], der die EU in einem provozierenden Bericht dazu
aufforderte, die Beziehungen zur Ukraine und die Unterstützung für Moldawien zu
verstärken, also gegen Russland zu agieren. Dies betreffe ein ›stärkeres Engagement für Demokratie, Wohlstand und
Sicherheit in der Grossregion gegen Russland; auch solle man ›harte Massnahmen gegenüber Moskau auf dem Tisch
haben, falls Russland sich dagegenstellen würde.‹ Ferner
solle die EU auf dem für den 9. September 2008 mit der Ukraine anberaumten Gipfel
›besondere Verpflichtungen für die Ukraine eingehen
und das Recht auf eine zukünftige EU-Mitgliedschaft anerkennen; des weiteren sollte
sie sich auf liberalere Visumvorschriften einigen, eine [militärische]
Solidaritätsklausel zur Wahrung der territorialen Einheit der Ukraine anbieten
und darauf hinarbeiten, die
Ukraine in den Energiemarkt der EU einzubinden.‹ Darüber hinaus hiess es, dass die EU auch Moldawien, das an die Ukraine grenzt, auf
längere Sicht eine Mitgliedschaft in Aussicht stellen solle. Gleichzeitig
erging die Forderung an die EU, Soldaten für eine neue Friedenstruppe in den
beiden Gebieten bereitstellen. Zu jenem Zeitpunkt hatte Russland Abchasien und
Südossetien noch nicht anerkannt. Zwar hiess es in dem Bericht, dass ein hartes
Vorgehen gegenüber Russland kontraproduktiv wäre, doch tatsächlich, vermerkte
hierzu ›Strategic Alert‹, ist das
vorgeschlagene Vorgehen provokant resp. hinterhältig - in typischer Manier der
britischen Empire-Politik in der EU.
[1]
Der Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir,
einer der ersten Bundestagsabgeordneten türkischer Herkunft, Mitglied der
Atlantik-Brücke und Gründungsmitglied von Soros' ECFR, hatte 2004 den gegen
Putin gerichteten aggressiven offenen Brief, den die neokonservative Denkfabrik
PNAC [Project for the New American Century] an die Staatsoberhäupter und
Regierungschefs der NATO und der EU richtete, mit unterzeichnet, dies als Teil einer geopolitischen
Destabilisierung Eurasiens. Soros hatte
in den 1980er Jahren die polnische ›Solidarnosc‹-Bewegung sowie die
tschechoslowakische ›Charta 77‹ unterstützt und in den
vergangenen Jahren unter anderem prowestliche Umsturzbewegungen in den Ländern
der GUS [Georgien 2003, Ukraine 2004] gestärkt. Mittels der Finanzierung des European
Council on Foreign Relations bemüht er sich um Einfluss auf die Ausgestaltung
der künftigen EU-Aussenpolitik.
Seit dem
inneren politischen Zusammenbruch der Sowjetunion vor nahezu zwei Jahrzehnten, schrieb
der ehemalige stellvertretende US-Finanzminister Paul Craig Roberts im August
2008, gibt es keine Begründung mehr für die NATO. So wie das National Endowment
for Democracy [NED] wurde auch die NATO von den Neokons zu einem weiteren
Werkzeug für die US-Weltherrschaft umfunktioniert. Die auf Präsident Reagan
folgenden US-Regierungen hatten die Übereinkommen, die Reagan mit Michail
Gorbatschow, dem letzten Führer der Sowjetunion, getroffen hatte, verletzt und
ehemalige Teile des sowjetischen Imperiums in die NATO aufgenommen. Es
war Reagan, der das Ende des kalten Krieges mit Gorbatschow
ausgehandelt hatte. Und es war Richard Holbrooke, damals stellvertretender
Aussenminister und Botschafter der Clinton-Administration, der die
NATO-Erweiterung durchsetzte und die Militärallianz im Gegensatz zu Reagans
Versprechen gegenüber Gorbatschow an der russischen Grenze stationierte.
Indessen vereitelten westeuropäische NATO-Mitglieder die Aufnahme Georgiens, da
sie dies als provokativen Affront gegen Russland, von dessen Erdgas Westeuropa
abhängig ist, begriffen. Die Neokonservativen waren von Reagan aus dem Amt
entfernt worden; ihr Ziel jedoch, Russland mit einem feindlichen Militärgürtel
einzukreisen, ist immer wieder proklamiert worden und das NED ist heute ein von
den Neokons kontrollierter Akteur für die US-Weltherrschaft.
Nun hat
die Ukraine seit Ende des 18. Jahrhunderts einen wichtigen Teil Russlands und
danach der Sowjetunion gebildet. Darüber hinaus ist die russische
Schwarzmeerflotte, die im Schwarzen Meer und im Mittelmeer operiert, in
Sewastopol auf der Halbinsel Krim stationiert, was auf einem Mietvertrag mit
der Ukraine basiert. Die Krim mit ihrer überwiegend russischsprachigen
Bevölkerung galt als eine Hochburg der Kritik am Westkurs von Viktor
Juschtschenko, der 2004 lediglich dank der Soros-Millionen an die Macht
gelangte und in seiner Regierungszeit die guten Beziehungen zwischen der
Ukraine und der NATO bekräftigte. Fünf Jahre nach der
Orangenen Revolution wurden dann Juschtschenkos
Versäumnisse hervorgehoben: Der
versprochene Wohlstand hatte trotz wirtschaftlichen Aufschwungs auf sich warten
lassen, während einige Oligarchen unvorstellbar reich wurden. Die Mehrheit der
Ukrainer blieb arm und auf ein marodes Gesundheits- und Rentensystem
angewiesen.
Die EU, Briten und Vertreter der Obama-Regierung, legt Rachel Douglas in
ihrem Artikel in der ›Executive Intelligence
Review‹ dar, wollen die Machtprobe mit Russland. Schaut man sich die Aktivitäten von NGOs in der
Ukraine seit der von George Soros im Dezember 2004 gesponserten Orangenen
Revolution an, so tauchen mehrere neue Elemente auf, die nichts Gutes ahnen
lassen. In diesem Zeitraum setzte die EU mit ihrem Projekt der Östlichen
Partnerschaft alles Mögliche in Gang, um die Ukraine und fünf weitere frühere
Sowjetrepubliken voll und ganz unter das Freihandelsdiktat der ›Troika‹ - EU-Kommission,
Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds - zu bringen, das
Ausplünderungsschema, das die ukrainische Regierung jetzt zurückgewiesen hat.
Die Östliche Partnerschaft war im Dezember 2008 in Gang gesetzt worden, kurz
nachdem Russland den georgischen Angriff auf Südossetien zurückgeschlagen
hatte. Für diesen Angriff zeichnete der damalige georgische Präsident Michail Saakaschwili verantwortlich; dieser tauchte jetzt in Kiew
auf, um die Oppositionsdemonstrationen zu unterstützen. Von Anfang an war die
Östliche Partnerschaft der EU-Kommission in den betroffenen Ländern mit den
Aktivitäten von NGOs gekoppelt, mit einem ›Eastern Partnership Civil
Society Forum‹ als koordinierende Instanz. [2]
Wie der
Politikwissenschaftler Wolfgang Effenberger u.a. festhält, hat die graue
Eminenz der demokratischen Präsidenten seit Carter und nunmehriger
aussenpolitischer Berater Barack Obamas, der Grossmeister der Geostrategie
Zbigniew Brzezinski, in seinem 2007 erschienenen Buch ›Second
Chance‹ den Regierungen Bush I, Clinton und Bush II vorgeworfen, dass es diesen
nicht gelungen sei, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein System
dauerhafter amerikanischer Vorherrschaft zu errichten. Nun sei es an der Zeit,
verstärkt auf Kooperationen und Absprachen mit Europa und China zu setzen;
Russland solle so isoliert und möglicherweise auch destabilisiert werden. Das
Scheitern der von Brzezinski 1997 formulierten Pläne einer US-Vorherrschaft in
Eurasien soll durch eine von Europa ausgehende Osterweiterung der NATO
kompensiert werden: Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wird befürwortet; dagegen
wird das russische Bemühen, Einfluss in der Ukraine zu bewahren, als
Imperialismus gebrandmarkt. So hatte
auch US-Vizepräsident Joseph Biden schon im Juni 2009 die Bedeutung des Kosovos
für die USA betont; Biden unterstrich die Unabhängigkeit des Landes als
»unumkehrbar«. Die USA benötigen ein »unabhängiges« Kosovo, um dort ihren mit
viel Geld aufgebauten Stützpunkt Camp Bondsteel langfristig zu nutzen. [3]
Seit der ukrainische
Präsident Wiktor Janukowitsch beim EU-Gipfeltreffen in Vilnius am 21. November
erklärt hat, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU, das das
Land näher an die Europäische Union herangeführt hätte, nicht zu unterzeichnen,
halten die Proteste nahezu unvermindert an. In einer merkwürdigen Demonstration
von Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Landes, schreibt
F. William Engdahl, reisten Victoria Nuland, die ehemalige US-Botschafterin bei
der NATO, und mehrere EU-Politiker nach Kiew, wo sie mit öffentlichen Äusserungen
versuchten, die Ukraine zum EU-Beitritt zu bewegen. Dahinter verbirgt sich ein
riesiges, von Washington inszeniertes geopolitisches Spiel, die Ukraine
aus ihrer historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bindung an das
Nachbarland Russland zu lösen. Es sieht alles genauso aus wie die
US-organisierte Orangene Revolution von 2004, durch die ein NATO- und
EU-freundlicher Präsident ins Amt gebracht wurde. Nur kann Russland dieses Mal
ganz andere Karten ausspielen. [4]
Laut ›German Foreign Policy‹ geht die Bezeichnung Orangene Revolution
offenbar auf Paul Rohrbach, ein im aussenpolitischen Establishment Berlins
durchaus einflussreicher Publizist, zurück. Dieser verglich, wie sich einer
seiner Mitarbeiter später erinnerte, Russland immer wieder mit einer Orange: »Wie
diese Frucht aus einzelnen leicht voneinander lösbaren Teilen besteht, so
besteht auch das russische Reich aus seinen verschiedenen Gebietsteilen:
Baltische Provinzen, Ukraine, Polen usw.« Es genüge vollkommen, diese
Gebietsteile »von einander abzulösen und ihnen eine gewisse Autonomie zu
geben«,
dann werde es »ein Leichtes sein, dem russischen Großreich ein Ende zu
bereiten«. Als
Rohrbach 1952 zum Ehrenpräsidenten der wieder gegründeten Deutsch-Ukrainischen
Gesellschaft ernannt wurde, schrieb er
- unter den Bedingungen der Systemkonfrontation - man müsse, wolle man sich gegen die
sozialistischen Staaten durchsetzen, die »Entbindung der zentrifugalen Kräfte
innerhalb der Sowjetunion« fördern. »Die stärkste dieser zentrifugalen Kräfte sei das
nationale Selbstbewußtsein des ukrainischen
Volkes mit seinem Willen zur eigenen Staatlichkeit.« Durch
Unterstützung des ukrainischen Nationalismus könne man perspektivisch »zu einer
fortschreitenden inneren Erschütterung der Sowjetmacht gelangen und vielleicht
eines Tages, wenn andere günstige Umstände hinzutreten, zu ihrem Zusammenbruch.« Dieser
Zusammenbruch trat 1991 ein; seitdem arbeitet Berlin systematisch daran, die
Ukraine dauerhaft und exklusiv in seine Hegemonialsphäre einzubinden. Das
aktuelle geopolitische Spiel um das EU-Assoziierungsabkommen ist mit all seinem
›expansiven Ehrgeiz‹, so Theo Sommer, ehemaliger Leiter
des Planungsstabs im Bundesministerium für Verteidigung und langjähriger
Herausgeber der ›Zeit‹, der jüngste Schritt in dem alten
Machtkampf um das Zwischenland Ukraine zwischen den Machtpolen Moskau und
Berlin. [5] »Die
Ukraine«, erklärt ›GFP‹, »ist traditionell stets von
russischen Erdgaslieferungen abhängig gewesen; dies hat es Moskau ermöglicht,
beträchtlichen Druck auf Kiew auszuüben. Unerwartet hat nun der Schiefergas-Boom
in der USA Berlin und Brüssel neue Optionen eröffnet. Da die Vereinigten
Staaten seit kurzem riesige Mengen Schiefergas auf den Markt werfen und
gleichzeitig immer größere Volumina an Flüssiggas [etwa aus Katar] zur
Verfügung stehen, kann Weltmarkt-Erdgas mittlerweile zu günstigen Preisen über
Westeuropa in die Ukraine gepumpt werden: mit bestehenden Pipelines, durch die
bislang Westeuropa russisches Erdgas erhielt. Das ist auch deswegen möglich,
weil russische Lieferungen seit einigen Jahren auch durch die Nordsee geleitet
werden [Ostsee-Pipeline/Nord Stream]. Unter Beteiligung deutscher Konzerne wird
die Ukraine seit letztem Jahr tatsächlich mit Erdgas aus dem Westen versorgt,
zunächst vor allem über polnische und ungarische Röhren. Jetzt steht zusätzlich
eine Übereinkunft zwischen der Ukraine und der Slowakei bevor, die die
Abhängigkeit der Ukraine von russischem Gas endgültig brechen soll. Bratislava
hatte sich lange strikt geweigert, in die geostrategischen Machtkämpfe zwischen
Berlin und Moskau hineingezogen zu werden, mußte nun jedoch auf Druck der EU hin
nachgeben. Ab Mitte 2014, heißt es, werde der deutsche RWE-Konzern die Ukraine
auch über slowakische Pipelines beliefern.« [6]
Auch Theo
Sommer zufolge handelt es sich bei dem Machtkampf um Kiew, der dem westlichen
Publikum mit grossem Gestus als Kampf um die ›Selbstbestimmung‹
präsentiert wird - wie dies auch F.
William Engdahl erklärt hat - in
Wahrheit lediglich um ein grosses geopolitisches Spiel. Sommers Hinweis auf die
Geopolitik ruft in Erinnerung, dass der Machtkampf um die Ukraine von
Deutschland im Zuge seiner stets weiter voranschreitenden Ostexpansion seit
mehr als hundert Jahren immer wieder geführt worden ist. Im Frühjahr und Sommer
1918 war es dem Deutschen Reich gelungen, die Ukraine in seine Hegemonialsphäre
einzuverleiben. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg setzten deutsche
Strategen ihre Bemühungen mit gleichem Ziel fort. Kontinuitäten reichen bis in
die jetzige Bundesrepublik. »Es geht dabei um zwei grundsätzliche Fragen«, so
Sommer: »Wo
soll die östliche Grenze der EU liegen, wo die westliche Grenze des russischen
Einflussgebiets? ..… Soll die EU wirklich bis Armenien und Georgien reichen?«, fragt
Sommer, der seine Skepsis gegenüber der offiziellen Berliner Politik nicht
verhehlt: »Wären
da nicht Freihandelsabkommen, denen kein expansiver Ehrgeiz aus allen
Knopflöchern stinkt, der bessere Weg der Assoziierung?« Bei
alledem sei »das
Zwischenland der Ukraine (...) der größte Zankapfel«. Es
wird sowohl von Russland als auch von Deutschland und der EU als ihr jeweiliges
nahes Ausland betrachtet. Sommer spricht sich für einvernehmliche
Einflussabsprachen zwischen der EU, Russland und der Ukraine aus - in klarem
Gegensatz zur offiziellen Berliner Aussenpolitik. [5] Mitte
Mai dieses Jahres hatten deutsche Regierungsberater vor einem geostrategischen
Schwenk der Ukraine zurück zu einer engeren Anbindung an Russland gewarnt. Es
mache sich die Befürchtung breit, das Land könne in die russische Hegemonie
abdriften, hatte ein Experte der vom Kanzleramt finanzierten Stiftung ›Wissenschaft und Politik‹ [SWP] erläutert. Heute, erklärte unlängst der
Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, wolle
man das Land, das sich 1991 zum wiederholten Male von Moskau getrennt hat,
keinesfalls an Russland verlieren, »aus geopolitischen Gründen nicht,
aus wirtschaftlichen nicht, und auch aus historischen Gründen nicht.« [7]
Zu den
Stimmen, die den Demonstrationen in der Ukraine geopolitische Gründe zuschreiben,
zählt auch der US-Autor Peter Schwarz: Auch für ihn geht es nicht um einen
Kampf um die Demokratie, wie die europäische Presse darzulegen bemüht ist,
sondern um einen Konflikt geostrategischer Natur, mit dem Ziel, den russischen
Einfluss zurückzudrängen und die Ukraine der Beherrschung durch die EU,
Deutschland und die NATO zu unterwerfen. Es geht um den neuerlichen Versuch,
die Kornkammer des russischen Empires der EU unterzuordnen. Ein Blick auf die
politische Führung der Proteste enthüllt ihren reaktionären Charakter: Sie
werden von drei Parteien angeführt, von denen zwei enge Beziehungen zum
konservativen Lager der EU aufweisen, während die dritte Partei offen
faschistisch ist. Während US-Aussenminister John Kerry die ukrainische
Regierung dazu dränge, auf die Stimme des Volkes zu hören, verlange NATO-General
Anders Fogh Rasmussen, dass diese die Versammlungsfreiheit sowie die freie Rede
garantiere. Indessen verteidigt die deutsche Regierung, die gerade neue
Verfahren gegen die NDP eingeleitet hat, das Demonstrationsrecht ukrainischer
Faschisten. [8] Der bereits erwähnte Elmar Brok kam ebenfalls
auf die Ukraine als Kornkammer zu sprechen. Bei einer Brüsseler
Adenauer-Veranstaltung mit Vitali Klitschko im März dieses Jahres äusserte er sich recht offen darüber, wieso Berlin ein derart starkes Interesse an der Ukraine
hat: Diese sei nun einmal ein Land mit grossen wirtschaftlichen Möglichkeiten,
mit einer gut ausgebildeten Bevölkerung und mit guten landwirtschaftlichen
Voraussetzungen. An Russland, das sich ebenfalls intensiv um die Ukraine
bemühe, wolle man diesen zentralen Staat Osteuropas keinesfalls verlieren. Die ›Kornkammer Europas‹, so habe er das
»in
der Schule über die Ukraine gelernt«, gehöre »eben
nach Europa«.
Brok knüpft damit explizit an Begrifflichkeiten an, die die deutsche
Ukraine-Politik schon im Ersten Weltkrieg prägten. [9]
Die militärische
Seite der Integration Einem
Bericht von ›GFP‹ zufolge hatte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bereits zu
Beginn dieses Jahres gemeinsam mit dem Kiewer ›Center for Army, Conversion and Disarmament Studies‹ eine ausführliche Analyse über eine
künftige Security-Kooperation zwischen der EU und der Ukraine publiziert. Darin
heisst es, dass es mit der Zeit immer offensichtlicher geworden sei, dass die
Integration in die EU nicht nur bedeute, lediglich ökonomische und
soziopolitische Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, sondern dass es
unzweifelhaft auch um die Integration der Ukraine in die Sicherheitskomponente
der EU, genauer: in die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik [GSVP]
gehe. Wie die Autoren der Analyse in Erinnerung rufen, ist die geplante
Einbeziehung der Ukraine in die GSVP in der ›EU-Ukraine Association Agenda‹
beschrieben worden; deren jüngste Fassung wurde am 24. Juni 2013 in Luxemburg
verabschiedet. Das Dokument sieht regelmässige Konsultationen der EU und
der Ukraine zum Krisenmanagement vor. Des weiteren sollen konkrete Aktivitäten
zur Kooperation zwischen ukrainischen Institutionen und Einrichtungen der GSVP ermutigt werden, etwa
Kooperationen mit dem ›European
Security and Defence College‹ oder
auch der ›European Defence Agency‹. Auch müssten Gelegenheiten für die
Ukraine gesucht werden, an laufenden oder künftigen GSVP-Interventionen
teilzunehmen. Dazu sollten vergangene gemeinsame Operationen evaluiert werden,
etwa die ukrainische Beteiligung an der ›European
Union Police Mission‹ in
Bosnien-Herzegowina. Militärisch und militärpolitisch hat die Ukraine in der
Vergangenheit regelmässig mit der NATO kooperiert, zu der sie seit 1991
offizielle Beziehungen unterhält. 1994 trat sie der NATO-Partnership for Peace
bei; 1999 eröffnete das westliche Militärbündnis ein Verbindungsbüro in Kiew.
In der Amtszeit von Viktor Juschtschenko strebte die Ukraine sogar den Beitritt
zur NATO an, was jedoch nicht zuletzt an deutschem Widerstand scheiterte. Die Streitkräfte der Ukraine führen gemeinsam
mit der NATO nicht nur Manöver durch -
wie etwa die Übung ›Sea Breeze‹, die seit 1997 regelmässig am
Schwarzen Meer abgehalten wird - sondern
ukrainische Soldaten wurden, wie die Analyse der Adenauer-Stiftung festhält,
auch in NATO-Einsätze entsandt, etwa in das Kosovo und nach Afghanistan, wo sie
vorwiegend an der Seite litauischer und polnischer Militärs operieren. Seit
2007 beteiligt sich die Ukraine ausserdem an der NATO-Operation ›Active Endeavour‹, die der Kontrolle des Mittelmeers dient. Mittlerweile ist sie
auch in die NATO-Anti-Piraterie-Operation ›Ocean
Shield‹ involviert. Jenseits des
Nutzens für deutsch-europäische Kriege weisen US-Spezialisten darauf hin, dass
die militärpolitische Anbindung der Ukraine an die EU und ihre Loslösung von
Russland strategisch eine hohe Bedeutung hat: »Für Russland ist die Zukunft der
Ukraine eng an seine eigene Zukunft gebunden«, urteilt der private US-Geheimdienst ›Stratfor‹. Die Ukraine sei »ein Gebiet, das tief im Herzen Russlands liegt«; im
Falle eines »Verlusts
der Ukraine aus seiner Einflusssphäre sei Russland nicht mehr zu verteidigen«. Zu den
aktuellen Massendemonstrationen, die nicht nur von Berlin, sondern auch von
Washington unterstützt werden, heisst es bei ›Stratfor‹: »Für die
Vereinigten Staaten ist die Unterstützung politischer Kräfte in der Ukraine der
wirksamste Weg, gegen Russland zurückzuschlagen.« Moskau
habe Washington in jüngster Zeit mehrere Niederlagen beschert, so in Syrien
oder in der Affäre um Edward Snowden. »Die US-Unterstützung für die
Protestbewegungen in der Ukraine ist daher ein Weg, Russland in seiner eigenen
Region zu binden und von einer Offensive gegen die USA abzuhalten«,
urteilt ›Stratfor‹.
[10]
Nicht
umsonst legt Helga Zepp-Larouche dar,
dass es bei den langjährigen Anstrengungen der USA und der EU, die Ukraine
baldmöglichst in die EU und ebenso in die NATO zu integrieren, darum geht, »die Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland bis zu
dem Punkt voranzutreiben, an dem Rußland praktisch wehrlos wird. Es geht bei
der Ukraine um brutale Geopolitik. Durch das Wegbrechen der Ukraine von
Rußland, mit dem es durch vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen verbunden
ist, soll eine wirtschaftliche Erholung Rußlands verhindert werden. Die
Ukraine, die über beträchtliche industrielle und landwirtschaftliche
Kapazitäten verfügt, soll zum Nutzen der Großkonzerne den gleichen
Freihandelsmethoden unterworfen werden, wie dies auch für die geplante TAFTA
anvisiert ist, d.h. die weitgehende Ausschaltung jeglicher Rolle des Staates
beim Schutz des Gemeinwohls seiner Bürger zugunsten des maximalen Profits der
großen Player der Kasino-Wirtschaft. Aus dem gleichen Grund hat das russische
Militär wiederholt und unmißverständlich betont, daß die Installation des
amerikanischen Raketenabwehrsystems in Osteuropa nicht akzeptabel sei, weil es
die strategische Zweitschlagskapazität, mit der Rußland auf einen atomaren
Erstschlag der USA oder der NATO reagieren könnte, ausschalten würde. Wer
jemals auf die Landkarte geschaut hat, wird ohnehin nicht geglaubt haben, daß
diese Systeme in Polen und Tschechien gebaut werden, um die Gefahr von Raketen
aus dem Iran abzuwehren, denn dann hätte die USA das Angebot Rußlands annehmen
können, eine gemeinsame Raketenabwehr in Südrußland und Aserbaidschan
aufzubauen. Als es deshalb bei den Genfer 5+1-Verhandlungen zu einer möglichen
Einigung mit dem Iran kam, argumentierte der russische Außenminister Lawrow sofort,
daß das Raketenabwehrsystem in Osteuropa ja nun nicht mehr notwendig sei und
versäumte somit nicht die Gelegenheit, auf den Bluff hinzuweisen. ….. Nicht als gleichberechtigter Partner ist
die Ukraine im Umfeld der EU erwünscht, sondern als Rohstofflieferant auf
Dritte-Welt-Niveau und als neues Terrain für die Heuschrecken. Und nicht nur
für die französische Landwirtschaft wäre die Assoziierung der Ukraine ein
Desaster. Wenn die ukrainische Regierung nun dem massiven Druck seitens der
schon wieder einmal mit Sanktionen drohenden EU und USA nachgeben und dem
Assoziierungsabkommen mit der EU doch noch beitreten sollte, dann bedeutete
dies, daß es zu einem neuen Griechenland an der russischen Grenze zu werden
droht, und zusätzlich in einen internen Krieg - zwar nicht in einen Bürgerkrieg, sondern in
irreguläre Kriegsszenarien - gestürzt
werden könnte.«
[11]
Der
amerikanische Staatsmann Lyndon LaRouche wies vor kurzem darauf hin, dass die gegenwärtige
EU mit ihrer imperialen monetaristischen Politik nichts mehr anderes zu bieten
habe als die Zerstörung der Realwirtschaft und des Lebensstandards der Bevölkerung.
Er sehe daher die Möglichkeit, dass diese Realität Nationen wie Deutschland,
aber auch Österreich und die Schweiz, dazu ermutigen werde, dem untergehenden
EU-System den Rücken zu kehren und sich dahin zu orientieren, wo es für sie
eine wirtschaftliche Zukunft gibt, nämlich nach Eurasien.
[1] http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1034 4. 10. 2008 Nach Georgien: Vorstoß für eine
Krise in der Ukraine
[2] http://www.bueso.de/node/6904 11. 12. 13
»Ukraine: Briten, EU und Vertreter der
Obama-Regierung wollen die Machtprobe mit Russland« – Von Rachel Douglas
[3] http://info.kopp-verlag.de/news/und-morgen-ganz-eurasien-der-ausbau-der-us-brueckenkoepfe.html 18. 11. 09
Und morgen ganz Eurasien – der Ausbau der US-Brückenköpfe - Wolfgang
Effenberger; Zbigniew Brzezinski,
Second Chance. Three Presidents and the Crisis of American Superpower. New York
2007
[4] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/sind-die-proteste-in-der-ukraine-eine-neuauflage-der-us-farbenrevolution-.html 10. 12. 13
Sind die Proteste in der Ukraine eine Neuauflage der
US-Farbenrevolution? Von F. William Engdahl
[5] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58751 6. 12. 13
Expansiver Ehrgeiz
[6] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58744 27. 11. 13
[7] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58328 15. 5. 12 Zwischen
Moskau und Berlin (II)
[8] http://www.globalresearch.ca/the-struggle-for-ukraine-protests-made-in-germany-america-and-the-eu/5360501 December 6, 2013 The Struggle for Ukraine – Protests Made in
Germany, America and the EU by Peter Schwarz
[9] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58327 14. 5. 12
Der Schlag des Boxers
[10] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58755 11. 12. 12 Die
militärische Seite der Integratio[11]
http://www.bueso.de/node/6909 14. 12. 13
Merkels Spiel mit dem Dritten Weltkrieg: Worum es in der Ukraine
wirklich geht – Von Helga Zepp-LaRouche
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