Direkte Demokratie auf der Abschussliste 30.11.2014 21:32
Funktionäre, die sich gerne in abgehobenen internationalen Politzirkeln tummeln,
schätzen
die Direkte Demokratie überhaupt nicht. Die Möglichkeit, jemand könnte mit einem
verbindlichen Nein ihre bürokratieaufblähenden Pläne und Aktivitäten
durchkreuzen, verursacht ihnen schlaflose Nächte.
Nationen
gibt es auf dieser Welt seit Jahrhunderten. Nationen, die im Lauf der Zeit
jeweils ihren eigenen Charakter zur Entfaltung gebracht haben und die, wenn
auch oft auf von Gewalt begleiteten Umwegen, mit der Zeit Kräfte des Mit- oder
Nebeineinanderauskommens entwickelt haben, die heute wesentlich zur Stabilität
ganzer Weltregionen und Erdteile beitragen. Viele Nationen schwören - nicht immer ganz freiwillig - auf einen zentralistischen Staatsaufbau mit
mehr oder weniger straffer Verwaltung von oben nach unten. Andere haben eine dezentralisierte
Entscheidfindung durchgesetzt und möchten von ihrem System nicht mehr
abweichen. In verschiedenen Staaten hat man sich an Zweiparteien-Systeme mit
klarer Abgrenzung zweier weltanschaulich unterschiedlicher Parteien gewöhnt.
Andere Staaten ziehen Koalitionen aus Vertretern mehrerer Parteien für die
Regierungstätigkeit vor. Jedenfalls herrscht eine Vielfalt, wobei jedes System
seine Anhänger und seine Gegner hat. Gegensätze werden indessen nicht
gewalttätig, sondern in Wahlkämpfen ausgetragen; Entwicklungen und
Veränderungen sind möglich, nichts ist in Erz gegossen. Daneben gibt es ein Land,
einen Kleinstaat, der für sich das System der Direkten Demokratie entwickelt
und ausgestaltet hat. Tatsächlich liegt in diesem Kleinstaat das letzte
verbindliche Wort zu allen wichtigen politischen Fragen bei den Bürgern selbst,
was die Volkssouveränität aufzeigt. Insgesamt existiert diese Vielfalt von
Staatsformen friedlich mit- und nebeneinander, was den freien Wettbewerb der Ideen gestattet, eine nicht
unwesentliche Voraussetzung dafür, dass gewählte Systeme nicht erstarren.
Widerstand Aber
es gibt Kreise - genauer, es gibt eine
rasch wachsende Kaste - der diese
Vielfalt, dieses Nebeneinander unterschiedlicher Systeme überhaupt nicht in den
Kram passt. Diese hat sich das ›nation building‹ als Aufgabe auf die Fahne geschrieben, so, als würden Nationen noch
gar nicht existieren; und ›social engineering‹ sei, sagen sie, ihr Geschäft - als wären diese
Staaten vom konstruktiven Miteinander ihrer Bürger noch Lichtjahre entfernt. Hinter
dem Hang zu geschwollener Wortwahl mit programmatischem Charakter verbirgt sich
freilich Entscheidendes: Diese Kaste, ›die Internationale der
Staatsfunktionäre‹, hat sich dem Dogma unbedingter
Gleichschaltung aller Systeme und der darin lebenden Menschen verschrieben. Wobei
das Teilwort ›Staat‹ in diesem Zusammenhang
lediglich darauf hinweist, aus wessen Kassen sich diese Staatsfunktionäre
reichlich und rücksichtslos zu bedienen pflegen ….
Verbissen
arbeiten sie an der Beseitigung jeglicher Vielfalt ›Harmonisierung‹ heisst ihr Gleichschaltungsevangelium. Einige Erfolge können sie
bereits vorweisen: Der Euro, die Vereinheitlichung der Währung über halb Europa
ist ihr Werk, und mit Hilfe der Einheitsmeinungen verbreitenden Medien ist es
ihnen auch gelungen, die alles umfassende
- teilweise bereits alles erwürgende -
Hochbesteuerung zur europäischen Tugend zu erklären, auf dass die
Kassen, aus denen sich besagte Funktionäre ein luxuriöses Dasein leisten, ja
nie ihren Boden sichtbar werden lassen. Unbeirrbar arbeiten sie an der
Ausmerzung aller ›Sonderfälle‹, denn diese sind des
Teufels, weil sie die Eigenverantwortlichkeit der Bürger zulassen, was den
Bedarf an weiteren Funktionären begrenzt. Die Direkte Demokratie, die auf der
Selbstverantwortung der Bürger, die die Explosion der Steuerlasten verhindert
hat und sich der Gleichschaltung in Europa entzieht, aufbaut, sie steht ganz
oben auf der Liste der schleunigst abzuschiessenden Relikte aus den Zeiten der
Vielfalt. Dies umso dringender, als dieses direktdemokratische Land blüht wie
kein zweites in Europa. Nicht Wohlstand ist das Ziel der Funktionäre: ihr Programm
heisst Gleichschaltung, egal, welche Konsequenzen daraus auch immer hervorwuchern…..
Einen
Frontalangriff
auf die Direkte Demokratie wagen allerdings selbst diese Funktionäre noch
nicht; so beschränken sie sich vorerst aufs sorgenvolle Stirnrunzeln, wobei sie
einräumen, dass die Direkte Demokratie ja durchaus ordentlich funktioniert
hätte, solange es ums lokale Schützenhaus, um die Trottoirbreite auf
Nebenstrassen, um die Entschädigung lokaler Behörden, um die Bestellung örtlich
amtierender Friedensrichter, gegangen sei. Indessen seien die Mitbestimmer über
ortsübliche Angelegenheiten im ›Zeitalter der Globalisierung‹ im Hinblick auf die sich zunehmend global auftürmenden Probleme ›hoffnungslos überfordert‹. Möge man es auch
bedauern, so müsse man dennoch einräumen, dass Regieren unter der Fuchtel von ›Schwarmintelligenz‹
- so der Tages-Anzeiger vom 22. November - heutzutage undenkbar und »für die Gesellschaft unzumutbar« geworden sei. Heute sei ›Fachkompetenz‹ gefordert, welche man sich nur auf speziellen Hochschulen für
moderne Verwaltungstechnik aneignen könne. Wer dort nicht bestanden habe, wer
im engen Horizont lokaler Bagatell-Auseinandersetzungen stehen bleibe und sich
tatsächlich noch dem Glauben hingebe, im Zeitalter der Globalisierung sei eine allumfassende
Personenfreizügigkeit noch zu verhindern, der sei zum ›Mitentscheiden im Grossen‹ durch und durch
untauglich. Auf diese Weise polemisieren sie munter gegen die als ›Schwarmintelligenz‹-Staatsform diffamierte Direkte Demokratie
und glauben, damit vergessen zu machen, dass sie es waren und sind, die
Europa mit dem Euro in den Ruin treiben, die die Goldreserven der Schweiz
verspielt haben, die den Völkern die ungehinderte Masseneinwanderung und eine daraus
resultierende Explosion aller Sozialkosten bescheren, was allen Staaten, die
sich ihrer Fuchtel unterworfen haben, nicht mehr auffüllbare Schuldenlöcher
hinterlassen hat, usw.
Der neue
Absolutismus Dass
ihr Aktivismus laufend neue Metastasen hinterlässt, schert die Kaste dieser
Funktionäre nicht im geringsten. Denn längst haben sie durchgesetzt, dass man
sie als angeblich unentbehrlich auch für die Administration von Niedergang und
Ruin heranzieht - selbstverständlich mit Spitzensalären. Sie kämpfen um die
Macht, und ihr Machtanspruch ist absolut. Das Zeitalter des Absolutismus erlebt
eine Renaissance. Es ruht allerdings nicht wie im 17. und 18. Jahrhundert auf
dem Gottesgnadentum. Zur Rechtfertigung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs
hat die Kaste der Funktionäre neue Religionen geschaffen. Es ist die
Abfall-Religion, die Energiewende-Religion, die Sozial- und die
Einwanderungs-Religion, aus denen sie ihren Anspruch auf eine Herrschaft jenseits
jeglicher demokratischer Kontrolle herleiten und an (zu) vielen Stellen auch
durchsetzen. [1]
An
diese Ausführungen schliesst sich sozusagen nahtlos der folgende Artikel an:
Wem dient die
Mannschaft im Bundeshaus? - Von Dr. iur. Marianne Wüthrich In der
Schweizer Polit- und Medienlandschaft werden in den letzten Jahren merkwürdige
Töne laut: Immer mehr Volksinitiativen seien «völkerrechtswidrig», und
überhaupt würden zu viele Initiativen ergriffen. Deshalb müsse das
Initiativrecht eingeschränkt werden. Die Vorschläge des Bundesrates, die
Initiativtexte einer inhaltlichen Vorprüfung durch die Bundesverwaltung zu
unterziehen oder die Ungültigkeitsgründe nach Einreichung der Initiative
auszudehnen, wurden bereits in der Vernehmlassung deutlich abgelehnt. [2] Dies zeigt, dass die Mehrheit der
Kantonsregierungen sowie der antwortenden Parteien und Verbände
erfreulicherweise gegen alle Sturmangriffe auf die direkte Demokratie standhaft
bleiben, wenn es darauf ankommt.
Die
jüngste Attacke auf unsere Volksrechte stammt von Annemarie Huber-Hotz. Die
Dame ist nicht irgend jemand: Sie war von 2000 bis 2007 Bundeskanzlerin. Die
Funktion des Schweizer Bundeskanzlers ist ähnlich wie diejenige eines
Gemeindeschreibers auf Gemeindeebene: Er unterstützt und berät die
Exekutivmitglieder und nimmt an deren Sitzungen teil; oft hat er den besten Überblick
über die Geschäfte. Der Bundeskanzler bekleidet also das wichtige Amt des
Stabschefs des Bundesrates, oft nennt man ihn deshalb den ›achten Bundesrat‹. Und
mit welcher Botschaft tritt die ehemalige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz
an die Öffentlichkeit? Die Dame tut in der Tagespresse kund, welche
Bürgergruppen ihrer Meinung nach künftig das Initiativrecht nutzen dürften und
welche nicht. Die Volksinitiative sei nämlich nicht für die ›Profilierung der Parteien‹ eingeführt worden, sondern für Minderheiten
ohne Stimme in Regierung und Parlament [Quelle: «Neue Luzerner Zeitung» vom 5.
November 2014]. Heute finde eine ݆bernutzung
der Volksrechte‹ statt, deshalb
müsse man den grossen politischen Parteien ein Initiativverbot verpassen.
Erstaunliche Worte aus dem Mund einer ehemaligen Schweizer Chefbeamtin, von der
wir Bürger eigentlich erwarten könnten, dass sie hinter den
direktdemokratischen Rechten der Bürger steht und dass sie die grundlegenden
Prinzipien des Rechtsstaates kennt. Die Behauptung, das Initiativrecht sei für
die eine oder andere Sorte von Schweizern eingeführt worden, ist ein starkes
Stück. In der Bundesverfassung ist das in einer Volksabstimmung angenommene
Initiativrecht seit dem Jahr 1891 das festgeschrieben. Selbstverständlich gilt es
für alle Schweizer Stimmberechtigten gleichermassen.
Ein
Initiativverbot für bestimmte Bürgergruppen wäre nun wirklich einmal ein klarer
Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), aber natürlich
auch für das Schweizerische Bundesgericht. Wenn das nicht gegen die
Rechtsgleichheit verstösst, können sich die Staats- und Menschenrechtsexperten
pensionieren lassen. ›Alle Menschen
sind vor dem Gesetz gleich‹,
bestimmt Artikel 8 Absatz 1 der Bundesverfassung. Das gilt auch für diejenigen
Bürger, die Mitglied einer politischen Partei sind. So weit wie A. Huber-Hotz
will der Direktor des Bundesamtes für Justiz (BJ), Martin Dumermuth, nicht
gehen. Von ihm stammen die denkwürdigen Worte: »Politisch starke Gruppierungen, die
im Parlament vertreten sind, setzen das Initiativrecht als Mittel der
Mobilisierung ein.« Zu diesem Zweck würden Initiativen pointierter formuliert
und häufiger angenommen – und seien damit schwieriger umzusetzen [Quelle: Neue
Luzerner Zeitung vom 5. November 2014]. Über derlei Äusserungen heutiger und
früherer Chefbeamter kann man nur den Kopf schütteln: Selbstverständlich nutzen
die politischen Parteien, aber auch Verbände wie zum Beispiel eine Gewerkschaft
oder eine Konsumenten- oder Umweltorganisation das Inititativrecht oder das
Ergreifen des Referendums – neben dem Sachanliegen, das den dahinter stehenden
Bürgern nicht abgesprochen werden darf! – zur ›Profilierung‹ und zur ›Mobilisierung‹. Das gehört zum Politik-Alltag und war auch vor 100 Jahren schon
so.
Dass
einige der neuesten eidgenössischen Volksinitiativen, wie die Ausschaffungs-,
die Verwahrungs- oder die Massenzuwanderungs-Initiativen, ›schwieriger umzusetzen‹
sind, wie der Direktor des BJ feststellt, ist Teil der Arbeit der Exekutive:
Bundesrat und Bundesverwaltung haben den verfassungsmässigen Auftrag, den
Volkswillen umzusetzen, ob dies nun schwierig ist oder nicht. Die Umsetzung
kann mit der Kündigung und der Neuverhandlung von Verträgen der Schweiz mit
anderen Staaten verbunden sein, was sicher nicht einfach ist. Aber, wie gesagt,
das gehört zum Job eines hochbezahlten Bundesrates oder Direktors eines
Bundesamtes. Noch ein Wort zum Fauxpas von Frau Huber-Hotz. Ihr Ärger ist nur
allzu verständlich: In den letzten Jahren wurden vom Souverän erstaunlich viele
eidgenössische Volksinitiativen angenommen, zum Teil solche, die von grossen
Parteien lanciert wurden, aber zum Beispiel auch die ›Abzockerinitiative‹,
die praktisch von einem einzigen Bürger ergriffen wurde. Im Gegensatz dazu hat
die Partei, deren Mitglied die Dame ist, meines Wissens noch nie eine
eidgenössische Volksinitiative zustande gebracht. Beim einzigen Versuch in
neuester Zeit, auch einmal direktdemokratisch aktiv zu werden, hat sie kläglich
versagt: Die Initiative ›Bürokratie-Stopp‹, im April 2012 mit der sehr knappen
Unterschriftenzahl von 100 649 eingereicht, wurde am 2. August
2012 von der heutigen Bundeskanzlerin, Corina Casanova, als ›nicht zustande gekommen‹ erklärt, weil sie nur 97 537 gültige Stimmen erzielte.
Weil die einen nichts
hinkriegen, sollen die anderen büssen? [3]
[1] Qsuelle: http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/schwarmintelligenz-2028 Der
aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 28. November 2014 Von Ulrich
Schlüer, Chefredaktor «Schweizerzeit»
[2] Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von
Völkerrecht und Landesrecht (Änderung der Bundesverfassung und des
Bundesgesetzes über die politischen Rechte): (…) Bericht über die Ergebnisse
der Vernehmlassung November 2013
[3] Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1955 Zeit-Fragen
Nr. 28 vom 18. 11. 2014
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